Die beherzte Magd

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Textdaten
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Autor: Ernst Deecke
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Titel: Die beherzte Magd
Untertitel:
aus: Lübische Geschichten und Sagen, S. 60–62
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1852
Verlag: Carl Boldemann
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Erscheinungsort: Lübeck
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Quelle: Google, Commons
Kurzbeschreibung:
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32. Die beherzte Magd.

Um 1247 saßen auf einen Abend in eines Bürgers Haus am Kuhberg viel gute Leute und Nachbarn bei einander und redeten von diesen und jenen Historien, wobei auch der vielen Gespenster und Spökereien gedacht ward, die bei nächtlicher Weile vor dem Burgthor um das Gericht herum fast täglich vorhanden. Dieß hört eine verwegene Dienstmagd in selbigem Hause, die Bier aufgetragen, und spricht zu den Gästen: das seien nur Träume; wenn man ihr was verehren wollte, wäre sie bereit, auf den Abend um 10 Uhr, wenn der Schinder mit seinem Wagen hinausfuhre, mitzugehn bis an das hohe Kreuz; und daran mit Kreide ein Zeichen zu machen, das sie sämtlich den andern Morgen in der Frühstunde finden sollten. Diese Verabredung kommt zu Stande, also daß die Magd, wie erwähnt, mit dem Schinderwagen hinauskömmt: da fährt der Schinder seinen Weg zur rechten Hand: sie aber geht gerade aus zum steinernen Kreuz. Wie sie nun fast den halben Weg gemacht, findet sie neben einem Strauch ein gesatteltes Pferd angebunden. Sie steht still, und ist zu ihrem Glück ein wenig Sternlicht, daß sie alles genau anschauen kann. Da hört sie in ihrer Verwunderung von weitem aus dem Holze des Schwerins einer Frauen Stimme ganz jämmerlich und kläglich bitten: der Mörder [61] solle doch ihrer schonen und ihr das Leben schenken; sie wollte ihn gern zur Ehe nehmen und mit ihm in die Welt ziehn, wohin er möchte. Aber diese Stimme ward alsbald still. Die Magd darauf, gar sehr erschrocken, geht abermals zu dem Roß, macht es los, setzt sich darauf und reitet eilends dem Burgthor wieder zu. Indem kömmt auch der Schinder mit seinem Wagen zurück, und werden also beide eingelassen. Die Magd reitet vor ihres Herrn Haus, erzählt alles was sie gehört, und wie sie zu dem Roß gekommen sei. Der Herr aber geht Morgens früh zu den Herren des Gerichts, und meldet, was sich vergangene Nacht begeben, mit Muthmaßung, daß sich ohne Zweifel eine jämmerliche Mordthat zugetragen. Hierauf ist dem Bürger befohlen: daß er das Pferd durch seinen Jungen die eine Gasse auf, die andere nieder, und so die ganze Stadt durchziehn lassen sollte. Aber die Herren des Gerichts haben alsbald zwei Stalldiener dem Jungen, der das Pferd geführt, nachfolgen lassen, mit Befehl, daß sie wohl Acht haben sollten, ob sich etwa Einer fände, der das Pferd kennen möchte: den sollten sie auf’s Korn nehmen.

Da nun das Roß fast lange herumgeführt worden, kömmt es endlich vor Herrn Hermann Meßmanns Thür, wo hernach Herr Hermann Klever gewohnt: das Eckhaus oben der Mardelsgrube. Daselbst steht ein Edelmann vor [62] der Thür, sieht dem Pferde nach und spricht: „Ja gehst du dort; ich habe dich wohl eher gekannt, jetzt aber kenn’ ich dich nicht;“ und gehet damit wiederum ins Haus.

Diese Rede wird den Herren des Gerichts vermeldet; darauf haben sie den Büttel mit seinen Knechten hingesandt, und den Edelmann alsobald vor sich bringen lassen.

Als der nun kommt, haben sie ihn gefragt: was für ein Pferd das sei, davon er in dieser Stunde geredet? Da ist er hoch erschrocken, und hat bekannt, wie er eine vornehme Jungfer vom Adel weggeführt und nachher ermordet.

Hierauf hat ihm Urthel und Recht zugesprochen, daß er zerstoßen und auf das Rad gelegt werden sollte: wie auch geschehen ist. Die Jungfer aber ist aus dem Feld hereingebracht und zu S. Katharinen ins Kloster ganz herrlich begraben worden.

Ihr Vater, ein vornehmer und reicher von Adel, wie der nun sterben sollen und keine Kinder verlassen, hat seinen ganzen Reichthum ins Kloster zu S. Katharinen hingegeben, um fleißig für ihn und seine Tochter zu beten.

Ein Ehrbarer Rath aber hat das Pferd, wie es geführt ist, samt den Stalldienern an Hermann Meßmanns Thür abconterfeien lassen, Andern zum nachdenklichen Exempel.