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Die verschiedenen Stände

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Textdaten
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Autor: Ulrich Jahn
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Titel: Die verschiedenen Stände
Untertitel:
aus: Schwänke und Schnurren aus Bauern Mund, S. 45–47
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: [1890]
Verlag: Mayer & Müller
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Erscheinungsort: Berlin
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Russische Staatsbibliothek = Commons; E-Text nach Digitale Bibliothek, Band 80: Deutsche Märchen und Sagen
Kurzbeschreibung:
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Bearbeitungsstand
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[45]
Die verschiedenen Stände.

Was geht da so lustig: Bim bam? Was brummt dazwischen so dumpf: Bum bum?

„Das sind die Glocken, Alt-Vater, die gehen so lustig: Bim bam! Das sind die Kanonen, die brummen so dumpf dazwischen: Bum bum! Heut wird ja die große Schlacht gefeiert!“

Hast recht, Junge, so ist es, und es muß auch so sein! – Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde, und die Erde war wüste und leer. Darnach schuf er eine große Menge Kaiser und Könige, Fürsten, Grafen und Herren und die ganze Geistlichkeit; dann erst sprach er: „Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei!“ und schuf Adam und Eva. Und als später die Gebote gegeben wurden, sind dieselben nur an die Adamskinder gerichtet worden.

Darum sind die großen Herren frei von den Geboten und dürfen Kriege führen und in Kämpfen und Schlachten die Menschen in Scharen zusammen treiben und tot schlagen lassen. Zur Erinnerung daran muß in den Kirchen gesungen und von den Türmen geblasen, mit den Glocken geläutet und mit den Kanonen geschossen werden; wenn [46] aber ein gewöhnlicher Mensch jemand tot schlägt, so kommt er an den hell lichten Galgen.

„Meines Lebens, wie sind denn aber die Unterschiede in die niederen Stände gekommen?“

Das ist so zugegangen: Adam und Eva haben ein langes Leben geführt und viele Kinder bekommen, und Kinder machen den Eltern Mühe und Arbeit. Nun begab es sich, daß der liebe Gott nach dem Sündenfalle sich wieder einmal des Adams und der Eva erinnerte; und weil so viele Jahre verstrichen waren, daß er sie nicht gesehen hatte, machte er sich eines Sonntags Morgens bei Zeiten auf, sie zu besuchen.

Eva war gerade dabei, ihre Kinder zu waschen und zu putzen, als sie durch das Fenster den Hergott von ferne ankommen sah. Die Hälfte war erst gewaschen! Geschwind trieb sie darum die andern in die Hölle hinter den Ofen, damit der liebe Gott sie nicht sehen und auf die Mutter schelten möchte, daß sie nicht früher aufgestanden sei und sich an die Arbeit gemacht habe.

Als nun der liebe Gott in die Thüre getreten war und die fein geputzten Kinder erblickte, reichte er ihnen die Hand und gab einem jeden eine gute Ausstattung mit auf den Weg.

„Du sollst ein Kaufmann werden und du ein Küster,“ sagte er, „du ein Müller und du ein kunstreicher Schmied und du da ein reicher Bauer!“

Die Worte gefielen der Eva wohl, und sie gedachte der ungewaschenen Kinder hinter dem Ofen, zog sie aus der Hölle hervor und sprach: „Schau, Herr, ich habe noch mehr Kinder!“

[47] Die sahen aber schwarz aus, wie der Teufel, und der liebe Gott mußte ihrer lachen und sprach zu dem ersten: „Du sollst ein Schornsteinfeger werden!“

Den zweiten machte er zum Kuhhirten, den dritten zum Besenbinder, den vierten gar zum Schweinejungen, und den übrigen erging es nicht besser. Sie bekamen allesamt einen niederen Dienst, sie sollten in Hütten in den Dörfern, über das Land hin zerstreut, wohnen und Krautgemüse essen und ihrer sauberen Geschwister Knechte sein.

Sieh, so sind die verschiedenen Stände in die Welt gekommen!