Ein Minister, der sein eigenes Todesurteil unterzeichnete
[223] Ein Minister, der sein eigenes Todesurteil unterzeichnete, war Kardinal La Balue, der zur Zeit der Regierung Ludwigs XI. von Frankreich lebte. Ludwig XI., ein ebenso herrschsüchtiger wie tückischer und feiger Charakter, hatte erfahren, daß La Balue, ein sonst äußerst befähigter Staatsmann, die meisten der ihm vorgelegten Schriftstücke unterzeichnete, ohne sie vorher auf ihren Inhalt zu prüfen. Diese Oberflächlichkeit benützte der hinterlistige und grausame Monarch dazu, um den des Verrats beschuldigten La Balue, auf dessen Beliebtheit er längst eifersüchtig war, zu stürzen. Er veranlaßte den Sekretär des Ministers, seinem Herrn unter einer Menge gleichgültiger Erlasse auch ein Schriftstück vorzulegen, in dem La Balue sein Einverständnis mit den Feinden des Königs eingestand, und das mit einem Satze endete, der folgendermaßen lautete: „Hiernach erkenne ich selbst an, daß ich ein schändlicher Verräter bin und als solcher die über mich verhängte Todesstrafe nur als gerechte Sühne ansehen kann.“
Dieses Schreiben unterzeichnete der ahnungslose Minister wie so viele andere ungelesen, und er wäre wohl auch sicher geköpft worden, wenn König Ludwig XI. nicht einen Volksaufstand gefürchtet hätte. Auf Anraten seines Barbiers, den er zu seinem Vertrauten erwählt hatte, um sich von den Großen seines Reiches unabhängig zu machen, verhängte [224] der König aber über den verhaßten Kardinal eine andere Strafe, die ganz seinem grausamen Charakter entsprach. Er ließ einen großen, eisernen Käfig bauen und diesen in den Gärten seines Palastes aufstellen. Dieser Käfig diente dann elf Jahre lang, von 1472 bis zum Tode Ludwigs im Jahre 1483, dem unglücklichen La Balue zum Gefängnis. Beim Regierungsantritt Ludwigs XII. wurde der Kardinal freigelassen.