Die Sterne (Hermann Hölty)
Leise über Meer und Lande
Kommt die Nacht herangezogen,
Und es blicken See und Fluren
Mild empor zum Himmelsbogen.
Und das Auge hebt der Denker,
Sieht die Pracht des Sternenlichtes;
Im Bewußtsein stolzen Schaffens
Fragt er lächelnden Gesichtes:
„Sagt, was prunket ihr am Himmel?
Sterne, neigt euch vor der Erden,
Wo im Menschengeist am höchsten
Gott sich zeigt im ew’gen Werden!“
Halb im Sehnen, halb im Zagen
Schaut empor die Jungfraunblüthe:
„Sterne, gebt ihr nimmer Kunde
Unsrem ahnenden Gemüthe?
Seid ihr wirklich jene Welten,
Die den Seligen beschieden,
Wo die Lichtgestalten weilen
In der Liebe Gottesfrieden?“
Aber schweigend ziehn die Sterne
Fort in ihren ew’gen Kreisen,
Und die Winde und die Wellen
Singen ihre alten Weisen.
Und ein Kindlein blickt zum Himmel;
Freudig klatscht es in die Hände:
„Mutter, sieh die lieben Sterne,
Schön und schöner ohne Ende!“
Und die Sterne senden freundlich
Auf das Kindlein lichten Segen;
Wind und Wasserwoge rauschen
Sanfte Grüße ihm entgegen.