Die goldene Gans (Löhr)

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Autor: Johann Andreas Christian Löhr
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Titel: Die goldene Gans
Untertitel:
aus: Das Buch der Maehrchen für Kindheit und Jugend, nebst etzlichen Schnaken und Schnurren, Band 2, S. 63–67
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Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: [1820]
Verlag: Gerhard Fleischer d. Jüng.
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Kinder- und Jugendbibliothek München und Commons
Kurzbeschreibung:
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[63]
8. Die goldene Gans.

Ein armer Bauersmann hatte drei Söhne, die waren denn alle drei nicht eben mit so viel Verstand versehen, daß sie davon hätten abgeben können; aber die beiden Aeltesten waren sehr hochmüthig und glaubten, sie seien gewaltig kluge Menschen und nur der Jüngste sei dumm, weil er blos gutmüthig und gefällig war, und machte kein Prahlens von ihm selbst. Sie nannten ihn darum den Dummling.

Da wollt der Aelteste eines Tags in den Wald gehen und Holz fällen, und der Vater sollte ihm eine Axt dazu geben.

„Du bist ein Tolprian, sagte der Vater, und verstehst das Ding eben recht, und wirst mit einer Wunde im Fuße heimkommen.“ Tolprian aber ruhete nicht eher, bis er die Axt hatte, und verlachte heimlich den Vater.

Als er in den Wald ging, hatte ihm die Mutter einen Fladen oder Kuchen in die Tasche gegeben, damit er zum Appetit etwa einmal hineinbeißen könnte, denn das rechte Frühstück hatte er schon daheim bekommen.

In dem Walde schleicht ein altes eisgraues Männlein daher, das recht verhungert aussahe. Das bat ihn: „Gib mir von deinem Kuchen ein Stücklein; ich bin gar sehr hungrig!“

„Will meinen Kuchen schon selbst eßen;“ antwortete er und ging weiter und fing an einen Baum umzuhauen, aber die Axt fuhr tief bei einem Hieb ab, und tief ihm in den Arm. So mußte er denn heim gehen.

Nun ging der zweite Sohn in den Wald, und das eisgraue Männlein war auch wieder da und bat um ein Stücklein Kuchen; aber der gab ihm eben so wenig als sein Bruder. Er hieb sich aber [64] beim Baumfällen so sehr ins Bein, daß ihn die Holzhauer in der Nähe, die auf sein Klagschrei herbeikamen, auf einer Trage nach Hause bringen mußten.

Nun ging der Dummling in den Wald, und dem begegnete das graue Männlein mit seinem Hungergesicht und mit seiner Bitte nur um ein Stückchen Kuchen auch, und der Dummling sagte: „du siehst so hungrig aus, Altvater, ich aber habe schon gefrühstückt, und kann es schon aushalten. Da hast du den Kuchen ganz!“

Da aß das Graumännlein den Kuchen mit großem Vergnügen, und als es denselben verzehrt hatte, sprach es: „komm mit; ich zeige dir einen Baum, den sollst du fällen, und wirst Etwas darunter finden.

Als der Baum nun umfiel, saß eine große goldene Gans darunter, die er mit sich nahm, und damit in ein Wirthshaus ging, wo es übernachten wollte. Aber er blieb nicht in der großen Stube, sondern er ließ sich ein Kämmerlein allein geben und setzte die Goldgans mitten hinein und schlief ein.

Die drei Wirthstöchter hatten die Goldgans recht gut gesehen und hätte jede gern eine schöne blinkende Goldfeder davon gehabt. Da sagte die Aelteste: „Ich will einmal hinein gehen, und wenn ich nicht gleich wieder da bin, so kommet mir nach.“

Als sie nun hinein kam, wollte sie der Gans eine große Flügelfeder ausziehen, blieb aber mit den Fingern daran sitzen und konnte nicht los. Weil sie nun nicht gleich wieder zurückkam, gingen ihr die andern Zwei nach. Die Aelteste bat sie hoch und sehr, sie sollten die Gans nicht anrühren, sie blieben sonst auch daran sitzen; aber das half nichts, denn die Lust nach einer Goldfeder war gar zu groß, und sie dachten auch, es möcht ihnen beßer gelingen. Da faßten sie die Gans an, und blieben auch fest.

[65] Am andern Morgen recht früh, als noch Niemand im Hause aufgestanden war, nahm der Dummling die Gans unter dem Arm und ging damit fort und die drei Wirthstöchter mußten auch mit fort.

Der Wirth und die Wirthin waren aufgewacht, hatten die Töchter gerufen, sie sollten aufstehen und arbeiten, die aber waren nicht da, sondern fort, und als sie dieselben überall suchten, im Hause und Hofe, und fanden sie nicht, sahen sie auf die Straße. Da zogen die Mädchen hinter dem jungen Burschen drein. Noch halb blos, liefen die Aeltern scheltend den Töchtern nach und sagten: „Ihr gottlosen Dirnen, habt Ihr keine Schaam mehr, dem jungen Burschen am hellen Morgen so nachzulaufen?“ Damit faßen sie die Töchter an den Rock, um sie mit Gewalt abzuziehen, blieben aber selbst hängen, und mußten nun auch mit fort.

Als sie nun so hintereinander hergehen, kommen zwei Bauern, die wollten mit ihren Hacken aufs Feld. Die baten sie sehr, sie doch los zu machen. Die Bauern nahmen die Hacken und wollten damit den Wirth und die Wirthin und dann die Andern abziehen, blieben mit den Hacken aber auch fest, und mußten hinter den Andern mit fort.

Als sie nun schon in ein anderes Dorf waren gekommen, traten daher der Pfarrer und sein Küster hinter ihm drein. Da flehten sie kläglich, der Herr Pfarrer möchte sie doch befreien. Der gute Mann wollte das gern thun, obwohl er dachte, das Ding möchte nicht ganz richtig sein; er zog an den Bauern aus Leibeskräften, blieb aber sitzen und mußte mit fort. Der Küster aber, obwohl er gesehen, wie es dem Herrn Pfarrer erging, wollte doch nicht denselben verlaßen, sondern ihn aus alter Liebe und Gevatterschaft abziehen, da mußte er denn auch hinter ihm drein.

[66] So ging der Zug fort, weiter und immer weiter und schrie: „Macht uns los! macht uns los! wir sitzen hier fest und können nicht ab.“

Da liefen viel Leute herzu, und wurde ein großer Lärm und auch ein Gelächter, aber weil sie wohl merkten, daß es allhier mit rechten Dingen nicht zugehe, wollte sie keiner losmachen.

So kamen sie in eine große Königsstadt, und ein großer Haufen Volks kam mit und wollte sehen, wie die Sachen zu Ende liefen. Der König derselben Stadt aber hatte eine schöne Tochter, die hatte noch Niemand freundlich gesehen, und hatte nie keinmal in ihrem ganzen Leben gelacht. Da ließ der König eben als der Zug in der Stadt ankam, in allen Straßen ausrufen: wer seine Tochter könne zum Lachen bringen, der solle sie haben, und wäre er auch nur eines Bauern Sohn.

Als der Dummling das hörte, zog er stracks mit seiner Gans und denen, die dran hingen, aufs Schloß, und viele tausend Leute zogen mit und lärmten, und schrien allzumal, obwohl die hintersten nicht einmal wußten, was vorging.

Als sie nun auf dem Schloßhof ankamen, zog das Gelärm den König ans Fenster, und die Prinzeßin auch; die aber, als sie das Alles sahe, fing so laut an zu lachen, daß es lauter war als der Lärm.

Der Dummling ging nun mit seiner Goldgans und deren Anhang zum König, bei dem die Prinzeßin auch war, und sagte: „Nun! gnädiger Herr König Majestät, nun werdet Ihr mir wohl Eure Jungfer Prinzeßin geben. Ich bin der Dummling, wenn Ihr es noch nicht wißt, denn das ist mein Name. Die [67] Prinzeßin aber lachte noch in eins fort, und konnte zu lachen nicht aufhören.

Der König aber sprach: „Ja wohl, mein Bursche! Die Jungfer Prinzeßin sollst du haben, weil ich mein Königswort halten muß, und weil es die Dummlinge am weitesten bringen.“

Die Prinzeßin aber sagte: „Ich nehme den jungen Burschen, weil er mich zu lachen gemacht hat. Mir ist mein Lebstage so wohl nicht gewesen als nun, da ich lachen kann. „Nur muß er beßere Kleider anziehen, da wird er denn auch schon Verstand genug haben!“ – Damit so lachte sie wieder aus Leibeskraft.

Während das aber so vorging, merkten die, welche an der Gans hingen, daß sie immer weniger und weniger festsaßen, und waren zuletzt ganz los. Da wollten sie wieder heim gehen, aber das litt der König nicht, sondern tractirte sie erst mit Kaffee und Kuchen, und dann kam Schweinebraten gewaltig fett, und Hirsebrei kam zuletzt, und Schnaps war vollauf da.

Nun durften sie gehen.

Sie gingen, nachdem sie sich fein bedankt, und sagten unterwegs zu einander: „Das ging hoch her; fast so hoch wie auf Michels Hochzeit, wenn noch Kalbskopf mit Rosinen dabei gewesen wäre.“

Und als sie nach Hause gekommen waren, wußten sie nicht genug zu rühmen, wie viel Ehre ihnen der König angethan hätte.