Ein Riesen-Epos in Prosa
[331] Ein Riesen-Epos in Prosa. In jenem denkwürdigen Momente am Abende des 15. Juli 1870, wo König Wilhelm von Ems zurückkehrend „Unter den Linden“ von Tausenden und Abertausenden empfangen wurde, wo der ganze unsägliche Druck, der auf den Gemüthern lag, in dem von Thränen opferfreudiger Begeisterung begleiteten Rufe: „Hoch, hoch unser Feldherr!“ sich Luft machte, da war es wohl Zeit zu guten patriotischen Vorsätzen, und wie Mancher von Denen, die damals dem Vaterlande Treue gelobten, mag nun in französischer Erde schlummern! An jenem Abende entstand denn auch der Plan zu dem Riesen-Epos in Prosa, das die Thaten des deutschen Volkes in Waffen berichten sollte und das nunmehr fast vollendet vor uns liegt. Wir meinen das große „Tagebuch“ des Krieges von G. Hirth und J. von Gosen (Verlag von Hirth in Leipzig), ein ebenso einfach als großartig angelegtes Buch, wie weder über diesen Krieg noch über irgend eine andere Geschichtsepoche ein ähnliches existirt. Daß die Herausgeber so früh den Plan zu ihrem Werke faßten, hatte zwei Vortheile: einmal, weil sie zeitig darauf Bedacht nehmen konnten, sich das nöthige Material an Zeitungen etc. zu verschaffen (so war Dr. Hirth u. A. während der Belagerung von Paris Abonnent auf das „Journal officiell“); und sodann, weil sie später wahrscheinlich vor den Schwierigkeiten der Ausführung zurückgeschreckt sein würden. Denn wer von uns glaubte damals, daß unsere deutschen Krieger um den endlichen Siegespreis in Schnee und Eis an den Ufern der Loire und im Jura ringen müßten? – wer glaubte das selbst kurz nach dem gewaltigen Kesseltreiben und Kaiserfange an der Maas?
So ist denn das Hirth-Gosen’sche „Tagebuch“ mit der Riesenarbeit des Krieges selbst in’s Monumentale gewachsen. Der Plan aber, auf dem das ganze Werk beruht, ist einfach der: für jeden Tag in möglichster Vollständigkeit und Ausführlichkeit Alles zu berichten, was sich in rein militärischer, politischer und selbst culturgeschichtlicher Beziehung irgendwie Bemerkenswerthes ereignet hat; das „Tagebuch ist sonach nicht nur eine vollständige Sammlung aller officiellen Actenstücke, authentischen Berichte u. s. w., sondern ein wirklicher Zeitspiegel, aus dem auch der Feuilletonist, der Genremaler und der Culturhistoriker zahllose Anregungen gewinnen; die Redaction der „Gartenlaube“ selbst bezeugt es gern, daß das „Tagebuch“ ein unentbehrliches Auskunftsmittel für sie geworden ist, und sie glaubt nur eine patriotische Pflicht zu erfüllen, wenn sie ihre Leser auf dieses ebenso mühsame als verdienstvolle Werk aufmerksam macht. Der große Umfang von etwa dreihundert Bogen mit fünftausend Spalten vollen Druckes macht zwar das „Tagebuch“ zu einem kostspieligen Buche – die drei starken Quartbände kosten etwa zehn Thaler im Abonnement –; wer aber überhaupt ein monumentales Werk über den letzten Krieg in seiner Bibliothek haben [332] will, der wird es sich wohl oder übel anschaffen müssen; keinesfalls darf es in öffentlichen und Leihbibliotheken fehlen; und daß es ein ganz vortreffliches Geschenk gerade für Theilnehmer am Feldzuge bildet, versteht sich von selbst. Wir schlugen unsere warme Empfehlung des Hirth-Gosenschen „Tagebuchs“ mit den Worten Ad. Bacmeister’s: „Wenn man diese scheinbar so trockenen Blätter durchliest, so ist es der fast künstlerische Genuß eines Epos – des schönsten und gewaltigsten, von welchem die heute Lebenden zu sagen wissen, von welchem noch späte Geschlechter singen und sagen werden.“