Der tapfere Schneider

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Autor: Johann Andreas Christian Löhr
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Titel: Der tapfere Schneider
Untertitel:
aus: Das Buch der Maehrchen für Kindheit und Jugend, nebst etzlichen Schnaken und Schnurren, Band 2, S. 57–62
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Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: [1820]
Verlag: Gerhard Fleischer d. Jüng.
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Kinder- und Jugendbibliothek München und Commons
Kurzbeschreibung:
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[57]
7. Der tapfere Schneider.

Es war ein klein Städtlein, wo ein Schneider drinn wohnte, der machte den Leuten die Kleider. Aber er machte den Leuten die Kleider gar nicht recht gern; denn er dachte sein Gewerk und Handthierung, sei zu gering und leicht für Manneskraft und Geist und hätte sollen armen Wittwen und Waisen verbleiben, damit die auch Etwas hätten sich davon zu ernähren, und dachte auch, eben deshalb habe man auf das edle Schneiderthum mancherlei Spott und Schimpfverse gemacht, die ihm Jedermann, zu Hohn und Trutz, wiße und laut singe.

So dacht er und meinte, weil es ein Schneider doch täglich mit Stechen zu thun habe, so hätte er sollen Soldat werden, denn er werde außer dem Stechen auch das Hauen gar leicht erlernen, zumal da die Scheere ja gar nichts anders als ein zweischneidiges Schwerdt sei. Er für seine Person sei gewiß ein General geworden oder wohl gar noch mehr, nämlich ein Lieutenant, die immer weit mehr Muth und Heldenherz und Kriegskunst hätten, als die ältesten Generale.

[58] In solchen hohen Gedanken saß einmal das Schneiderlein und schneiderte, und vor ihm lag ein Stück Musbrod, das er sich noch eine Weile wollte aufheben, bevor er es äße.

Da kamen Fliegen und setzten sich auf das Musbrod, die scheuchte er weg mit einem Tuchlappen, denn es ordentlich auf Leben und Todt mit ihnen aufzunehmen, schien ihm doch allzubedenklich. Als sie es aber allzuarg trieben und wollten ihm das Mus ganz und gar vom Brodt freßen, faßte er sich ein Herz und schlug in der Angst sieben große Fliegen todt.

Da erschrack er vor sich selbst, und sagte: „Potz! Was für ein groß Mann ich bin!“ denn er wußte nicht, wie er solches große Werk hatte vollbringen können, und hätt ers sich selbst nicht geglaubt, wo ers nicht vor Augen gesehen. Da aber merkte er denn wohl, daß er zu großen Dingen geboren sei. Da gab er das Schneiderthum auf, machte sich aber zuvor einen breiten Gürtel um seinen Leib, darauf stand mit großen goldenen Buchstaben: „Sieben auf einen Streich geschlagen!“ Das hatte er sich mit Goldfaden hinein gestickt. Dazu hatte er sich nun auch einen blanken Harnisch machen laßen, aber das Schwerdt hatte er vergeßen, oder es schien ihm nicht nöthig, denn er mochte wohl denken, der Harnisch schütze ihn genug.

So zog er in die Welt sein Glück zu versuchen und nannte sich Großherz.

Er ging in das Land eines großen Königs bis zu dem Schloße deßelben, wo er sich in dem Hofe hinlegte und schlief. Die Diener aber, die hin und her gingen und den glänzenden Harnisch sahen und lasen die gewaltigen Worte auf dem Gürtel, thäten das dem König kund und sagten, er möcht wohl ein trefflicher Kriegsmann sein und könnt einmal großen Dienst leisten, wenn es sollte Krieg setzen.

[59] Da ließ der König ihn rufen und fragt ihn, ob er wollt Dienst nehmen? Ja! sagt er, deswegen sei er gekommen; man sollt ihm aber ein Schwerdt verleihen, dieweil er das seinig gegen den Stahlharnisch eines Riesen auf der Reise zubrochen.

Da überkam er Dienst und Schwerdt und großen Sold, und wurde von Allen sehr hoch gehalten, und thaten sie gar freundlich gegen ihn, weil sie sich sehr vor ihm furchten.

Alsbald er das merken that, ward er trotzig und höhnisch und suchte Händel mit den Kriegsleuten; aber es wagte sich keiner mit ihm, denn weil er sieben auf Einen Streich hatte geschlagen, würde er mit jeglichem einzelnen Mann bald fertig werden, wie stark der auch sein möchte.

Da sahen ihn Alle sehr scheel an, beredeten sich, gingen zum König und begehrten ihren Urlaub, wenn der Großherz im Dienst bleibe.

Deß wußte der König und seine Räthe keinen Rath, denn wollte er den Großherz aus dem Dienst thun, so könnt er ihm Land und Leute umbringen, und sich selbst zum Könige machen; und sollt er seinen Kriegsleuten Urlaub geben, das wäre noch weniger gut, dann möchte Großherz so eher thun, als ihm gefalle.

Da sagt der König den Kriegsmännern, wartet ein Weil noch; ich will mir einen Rath erdenken, daß wir mit Fügen und Art des Großherzes loskommen.

Als nun der König sich eines Dings ersonnen hätt, ließ er den Großherz kommen, sagend, er habe gar wohl vernommen, welch ein gewaltiger Kriegsmann derselbe sei, und sollte er ihm helfen gegen zwei Riesen im Walde, die ihm großen Schaden thäten mit Rauben und Würgen. Er wolle ihm dazu hundert Reiter zu Hülf geben, und wenn er es wohl hätte vollbracht, solle er seine Tochter [60] bekommen, und das halbe Königreich zum Erbgut nehmen. Der König aber dachte, das laße sich nimmer vollbringen und käme er also des gefährlichen Dienstmannes los.

Da sagte Großherz, solches wolle er wohl vollbringen und brauch er nicht einmal der hundert Reiter dazu.

So verfügte er sich demnach zu dem Wald, ließ aber die Reiter außerhalb bleiben, ging allein in den Wald und lugt und schauet, wo die Riesen wären. Da fand er sie schlafend unter einem Baum und schnarchten sie also sehr, daß sich die Zweige an den Bäumen davon bogen.

Da laß der Schneider sich Steine auf, stiege nun auf den Baum, darunter die Riesen schnarchten, und warf Einen derselben mit einem spitzen Stein auf die Stirn, so daß derselbe erwachte und fragte den Andern, warum er so hart ihn habe geschlagen? Der antwortet, er habe ihn nicht geschlagen, sondern gar sanft geschlafen. Hierauf als sie beide schon wieder schnarchelten, wirft er den Andern an die Stirn. Der fragt den Ersten, warum er denn nun ihn schlage? Dieser antwortet, er hab ihn nicht geschlagen, sondern schon wieder recht sanft geschlafen.

Als sie nun wieder beide schliefen, wirft er den Ersten und den Andern so heftig, als er vermochte, daß sie beide auffuhren, und fingen so arg an zu zanken und zu schreien, daß es die draußen vor dem Walde hörten, und dachten, jetzt gehe es los, und waren heilfroh ihrer eigenen Haut wegen. Die Riesen aber rißen Bäume aus und schlugen so grimmig zu, daß sie bald nach einander beide verschieden.

Als der Schneider das sahe, stieg er vom Baum, schlug den Riesen mit seinem Schwerdte an etzlichen Theilen ihrer Leiber einige [61] Wunden, und sagte den Reitern, sie könnten die Riesen nun holen, denn er habe sie getödtet, und lägen unter einem Baum.

Die Reiter glaubten das keineswegs, aber als sie in den Wald gingen und die Riesen todt fanden, da glaubten sie es.

Nun war dem König sehr angst, als der Riesentödter die Prinzeßin und das Erbgut forderte. Er hatte das Herz nicht ihm dieselben zu versagen, nur wäre noch Eins und das Andere zu thun, dann würde er beides erlangen.

„Sagt an, was es ist, sagt hochtrotzig das Schneiderlein, ich will es vollbringen!“

Da ward dem König übel und weh, und dachte: das ist ein Unhold, und sagte: es sei ein heilloses und grauwaltiges Einhorn im Lande, das thäte an Leuten, Fischen und andern Gethier so gar vielen Schaden, daß es das Land noch verwüsten werde, das solle er fangen.

„Ich will es schon fangen, sagte der Schneider, ging mit einem starken Seil in den Wald, wo das Einhorn immer war, und ließ die Reiter wieder vor dem Walde! Da kam das Einhorn daher in voller Wuth gegen den Schneider und wollt ihn durchbohren. Der aber sprang, als es ganz nahe war, hinter eine große Eiche, aber in der blinden Wuth hatte das Einhorn mit dem Horn sich tief in die Eiche gerannt, und blieb darin stecken. Da schleift ihm der Schneider das Seil um den Hals, und das andere Ende machte er an einem andern Baum fest, und hieb und stach mit seinem Schwerdt auf das Thier. Das aber wurde ganz wild und wollte sich losreißen, zog darüber das Seil ganz zu, daß es davon erstickte.

Als das nun vollbracht war, furchte der König sich noch vielmehr, und sagte: Es sei nur noch Eins zu verrichten, nämlich ein groß wild Schwein zu fahen, das Alles im Walde und Felde verwüste.

[62] „Das will ich schon auch ausrichten, sprach er, aber dann gebt mir, was Ihr verheißen, oder es wird nicht gut!“

Da ging er in den Wald, aber die hundert Jäger, die ihm der König hatte mitgesandt, ließ er auch vor dem Walde, und ging allein hinein. Und als er das Schwein aufgefunden, machte er es erst recht wild, und rief: „Hußa, hußah!“ und da es ihn nun schäumend verfolgte, steckte er sich immer hinter die Bäume, lief dann fürder, und rief immer wieder: „Hußa!“ bis er das Schwein an ein kleines aber festes Waldkirchlein brachte, deßen Thür offen stand. Da lief er hinein, und das Schwein ihm nach. Er aber, leicht wie er war, sprang zum Fenster hinaus, und während das Schwein ihn wüthend im Kirchlein suchte, war er schon wieder vom Fenster zur Erde, und schlug die Thüre des Kirchleins zu.

So ward also das Schwein gefahet.

Und als nun der König sich weiter nicht wußte zu helfen, da gab er ihm die Prinzeßin, die ihn aber mit Seufzen und Weinen nahm, und sich um alle die großen Dinge nicht kümmerte, die der tapfere Schneider gethan hatte, denn sie hätte viel lieber einen schönen Prinzen genommen, der noch gar nichts gethan hätte als Reiten und Jagen. Das aber machte unserm Schneider wenig Unruh und Sorgen. Und als er erst König geworden war, fürchteten sich alle Königs und Fürstenleute in der Nachbarschaft vor dem König Großherz und blieb sein Land in Frieden, so lang er regierte.