Ein Besuch bei den Jesuiten
In Zürich wurde 1839 von der Priester- und Aristokratenpartei ein Putsch gemacht, der viele andere in demselben Sinne nach sich zog, wovon der schlimmste der in Luzern war. Denn dadurch wurden die Jesuiten Herren in diesem wichtigen Canton, dem dritten Vorort. Der Züricher Putsch ging angeblich gegen die Berufung des Doctor David Strauß zum Professor der Theologie nach Zürich; in Wahrheit aber gegen alle Reformen der liberalen Regierung und vornehmlich ihre Verbesserungen im Schulwesen. Damit hatten sie die Gläubigen und die Aristokraten erschreckt. Es war auch wirklich zu arg, die alten braven Lehrer, die aber nichts wußten, noch einmal zu examiniren und zu pensioniren. Man berief statt dieser Unterprediger aus der guten alten Zeit Zöglinge deutscher Lehrerseminare, die damals noch nicht semitisch angesteckt waren und weniger Bibelweisheit als wirkliche Wissenschaft lehrten.
Dies fanden die Prediger und die alten Stadtherren höchst gefährlich und machten ihren Putsch mit einer bethörten Masse, die nicht unterrichtet und aufgeklärt sein wollte. Die Putscher setzten darauf die Reactionärs oder Umkehrer in die Regierung und diese wollten nun zum Beispiel die Cantonschule, die halb fertig war, liegen lassen; das hintertrieb aber ein alter Millionär, der auch Regierungsrath geworden war, mit der Drohung: „Dann bu I sie allei!“ Natürlich hätten diese Regierungsräthe gern auch die alten Schullehrer in ihre altgewohnten Aemter wieder eingesetzt, aber die neuen Schulmeister setzten sich auf die Hinterbeine und drohten mit sammt ihren Gemeinden nach Zürich zu marschiren, wenn die Schulreform gestört würde. Das half. Umsonst stimmte die fromme Regierung vier Jahre lang auf der Tagsatzung mit den Jesuitencantonen. Bei der nächsten Wahl siegte die Schulpartei über die Kirchenpartei, und Zürich war wieder frei.
Und wieder folgten dem Züricher Vorgange kleine und diesmal liberale Aufstände, wie Raketen, die das große Feuerwerk von 1847, den Sonderbundskrieg, vorbereiteten. Die Genfer Revolution der kleinen Stadt gegen die große war die, welche den liberalen Cantonen die Mehrheit auf der Tagsatzung gab, und diese konnte nun beschließen, was die Mehrheit des Schweizervolkes längst gewollt hatte, die Auflösung des Sonderbundes, durch den die Jesuitencantone Luzern, Zug, Schwyz, Uri, Unterwalden, Wallis und Freiburg sich gegenseitig Schutz zusagten. Sie fürchteten nämlich ganz natürlich das Aufhören der künstlichen Herrschaft der kleinen Cantone über die großen, der Minderheit über die Mehrheit des Volks.
Die Auflösung des Sonderbundes hinderte das Zerreißen der Schweiz durch Oesterreich, Preußen und Frankreich und brachte die neue Verfassung und Vereinigung hervor. Dazu war aber erst der Sonderbundskrieg von 1847 nöthig, und noch am 22. Januar 1848 protestirten Oesterreich, Preußen und Frankreich gegen jede Aenderung der Schweizer Bundesverfassung. Sie wußten im Januar noch nicht, was im Februar und März ihnen selber begegnen und den Schweizern den freien Genuß ihres Sieges sichern sollte.
Ehe diese aufregenden Ereignisse eintraten, zur Zeit der liberalen Wahl, wohnte ich in Zürich dicht unter der nun fertigen Cantonschule, die mein ältester Sohn besuchte. In Genf im Ecu de Genève trafen ich und meine Frau zwei Freunde aus Paris, Victor Schölcher und den Herrn von Ribbentropp, mit denen wir eine Schweizerfahrt verabredet hatten.
Die Jesuiten waren damals natürlich der Gegenstand der allgemeinen Aufmerksamkeit, sie hatten sich interessant gemacht, nachdem sie so viel Anläufen der Tagsatzung und sogar den Freischaarenzügen widerstanden. Schölcher fand sie daher eben so sehenswerth, als die Berge, und es wurde beschlossen, in Freiburg eigens zu verweilen, um ihnen einen Besuch abzustatten. „Das ganze reactionäre Europa nimmt für sie Partei,“ sagte er, „sie sind ein bedrohtes Außenwerk der großen Festung, die wir zu stürmen haben, es ist daher höchst wünschenswerth, so harmlos als Reisende ihr wichtigstes Rüsthaus zu besehen.“
„Ich weiß nicht,“ bemerkte der Herr von Ribbentropp, „ob es da nicht in der Ordnung ist, daß wir uns gleich als Protestanten zu erkennen geben, damit sie wissen, wie sie mit uns daran sind.“
„Wenn sie darnach fragen, sind wir allerdings gehalten, es zu sagen; wenn sie uns aber nicht fragen, so haben sie einfach Fremde vor sich, die sie schon zu behandeln wissen werden,“ erwiderte Schölcher.
„Auch muß ich gestehen,“ fuhr Ribbentropp fort, „daß ich die Freischaarenzüge gegen Luzern ganz ungerechtfertigt finde.“
„Und ich,“ erwiderte Schölcher, „finde die Gewaltherrschaft in Luzern, die eine größere Menge Bürger vertrieben hat, als verhältnißmäßig je eine andere ähnliche Regierung, ganz ungerechtfertigt.“
„Ich bin ein Gegner der Jesuiten,“ bemerkte der Herr von Ribbentropp, „aber was dem Einen recht ist, das ist dem Andern billig; die Freiheit und das Recht, welches wir für uns in Anspruch nehmen, müssen wir ihnen ebenfalls zugestehen.“
„Aber wollen denn die Jesuiten dieselbe Freiheit wie wir?“
„Ohne Zweifel! Sie wollen Preßfreiheit und Rechtsschutz.“
„So? also wollen sie wohl Gewissensfreiheit und machen sich nichts aus der Autorität der Kirche?“
„Gewissensfreiheit können sie freilich nicht wollen, da sie die Autorität der Kirche wieder herstellen wollen.“
„Die Autorität der Kirche über uns und alle Welt. Müssen sie also nicht die Inquisition und die Vertilgung der Ketzer wollen?“
„Allerdings!“
„Also nicht blos Gewissensfreiheit, auch die Verbreitung ihrer Ansichten durch Rede und Presse werden sie den Ketzern nicht zugestehen?“
„Den Ketzern – nein!“
„Gestehen sie also den Ketzern gleiches Recht mit sich zu, nämlich das Recht, ihre Meinung durch Gründe geltend zu machen?“
„Allerdings nicht!“
„Wozu verlangen also jetzt die Jesuiten gleiches Recht und gleiche Freiheit mit uns?“
„Um ihre Ansicht geltend zu machen.“
„Und die war, wie Sie selbst zugestanden haben, daß unsre Ansicht verbrecherisch sei und ausgerottet werden müsse durch die Inquisition; sie wollen also nur die Freiheit und das Recht, um alle Freiheit und sogar das Recht der Gewissensfreiheit zu unterdrücken; sie wollen die Preßfreiheit nur, um sie abzuschaffen.“
„Das scheint so.“
„Und dazu wollen Sie ihnen jetzt die Mittel gewähren, und eine Verbindung, welche den Zweck hat, alle Freiheit, das heißt den ganzen gegenwärtigen gesetzlichen Zustand aufzuheben, wollen Sie bestehen lassen?“
„Ich habe schon gesagt, daß ich ein Gegner der Jesuiten bin, aber auf gesetzlichem Wege.“
„Der gesetzliche Weg wird sein, daß man die Auflösung einer solchen ungesetzlichen Verbindung beschließt und ihre Mitglieder zur Rechenschaft zieht.“
„Mag doch die Tagsatzung das beschließen.“
„Die Zeit wird allerdings kommen,“ sagte Schölcher, „denn ich habe schon ein Vögelchen singen hören, das protestantische Genf werde nicht immer mit den Jesuiten stimmen können. Man wird im Nothfall Gewalt brauchen, um solchem Verrath ein Ziel zu setzen.“
Ich habe dieser Unterredung mit Vergnügen zugehört und mich ihrer oft wieder erinnert, denn grade jetzt ist ja dieselbe Frage an uns und das Reich herangetreten. –
Mit einiger Besorgniß verließen wir Genf, von dem so viel, ja Alles abhing, diese älteste freie Stadt Europas, die von der prächtigen blauen Rhône in zwei ungleiche Theile getheilt wird, von denen, wie gesagt, der kleinere Theil der freigesinnte, der größere, auf dem linken Ufer, der aristokratische war, der auf der Tagsatzung seinen Vertreter immer mit den Jesuiten hatte stimmen lassen. Wir konnten es uns nicht verhehlen, daß es hier noch eine harte Nuß zu knacken gab, ehe noch irgend [715] etwas von der Tagsatzung zu hoffen war. Die Millionärs und die Pfaffen der großen Stadt hatten die Söldner und ihre Kanonen immer in Bereitschaft; „wenn das Volk es wagen sollte, sich zu rühren, so wollte man Klein-Genf eher mit glühenden Kugeln in Brand schießen, als nachgeben.“ Nun, glücklicher Weise steht die herrliche Stadt noch unverletzt und die glühenden Kugeln sind nur in der Phantasie geheizt worden.
Wir fuhren mit dem Dampfer nach Lausanne, das seine Revolution schon gemacht hatte, und hatten uns mit einer Empfehlung von Galère versehen, einem Freunde Fazy’s, an den Tagsatzungsgesandten des Waadtlandes, der an der Spitze der seit 1845 siegreichen freien Partei stand. Als wir ankamen, war er schon nach Zürich abgereist, wo wir ihn dann trafen, und wo ich mich mit ihm und Schölcher über den Staatszweck, den sie mir zu antik, zu ungünstig für den einzelnen Bürger auffaßten, nicht vereinigen konnte.
Schölcher und er nahmen ganz kühl mein Beispiel an, „der Einzelne werde also nach ihnen wie ein Schuh von seinem Träger aufgebraucht, und es sei Patriotismus, sich darein zu ergeben.“
„Allerdings! das freie Gemeinwesen ist der Zweck, und seiner Verwirklichung hat sich der einzelne Staatsbürger zu opfern,“ erwiderten sie; „dies drückt die Grabschrift der dreihundert Spartaner, die nach Herodot bei den Thermopylen zu lesen war, vortrefflich aus:
‚Wand’rer, bringe dem Volk der Spartaner die Botschaft, wir liegen
Hier begraben, getreu seinem Gesetz und Gebot.‘“
„Der Krieg,“ erwiderte ich, „ist ein Nothstand. Er kann ein solches Opfer fordern; aber der freie Staat ist kein Nothstand und der Bürger kein todter Schuh, den er aufträgt; des Einzelnen Freiheit und sein Wohl ist ebenso gut Zweck des Gemeinwesens, als das Gemeinwesen und dessen Freiheit und ehrenvolle Existenz Zweck des einzelnen Bürgers ist.“
Der Lausanner Gesandte und Victor Schölcher gaben das nicht zu. Kriegszustand sei immer.
„So haben wir in Lausanne eben erst gesiegt,“ sagte der Lausanner, „und warum? nur um den Krieg gegen die Jesuiten mit Nachdruck führen zu können. Und wohin würden wir wohl kommen, wenn nicht jeder Einzelne sich diesem großen Zwecke ganz hingeben und, wo es sein muß, sich dafür opfern wollte?“
„Sie wollen den Krieg abschaffen,“ fiel Schölcher gegen mich gewendet ein, „darauf kenn’ ich Sie. Der Krieg ist ja aber gerade die Probe auf den Frieden, wie sich denn auch die gefallenen Spartaner auf das Gesetz und Gebot der Republik berufen. An ihnen sah man, daß es mit dem Staate Sparta Ernst war, so wurde seine Idee realisirt.“
Und es half mir nichts, daß ich ihnen zeigte, dies käme auf Eins heraus mit dem Grundsatze der Jesuiten, der Einzelne sei willenlos in der Hand seiner Oberen; so werde der Staat zu einer Armee und die Disciplin trete an die Stelle der Freiheit. Sie behaupteten, es käme auf den Inhalt des Ganzen an, und wenn die Jesuiten die Freiheit zum Zwecke hätten, so hätten sie ebenso gut Recht als eine republikanische Armee.
Die Freiheit hat doch sicherlich der Staat nicht zum Zwecke, der alle Bürger unter militärischen Befehl stellt. Das kann nur im Nothstande des Krieges, nicht im normalen Zustande des Friedens erlaubt sein. Aber ich galt meinen beiden politischen Berühmtheiten damit für einen unpraktischen Traumwandler, der die wahre Republik und ihre Tugend, den aufopfernden Patriotismus, nicht wolle.
Da wir in Lausanne unsern geselligen Zweck verfehlt hatten, so hielten wir uns an die Natur und stiegen so hoch am Ufer des Sees hinauf, bis wir das ehrwürdige runde Schneehaupt des Montblanc über die gegenüberliegenden Vorberge auftauchen sahen.
Es war der einzige Tag, wo unser Freund Schölcher die leuchtenden Hochalpen erblicken sollte; all’ die übrige Zeit der Reise lagen sie im Regen und Nebelschleier. Er bemerkte aber auf mein Bedauern ganz vergnügt, diese grünen Berge gefielen ihm ebenso gut als die weißen, wenn nicht gar besser, die grünen seien das Lebendige, die weißen das Todte.
Diese Todten sind die Lebensspender.
Bis Freiburg, wo wir uns an den vielbesprochenen mysteriösen Jesuiten erholen wollten, verloren wir freilich nicht viel durch den Regen.
Die berühmte Jesuitenschule ist ein wahrer Palast und hat eine dominirende Lage. Welche Mittel mußten der Gesellschaft zu Gebote stehen, um diese prächtige Anstalt gegründet zu haben, und wie entschieden bezeichnen sie mit einer solchen großartigen Leistung den Hauptzielpunkt ihres Systems, die Erziehung!
Bei dem Pförtner gaben wir uns als Reisende zu erkennen, die um die Erlaubniß bäten, die berühmte Anstalt besehen zu dürfen. Dies hatte nicht das geringste Bedenken, man fragte nicht einmal nach unseren Namen oder Karten; ein Blick auf unsere Haltung genügte.
Wir traten in ein Empfangszimmer, das einen Balcon auf den Hof hatte. Während wir hier warteten, sahen wir eine Gruppe von schwarzen Männern in lebhafter Unterhaltung vor uns, auf die der Pförtner zuging, um unser Gesuch vorzubringen.
Wir interessirten uns für einen hervorstechenden Kopf in der Gruppe mit Adlernase und schwarzen Haaren; denn gerade so hatten wir uns die Herren immer gedacht und wünschten, daß Dieser sich herbeilassen würde, uns herumzuführen. Das that er aber nicht, sondern sandte uns einen Andern aus der Gruppe der Väter, der einen leichten „Verdruß“ hatte, aber darum nicht minder schlau dreinschaute und den man leicht für einen Juden hätte ansehen können.
Wir kamen überein, daß wir uns der Opposition möglichst zu enthalten und vielmehr Belehrung entgegenzunehmen hätten. Denn eine Discussion sei ja nur auf gleichem Boden möglich.
Zu unserer nicht geringen Ueberraschung begann der ehrwürdige Herr nach einer freundlichen Begrüßung sogleich mit der Unterbreitung dieses gemeinschaftlichen Bodens. Er freute sich, daß er uns mit der Einrichtung und den Vorzügen der Anstalt bekannt machen könne; vielleicht hätten wir Gelegenheit, in Paris und Zürich empfehlend von ihr zu reden – wir hatten ihm sagen lassen, daß wir daher kämen – die Anstalt sei zur Verbreitung des Christenthumes gegründet worden, eine innere Mission, und wolle den Vorurtheilen, die seit Jahrhunderten gegen das Christenthum aufgetaucht wären, durch systematische Erziehung im wahren Glauben begegnen. „Sie sehen diese reiche Büchersammlung. Wir haben sie sorgfältig der Aufgabe unserer Anstalt angepaßt, und es schien uns weniger wünschenswerth, die Irrthümer hervorzuheben, als sie bei Seite zu lassen, damit die Wahrheit zu allererst das ganze Gemüth erfülle und Jedem selbst die Waffe gegen den Irrthum in die Hand gebe. Der Schüler findet daher in dieser Büchersammlung überall die reine ungetrübte Quelle.“
„Sie lassen doch nicht Jeden sich hier selbst unterrichten?“
„O nein, nur die, welche die Classen durchgemacht haben und sich dann noch weiter entweder für die Welt oder für den Orden vorbereiten wollen. Hier ist das Cabinet eines solchen jungen Mannes.“
Er öffnete uns die Thür, und wir sahen einen Hoffnungsvollen an seinem Arbeitstische. Er nahm nicht die geringste Notiz von uns und gab uns nicht einmal Gelegenheit, ihm unsere Verbeugung zu machen. Es war ein hübscher, schlanker, schwarzäugiger junger Mann.
Der Pater erzählte uns von ihm, von seinen Studien, seiner Familie, seinen Aussichten, als nähmen wir das entschiedenste Interesse daran; denn was in der Welt konnten wir Besseres wünschen, als die Ausbreitung des wahren Christenthums in dieser gottlosen Welt?
Darauf schloß er die Thür des Cabinets, die seinen Eleven wieder ganz seiner ungestörten Andacht übergab; denn allerdings war er uns mehr als ein Betender erschienen.
„Hat jeder Eleve sein eigenes Studirzimmer?“
„Nur die Vorgerücktesten, die eigene Studien unternehmen,“ erwiderte er; „die Uebrigen arbeiten unter Aufsicht und Anleitung.“
Er führte uns durch die Schlafsäle, die eigenthümlich eingerichtet waren. Jeder war mit seinem Bette durch ein hohes Drahtgeflecht von dem Bette des Nachbarn abgesperrt, so daß er zugleich in Gesellschaft und doch für sich war. Den eigentlichen Zweck dieser Einrichtung erfuhren wir nicht. Unser Führer setzte voraus, wir wüßten ihn, und wir getrauten uns nicht, unsere Unwissenheit zu bekennen. Nur die Geräumigkeit und Luftigkeit der Schlafsäle ließ er uns anerkennen.
Da die ganze Gesellschaft, unter die sich diese Schlafsäle vertheilten, auf einer Ausflucht in die Umgegend begriffen war, so entging uns der Anblick des ganzen Erziehungsmaterials der Schüler und wir hatten noch von Glück zu sagen, daß der Eine [716] Löwe in seinem Käfig und die Hauptaufseher der Anstalt auf dem Hofe uns zu Gesicht gekommen waren.
Ich ließ mich mit unserm Führer über griechische und lateinische Schulbücher der damaligen Zeit in ein Gespräch ein und fand, daß ihm unsere deutschen auch dem Namen nach unbekannt waren. Als ich die Lexika und Grammatiken zu sehen wünschte, die sie brauchten – denn dies hielt ich natürlich für neutralen Boden – wich er aus, und ich erfuhr nicht einmal die Titel und die Namen der Verfasser. Das lebhafte Gespräch mit meinen Begleitern, in welchem er ihnen erzählte, welche vornehme Leute aus allen katholischen Ländern ihnen ihre Kinder anvertraut, war es, worin meine Fragen untergingen.
So erreichten wir mehr erbaut, als unterrichtet unser Empfangszimmer wieder; und hier lag das große Buch aufgeschlagen, in das er uns bat, unsere Namen einzutragen. Glücklicher Weise waren sie ihm ebenso unbekannt, als die deutschen Lexikographen und Grammatiker. Als wir wieder unter uns waren, sagte Schölcher: „Nun wahrlich, die haben uns gerade so weit in die Karten sehen lassen, als es ihnen bequem war, weiter aber auch nicht. Schade, daß die Zöglinge nicht zu Hause waren!“
„Wenn man ihnen einmal zugiebt, daß sie das wahre Christenthum haben, so haben sie gewonnenes Spiel,“ bemerkte der Herr von Ribbentropp, „man müßte denn das wahre Christenthum angreifen wollen.“
Auf dieser Reise kam ich kurz vor Luzern im Coupé der Post neben einen vierschrötigen Zuger zu sitzen. „Es wird bald Krieg geben,“ sagte er, „aber wir haben diese elenden Ketzer noch immer geschlagen, wir Urcantönler, wir werden sie auch diesmal zusammenhauen.“
Der alte General Dufour hat sie freilich eines Besseren belehrt, und als Guizot’s Gesandter in’s Wallis kam, um dem Sonderbunde das Herz zu stärken, konnte er die Regierung nicht finden. Wie Siegward Müller von Luzern und die dortigen Jesuiten, so hatte sich auch die Walliser Regierung vor der eidgenössischen gleich einem Nebelstreif verzogen.
Die glänzende Erziehungsanstalt von Freiburg wurde geschlossen; die Jesuiten wurden vertrieben. Die freie Erziehung hatte über die Jesuitenerziehung gesiegt, und der Sonderbundskrieg bildete den Schluß all der kleinen Putsche für und wider die Freiheit, die ihm voraufgegangen waren.