Die Tuchfabrik von Gebr. Zschille in Großenhain
Großenhain, in flacher Gegend, an dem Ufer der Röder und der einst lebhaften, jetzt aber verödeten Dresden-Berliner Straße gelegen, acht Stunden von Dresden, eine Stunde von dem Bahnhof bei Priestewitz und von der preußischen Grenze zwei Stunden entfernt, nimmt in industrieller Hinsicht eine hervorragende Stelle ein und wir begegnen in dieser Stadt einer großen Anzahl der ansehnlichsten Etablissements, die sich vorzüglich längs des Laufes der hinreichende Wasserkraft gewährenden Röder hinziehen. Dieselben beschäftigen sich zum größten Theil mit der Fabrikation von Tuchen, lassen aber auch andere Branchen nicht ganz unvertreten. Die Etablissements haben zum Theil palastartige Gebäude und sind nicht selten sehr weitläuftig.
DieTuchmacherei war überhaupt der Gewerbszweig, welcher in Großenhain schon in den frühesten Zeiten blühte und sich allgemeinen Ruf erwarb, denn die hier verfertigten Tuche waren berühmt wegen ihrer Güte und Dauerhaftigkeit, und von jeher denen des Auslandes, namentlich den in so hohem Ruf stehenden niederländischen Tuchen völlig gleichgeschätzt. Auch verdient noch bemerkt zu werden, daß im fünfzehnten Jahrhundert der Waidhandel hier blühte und es für ihn in der Stadt eine besondere Niederlage gab; ferner, daß hier von dem Advokat und Bergrath Barth das Hainer Grün und von dessen Sohn, dem Hof-Commissair Barth das sächsische Blau oder Neublau erfunden wurde. Mit Letzterem wird jetzt noch hier Handel getrieben, das Erstere aber an dem Ort seiner Erfindung längst nicht mehr gefertigt.
Zu näherer Betrachtung einiger der ansehnlichsten Etablissements uns wendend, wählen wir fürs Erste die Tuchfabrik der Gebr. Zschille.
Die zahlreichen Gebäude dieses Etablissements, welche auch durch ihren gefälligen, zum Theil großartigen Baustyl sogleich in das Auge fallen, liegen in der Meißner Vorstadt, an dem Ufer der ruhig dahin fließenden Röder und sind von einem großen, auf das geschmackvollste eingerichteten Garten umgeben, wo man plätschernde Springbrunnen, trauliche Gartenhäuschen, kühle Laubgänge, schattige Lauben und freundliche Blumenparthien findet. – Die Gebäude selbst bestehen in
- zwei Wohnhäusern, in deren einem – dem neueren – sich auch das Comptoir befindet;
- dem Wollsortirhaus mit Niederlage;
- den Färbereigebäuden;
- den Spinnerei- und Appreturhäusern;
- dem Preßhause;
- dem Weberhause für mechanische Weberei, welches in besonders geschmackvollem Styl erbaut und nach dem neuesten System eingerichtet ist; der großartige Maschinensaal wird durch Oberlicht beleuchtet;
- der Walke und
- den Trockenhäusern.
Außerdem befinden sich noch einige Gewächshäuser hier.
Das Etablissement beschäftigt sich lediglich mit der Fabrikation von Tuchen; und liefert dieselben hauptsächlich in feineren Qualitäten, welche ihren Absatz nach allen Richtungen hin, auch auf überseeischem Wege und auf Messen finden.
Die Fabrikate befanden sich auf den Industrieausstellungen zu Dresden, Leipzig, London, München und Paris und erhielten die Tuche folgende Preise:
- 1832 und wieder 1837 in Dresden die große silberne Medaille;
- 1845 in Dresden die große goldne Medaille;
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- 1850 in Leipzig die goldne Medaille;
- 1851 in London die Preismedaille;
- 1854 in München die Preismedaille und
- 1855 in Paris die Medaille erster Klasse.
Die zum Betrieb der Fabrik benutzte Wasserkraft beträgt sechzehn Pferdekraft und zwar ist es Turbine von Richard Hartmann; die Dampfkraft beträgt fünfundzwanzig Pferdekraft, ebenfalls Turbine aus genannter Fabrik.
Mit Einschluß der Comptoiristen werden hier fortwährend 150 Leute beschäftigt.
Besitzer des Etablissements sind die Herren Herrmann Zschille und Louis Zschille.
Als ihren Gründer nennt die Fabrik Herrn Johann Gottlob Heinrich Zschille, den Vater der jetzigen Herren Besitzer. Die jetzigen Inhaber wandelten die Fabrik zum großen, geschlossenen Etablissement um und datirt sich die allmälig fortschreitende Vergrößerung desselben von dem Jahre 1842 her.