Zum Inhalt springen

Die gewerblichen Anwendungen der flüssigen Kohlensäure

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Carus Sterne
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die gewerblichen Anwendungen der flüssigen Kohlensäure
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 39, S. 631–634
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1883
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Der Ciambria-Unfall. In: Centralblatt der Bauverwaltung. III. Jahrgang, Nr. 32, 33, August 1883, S. 285 f. und S. 296 f. ZLBerlin
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[631]

Die gewerblichen Anwendungen der flüssigen Kohlensäure.

W. Raydt’s Verfahren der Schiffshebung und Schiffsicherung. – Bierausschank mit flüssiger Kohlensäure. – Anwendung zur Fabrikation künstlicher Mineralwässer. – Feuerlösch-Apparate und Dampfspritzen mit Kohlensäurebetrieb. – Krupp’s Verfahren zur Herstellung dichter Metallgüsse und zum Auseinandertreiben gebrauchter Kanonen.

„Nur nicht den Muth verlieren!“ heißt der unentbehrliche Trostspruch des Erfinders von Beruf. Denn gar manche Erfindung braucht viel Zeit, um durchzudringen und Werth für das praktische Leben zu erringen, und so ist es auch der flüssigen Kohlensäure gegangen, über deren Darstellung und merkwürdige Eigenschaften wir den Lesern der „Gartenlaube“ im Jahrgange 1878 (S. 80) eingehende Mittheilungen gegeben haben. Wir erwähnten bei jener Gelegenheit, daß sie bisher fast nur als ein kostbares Product der chemischen Laboratorien zur Erzeugung intensiver Kältegrade benützt werde, daß aber amerikanische Ingenieure vorgeschlagen hätten, mit ihrer Hülfe entstehende Schiffsbrände zu bekämpfen. Seitdem haben erfinderische Köpfe eine ziemliche Anzahl anderer Anwendungsarten erdacht. Bekanntlich läßt sich die Kohlensäure, das moussirende Gas unserer Mineralwasser, Biere und Champagner, unter einem Druck von 50 Atmosphären und bei einer Temperatur von 15 Grad C. zu einer wasserhellen Flüssigkeit verdichten, die jedoch sofort in den gasförmigen Zustand zurückkehrt, sobald der Druck entfernt worden ist. Um nun die Anwendung der flüssigen Kohlensäure für gewerbliche Zwecke zu ermöglichen, preßt man in starke eiserne Flaschen gasförmige Kohlensäure unter gleichzeitiger Abkühlung hinein, bis dieselbe flüssig geworden ist, wozu das vierhundertfünfzigfache Volumen des Gases nöthig ist. Es ist nun klar, daß in jedem Augenblicke nicht nur diese bedeutende, auf den kleinsten Raum zusammengedrückte Gasmenge, sondern auch die zur Verflüssigung gebrauchte Druckkraft und Kälte aus solcher Flasche wieder gewonnen werden kann, die somit den dreifachen Charakter eines Gas-, Kraft- und Kältemagazins in ihrem metallenen Bauche vereinigt.

Ganz besonders ist es den Bemühungen des Dr. W. Raydt in Hannover zu danken, daß dieses verflüssigte Gas nunmehr bereits eine Anzahl verschiedenartiger und zum Theil sehr wichtiger Anwendungen erlangt hat, und wir freuen uns hier nach einer [632] eigenen Angabe des Genannten mittheilen zu können, daß ihm die Gartenlaube mit ihren zahlreichen Artikeln über die Bauerschen Schiffshebungsversuche die erste Anregung gegeben hat, der flüssigen Kohlensäure seine Aufmerksamkeit zuzuwenden. Bekanntlich benützte Bauer mit Luft gefüllte Ballons (sogenannte Kamele) zur Hebung gesunkener Schiffe. Raydt sagte sich nun, daß die Anwendung dieser Kamele um Vieles erleichtert sein würde, wenn man, statt sie nach Anbringung an den zu hebenden Schiffskörpern oder Schiffsgütern durch Compressionspumpen mit atmosphärischer Luft zu füllen, ihnen einen kleinen Behälter mit flüssiger Kohlensäure mitgäbe, um sie durch das Oeffnen ohne alle Mühe schnell aufzublähen.

Schon im August 1879 bewies Dr. Raydt durch einen im Ausrüstungsbassin der Kieler Werft angestellten Versuch die Tragweite seiner Erfindung, indem er mittelst eines solchen Ballons einen zehn Meter tief im Wasser liegenden Ankerstein von dreihundert Centner Gewicht emporhob. Acht Minuten nach Oeffnung des Kohlensäureventils erschien der Ballon mit seiner schweren Last an der Wasseroberfläche. Natürlich würden sich diese bequem zu handhabenden Kohlensäureballons ebenso praktisch zur Hebung gesunkener Schiffe anwenden lassen, denn ein derartiger Ballon von drei Metern Radius entwickelt im Seewasser eine Tragkraft von 113,000 Kilogramm. Sie werden aus starkem, gummirtem Segeltuch gefertigt, welches innen durch ein metallenes Längsgerüst gestützt wird, während außen ein Geflecht von Hanfgurten die Festigkeit der Außenwandung erhöht.

Vielleicht als noch folgenreicher dürfte sich eine weitere Idee Raydt’s erweisen, um durch Anbringung ähnlicher Ballons in nach außen sich öffnenden, dicht über dem Schiffsboden befindlichen Seitenkammern, die mit dem steigenden Verkehr immer häufiger vorkommenden Schiffsunfälle zu mindern, durch ihren Auftrieb angelaufene oder sonst beschädigte Schiffe über Wasser zu halten, oder wenigstens ihr Sinken derart zu verlangsamen, daß die Rettung der Passagiere und Mannschaften in Ruhe bewerkstelligt werden kann. Erinnert man sich, daß beim Untergange der „Cimbria“, wie in den meisten ähnlichen, keineswegs gänzlich zu verhindernden Schiffsunfällen, vor Allem die Schnelligkeit des Sinkens es ist, welche so verhängnißvoll einwirkt, indem sie das Aussetzen der Boote und alle Versuche, das Leck zu stopfen, vereitelt, so verdient Raydt’s Vorschlag, das ganze Schiff mit einem in der Stunde der Gefahr hervortretenden Rettungsgürtel von Ballons zu umgeben, gewiß die eingehendste Prüfung. Eine vom Decke aus in Thätigkeit zu setzende Vorrichtung würde die sämmtlichen Kohlensäure-Behälter und die Schiffsluken öffnen, durch welche die tragenden Ballons in dem Maße, wie sie durch das Kohlensäuregas angefüllt werden, zu beiden Seiten des Schiffes hervortreten.

Eine nähere Beschreibung der Vorrichtung findet der dafür sich interessirende Leser im laufenden Jahrgange (Nr. 32 und 33) des „Centralblattes der Bauverwaltung“. Wir wollen hier nur noch erwähnen, daß die Bildung einer Schiffsbergungs-Gesellschaft nach Raydt’schem Systeme im Gange ist und daß auf deren Veranlassung eine Kostenrechnung aufgestellt wurde, nach welcher die Einrichtung für einen Dampfer von der Größe der „Cimbria“ (deren Gewicht circa 3000 Tonnen betrug) einen Kostenaufwand von 19 bis 20,000 Mark, also eine im Verhältniß nicht beträchtliche Summe erfordern würde.

Viel schneller hat sich eine andere Anwendung der flüssigen Kohlensäure Bahn gebrochen, deren Vorzüge allerdings auf der Hand liegen und Jedem einleuchten müssen, der ihr nur einen Augenblick Aufmerksamkeit schenken will, nämlich der Bierausschank mittelst flüssiger Kohlensäure nach dem Systeme Raydt-Kunheim. Fachmänner, Chemiker, Gesundheits- und Sicherheitsbehörden, Gastwirthe und Publicum, kurz Sachverständige aller Classen, welche Gelegenheit hatten, diese Ausschanksweise zu prüfen, sind alsbald zu der Ueberzeugung gelangt, daß sie die Güte des Getränkes in höherem Grade sichert, als jede andere bisher gebräuchliche Methode, und, was die Hauptsache ist, von der Dauer des Ausschanks ganz unabhängig macht, sodaß das letzte Glas aus dem Fasse noch ebenso gut mundet und bekömmt, wie das erste. Jedem Biertrinker ist es ja hinlänglich bekannt, daß bei den bisherigen Ausschanksweisen, sei es durch bloßes Abzapfen oder durch Luftdruck, eigentlich nur die ersten Gläser ein Urtheil über die Güte des Getränkes erlauben, daß es in demselben Maße, wie es mit der Luft in Berührung kommt und die in ihm enthaltene Kohlensäure verliert, fortdauernd schlechter wird und bei längerem Zapfen zuletzt kaum noch genießbar bleibt, keinenfalls aber als ein zuträglicher, erquickender Trank gelten kann.

So bequem daher auch die häufig angewandte Methode, das Bier durch comprimirte Luft aus dem Keller in die Ausschankgefäße des Gastlocals zu heben, für den Wirth und seine Bediensteten war, so wenig konnte sie den Ansprüchen des Gaumens und des Wohlbekommens genügen. Schon die Berührung mit ganz reiner Luft bedingt ein allmähliches Abstehen des Bieres durch Kohlensäure-Verlust und langsame Säuerung, aber bei dem bisherigen Verfahren, welches daher auch wiederholt von der Gesundheitspolizei verboten werden mußte, handelte es sich obendrein häufig um ein gewaltsames Hineinpressen der ungesunden Kellerluft oder der verdorbenen, mit Cigarrendampf und anderen unnennbaren Gerüchen der Schanklocale verunreinigten Luft, was ein beschleunigtes Verderben des Bieres zur Folge hatte. Dasselbe gilt natürlich von der allgemein verbreiteten Praxis, dem Biere durch Aufspritzen mit der verdorbenen Luft des Locals den Anschein eines kohlensäurereichen, moussirenden Getränkes zu geben, eine Unsitte, die sich alle Trinker, da sie das Getränk noch mehr verschlechtert, entschieden und ein für allemal verbitten sollten.

Alle diese Uebelstände werden bei einem Ausschank vermittelst comprimirter Kohlensäure vermieden, und deshalb hatte man schon früher die Bierfässer, statt mit Luftdruckpumpen, mit Kohlensäure-Entwickelungsgefäßen in Verbindung gesetzt, wodurch das Abstehen verhindert und einem an Kohlensäure armen Biere unter Umständen sogar ein höherer Wohlgeschmack ertheilt werdelt kann.

[633]

Bierausschank mit flüssiger Kohlensäure.
Nach dem System Raydt-Kunheim.

Die Verbindung der Kohlensäure-Flasche (a) mit dem Windkessel (b) und einem Bierfasse (c), wobei f das Sicherheitventil, k das Manometer und m einen Bierfang bedeutet, um das Zurücksteigen des Bieres in den Windkessel zu verhindern.

Allein diese Vorrichtungen litten häufig an dem Uebelstande, daß ihre Behandlung umständlich war und daß sie nicht immer eine reine, von Nebenbestandtheilen und Gerüchen völlig freie Kohlensäure lieferten, während bei dem Raydt-Kunheim’schen System eine vor ihrer Verflüssigung sorgfältig gereinigte Kohlensäure zur Verwendung kommt, die in der renommirten chemischen Fabrik von Kunheim u. Comp. zu Nieder-Schönweide bei Berlin im Großen bereitet und den Consumenten in meterhohen, schmiedeeisernen Flaschen von etwa zehn Liter Inhalt geliefert wird. Die Vorzüge dieser neuen Ausschanksweise sind so in die Augen springend, daß sich beispielsweise in Berlin bereits über hundert größere und kleinere Bierwirthschaften derselben bedienen, während sie sich andererseits an vielen Orten Deutschlands und selbst schon auf einigen Plätzen des Auslandes, wie z. B. in Antwerpen, Rotterdam und London, eingeführt hat. Die Kosten sind dabei so mäßig, daß sie beinahe schon durch die Brauchbarkeit des Bieres bis auf den letzten Tropfen aufgewogen werden, während sonst stets ein Theil unverwendbar blieb. Dazukommt aber die erhöhte Güte des Getränkes, welche dieser Ausschanksmethode bald die allgemeine Einführung sichern wird.

Was die Einrichtung selbst betrifft, so werden die von der obigen Firma hergeliehenen schmiedeeisernen Flaschen, welche circa acht Kilogramm flüssige Kohlensäure enthalten und zum Ausschank von sechszehn bis fünfundzwanzig Hectoliter Bier (je nach der Dichtigkeit der Fässer und Apparate) ausreichen, zunächst an die Zuführungsröhre eines metallenen Windkessels von erheblich größerem Rauminhalte, der mit Manometer und Sicherheitsventil versehen ist, angeschraubt (vergl. die obenstehende Abbildung).

Ein einziger Handgriff öffnet zugleich das Zuleitungs- und Sicherheitsventil des Windkessels, worauf man durch Oeffnen des [634] Flaschenventils soviel Kohlensäure einströmen läßt, bis ein am Manometer ablesbarer Druck von ein bis zwei Atmosphären im Windkessel erreicht ist. Hierauf schließt man zunächst das Ventil der Flasche, dann die beiden des Windkessels und öffnet dasjenige, aus welchem das gespannte Kohlensäuregas durch Röhren in die Fässer eintritt, aus denen das Bier emporgedrückt werden soll. Das einzige Bedenken, welches man gegen die in Rede stehende Vorrichtung geltend machen könnte, knüpft sich an die möglichen Gefahren, welche durch den beträchtlichen Druck in den Aufbewahrungsflaschen entstehen könnten. Dieselben sind aus starken schmiedeeisernen Röhren hergestellt, an deren beiden Enden dicke, sich nach innen conisch erweiternde Böden eingeschweißt sind, während die Anschlußöffnungen durch eine doppelte schmiedeeiserne Schraubenkappe verwahrt werden.

Diese Flaschen werden unter amtlicher Controlle einem Probedruck von 250 Atmosphären unterworfen, während der völlig ruhige und gleichmäßige Druck der Kohlensäure in denselben selbst bei einer Erwärmung bis auf 30 Grad nur auf 74 Atmosphären steigen würde. Aus diesen Gründen haben denn auch sowohl das Berliner Polizeipräsidium als das Reichseisenbahnamt die Gefahr eines Zerspringens der Flaschen für so völlig abgeschlossen erachtet, daß ersteres die Anbringung der Apparate anstandslos gestattet, und das letztere die Versendung der gefüllten Flaschen mit allen Zügen zuläßt. Beim Gebrauche kann schon deshalb keine Gefahr entstehen, weil der Handgriff, welcher den Windkessel an die Flasche anschließt, zugleich das Sicherheitsventil des ersteren öffnet. Auf dem im Juni dieses Jahres abgehaltenen deutschen Gastwirthtage wurden denn auch die vielseitigen Vorzüge des Verfahrens für Wirth und Publicum durch eine Prämiirung anerkannt.

Die durch diese bereits sehr ausgedehnte Verwendung hervorgerufene fabrikmäßige Darstellung einer chemisch reinen, flüssigen Kohlensäure zu ermäßigten Preisen hat alsbald zu dem Versuche geführt, dieselbe auch zur Herstellung der kohlensauren Wässer (künstliches Selter- und Sodawasser), sowie anderer moussirender Getränke zu benützen, und in dieser Richtung hat besonders der Apotheker Volk in Ratzeburg eingehende und mit dem besten Erfolge gekrönte Versuche angestellt. Bisher bereiteten die Mineralwasserfabrikanten die Kohlensäure selbst, indem sie dieselbe aus ihren mineralischen Verbindungen (Kreide, Magnesit etc.) durch Salzsäure oder Schwefelsäure austrieben, wobei aber, falls nicht eine sorgfältige Waschung des Gases stattfindet, leicht übelriechende und saure Bestandteile in das Mineralwasser gelangen und dessen Güte stark beeinträchtigen. Es ist dies der Grund, weshalb die Mineralwässer kleinerer Fabriken, deren Apparate entweder unvollkommen sind oder schlecht bedient werden, so häufig den Anforderungen des Wohlgeschmackes und der Zuträglichkeit nicht entsprechen.

Die Benutzung der chemisch reinen flüssigen Kohlensäure zur Mineralwassersfabrikation vereinfacht nicht nur die zur Darstellung der Wässer erforderlichen Vorrichtungen und Methoden erheblich, sondern erlaubt auch - was in heißen Sommern von Wichtigkeit ist - dieselben Mengen eines tadellosen Wassers in viel kürzerer Zeit herzustellen. Hierbei kommt noch, ebenso wie beim Bierausschanke nach dem Systeme Raydt-Kunheim, als begünstigender Umstand in Betracht, daß das durch Verflüchtigung der flüssigen Kohlensäure gewonnene Gas sich außerordentlich kalt erweist und dadurch die Auflösung im Wasser erleichtert, während es dort das Bier kühlen hilft. Natürlich muß bei der Mineralwasserfabrikation ein höherer Druck der Kohlensäure angewendet werden, was man ja völlig in der Hand hat, da die Kohlensäureflaschen schon bei einer Temperatur von 0 Grad einen Druck von 36 Atmosphären zur Verfügung stellen.

Aus letzterem Grunde eignet sich die flüssige Kohlensäure ferner in hohem Grade zum Betriebe von Feuerspritzen, deren Wasserstrahl sie zu jeder erforderlichen Höhe emportreibt. Die Kohlensäureflasche wird dabei unmittelbar neben dem Wasserkessel angebracht, und Major Witte, der Chef der Berliner Feuerwehr, hat eine derartige Kohlensäurefeuerspritze mit ununterbrochenem Betriebe construirt, bei welcher zwei Wasserkessel vorhanden sind, die abwechselnd mit Wasser gefüllt werden, sodaß der Strahl ohne Unterbrechung bald aus dem einen und bald aus dem andern Kessel aufsteigen kann. Es kommt auch hier in Betracht, daß das Wasser stark abgekühlt und mit Kohlensäure imprägnirt wird, was seine feuerlöschende Kraft bedeutend erhöht, wie dies schon aus dem Gebrauche der in allen möglichen Formen hergestellten Feuerlöscher (Extincteure) bekannt ist, deren Nützlichkeit im Wesentlichen auf der feuerlöschenden Kraft des kohlensauren Wassers und Gases beruht. Sobald nämlich der Strahl einer solchen Spritze in einen halb oder ganz abgeschlossenen Raum gelenkt wird, verbreitet das von dem Löschwasser entwickelte kohlensaure Gas die löschende Kraft über den unmittelbaren Wirkungsbereich des Wassers, indem es den erforderlichen Sauerstoff von den brennenden Stoffen abschließt und so das Feuer ersticken hilft.

Dementsprechend haben sich bedeutende Autoritäten auf dem Gebiete des Feuerlöschwesens dahin ausgesprochen, daß viele Theater-, Fabrik- und Schiffsbrände bei rechtzeitiger Anwendung Raydt’scher Kohlensäurespritzen im Keime erstickt werden könnten. Ein nicht gering ausschlagender Vorzug derselben, besonders gegenüber der mächtigen Dampffeuerspritze, die erst geheizt werden muß, besteht in der augenblicklichen Wirkung derselben, die in dem Momente eintritt, in welchem der Hahn der Kohlensäureflasche geöffnet wird. Daher hat auch Branddirector Major Witte in Berlin die bei großen Feuern in Anwendung kommenden Dampffeuerspritzen mit einer Nebeneinrichtung versehen lassen, um während des Kesselanheizens Kohlensäure in den Wasserbehälter eintreten zu lassen, damit die Spritze sofort in Thätigkeit gesetzt werden kann.

Hiermit sind aber die Anwendungen der flüssigen Kohlensäure keineswegs erschöpft. Ein mit ihr gefüllter Behälter läßt sich einem beständig geheizten Dampfkessel vergleichen, mit welchem man Arbeitsmaschinen aller Art, Straßenlocomotiven etc. treiben könnte, wenn nicht hierbei einigermaßen die bedeutende Wärmebindung der verdampfenden Kohlensäure und die Nothwendigkeit, dieselbe aus geschlossenen Räumen hinauszuleiten, hinderlich wären. Einige sehr interessante Anwendungen werden bereits seit einigen Jahren in den Eisenwerken von F. A. Krupp in Essen gemacht. Bei der einen handelt es sich um die Herstellung dichter, von Blasen und verborgenen Hohlräumen durchaus freier Metallgüsse, die dann natürlich ein besonders zuverlässiges Constructionsmaterial darstellen. Bei diesem Verfahren wird die Form unmittelbar nach dem Gießen luftdicht verschlossen und in dieselbe oberhalb des Metalls Kohlensäuregas von hoher Dampfspannung, die durch Erwärmen des Behälters mit der flüssigen Kohlensäure im Wasserbade noch erhöht werden kann, eingelassen, bis der Guß soweit erkaltet ist, daß keine Neigung zur Bildung von Hohlräumen mehr vorhanden ist. Von allen bisher angewandten Verfahren, die Metallgüsse während des Erstarrens zu pressen, gab das eben beschriebene, bei welchem man leicht den Druck auf zwölfhundert Atmosphären steigern kann, die besten Resultate, während es sich außerdem durch Einfachheit und Bequemlichkeit der Anwendung empfiehlt. Ebenso wie es in den Essener Werken vorzugsweise für Gußstahl angewendet wird, kann es natürlich auch bei anderen Metallgüssen dienen und wird von der Firma A. Krupp in Berndorff bei Wien beispielsweise mit gleichem Erfolge zur Herstellung von Neusilbergüssen angewandt.

Eine andere im Essener Etablissement erprobte Verwendung der flüssigen Kohlensäure besteht darin, mit ihrer Hülfe die äußeren Ringe von den durch Gebrauch abgenützten Kanonenläufen zu lösen. Sie wird zu diesem Zwecke direct in den Lauf hineingegossen, und entzieht demselben, indem sie sich in Gas verwandelt, so viel Wärme, daß sich das Rohr, in Folge der starken Abkühlung, genügend zusammenzieht, um die einst im glühenden Zustande aufgezogenen Ringe nunmehr mit Leichtigkeit herunterschlagen zu können, sodaß blos das Rohr umgegossen zu werden braucht. In demselben Etablissement wird die flüssige Kohlensäure auch zur Eisbereitung gebraucht, und so haben sich eine Fülle von Verwendungen für einen Stoff ergeben, den man bis vor wenigen Jahren nur in kleinen Mengen, als Rarität, in den chemischen Laboratorien erzeugte, um die in dem oben citirten Artikel beschriebenen physikalischen Experimente damit anzustellen. Seit sie nunmehr, und namentlich durch die Bemühungen von Dr. Raydt, so vielseitige Anwendungen gefunden, wird sie in der gedachten Fabrik so billig fabricirt, daß der berühmte Chemiker Professor A. W. Hofmann in Berlin keinen Anstand zu nehmen brauchte, nahezu einen halben Centner dieses Präparats zur Erläuterung eines Vortrages über „verflüssigte Gase“, den er im Beginn dieses Jahres zum Besten des deutschen Schulvereins gehalten hat, zu verbrauchen.

Carus Sterne.