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Die edle Kegelei im „Malkasten“ zu Düsseldorf

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Textdaten
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Autor: Karl von Perfall
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Titel: Die edle Kegelei im „Malkasten“ zu Düsseldorf
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 25, S. 411–413
Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1885
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Die edle Kegelei im „Malkasten“ zu Düsseldorf.

Mit Illustrationen von Th. von Eckenbrecher und Grot Johann.

Soweit die deutsche Zunge reicht, steht das edle Kegelspiel bei allen Ständen hoch in Ehren, und die Zahl der Vereine und der „geschlossenen Gesellschaften“, die allabendlich den hölzernen König mit seinen acht plumpen Trabanten zu stürzen trachten, dürfte selbst diejenige der Skatjüngerwelt übertreffen; denn der Kegelkönig herrscht überall im Norden wie im Süden, am tiefen Meeresstrande und hoch in den Bergen, allwohin der Skat noch lange nicht gedrungen ist. Bis jetzt hat man sich allerdings mit der Geschichte des wackeligen Monarchen und mit der Statistik seiner Macht nur wenig oder gar nicht befaßt, und erst vor Kurzem haben die deutschen Kegler der Anregung des Dresdener „Sandhasen“-Klubs Folge geleistet und beschlossen, in der reizend gelegenen Hauptstadt des gemüthlichen Sachsenlandes einen großen deutschen Keglertag abzuhalten. Vielleicht wird dieser Tag System in den Kegeldilettantismus bringen und das Vernachlässigte emsig nachholen.

Doch wenn die strenge Wissenschaft der edlen Kegelei so viel schuldig geblieben ist, von der Kunst kann man dies nicht behaupten. Sie hat das Kegelspiel in zahllosen Gemälden verherrlicht, und Jünger der Kunst waren es auch, die vor Kurzem einen förmlichen Kegeltempel errichten ließen. Im Hause des berühmten Künstlervereins „Malkasten“ in Düsseldorf ist eine Kegelbahn zu schauen, wie solche ihres Gleichen in deutschen Gauen wohl nicht wieder findet.

Von dem „Malkasten“ selbst, von dem trefflichen Geist, der ihn belebt, von den prachtvollen Festen, die er veranstaltet, und von den humanen Zwecken, die er verfolgt, hat die „Gartenlaube“ schon mehrmals berichtet.[1] Der Zauber der Kunst, der jetzt über dem grünen Park und dem Hause ruht, ist kein neugebackener. Eine Fülle schöner litterarischer Erinnerungen knüpft sich an diese Stätte. Vor etwa hundert Jahren gehörte das weite Besitzthum dem Philosophen Friedrich Jacobi, dessen Bruder Georg neben Goethe als einer der besten deutschen Lyriker geschätzt wurde. Seine glänzende Gastfreundschaft, seine menschenfreundliche und herzliche Gesinnung lockten in sein Haus eine Schar auserlesener Gäste herbei, die hier schöne Tage verlebten, wie Goethe es so anmuthig in „Wahrheit und Dichtung“ geschildert. Außer ihm, dem Dichterfürsten, weilten hier noch Wilhelm Heinse, der Verfasser des „Ardinghello“, Jung-Stilling, die Grafen Stolberg, Georg Forster, die Fürstin Galitzin und Hamann, der Magus des Nordens. Noch heute ist das alte Jacobi’sche Haus als Hinterbau des „Malkasten“ vollständig in seinem ursprünglichen Zustande erhalten, und durch sein Erdgeschoß gelangen wir in die berühmte Künstler-Kegelbahn, die im Winter des Jahres 1882 eröffnet wurde mit dem Festspiel des Malers und Humoristen Eduard Daelen, welches den Sieg der Kegel über die Karten feierte.

Ueber den Flur hinweg kommen wir zunächst in das heutige Billardzimmer, dessen Stuckdecke im Rokokogeschmack uns daran gemahnen soll, daß wir im Theezimmer der weiland Familie Jacobi uns befinden. Da klingt uns schon Stimmengewirr, Gelächter, neben dem Rollen der Kugeln, dem Geräusche der fallenden Kegel entgegen.

Die nächste Thür durchschreitend befinden wir uns in der Künstlerkegelbahn. Ein kleiner, niedriger Raum, mit schwerer Holzarbeit verziert und reich im Renaissancestile gehalten, zeigt sich schmuckkästchenartig unseren Blicken. Vorwiegend jugendliche Gestalten, zwischen die sich auch zuweilen ein munter blickendes silberhaariges Haupt gesellt, drängen sich in dem gemüthlich engen Raume, von welchem zwei prachtvolle Bahnen in langer Dehnung auslaufen. Die künstlerische Jugend hat da unten ihren eigentlichen Stammsitz, und durch das Gelärme der Kegel und Kugeln dringt an unser Ohr von einem der erhöhten Sofas her, wo sich die Gruppen müßiger Zuschauer niederlassen, auch manches Wort ernsten Strebens, heißblütiger Hoffnungen, manche scharfe Kritik – denn rasch fertig ist die Jugend mit dem Worte. [412] Neben der jungen Künstlerschaft tummelt sich aber auch in diesem Raume manch angesehenes Mitglied der Bürgerschaft, und auch die bewaffnete Macht, Infanterie und Kavallerie, übt gern den Arm im kühnen Wurfe. Da, wie wir uns eben ein bischen zurechtgefunden, fällt unser Blick auf einen der beiden vergoldeten Gaskronleuchter. Die sonderbare Gestaltung macht unser Stilgefühl irre. Sollte das wirklich echte Renaissance sein? Dort – wir sehen weiter – blicken uns aus allen Ecken und Enden der Kegel und die Kugel entgegen, als Ornament, als Säule, als Seitenstütze. Die auf unserem Bilde vortretende Hauptsäule giebt das absonderliche Motiv in Schaft und Kapitäl am klarsten, bündigsten wieder.

Von hier aus finden wir überall das Motiv bis in die kleinsten architektonischen Momente durchgeführt und mit sinnigster Phantasie nicht nur, sondern auch mit sicherer Beherrschung der symmetrischen Regeln verwerthet, und in genialer Weise ist dieser absonderlichen Struktur doch der Ton und Charakter des Renaissancestiles täuschend aufgeprägt, wozu insbesondere auch die trefflichen Sinnsprüche und die humoristischen Intarsien ergänzend mitwirken. Diese Intarsien nun erkennen wir bald als überaus geschickte, geniale Nachahmungen der Holzbildnerei, nicht so bald aber entdecken wir die geistreiche Methode, nach welcher die reich komponirte Decke die Täuschung eines kostbaren, massiven Holzkunstwerkes macht. Der geniale Schöpfer dieser in ihrer Art einzigen architektonischen Humoreske, deren kühne Erfindung und ebenso kühne Durchführung nur der Fachmann vollauf würdigen kann, ist der junge Düsseldorfer Architekt Josef Herwig.

Der Fries in der Sommerkegelbahn des Düsseldorfer „Malkastens“ von Phil. Grot Johann. I. Theil.

Man kann sich nicht satt sehen an der verblüffend burlesken Phantastik dieses Baues, der eine Merkwürdigkeit Düsseldorfs ist, und stets kehrt der Blick auf diese oder jene Theile desselben zurück, wenn er zeitweilig von dem munteren Treiben um uns her davon abgelenkt wurde, oder wenn wir uns in die humoristischen altdeutschen Regeln des „Kegel-Turniers“ vertieft haben. Lustig geht es da zu dicht neben den Räumen, wo ehedem Philosophie und Schöngeisterei ihren Sitz hatten, zumal an den Karnevalstagen, wo neben dem Kegelspiele allerlei Mummenschanz getrieben wird. Dann sorgt auch die Pudelkasse dafür, daß Niemand verdurste, denn sie dient dem edlen Zwecke, Freibier in unendlicher Fülle fast jeglichen Samstag zu liefern. Des Sommers aber, wenn der wunderbare Malkastenpark mit seinen alten, weitgipfligen Bäumen, seinem lauschigen Venusteiche und seinen Laubgängen ins Freie lockt, dann geht auch die Keglerzunft auf die Sommerkegelbahn, und der groteske Wunderbau Herwig’s bleibt leer und verschlossen. Schlicht und einfach ist diese Sommerkegelbahn, aber des künstlerischen Schmuckes konnte sie doch als Künstlerkegelbahn nicht entrathen. – Der rühmlich bekannte Zeichner Grot Johann hat einen prächtigen Fries an die Wand gemalt, der allerdings noch der völligen Vollendung harrt. Der Leser findet auch dieses köstliche Kunstwerk in unseren Illustrationen wiedergegeben und erkennt unschwer, daß der Künstler aus dem vollen Leben des Malkastens selbst geschöpft, obwohl die einzelnen Gestalten in altdeutscher Tracht erscheinen, als ob sie gerade von einem der [413] berühmten Kostümfeste des Malkastens in die Kegelbahn hineingestürmt wären. Da vorn am ersten Tische hat sich eine Skatbrüderschaft niedergelassen in ihren drei Schattirungen des Stürmischen, des Siegesbewußten und des schlau Berechnenden, daneben ist die wohlvergnügliche Bowlengesellschaft zu sehen, fruchtfröhliches Volk, kontrollirt und geleitet von einem der Sache wohl kundigen alten Knaben. Zwischen die beiden Gruppen gesellt sich ein Duo von Fremdlingen, die mit absonderlicher Neugier des vielgerühmten Malkastens Kuriositäten betrachten und in jedem Sinnsprüchlein sich den Künstlerhumor um die Philisternase wehen lassen. Vor ihnen sitzt das auch in der Künstlerschaft gedeihende absonderliche Gewächs des Zeitungsfressers. Kurse liest ein deutscher Künstler nicht, aus Romanen macht er sich auch nicht viel, wohl aber giebt es unter unseren Malern etliche Politiker mannigfacher Färbung und oft recht hitzigen Temperamentes. Oder sollte der Mann etwa gar eine „Kunstkritik“ lesen? Armer Mann! Den Schluß dieser Abtheilung des Gemäldes bildet ein phlegmatischer Nikotin-Gourmand, der hinter der Bowlengesellschaft vergnügt und behaglich dasitzt.

Der Fries in der Sommerkegelbahn des Düsseldorfer „Malkastens“ von Phil. Grot Johann. II. Theil.

Der gewaltige König des edlen Kegelspieles scheidet nun die misera plebs der nichtkegelnden Menschheit von den edlen Keglern. Das Schwein und der Pudel, diese beiden dem Kegler wohl bekanntesten Thiergattungen, tragen die Säulen seines Reiches. Nun reiht sich daran des Kegelspieles ganze Lust und ganzer Schmerz: das ekle Zahlen, der tiefsinnige Disput und die große Hauptaktion, die der schwarzhaarige, schnauzbärtige Historienmaler mit aller Verve unternimmt, während der sinnige Landschaftsmaler seinen Plan vorsichtig überlegt und der behaglich fette Genremaler nach gethanem Kraftwurfe im Hintergrunde verschwindet. Vorne aber auf der Bank, da sitzen zwei junge Gesellen. Sie haben noch kein Bild verkauft und kennen nicht den Schmerz des „Nichtverkaufthabens“, aber in ihrem Kopfe, da wimmelt es von Entwürfen, da lebt eine ganze Gemäldegallerie, und zumal der blonde Schwärmer trägt neben der platonischen Liebe, die in solchem Alter üblich, Entwürfe im Kopfe herum, die ihres Gleichen suchen und ihm ein Denkmal in Düsseldorf wie Schadow und Cornelius sichern sollen. Der Andere ist ein Thunichtgut, hat neben malerischen Entwürfen allerlei Schabernak im Kopfe, hält’s nicht mit Plato, sondern faßt ein rundes Düsseldorfer Kind, wenn er es erwischen kann, fest beim Kopfe und küßt es herzhaft ab, aber er „haut“ schon heute eine flotte Studie nur so hin und wird unseres Erachtens einmal noch mehr zu Stande bringen, als der blonde Schwärmer.

Wie oft kann man hier ähnliche Scenen während des Sommers fast tagtäglich in Wirklichkeit beobachten! Wenn es aber kühl wird und der Herbstwind in den Wipfeln rauscht, dann geht es wieder zurück in Herwig’s kleinen köstlichen Wunderbau. – In wenig Strichen haben wir hier eine auserlesene Stätte deutscher Kegelei geschildert zur Freude und Erbauung aller Freunde des edlen Kegelspieles. Sie finden in deutschen Gauen keinen Kegeltempel gleich dem des Düsseldorfer „Malkastens“, woselbst aber auch, wie schließlich noch bemerkt werden mag, nicht blos die Bahnen, sondern auch die Kegler gut sind. K. von Perfall.