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Die neunhundertjährige Jubelfeier der Stadt Krems

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Textdaten
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Autor: R. v. Enderes
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Titel: Die neunhundertjährige Jubelfeier der Stadt Krems
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 33, S. 563, 564
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1895
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[563] Die neunhundertjährige Jubelfeier der Stadt Krems. (Mit Abbildung S. 564.) Als die älteste unter den uralten Städten Niederösterreichs begeht Krems an der Donau in den Tagen vom 11. bis 18. August l. J. durch ein großartiges Volksfest die Erinnerung an die Thatsache, daß es schon in einer Urkunde des Kaisers Otto III. vom 16. August 995 – also etwa zwei Jahrzehnte vor Tulln und zwei Jahrhunderte vor Wien – als „urbs“, als „Stadt“ bezeichnet erscheint. Die ersten geschichtlichen Nachrichten über Krems stammen jedoch aus weit früherer Zeit. Als nämlich der heilige Severin im Donauthale sein Bekehrungswerk vollbrachte, bestand schon gegenüber dem heutigen Mautern am linken Ufer des Stromes ein „Jahrmarkt der Barbaren“, worunter nur das spätere Krems zu verstehen sein kann, das – zwischen Berg und Strom gelegen – eine gegen feindliche Ueberrumpelungen gesicherte und durch die unmittelbare Nachbarschaft der Donau zu einem Mittelpunkte des bescheidenen Handelsverkehrs jener Tage vorzüglich geeignete Niederlassung der Rugen war. Während der Völkerwanderung bildete Krems den Tummelplatz jener Horden, welche zwischen den Ausläufern der Karpathen im Osten und jenen des deutschen Mittelgebirges im Westen über den Donaustrom setzten. Unter der glorreichen Regierung der Babenberger entwickelte sich Krems rasch zu einem Gemeinwesen, das jahrhundertelang mit Wien rivalisierte und noch von Maximilian II. als die vornehmste Stadt nach Wien bezeichnet werden konnte. Die wesentliche Rolle, welche Krems in der Geschichte Oesterreichs spielte, kam es jedoch teuer zu stehen. Denn während der Einfälle der Böhmen unter Ottokar und der Ungarn unter Matthias Corvinus, während der Kriege mit den rebellischen Bauern und mit den Schweden, sowie während der Napoleonischen Eroberungszüge wurde die Stadt wiederholt belagert, verloren und wieder zurückerobert, von Feind und Freund mit gleicher Rücksichtslosigkeit geplündert und gebrandschatzt und dadurch immer wieder in Schulden gestürzt, welche die besten Kräfte der Bürger verzehrten.

Sowohl diese kriegerischen Ereignisse als auch die allmähliche Veränderung in den Stromverhältnissen der Donau, welche ihr Bett seit Jahrzehnten immer weiter von der Stadt wegrückt, haben dazu beigetragen, daß in Krems das Alte nie lange standhielt. Ganze Häusergruppen verschwanden und an ihrer Stelle, sowie dort, wo der weichende Strom ein blühendes Auland zurückließ, entstanden neue Stadtviertel. So hat sich Krems nur im Einzelnen die eigentümliche, Behagen erweckende Physiognomie einer mittelalterlichen Stadt erhalten. Zu seinen „Wahrzeichen“ gehört vor allem das uralte „Steinerthor“ mit dem prächtigen Quadernturm und den zwei seitlich vorgeschobenen, von Spitzdächern gekrönten Rundtürmen, der mächtige Pulverturm am Ostende der Stadt, die auf weit ausschauender Höhe gelegene Piaristenkirche und das „Mandl ohne Kopf“, eine Steinfigur im Harnisch, der der Kopf fehlt und die angeblich daran erinnert, daß auf dem „Lueg-ins-Land“, während Torstensson die Stadt besetzt hielt, einem frevelhaften Offizier eine Kanonenkugel das Haupt vom Rumpfe riß.

Das Krems von heute ist durch mannigfache Eisenbahn- und Dampfschiffverbindungen zu neuer Blüte gelangt. Es zählt etwa 11000 Einwohner. Handel und Wandel, Industrie und Gewerbe sind im Schwunge. Der Weinbau wird im großen Stile betrieben. Zahlreiche Schulen gedeihen unter trefflicher Leitung. Auf dem Piaristengymnasium haben Hamerling und Joseph Misson, der unsterbliche Dichter des „Naz“, Johannes Nordmann und Canon studiert. Kirchenfürsten, hervorragende Professoren, Beamte, Aerzte und Litteraten sind Söhne der Stadt Krems gewesen. Und wie etwa einst in Krems Margaretha, die unglückliche Gattin Ottokars, verstoßen und verraten, den Untergang ihres Geschlechtes, der Babenberger, beweinte und Philipp von Kärnten als Ex-Erzbischof von Salzburg, Ex-Patriarch von Aquileja und Ex-Herzog von Kärnten im Exile lebte, so ist bis heute Krems ein Lieblingsaufenthalt der österreichischen Pensionisten geblieben. Dies ist wohl begreiflich; denn für das materielle Leben ist in Krems glänzend gesorgt, das Klima der an Rebengelände lieblich hingebetteten Stadt ist außerordentlich milde und die Bewohner derselben sind ein treuherziges Völkchen, das den Fremden stets gastfreundlich entgegenkommt.

Also konnte Krems froher Teilnahme von vornherein sicher sein, als es das ganze Oesterreich anläßlich seines neunhundertjährigen Stadtjubiläums zu Gaste lud. R. v. Enderes. 

[564]

Ansicht von Krems von der Ostseite.
Nach einer Photographie von Franz v. Prandtstetter in Krems a. D.