Die Tellerhäuser bei Wiesenthal

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Textdaten
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Autor: Johann Georg Theodor Grässe
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Titel: Die Tellerhäuser bei Wiesenthal
Untertitel:
aus: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 1. S. 432-433
Herausgeber:
Auflage: Zweite verbesserte und vermehrte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Schönfeld
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Quelle: Google-USA* und Commons
Kurzbeschreibung:
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502) Die Tellerhäuser bei Wiesenthal.
Poetisch beh. v. Ziehnert Bd. II, S. 139 sq.

Um das Jahr 1570 lebte zu Wiesenthal ein blutarmer, aber frommer und fleißiger Bergmann, Namens Teller, der bei einer Grube beschäftigt war, die auf einmal keine Ausbeute mehr gab und deshalb von ihrem Besitzer, einem reichen Geizhals, nicht mehr bebaut ward. Ebenso vergebens wie er von Letzterem seinen rückständigen Lohn zu bekommen gesucht hatte, sah er sich nach neuer Arbeit um, er hatte eine kranke Frau und drei Söhne zu Hause, allein er hatte kein Brod für sie und so mußte er nach und nach Alles, was er besaß, verkaufen. So kam der Ostermorgen heran und das Letzte, was noch zu Gelde gemacht werden konnte, war bereits weggegeben. Siehe da zog es ihn nach der Kirche und als er traurig an den Eingang derselben getreten war, kam es ihm vor, als sehe er sich im Festtagsgewande eine Stufe glänzenden Silbers auf der Schulter an der Kanzel stehen. Er rieb sich die Augen, wendete sein Gesicht ab, aber sobald er wieder auf jenen Punkt schaute, stand auch sein Doppelgänger wieder da. Er verließ endlich die Kirche, und auf dem Wege nach seinem Hause begegnete ihm ein wohlgekleideter Unbekannter, der ihm, als er von ihm befragt, warum er so traurig aussehe, seine Noth geklagt hatte, ein großes [433] Silberstück schenkte. Damit kaufte er die notwendigsten Bedürfnisse und begab sich nach Hause. Hier hatte er aber keine Ruhe, denn überall sah er das gehabte Gesicht vor sich und es kam ihm vor, als ziehe ihn sein Doppelgänger nach jener eben aufgegebenen Grube hin. Endlich konnte er nicht mehr diesem innern Drange widerstehen, daher kaufte er sich von dem noch übriggebliebenen Gelde von dem Bergmeister die Erlaubniß, in der auflässigen Grube zu bauen und fing eifrig an einzuschlagen. Allein seine zwei Hände brachten wenig vorwärts, der Tag verfloß und er war auf kein edles Metall gestoßen, schon war auch der zweite halb zu Ende und er machte eben Anstalt, sein letztes Stücklein Brod zum Mittagsmahl zu sich zu nehmen, als aus einem Loche im Gestein ein Mäuschen herauskroch und ungescheut die heruntergefallenen Brosamen auflas. Er ließ dasselbe ruhig gewähren, als es aber anfing auch sein Grubenlicht zu beknabbern, warf er sein Fäustel nach demselben. Statt daß aber die Maus davon getroffen ward, sprengte er ein starkes Stück Gestein los und siehe hinter demselben lag ein reicher Gang gediegenen Silbers zu Tage. Kaum wollte er seinen Augen trauen, allein er konnte nicht zweifeln, er eilte nach Hause um seine Familie mit der frohen Kunde zu erfreuen, und so ward er in wenigen Tagen aus einem armen Häuer ein reicher Bergwerkbesitzer, allein er vergaß darum seine frühern Leiden nicht, er blieb bis an seinen Tod einer der frömmsten und mildthätigsten Männer in der ganzen Gegend. Seinen drei Söhnen erbaute er von seinem Reichthum drei kleine Güter in einer wildromantischen Gegend zwischen Wiesenthal und Rittersgrün, die heute noch die Tellerhäuser genannt werden, sich selbst aber ließ er ganz so, wie er sich an jenem Ostermorgen in der Kirche gesehen hatte, im Sonntagsputze des Häuers in Holz aushauen und dies Bild zum Andenken in jener Kirche aufstellen, wo es noch zu sehen ist.