Ein Nationaldenkmal auf dem Niederwald im Rheingau

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Friedrich Emil Rittershaus,
Ferdinand Hey’l
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Ein Nationaldenkmal auf dem Niederwald im Rheingau
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 19, S. 311–316
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1872
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[311]
Ein Nationaldenkmal auf dem Niederwald im Rheingau.


Nun bricht der Lenz die letzte Kette,
Drein die Natur der Winter schlug,
Und mit den Lerchen um die Wette
Singt froh der Landmann hinterm Pflug.
Scheu girrt im Fichtenschlag die Taube,
Manch Vogelpaar, am Nestchen baut’s;
Es steigt im Busch aus dürrem Laube
Der grüne Stern des Maienkrauts. –
Zum Rhein, zum Rhein! Hinaus nach Westen!
Am besten schmeckt der Wein mir da,
Wo man ihn hat, den Wein, am besten! –
Gott grüß’ Euch, Rhein und Main und Nah’!

Der Rheingau! Dieser Hügel Zacken
Als Diadem der Rheinstrom trägt,
Der Rhein, der um den breiten Nacken
Den prächt’gen Scharlachmantel schlägt.
Dort zieh’ ich hin, ein lust’ger Reimer!
Da lacht das Herz bei Sang und Wein!
Bei Rüdesheimer, Geisenheimer,
Wer möchte da nicht heimisch sein?
Wenn ich, ein wonnevoller Zecher,
Das Gold des Rheingaus still empfah’,
Gönn’ ich den Göttern gern den Becher
Mit Nektar und Ambrosia!

Hier laßt mich sacht vor Anker gehen! –
Nach Winterstagen, rauh und kalt,
Wie mild die Frühlingslüfte wehen
Um Rebenhang und Flur und Wald!
Herrgott, wär’ dies Juwel der Erde
Gefallen je in Welschlands Hand,
Wer hätte Ruh’ und Rast am Herde,
Bis wir’s zurückerkämpft, gekannt?
Und war es nicht dies Rebgelände,
Nach dem der Franzmann gierig sah? –
Glückauf, damit ist’s nun zu Ende!
Deutsch ist und bleibt der Rhein! Hurrah!

Hier zog in jenen Julitagen
Das deutsche Heer zum Strand der Saar;
Hier hat das Dampfroß hingetragen
Der Kranken, der Zerschoss’nen Schaar.
Hier, in dem Eden deutscher Erde,
Vom Gott der Trauben hochgeweiht,
Wohlan, auf diesem Fleckchen werde
Ein Denkmal jener großen Zeit
Errichtet von dem ganzen Volke,
Dem zum Gedächtniß, was geschah,
Als aus des Pulverdampfes Wolke
Sich strahlend hob Germania!

[312]

Mäusethurm. Ehrenfels. Rüdesheimer Berg. Tempel.
Der Niederwald am Rhein, mit den beiden für das Nationaldenkmal projectirten Stätten. Nach der Natur aufgenommen von F. Reichmann in Düsseldorf.

[314]

Im Streite messen die Parteien
Die Kräfte, Jeder kämpft und ringt;
Doch Keiner soll uns je entzweien,
Sobald die Losung „Deutschland!“ klingt!
Dann soll, was uns getrennt, verschwinden,
Vergessen sei’s und abgestreift,
Und Keinen soll der Gegner finden,
Der frech des Fremdlings Weise pfeift!
Vereint um dies Erinn’rungszeichen –
Wer spräch’ nicht laut und freudig Ja!
Soll Jeder treu dem Andern reichen
Die Hand beim Ruf „Germania!“

So sei’s! Zum Werke frisch geschritten! –
Umrankt von deutscher Reben Kranz,
Da steh’ das Denkmal, stolz, inmitten
Des Prunkgemachs des Vaterlands.
Das wird ein Fest! Die schönen Stunden,
Mich dünkt, ich schau’ sie schon im Traum:
Vor lauter Schiffen, kranzumwunden,
Sieht man des Rheines Spiegel kaum!
Ringsum beglückter Menschen Fülle,
Von Flaggen bunt ist Mast und Raa!
Kanonen donnern! Seht, die Hülle
Des Denkmals fällt! Hurrah, Hurrah! –

Rüdesheim, Ende April 1872 Emil Rittershaus.


Während unsere tapferen Heere noch auf feindlichem Boden, im Angesicht der fränkischen Hauptstadt standen, um die Früchte ihrer glorreichen Siege zu ernten und die Erfolge der deutschen Waffen sicher zu stellen, regte sich schon im ganzen Vaterlande, in der Heimath jener heldenmüthigen Krieger, die Idee, einen sichtbaren Markstein zu errichten zur Erinnerung an diesen gewaltigsten und in seinen Folgen bedeutsamsten aller neueren nationalen Kämpfe des deutschen Volkes. Ganz abgesehen von den wohlverdienten Denksteinen, welche jedes Land, jede Stadt, jedes Dörfchen seinen Heldensöhnen errichten wollte, lag doch auch der Gedanke nahe, am Rheine, dem vielumworbenen, endlich in Wahrheit freien deutschen Strome, ein Erinnerungszeichen aufzupflanzen, allen deutschen Stämmen ein gemeinsames Zeichen, eine Dankesstätte für die Erfolge der deutschen Siege, ein Wahrzeichen für die Wiedererrichtung des deutschen Reiches.

Dieser Gedanke brach sich überall, und nicht am Rheine allein, er brach sich auch im tiefen Norden Bahn. Sahen doch in Folge des Krieges viele jener Hunderttausende unserer streitbaren Männer auf ihrem Zuge zur französischen Grenze den herrlichen Fluß zum ersten Male, galt es doch um ihn, war doch er der Preis, als die Würfel gefallen und der Ruf unseres Heldenkaisers durch die deutschen Lande erscholl.

Als die ersten Vorschläge zur Errichtung eines gemeinsamen nationalen Denkmals in die Presse ihren Weg fanden, schien ein Grundplan noch nicht überall reiflich erwogen. Nur daß der Rhein im Allgemeinen als Standort ersehen war, ging aus den veröffentlichten Vorschlägen hervor. Am Niederrhein brach man manche Lanze für den Drachenfels, in der Pfalz wurde eine der Höhen der Vogesen für ein nationales Denkmal ausersehen.

Dem Verfasser dieses war es vergönnt, ein neutrales Terrain zuerst in der Presse zu bezeichnen, dem nunmehr in wahrhaft überraschender und, man darf sagen, bewundernswürdiger Eintracht alle Stimmen, auch am Rheine, zugefallen sind. Es ist dies der Höhenzug des Niederwaldes, der Rüdesheimer Berg. Am Ostersonntag des vorigen Jahres veröffentlichte der „Rheinische Courier“ diesen Vorschlag, und das Urtheil über denselben ward von Tausenden zu seinen Gunsten gefällt.

Die „Gartenlaube“ legt heute ihrem großen, weitumfassenden Leserkreis eine Ansicht des Aussicht genommenen Platzes für jenes Denkmal vor, und sie glaubte dieses echt deutsche Nationalunternehmen zugleich mit erläuternden Worten stützen und fördern zu sollen. Dem deutschen Volke und unseren germanischen Brüdern jenseits der Meere geben wir deshalb gern die entsprechenden Aufklärungen, aus welchen Gründen die Anwohner des Rheines sich über die gewählte Stelle freundnachbarlich geeinigt haben.

Am Mittelrheine, und gerade hier am Niederwalde, reichen sich der Ober- und Niederrhein in Bezug auf Sprache und Sitte die Bruderhand, und wenn auch der Niederwald selbst eine historische Stelle nicht genannt zu werden verdient, von seiner Höhe herab überschaut der Blick alle historischen Wandlungen der Entwickelung des deutschen Volkes.

Gegenüber dem Niederwalde mündet die Nahe in den Rhein, an deren rechtem Ufer Bingen, das römische Bingium, ausgebreitet liegt. Ueber diesen Ort und einerseits über die in Ueberresten noch stehende römische Drususbrücke hin und am Ufer der Nahe hinauf, andererseits dem Laufe des Rheines folgend, zogen die bedeutendsten römischen Heerstraßen nach Trier und Coblenz, dem Treveris und Confluentes jener Tage. „Auf diesem Felsen stand Deutschlands Fuß fest, von der Römer Zeiten her bis auf den heutigen Tag.“

Karl der Große, der heldenhafte erste Gründer des deutschen Reiches, er residirte dort drüben im Palaste zu Ingelheim, von wo er der Sage nach zuerst den Schnee auf den Abhängen des Niederwaldes schmelzen sah und so den Grund zu dem nun so blühenden Weinbau der Gegend legte, indem er die Berge zum Rebbau anroden und die Orleanstrauben einführen und anpflanzen ließ. Der Reichsversammlungen zu Ingelheim unter Karl und Ludwig dem Frommen gedenken die Geschichte und unsere Poeten.

Hier vorüber zog sich des römischen Reiches Pfaffengasse, herauf – hinab den Rhein, aber dort – dem Laufe der Nahe folgend, grüßt auch die Kuppe der Ebernburg, jene „Herberge der Gerechtigkeit“, auf der Ulrich von Hutten und Franz von Sickingen hausten, das Werk der Reformation beginnend und fördernd. Hier sprach Ulrich sein berühmtes Jacta est alea! Und während dichter heran, auf dem gegenüberliegenden Rupertsberge, die in der Mönchsgeschichte so häufig genannte heilige Hildegard „mit eignen Fingern den Brunnen des Rupertsburger (Benedictinerinnen-) Klosters grub“, saß in späterer Zeit unten in dem durch seine rothen, hübschen Sandsteinthürme weithin kenntlichen Geisenheim Leibniz mit dem Mainzer Kurfürsten Johann Philipp von Schönborn und arbeitete an dem Werke einer „Vereinigung der katholischen mit der evangelischen Kirche“. Hier auch ward das Instrumentum pacis, der Entwurf zum westphälischen Frieden, berathen. Tief unten, umschäumt von den Wogen und Wellenstrudeln des Binger Lochs, steht der Mäusethurm, als Wachtthurm und Zollstätte des Mittelalters ebenso bedeutsam für jene Zeit geistlicher und weltlicher Bedrückung, als der gegenüberliegende Ehrenfels, der nicht allein durch die Sage vom Bischof Hatto und den verfolgenden Mäusen seine Rolle in der mittelalterlichen Geschichte spielt. Auf ihm wurden auch eine Zeitlang, in den Tagen der Noth, die Mainzer Domkleinodien, die bei den Krönungen einzelner deutscher Herrscher dienten, in den Hafen geflüchtet. Und drüben wieder, fast mitten im Städtchen Bingen, liegt die Burg Klopp, auf welcher der Sage nach Heinrich der Vierte zuerst die vom eigenen Sohne über ihn verhängte Haft erduldete. Hier vorüber wallten die deutschen Kaiser Philipp und Rudolph von Schwaben, um im fernhergrüßenden Mainz die erste Weihe der Kaiserkrönung zu empfangen; hier vorüber zogen sie Alle, des Reiches Führer, „wenn sie neu gekrönt ihren Umritt hielten durch das deutsche Land“, und rheinwärts zogen die Kurfürsten zum Königsstuhl, zur vorhergehenden Königswahl am Stuhl zu Rhense.

Und die neuere Zeit! Sah nicht gerade der Niederwald Lust und Leid des Krieges an sich vorüberziehen? Die ersten jubelnden siegesfreudigen Heeressäulen, sie folgten dem Laufe der Nahe, die dort drüben aus düsteren Felsen und lachenden Fluren so hell und anmuthig heraufschimmert. Dort liegt Saarbrücken, wo der erste Schlag gegen das deutsche Heer geführt werden sollte und ein kleines Häuflein Tapferer ein ganzes Heer aufhielt, während die lächerliche Komödie mit dem Kinde von Frankreich in Scene gesetzt wurde. Dort bluteten die tapferen Vierziger, dort stürmten unsere wackeren Brüder den von Feuerschlünden umsäumten Weg auf die Berge von Spichern. Die blauen Linien aber, die sich gegen den Horizont, seitwärts des Donnersberges abziehen, es sind die Höhenzüge der Vogesen, des neuen nun wiedergewonnenen Reichslandes. Hier aber auch kamen sie vorüber, alle die tapferen Mannen, denen der Schlachtengott die ehrenvollen Wunden geschlagen. Hier in Bingerbrück, dem vielgenannten Eisenbahnknotenpunkt, war der Sammelplatz all’ jenes Elends, welches der Krieg nun einmal im Gefolge hat. Hier zeigte sich im glänzendsten Lichte die Samariterliebe des ganzen deutschen Volkes, hier lagen verbrüdert die Angehörigen aller deutschen Stämme und harrten und genossen Angesichts des Rheins der ersten werkthätigen Hülfe nach ihrer Rückkehr in’s theure Vaterland. Und oben auf dem Berge, neben [315] der Rochuscapelle, die uns Altmeister Goethe nach den Tagen des großen Kampfes von 1813 eingehend schildert, hatte sich das Lazareth des englischen Hülfsvereins eingerichtet, um auch hier zu predigen, daß das Unglück bei gebildeten Nationen alle Unterschiede tilgt! Und mit welchem Jubel wurde diese Stelle wieder begrüßt von den lorbeergeschmückten Helden, welche hier nach harten Kämpfen zuerst den Strom wiedersahen, der doch augenscheinlich der Preis jenes frevelhaft heraufbeschworenen Kampfes sein sollte!

Und hier stehen wir, mitten in dem blühendsten Weingarten des Rheingaus, an seiner gerühmtesten Stelle, mitten im Rüdesheimer Berg. Möge das Denkmal erstehen in welcher Gestalt und Form es wolle, hier wird es umduftet sein von den köstlichsten Rebenblüthen, den edelsten, die unser Vaterland hervorbringt, hier werden es die Geister jener Edeltraube umschweben, deren Erinnerung schon die Poesie weckt! Kein Garten der Welt kann diesem verglichen werden, kein schöneres Grün entsproßt der deutschen Erde, als die ewig frischen Thyrsusstäbe des rheinischen Gaues.

Und feiern wir denn mit dem Denkmal die Wiedererstehung des deutschen Reichs, so giebt uns das Land vor uns das schönste Bild der neu errungenen Einigung. Denn hier grenzten noch vor Kurzem drei deutsche Länder, Preußen, Nassau und Hessen, die jetzt vereinigt unter starkem Scepter jene Wiedererstehung mit deutlichen Zeichen predigen. Bis in die weiteste Ferne erblickt hier das Auge kein Stückchen Land und Fels mehr, das nicht seit jenem Kriege deutsch und nur deutsch wäre!

Und an dem Hügel wandelt ein hoher Schatten her,
Mit Schwert und Purpurmantel, die Krone von Golde schwer;
Das ist der Karl, der Kaiser, der mit gewalt’ger Hand
Vor vielen Hundert Jahren geherrscht im deutschen Land!

Bei Rüdesheim, da funkelt der Mond in’s Wasser hinein
Und baut eine goldene Brücke wohl über den grünen Rhein,
Der Kaiser geht hinüber und schreitet langsam fort
Und segnet längs dem Strome die Reben an jedem Ort.

Und hier, Angesichts all’ der deutschen Landesherrlichkeit, wird Emanuel Geibel’s Lied zur Wahrheit, wenn die Tausende, welche alljährlich über die rheinischen Berge dahinwandern, am Fuße des nationalen Denksteins

Füllen die Römer und trinken in gold’nem Saft
Sich deutsches Heldenfeuer und deutsche Heldenkraft!

Das deutsche Volk besitzt wenig nationale Denkmale im weiteren und allgemeineren Sinne, weniger als irgend ein anderes. In Paris erinnert uns jeder offene Platz an die Siege unserer Gegner über die deutschen Waffen. Das edelste und hehrste Denkmal für uns ist freilich wohl die Neugründung des deutschen Reiches selbst, und die Wiedererwerbung der Reichslande Elsaß und Lothringen; aber jene Hunderttausende, welche den „deutschesten Strom“ auf und ab im Laufe eines Jahres befahren, sie werden gerade hier gehobenen Herzens und Auges, in der schon an und für sich erhöhten Stimmung durch die Wirkung der herrlichen Landschaft, ihres Werthes als Deutsche sich bewußt, sie werden hier in jubelnder Freude hinaufschauen zu dem Altare der gemeinsamen Vaterlandsliebe. –

Sobald der Niederwald als bevorzugte Stelle für das Denkmal den Bewohnern des Rheines bezeichnet war, trat die Presse für und wider diese Idee auf, um endlich geklärt und nach allen Seiten geprüft die Meinungen in dem angedeuteten Sinne zu vereinigen. Der Niederrhein verzichtete auf die Bevorzugung des Drachenfels, der außerdem schon ein nationales Denkmal zur Erinnerung an die Jahre 1813 und 1814 besitzt, und in einer ersten Versammlung zu Köln wurden dem Denkmal schon nahe dreitausend Thaler durch sofortige Zeichnung zugewendet. Krupp in Essen brachte gleichzeitig der nationalen Idee die Summe von tausend Thalern dar. Die Aachener und Münchener Feuerversicherungsgesellschaft, die Darmstädter Bank, die Actiengesellschaft der hessischen Ludwigsbahn folgten mit bedeutenden Beiträgen. Jedes Städtlein, jedes Dörfchen am Rhein sammelte und gab mit offenen Händen und freudigem Herzen.

Concerte und Unterhaltungen wurden veranstaltet und manches Sümmchen häufte sich zum Grundstock für den gemeinsamen Zweck. Die Pfalz verzichtete gleichfalls hochherzig auf die Ausführung eines besonderen Denkmals auf den Höhen der Vogesen und stimmte dem gewählten Platze einstimmig zu, auch hierdurch ein Bild unserer nationalen Einigung bietend. In Hessen vertagte man die Sammlungen für das Ehrendenkmal der heimischen Truppen, um für das gemeinsame deutsche Unternehmen zu wirken. In Berlin, Frankfurt und in den Hansestädten, in Schleswig-Holstein, Oldenburg, Braunschweig, Carlsruhe, in Schlesien, in Baiern und Würtemberg, überall regt sich’s zur Förderung der gemeinsamen Idee. In Köln und Mainz waren an den beiden Sammelstellen schon Ende März je über fünftausend Thaler eingelaufen. Schon manches Scherflein ist der deutschen Vereinsbank in Frankfurt zugeflossen, welche als allgemeine Sammelstelle bestimmt worden ist, und daß unsere Idee auch bei den Deutschen im Auslande besten Anklang und beste Unterstützung findet, haben zuerst unsere braven Landsleute in Petersburg bewiesen, die bei dem Festessen zu Ehren des Geburtstages des deutschen Kaisers im Hôtel Demuth die Summe von siebenhundert Rubel gesammelt und eingeschickt haben.

Nachdem sich inzwischen ein geschäftsführender Ausschuß gebildet hatte, in welchem sich der Regierungspräsident Graf zu Eulenburg in Wiesbaden, v. Dachröden, Schloßhauptmann in Berlin, Forck, Landrath in Rüdesheim, Freiherr Franz v. Stauffenberg in München, Vicebürgermeister Dr. Stephani in Leipzig u. A. befinden, erschien ein „Aufruf an das deutsche Volk“ zur Mitbetheiligung an der gemeinsamen Aufgabe, welcher durch die gesammte deutsche Presse in wärmster Weise unterstützt wurde. Dieser Aufruf fand zu seiner Vertretung vor der Oeffentlichkeit hundertvierundvierzig Unterschriften, Namen von „gutem Klang im Lande“, die nicht nur alle deutschen Stammesglieder, sondern auch alle politischen Richtungen vertreten. Auch in dem Schöpfer unseres deutschen Einigungswerkes, dem Reichskanzler Fürsten v. Bismarck, hat die Idee der Gründung dieses National-Denkmals das wärmste Interesse erregt, und der Führer unserer siegreichen Heere, der deutsche Kaiser, zollte dem Projecte nach einem ihm in Ems im letzten Sommer gehaltenen Vortrage seinen größten Beifall.

In richtiger Würdigung der noch schwebenden Frage, ob dieses „National“-Denkmal zum Andenken an die jüngste sieg- und erfolgreiche Erhebung des deutschen Volkes und die Wiederaufrichtung des deutschen Reiches ein plastisches oder architektonisches oder eine Verbindung beider Kunstzweige werden solle, hat man es der freien Concurrenz aller deutschen Künstler überlassen, die Bestimmung des künstlerischen Charakters des Entwurfs selbst zu treffen. Es ist demnach jedem Gedanken, jeder Idee freier Raum gegeben.

Die Kosten des Denkmals, einschließlich der Aufstellung, sind auf zweihundertfünfzigtausend Thaler veranschlagt und zwar sollen alle Modelle, beziehungsweise Zeichnungen bis zum 1. September dieses Jahres nach Berlin eingeliefert werden. Wir müssen es uns versagen den Inhalt des Concurrenz-Ausschreibens hier wiederzugeben und dürfen umsomehr davon absehen, als sich zweifellos auch weiter die Gesammtpresse dieses Unternehmens in ausgedehnter Weise annehmen wird. Um allen Richtungen, allen Zweigen der verschiedenen Kunstgattungen indeß auch bei der Entscheidung gebührend gerecht zu werden, ist das Preisgericht über die Entwürfe aus folgenden Künstlern und Kunstkennern zusammengesetzt: Professor Drake in Berlin, Professor Eggers in Berlin, Professor Dr. Hähnel in Dresden, Professor Lübbe in Stuttgart, Oberbaurath Professor Schmidt in Wien, Oberhofbaurath Strack in Berlin und Professor Zumbusch in München.

Das Preisgericht hat bei seinem Spruch ebensowohl auf den absoluten Kunstwerth der Arbeiten, als auf die Angemessenheit und Ausführbarkeit derselben, nach Maßgabe des gesammten Programms, zu sehen. Als Preise sind dreitausend, eintausend und fünfhundert Thaler für die einzureichenden Entwürfe ausgesetzt. Sei es hier gestattet, auch im Voraus schon einem – vielleicht mit einigem Anschein von Recht – zu erhebenden Einwurfe zu begegnen. Der Gesammt-Kostenbetrag des Denkmals soll vorläufig die Summe von zweihundertfünfzigtausend Thalern nicht überschreiten, und leicht dürfte der Ansicht Raum gegeben werden, daß diese Summe ohne Schwierigkeit aus den Geldern der französischen Kriegsentschädigung entnommen, das heißt bewilligt werden könnte. Der Meinung des Gesammt-Comités entspricht diese Auffassung indessen und mit vollem Rechte, nicht. Das deutsche Volk selbst soll das Denkmal aufrichten und kein fremdes Geld soll und darf helfen, um an dem Denkstein zu bauen, der unsere staatliche Wiedergeburt verkündet. Bringe man Trophäen des letzten Krieges in dieser oder jener Gestalt an dem Monumente an, aber halte man fern von ihm, was nicht durch uns selbst dem nationalen [316] Zwecke geweiht worden ist, als ein freiwilliges Opfer für die gemeinsame „Malstätte“ deutscher Ehre und Größe. Sind die Opfer auch groß, welche unser Volk während und nach dem Kriege dem nationalen Zwecke und Kampfe gebracht, die angeforderte und nöthige Summe zur Aufführung dieses Erinnerungstempels, was ist sie für uns, für die nunmehr größte Nation der Welt? An diesem Umstande, am Mangel der Mittel, wird der schöne Gedanke nicht scheitern, wir sind dessen gewiß.

So schwierig es war, die Stelle für die Errichtung des Denkmals in anschaulicher Weise wiederzugeben, so dürfte doch unseren Lesern die vorliegende Zeichnung genügenden Anhalt geben, denn nicht unbekannt sind diese Punkte einem großen Theile des deutschen Volkes, vor Allem aber sind sie bekannt unseren heimgekehrten Siegern und den vielen Vergnügungsreisenden, deren Schaaren Jahr aus Jahr ein hier vorüberfluthen.

Von Rüdesheim zeigen sich noch die letzten Häuser mit der Rheinhalle und der Landebrücke der Bingerbrücker Dampfschiffe. Oben der Tempel des Niederwalds. Der in bester Beleuchtung vorspringende Bergrücken ist der Rammstein (Rammstädter Kopf), ein Edelweinberg, ausersehen als concurrirender Punkt mit dem weiterhin spitz hervortretenden Leingipfel, beide durch Flaggenstangen bezeichnet, weil zwischen diesen Punkten die Wahl zur Zeit noch schwankt. Dem Leingipfel gegenüber mündet die Nahe, an deren rechtem Ufer Bingen, am linken das vielgenannte Bingerbrück liegt. In der Ferne erscheint der Durchbruch des rheinischen Schiefergebirges, der Beginn des Bingerlochs und der Mäusethurm, während den Bergvorsprung des rechten Rheinufers der Ehrenfels krönt. An der in den Rhein hervorspringenden spitzen Bergzunge ist der Mühlstein sichtbar, in welchem das Herz des auf Schloß Johannisberg begrabenen Dichters und rheinischen Geschichtsforschers Nicolas Vogt auf dessen eignen letzten Wunsch eingemauert ist.

Die Gartenlaube glaubte ihren Lesern das Bild veranschaulichen zu sollen, wie es den meisten Rheinreisenden vom vorüberfahrenden Dampfer aus erscheint.

Soll aber das Denkmal des zu Grunde liegenden Gedankens würdig und dem gewählten Standorte entsprechend hergestellt werden, so muß das Unternehmen, wie in der Idee, so auch in der Wirklichkeit zu einem nationalen sich gestalten, getragen von lebhafter Zustimmung und bereitwilliger Mitwirkung in allen Theilen des deutschen Vaterlandes und darüber hinaus bei den Landsleuten in der Fremde, in allen Schichten der Gesellschaft ohne Rücksicht auf Verschiedenheit der Anschauungen in politischen und religiösen Dingen.

Und wie in den Pfingsttagen hier auf den Höhen des Niederwaldes Ober- und Niederrhein zu gemeinschaftlichen Volksfesten von Alters her zusammenströmen und frohen Herzens den rheinischen Brudergruß tauschen, so wandele auch durch diese Rebenhügel in Zukunft der Wanderer aus dem Süden und Norden unseres großen und schönen Reiches mit freudigem Herzen, und wenn sein Blick vom Fuße unseres nationalen Denkmals hinausschweift in die herrlichen Lande, so denke er des großen Kampfes, des mit vielen und leider schweren Opfern erreichten Sieges – er denke aber auch der Ehre und Größe des deutschen Namens, der sich den gebührenden Ehrenplatz wieder erkämpft nach manchem Sturm und Drang, und der zu glänzen bestimmt ist nach der Wiederaufrichtung des deutschen Reiches, über alle Nationen der Erde. Deß zur Erinnerung sei jenes Nationaldenkmal ein „Malstein“ an jener Stelle, wo das geeinte Deutschland die Wacht hielt und hält, für jetzt und alle Zeiten!

Ferd. Heyl.