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Die Zeiten. Zwei Blätter – Einleitung

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Sigismunda W. Hogarth’s Zeichnungen, nach den Originalen in Stahl gestochen/Zweite Abtheilung (1840) von Franz Kottenkamp
Die Zeiten. Zwei Blätter – Einleitung
Die Zeiten. Zwei Blätter – Erstes Blatt
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Die Zeiten.


Zwei Blätter.
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Die Zeiten.
(The Times.)




Einleitung.

Die Veranlassung, weßhalb Hogarth sich in die politischen Kämpfe seiner Zeit einließ, indem er sich nämlich gewissermaßen durch seine Würde als Sergeant painter, durch die mit dieser Würde verbundene Pension und durch Complimente des Hofes bestechen ließ, ist zugleich mit den Unannehmlichkeiten erwähnt worden, welche ihm dieser verunglückte Versuch verdientermaßen zugezogen hat. Hier ist nur Einiges über die politischen Verhältnisse nachzutragen, unter welchen die beiden Blätter, „die Zeiten“, nebst dem Porträt von Wilkes und der Carrikatur von Churchill herausgegeben wurden.

Beim Tode Georg’s II. war die Nation im höchsten Grade so wohl mit der Regierung zufrieden, so wie auch durch die glänzenden Erfolge des Krieges aufgeregt, in welchem die Waffen Englands in allen Welttheilen siegreich gekämpft und Eroberungen gemacht hatten, wodurch das Uebergewicht Großbritanniens über alle Nationen des Festlandes bei Verfolgung aller durch seine Politik gebotenen Zwecke [858] entschieden zu sein schien. Der König hatte ohnedem seinen Eigenwillen schon längst aufgegeben und die Staatsregierung lag in den Händen eines großen und von der Nation bewunderten Staatsmannes, des älteren Pitt, der alle höheren Talente in einer Art zu benützen verstand, welche früher noch nie erhörte Erfolge dem Staate sicherte. Unter diesen Verhältnissen bestieg Georg III. den Thron nach einer Erziehung, die sich für einen constitutionellen Fürsten nicht eignete, und mit vorgefaßten Meinungen, welche eben so wenig für einen britischen König paßten. Während sein Großvater, Georg II., schon aus Abneigung gegen seinen früher verstorbenen Sohn sich um die Erziehung seines Enkels nicht bekümmerte, wurden demselben von seiner Mutter, einer deutschen Princessin aus dem sächsischen Hause Gotha, allerlei Begriffe über die Gewalt der Könige und über schuldigen und unbedingten Gehorsam der Unterthanen beigebracht, wie sie damals auf dem Festlande ausschließlich im Gange waren. Somit sammelte sich auch um den Prinzen die schon längst von der Regierung ausgeschlossene Hochtory-Partei, welche durch die Persönlichkeit des späteren Königs wieder zur Gewalt gelangte. Als er den Thron bestieg, war ihm Pitt somit vollkommen als ein Mann zuwider, welcher die Politik Englands consequent und kräftig verfolgte, und, in Kämpfen des Parlamentes gewissermaßen aufgewachsen, an schneidenden und entschiedenen Widerspruch überall gewöhnt war. Dem jungen König mißfiel die wenige Rücksicht, die der Minister mit seinen Collegen auf seinen persönlichen Willen nahm. Außerdem war er dem Könige von Preußen, welchen Pitt mit allen Kräften unterstützte, wegen der Meinungen Friedrich’s II. über Menschen und Religion durchaus abgeneigt. Somit faßte er sogleich nach seinem Regierungsantritt, mit dem Eigensinn und der Beschränktheit, die er sein ganzes Leben hindurch bewies, so oft seinem Willen Spielraum blieb, den Entschluß, Pitt abzuschaffen, und eine der Politik dieses Staatsmannes durchaus entgegengesetzte Richtung einzuschlagen, wobei er sich um die Verhältnisse Englands und selbst der Parteien durchaus nicht bekümmerte. Daß es ihm möglich wurde, eine Reihe von Jahren hindurch seinen Eigenwillen durchzusetzen, daß er ferner nicht allein gutwillige und gehorsame Minister, sondern auch lange Zeit hindurch ein eben so gutwilliges Parlament fand, lag in der damaligen Zusammensetzung des Unterhauses, wodurch endlich auch damals das Bewußtsein einer nach neunundfünfzig Jahren siegreichen Reform zuerst rege ward. Die öffentliche Meinung wurde aber gegen Regierung und Parlament um so erbitterter, je mehr Unglück durch jenes Verfahren bis zum Schluß des amerikanischen Krieges auf den [859] Staat eindrang, bis dann endlich doch der König, indem eine neue Revolution im Anzug zu sein schien, nach mannigfachem von ihm angestifteten Unheil zum Nachgebet gezwungen wurde.

Unter den genannten Verhältnissen war das Bestreben des Königs zuerst, Pitt, den er für einen Usurpator der königlichen Gewalt nach seinen Begriffen hielt, aus dem Ministerium zu entfernen und alsdann einen Frieden unter jeder Bedingung abzuschließen, der den König von Preußen in Schaden brächte. Hinsichtlich des ersteren Punktes wagte er nicht, sogleich offen aufzutreten, sondern suchte zuerst zwei geringere Männer (Legge und Holdernesse) fortzudrängen. Als ihm dies gelungen war, gab er dem Lord Bute einen Sitz im Cabinet, einem geschmeidigen Hofmanne, der den jungen König nach den Absichten der Mutter erzogen hatte und der keinen andern Willen kannte, als den jener Personen, die ihm ihre Gunst schenkten. Pitt sah bald, daß dieser Mann mehr Gewicht besaß, als er selbst, ob er gleich dem Namen nach an der Spitze des Cabinets stand. Er hatte nämlich sichere Kunde, daß der spanische Hof den für die pyrenäische Halbinsel so unheilvollen Familienpact unterzeichnen wolle, wodurch der auf sein bourbonisches Blut und auf seine französische Abkunft zum Aerger der Spanier außerordentlich stolze Carl III. sich verbindlich machte, an allen Allianzen und Feindschaften des Versailler Hofes Theil zu nehmen. Pitt wußte ferner, daß die Spanier allein die Ankunft ihrer Silberflotte aus Amerika abwarteten, um sogleich den Kampf zu beginnen, und verlangte deßhalb, der Krieg solle erklärt werden, damit jene Metallschätze weggenommen werden könnten. Bute widersprach, und der König stimmte ihm bei. Pitt trat somit am 5. October 1761 aus dem Ministerium; nach wenigen Monaten folgten ihm alle Whigs und tüchtige Geschäftsmänner, und überließen dem Könige mit seinen Creaturen und Günstlingen ein freies Feld, das dieser denn auch bis zum Schluß des amerikanischen Krieges behauptete, wobei er jedoch mehrere Male genöthigt war, seine Minister zu wechseln, da kein Einziger es auf die Dauer wagen durfte, der öffentlichen Meinung zu trotzen und die Verantwortung für Umstände auf sich zu nehmen, die mit jedem Jahre mißlicher wurden.

Es wurde bald bekannt, in welcher Art der König seine Regierung auszuüben gedenke. Schon des constitutionellen Grundsatzes wegen, welcher das Wesen der englischen Regierung bedingt, war somit die eigentliche Nation und ihre Leiter der neuen Regierung im höchsten Grade abgeneigt, und es entstand bald eine Aufregung, wo die unbedingteste Gewalt der rohesten Demagogie benützt werden konnte. Diese Aufregung ward durch die thörichte Bestrebung des Königs, den Frieden [860] in jedem Fall zu schließen, in einem Augenblicke erhöht, wo die Fortsetzung des Krieges jener Politik durchaus angemessen war, welche seit einem Jahrhundert im Bewußtsein der Nation tief gewurzelt ist.

Noch nie war ein so glücklicher Krieg in allen Welttheilen von England geführt worden. Frankreich hatte alle seine Flotten, fast alle Colonien in Ost- und Westindien verloren; seine Mittel waren erschöpft, sein Handel vernichtet. Spanien hatte in der kurzen Zeit, worin es den Krieg führte, zwölf Linienschiffe, die wichtigste aller westindischen Inseln, Cuba, und die Philippinen verloren, ungeheure Beute war von den Engländern bei der Eroberung der Havaña und von Manilla gemacht worden, ein sogenanntes Registerschiff, die Hermione, war um 12,000,000 spanischer Thaler den Engländern in die Hände gefallen. Großbritannien bereicherte sich ohnedem mit jedem Tage, weil aller Handel, den die Feinde sonst mit Europa führten, seinen durch die Kriegsflotten geschützten Kaufleuten in die Hände fiel. Der Augenblick schien gekommen, wo Großbritannien jenes Uebergewicht in allen Welttheilen begründen könnte, welches der jüngere Pitt und dessen Nachfolger später mit größeren Opfern erkauften. Die Nation erwartete, keine Eroberung solle herausgegeben werden, denn die Feinde besaßen offenbar nicht mehr die Mittel, eine einzige derselben wieder einzunehmen. Vorzüglich betraf diese Erwartung die Insel Cuba, welche zwar damals unter dem alten Colonialsysteme Spaniens die Wichtigkeit und den inneren Reichthum noch nicht erlangt hatte, den sie gegenwärtig besitzt, von welcher jedoch die Engländer mehr erwarteten, als von Jamaica und ihren übrigen westindischen Colonien. Allein der König und diejenigen Leute, worüber er unbedingt verfügte, dachten anders. Jener sonderbare Eigenwille Georg’s III. hinsichtlich der auswärtigen Politik, welcher allen überlieferten Begriffen derselben widerstrebte, läßt sich aus seiner Beschränktheit und den damit verbundenen Vorurtheilen, wie erwähnt, erklären. Die Fortsetzung des Krieges betrachtete er nicht als die Politik Englands, sondern als die eines Usurpators der königlichen Gewalt, des H. Pitt, den er von Grund der Seele haßte. Ferner war ihm der Krieg wegen des Bündnisses mit Friedrich II. verhaßt, den er, ein religiöser Mann, als vermeintlichen Atheisten verabscheute. Aus beiden Gründen suchte er auf den Frieden hinzuarbeiten, für den er mannigfache Opfer zu bringen entschlossen war, obgleich der wahre Zustand der Dinge kein einziges erforderte. – Uebrigens ließ sich die baldige Herausgebung wichtiger Eroberungen und die schnelle Abschließung des Friedens noch aus andrem Grunde erklären. Es scheint kein Zweifel zu herrschen, daß Lord Bute von England und Spanien während der [861] Unterhandlungen Geld erhalten hat. Arm war er von Schottland nach England gekommen und erwarb sich während seines kurzen Ministeriums ein Vermögen, welches ihm weder die Einkünfte seines Amtes, noch auch die Gnade seines Beschützers in der nicht langen Zeit hätte verschaffen können.

Das neue Cabinet begann die Friedensunterhandlungen unter einer Bedingung, welche von Pitt zuerst unbeantwortet zurückgesandt war. Der König von Preußen sollte sich nämlich selbst überlassen bleiben. Als dies bekannt wurde, entstand unter der englischen Nation eine eben so große Aufregung, wie Erbitterung bei Friedrich II., für welchen die Briten wegen des geführten Krieges damals im höchsten Grade enthusiasmirt waren. Der König von Preußen goß durch öffentliche Protestationen und durch Einwirkung auf die öffentliche Meinung vermittelst der Presse, die jedoch bei der Zusammensetzung des Parlamentes eben so unwirksam blieb, wie früher bei Eugen[1], Oel in’s Feuer. Wie sehr übrigens der fromme Georg III. auch die Schleichwege nicht verschmähte, ersieht man aus folgenden Angaben, die man nicht glauben würde, wenn Schlosser dieselben nicht im Auszuge aus Documenten des Pariser Archivs[2] mittheilte. Der König wollte gern einige Eroberungen in Amerika und Ostindien wieder herausgeben, scheute sich aber doch in so weit vor der öffentlichen Meinung, um dies ohne allen Vorwand zu thun. Er wünschte deßhalb eine Niederlage desjenigen Heeres in Deutschland, bei welchem sich seine Truppen befanden, und dortige Eroberungen der Feinde, um gewissermaßen austauschen zu können. Somit geschah, daß die Bewegungen der französischen Armee von London aus geleitet wurden.

Unter diesen Verhältnissen kam der Frieden zu Stande, der den üblen Voraussetzungen der Nation entsprach. Preußen ward hierin gar nicht berücksichtigt. Die Engländer erhielten zwar bedeutende Erwerbungen, unter andern Canada, gaben aber Cap Breton den Franzosen und den Spaniern Cuba wieder heraus. Ueber letzteres entstand besonders und mit Recht ein heftiger Lärm. Das Parlament billigte zwar den Frieden, kam aber dadurch bei der Nation eben so in Ungunst, wie der Hof; es entstand bald eine heftige Aufregung mit democratischen Bewegungen, die zuletzt einen furchtbaren Aufstand des Londoner Pöbels bewirkte und auch nach dessen Unterdrückung eine solche Verwirrung [862] veranlaßte, daß endlich der König selbst erschreckt und zum Nachgeben bewogen wurde.

Jene Aufregung ward durch die Presse vor Allem geschürt, und zwar anfangs vorzugsweise durch John Wilkes, auf dessen Persönlichkeit wir bei Erklärung des von Hogarth gezeichneten Porträts wieder zurückkehren werden. Auch der Hof suchte seinerseits auf die öffentliche Meinung durch dasselbe Mittel einzuwirken, konnte jedoch nur Männer von geringem Talent und von verächtlichem Charakter für sich benützen, unter Andern den bei Gelegenheit des dritten Blattes der Wahl erwähnten Shebbeare. Hogarth gehörte zu den Wenigen, welche sich ebenfalls brauchen ließen, ob er gleich kurz vorher bei neuen Abdrücken des Rake’s progress (letztes Blatt) gerade über den Frieden, welcher den Lärm erregte, gespottet hatte. Er war zur Vertheidigung der Regierung aufgefordert, und hatte sich durch seine neue Würde als Sergeant painter, durch die damit verbundene Pension und durch Schmeicheleien bestechen lassen. Hiedurch wurde das erste Blatt der Zeiten veranlaßt. Es ward nach der Ankündigung mit Begierde erwartet, allein selbst die Anhänger der Regierung mußten gestehen, es sei mißrathen, und bringe ihnen keinen Nutzen.




  1. Bei Abschließung des Utrechter Friedens.
  2. Vergleiche Geschichte des achtzehnten Jahrhunderts von Schlosser, zweiter Band.