Dirnenlied (Hoechstetter)
Erscheinungsbild
[51]
EIN DIRNENLIED
Einst, da ich liebte, war ich schön wie Gott
Ja, ich war herrlich, gleich den Ungewittern
Die über welterstarrter Winternot
Erzittern –
5
Einst, da ich liebte, war mein Mund voll BlutUnd meine Augen glühten gleich Gestirnen
In irrer Glut –
Jetzt geh’ ich mit den Dirnen –
10
Ich nehme die Liebe von jedem Munde, Ich nehme die Lust zu jeder Stunde,
Ich liege am Grunde
Dort, wo der Ekel ist.
Ich suche – und lache meinem Funde
15
Zu schlecht für die Hunde Zum flüchtigen Bunde.
Aber etwas in mir es nimmer vergißt:
Einst, da ich liebte, war mein Mund voll Blut
Und meine Seele schrie in seligem Entstarren
20
Und eine Welt erstand aus dunkler Glut –Jetzt bin ich leer – dem Lachen gleich von Narren.