Ein Nothruf
[220] Ein Nothruf. (Mit Illustration S. 209.) Heimgekehrt vor den drohenden Anzeichen des Sturmes ist die Flotille der Fischer, bis auf einen derselben, der sich beim Bergen seines reichen Fanges verspätete. Jetzt ist sein kleines Fahrzeug ein willenloses Spielzeug des Unwetters und der Wellen. Wie eine Nußschale schwankt es auf den Gipfeln der sich überstürzenden schaumgekrönten Wogen. Ruderlos rollt es daher, von jedem Windstoß in andere Richtung getrieben; starr, den sicheren Tod vor Augen, erwartet der Mann seinen Untergang, den Blick nach der Hütte am Strande gerichtet, wo Frau und Kind vielleicht bald als Wittwe und Waise ihn beweinen werden.
Jammernd stürzt das junge Weib heraus aus der Hütte, wo sie mit
bangem Blicke ausschaute nach dem heimkehrenden Manne, laut läßt sie
den Nothruf erschallen. Da belebt sich der öde Strand, reckenhafte Gestalten,
den Südwester tief in den Nacken gedrückt, die hohen Stiefel
bis zum Leibe emporgezogen, eilen herbei, dem Kameraden draußen auf
der hohen See zu helfen, ihn zu retten. Eilig wird der festgefügte Kahn
in die brausende, brandende See geschoben, nervige Fäuste packen die
Ruder und dahin fliegt der Rettungskahn dem Unglücklichen entgegen.
Schwer ist der Kampf, aber endlich gelingt es: geborgen liegt der Halberstarrte
im Boote bei den Freunden – und nach einer bangen, verzweiflungsvollen
Stunde hält die Frau am Strande mit einem Jubelruf den Geretteten in den Armen. – r.