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Ein Traum (Marko Wowtschok)

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Textdaten
Autor: Marko Wowtschok
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Titel: Ein Traum
Untertitel:
aus: Ruthenische Revue, 2. Jahrgang (1904), S. 93–96, 115–117
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1904
Verlag: Verlag der Ruthenischen Revue
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Erscheinungsort: Wien
Übersetzer: Olga Kobylanska
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons = Internet Archive
Kurzbeschreibung:
Marko Wowtschok (1833–1907)
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[93] Ein Traum.

Erzählung von Marko Wowtschok.

I.

Wir waren drei Töchter und ich davon die älteste. Und unser Vater, der war streng! Du lieber Gott! Kaum daß er uns einmal im Jahre die Erlaubnis gab, mit den Mädchen auf der Straße zu verweilen. „Leichtfertig ist das Weibsvolk,“ sagt er, „immerfort möcht’ es sich nur ergötzen, belustigen, tanzen und plappern wie die Elstern!“

„Und hast du dich in deiner Jugend nicht auch belustigt, Iwan?“ fragt die Mutter.

„Bin, Gott sei’s gedankt, nie in meinem Leben dumm gewesen!“

Wenngleich der Vater streng war, liebte er uns dennoch innig. Mitunter wenn er nach Kiew fährt, bringt er uns die schönsten Geschenke: der Mutter eine Haube, gestickt mit Seide, einen roten Rock oder bunte Bänder; mir kostbare Perlen oder einen roten Gürtel, den allerschönsten, den er bekommt, und den jüngeren Schwestern auch Perlen oder Ohrgehänge. Kehrt er auch früh von seiner Reise zurück – die Geschenke verteilt er doch erst am zweiten oder am dritten Tage. Wir schauen ihm in die Augen, machen uns um ihn[WS 1] zu schaffen, er aber tut, als verstehe er uns nicht! Er erzählt, wie er sich mit der Trödlerin gezankt, oder sonst etwas Gleichgiltiges. Aber dann, wenn er die Geschenke auspackt und sie unter uns verteilt, welche Freude gibt’s da, Herr Gott! „Väterchen, Täubchen, ach da unser teures Väterchen!“ nennen wir ihn dann. „Nun, nun, schon genug, schon genug! was seid Ihr so außer Euch wie die Bienen? Kaum zu bändigen? Vielleicht seid Ihr der [94] Meinung, daß ich alles das einkaufte? Das fehlte noch, Ihr klugen Köpfe! Als mir beim Verkaufe des Weizens ein Maß zurückblieb, hing sich an mich ein närrischer Krämer: „Machen wir einen Tausch, machen wir einen Tausch!“ sagte er. Ich ging drauf ein, um seiner los zu werden.“

So ersinnt er irgend etwas, um nur nicht einzugestehen, daß er unser gedacht, für uns die Geschenke eingekauft … nie in seinem Leben möchte er das tun! So war er, der Gottselige, mög’ ihm die Erde leicht sein!

Unser Haus war schön, mit einem großen Obst- und Gemüsegarten; da wuchsen Weichseln, Kirschen und Äpfel, welsche Nüsse, Birnen und Schneeballen. Der Hof war geräumig und das Tor neu. Auch im Hause selbst war wohltuende Ordnung zu sehen. Die Bänke und Tische waren aus Lindenholz, die Bilder aus Kiew, schön gemalt und behängt mit gestickten Handtüchern, noch verziert mit Blumen; ringsherum steckten überall Blumen und duftende Kräuter.

II.

Ich vollendete mein sechzehntes Jahr und begann das siebzehnte. Wir feierten gerade Pfingsten, als ich in der Nacht einen sonderbaren Traum hatte. Ich stehe im grünenden Korn, welches mir bis über den Gürtel reicht: rings um mich prangt der Weizen in reichlichen Ähren, rote Mohnblumen lugen daraus und mir gegenüber stehen zwei Vollmonde; der eine ist heller als der andere; beide schweben auf mich zu. Einer sucht dem anderen zuvorzukommen, bis mir einer, und zwar der hellere, in die Hände rollte, während der andere hinter den Wolken verschwand.

Ich erwachte und erzählte, was ich für einen Traum gehabt.

„Sehr sonderbar!“ sagte die Mutter; und dabei lächelte sie zu sich.

„Was diese Mädchen nicht alles träumen!“ ließ sich der Vater vernehmen. „Sieh’! Schon hatte sie den Mond mit den Händen gepackt – just wie den Ochsen bei den Hörnern! was liegt denn am Traum!“

„Warum nicht?“ sagt die Mutter. „Traum ist Schaum, aber der Glaube ist Gott!“

III.

Einmal erbat ich mir vom Vater die Erlaubnis, tanzen gehen zu dürfen. Wir gingen aus dem Dorfe heraus auf eine Anhöhe, wo wir sangen und tanzten. Plötzlich vernahmen wir: „Hei, Hej!“ so laut, daß das Echo in den Bergen wiederhallt. Erschrocken fuhren wir zusammen und blickten dann forschend umher. Den Berg herab kamen Tschumaken[1][WS 2] gefahren. Ihre Ochsen waren grau und falb mit prächtigen gebogenen Hörnern und eingespannt in geschnitzte Joche; die Tschumaken selbst waren lauter junge, ansehnliche Männer.

„Ach, die bösen Landstreicher!“ sagten die Mädchen, „wie erschreckten sie uns doch!“

„Hört nur –“ begann die Martha Tschemeriwna, ein flinkes, blauäugiges und witziges Mädchen – „begrüßen wir die Tschumaken!“ Und schon begann sie zu singen.

„Tschumak, Tschumak, du zweigiges Immergrün!“ Die übrigen Mädchen stimmten mit ein, während die Tschumaken sich immer mehr näherten, ohne uns aus den Augen zu lassen; dann aber kamen sie plötzlich auf uns zu! Wir stoben auseinander; die Tschumaken aber setzten uns nach, holten uns ein und umzüngelten [95] uns wie eine Wolke. „Gebt uns frei, Ihr Herren Tschumaken!“ bat Martha für sich, „seid so gnädig!“

„Ja freilich!“ ließ sich ein Tschumak vernehmen, der einem hohen Eichenbaum glich, wie er dastand ohne sich zu rühren, die kurze Pfeife zwischen den Zähnen, und nur die Hände ausstreckte, um uns einzufangen. „Ja freilich! du kennst wohl nicht die Sitte der Tschumaken, mein Mädchen!“ – und verstummte.

Andere begannen mit den Mädchen zu scherzen.

Ich verbarg mich immerfort hinter Martha. Da trat ein Tschumak hervor, schön, wunderschön, dunkel, mit Augen wie ein Adler; er trat vor mich hin, stemmte die Arme in die Seiten und sprach: „Ihr Mädchen – Täubchen! Was ist das für ein Mädchen unter Euch, das so hervorleuchtet wie ein Stern? Wenn es als Fischlein im blauen Meere umherschwimmen würde, finge ich es mit seidenem Netze ein; wenn es als Vöglein umherflöge, lockte ich es mit goldenen Hirsenkörnern; so aber muß ich fragen: wessen Vaters Tochter ist sie?“

Und alle Mädchen antworteten einstimmig: „Des Iwan Samus! des Iwan Samus!“

Daraufhin nahm er mich bei der Hand und fragte: „Du liebliches Zaubermädchen! Erlaubst du, daß ich zu dir Brautwerber schicke?“

Mir dunkelte es vor den Augen; ich war nicht imstande etwas zu entgegnen.

IV.

Spät kehrten wir nach Hause heim; die Tschumaken waren wiederum ihres Weges gegangen.

Mich flieht der Schlaf; in meinem Kopfe saust es wie in einer Mühle und das Herz flüstert immer von neuem die lieben Tschumakenworte. Seit jener Zeit ist die Welt für mich gleichsam verändert; jeder Gedanke ist ein Weh … Auch die Mutter begann besorgt und aufmerksam zu werden: „Mein Töchterchen, mein Töchterchen! was ist dir widerfahren? Bist ja ganz abgehärmt, mein Kind!“ Der Vater sagt zwar nichts, betrachtet mich aber auch forschend.

Wenn ich unter den Mädchen erscheine, so umkreisen sie mich: „Warum bist du so traurig? Was hast du im Sinn? Nein, gerade als ob sie Wasser im Munde hätte! – Vielleicht hat dich jemand mit bösem Auge angesehen? Vielleicht umwehte dich irgend ein Wind? Weshalb bist du so, als ob du die Braut eines ungeliebten Mannes wärest? Sage uns die Wahrheit, Domasin-Herzchen!“ Ich schweige fortwährend, bin ängstlich, wenngleich mir mitunter ein inniges Wort unabsichtlich über die Lippen entschlüpft.

„Sieh, du ziehst dich von uns zurück!“ grollen manchmal die Mädchen.

„Was soll ich Euch sagen, Schwestern? Ich bin etwas leidend,“ antwortete ich ausweichend.

„Spielen wir doch Chreschtschyk[2] oder den „König“, bitten sie, und schon nehmen sie einander bei den Händen, reißen mich mit und jagen unter lautem, fröhlichen Gelächter fort, daß die Erde erdröhnt.

„Ach, Ihr Mädchen!“ sagt Martha, „Dumasia hat unser Spiel gar nicht im Sinn; ich weiß ganz gut, von welcher Sehnsucht ihr Herz ergriffen wurde!“

Die Mädchen drängen sich dicht an sie: „Sage es, Martha, du liebes Schwesterchen!“

„Domache gewann einen durchreisenden Tschumaken lieb!“

[96] „So! Jenen dunklen? Hohen? Den, dessen Stiefel geknarrt? O! der ist aber auch ein schöner Mann! Und wie redselig er ist! Und wie er zu scherzen versteht! Sein Mund ist golden!“

Ich fühle mich gleichsam wie mit Kohlen überschüttet! „Du hast kein Schamgefühl, Martha“, sag’ ich ihr.

„Da habt Ihr’s! Ich rede die reinste Wahrheit; vielleicht nicht? Schwöre doch! Siehst du? Deine Lippen tun sich gar nicht auf! Merke nur, was ich dir sagen werde; und Ihr laßt mich Atem schöpfen – was habt Ihr Euch alle so zusammengedrängt? Setzt Euch rings um mich herum und passet auf!“

Wir setzen uns und hören zu, während mein Herz zum Zerspringen pocht.

„Ich erfuhr, woher jene Tschumaken stammen!“

Ich schrie fast auf: „Ach! … und woher sind sie denn?“

„Sie sind alle aus Masowitschtsche.“

„Und woher hast du diese Nachricht?“

„Vom Meeresgrunde.“ Martha war in der Tat so, daß sie das, was ihr notwendig war, auch aus dem Grunde des Meeres erfuhr. „Jener, der sich an Domache anschloß,“ sagte sie, „heißt Danylo Dontschuk – und der mir am besten gefiel, Kyrylo Sawtyr.“

„Und was ist er für ein Mensch, jener Kyrylo?“ frägt die Olena Fakowenkowa, „jener heitere Blonde?“

„Du meinst – woher er stamme? Ich fragte nicht nach deinem Blonden; so ist es dir von Gott beschieden, Schwesterchen und deswegen närrisch zu werden, steht es uns nicht an. Mein Kyrylo – der ist „pures“ Gold und nicht ein „Tschumake“! Seine Augenbrauen sind schön geschweift und schwarz; fortwährend hatte er die Pfeife geraucht; düster ist er, als dächte er darüber nach, gegen die Türken zu ziehen, und unbeweglich, als wär’ er tatsächlich aus Erz gegossen! Er hatte sich nur einmal hören lassen, suchte keines der Mädchen einzufangen und schaute mich nur zweimal an und auch das auf eine Art, als wär’ es zufällig und ohne seinen Willen geschehen. Es ward mir schier ängstlich zumute; während alle scherzten und lachten, stand er allein ruhig da und zuckte bloß hie und da mit den Augenbrauen. Ein solcher Kranich gefällt mir! Aber da ist nichts dagegen zu tun, möchten sie nur bald wieder aus der Krim heimkehren!“

„So – was dann?“ frag’ ich.

„Dann werden sie um uns freien,“ sagt sie. „Gewiß, freien werden sie um uns! Und nun Mädchen, besingen wir Domache!“ Und sie begann ein Liedchen zu singen, das sich auf mich und Danylo bezog.

„Sag’ doch Martha-Herzchen, woher weißt du das alles? Wer sagte das alles?“

„Ich schickte die weißbeflügelte Elster aus und sie brachte mir zwei Nachrichten unter dem rechten Flügel verborgen: die eine über Kyrylo, die andere über Danylo.“ So schnitt sie mit Witzen und Scherzen eine weitere Erklärung ab und die Wahrheit erfuhr ich nicht.

[115]
V.

Der Herbst rückte heran; die Feldarbeit ging bereits zu Ende, das Schnitterfest war schon abgehalten. Auf der Straße wurden die Brautwerber sichtbar und schon hörte man das Prahlen der Mädchen: „Ich bin mit meinem Michel verlobt!“ und „mich segnete der Vater mit dem Paul!“ Mir ist traurig und wehmütig zu Mute, als wär’ ich in eine schwarze Wolke getreten; meine ganze Freude besteht darin, mit Martha zusammenzutreffen und mich mit ihr auszusprechen.

Aus ganzem Herzen bat ich sie: „Sag’ Liebchen, ist das wahr, was du gesprochen, oder sind es bloß Scherze? Wer sagte dir, daß man um uns freien werde?“

„Habe ich dir denn nicht gesagt, wen ich ausgesendet hatte? Die weißgeflügelte Elfter.“ Und dabei brach sie in ein schallendes Gelächter aus. „Weißt, Herzchen, ich werde dir einen schönen Rat geben: Frage nicht nach etwas – wenn’s nicht nötig ist. Denken wir lieber daran, wie das sein muß, wenn wir beide in fremde Gegenden heiraten werden und unter fremde Menschen! Wie sich unser Schicksal gestalten wird! Gebe doch Gott, daß wir Glück hätten! Dann kommen wir zu unseren Vätern und Müttern auf Besuch. Ich komme stolz und schön und du noch stolzer und noch schöner – mit einem grauen Ochsenpaar – denn in Masowischtsche sind immer graue Ochsen, im schönen Überwurf, mit dem geliebten Mann; unseren Feinden mög’ es schwer werden, uns in unserem Glücke zu sehen!“

Solches sagt sie mitunter, behauptet das so ernsthaft, daß ich unter ihrer Erzählung auf alles übrige vergesse, ganz und gar vergesse!

[116] Einmal arbeite ich in meinem Gärtchen, als plötzlich die jüngere Schwester gelaufen kommt: „Domache! Domache! Es kommen Brautwerber, sie sind schon ganz nahe!“

Wehe, weh’ mir! Ich lief ins Haus und im Vorhaus blieb ich stehen. Ich höre – mit meinem Vater hat man eine Unterredung: „Man kommt zu Euer Gnaden vom Herrn Ignatz“, hörte ich jemanden sprechen.

Der Vater kam heraus, um die Tür zu öffnen und ich verneige mich vor ihm bis zu den Füßen und weine: „Teueres Väterchen, macht Euer Kind nicht unglücklich!“

„Welcher Hundesohn will dich denn unglücklich machen? Still, beruhige dich doch, weine nicht!“

„Werden wir dich etwa zwingen, mein Töchterchen?“ sagt die Mutter, „wozu das Weinen?“

Ich bin so frohgemut und danke ihnen aus aufrichtigstem Herzen: „Gott lohne es Euch Mutter, daß Ihr mich einem ungeliebten Manne nicht gebet!“

Der Vater bewirtete diese Brautwerber, dankte für die Ehre: „Unser Kind –“ sagte er – „ist noch zu jung, wir müssen es noch selber lieben und es auch noch Vernunft lehren!“

„Das – mein Töchterchen –“ sagte die Mutter, als die Brautwerber hinausgeleitet waren – „das ist dein Mond, der hinter die Wolken verschwand.“

VI.

Als ich jenes Übel überstanden, ward mir gleichsam wohler zu Mute; nun erwarte ich ruhig Danylo aus der Krim … denke oft nach, wie es sein wird, wenn er kommen und ich ihn wiedersehen werde! Aber wenn ich andererseits daran denke, daß ihm auf der Reise ein Unglück zustoßen könnte – so fühle ich mein Herz erstarren; ich gehe dann ins Freie, setze mich irgendwohin im Garten und sinne und denke und ein Gedanke überholt den andern … zu einer Arbeit zuzugreifen, empfinde ich keine Lust; so vertändle ich den ganzen Tag.

Eines Morgens war mir so schwer um’s Herz!

Mit einem Male ruft mich die Mutter: „Domasiu! komme doch ins Haus: Gott sandte ehrenwerte Gäste!“

„Was für Gäste?“ fragte ich und zitterte dabei am ganzen Körper.

„Vom Herrn Kornel Dontschuts; er wirbt um dich für seinen Sohn Danylo!“

Du mein lieber, lieber Gott! ich entsinne mich bloß noch, wie mich die Mutter ins Haus führte und dann segnete. Sie gab Handtücher (ich brachte die allerschönsten, die gestickten) und man verlobte uns.

Die Alten berieten sich mit den Brautwerbern und Danylo neigte sich tief über mich:

„Mein Mädchen!“, sagt er, „liebst du mich so, wie ich dich liebe – so sehr?“

Ich schweige … aber ich bin schon zufrieden, wenn ich ihm nur zuhören kann!

… Jeden Abend kam er dann zu mir in den Garten und die Nacht verflog mir mit ihm, als wär’ sie erst angebrochen.

„Siehst du meine Tochter,“ sagte die Mutter, „das ist jener Mond, der dir im Traume in die Hände gerollt ist!“

VII.

Auch Martha verlobte sich mit Kyrylo Savtyr; an ein und demselben Tage war auch unsere Hochzeit. Da gestand sie mir auch die Wahrheit ein: „Ich habe,“ sagte sie, „die alte Bulbycha auf Forschungen nach Masowyschtsche ausgeschickt; sie war diejenige, die alles ausgekundschaftet hatte; sie sah den Kyrylo selber und den Danylo und brachte mir jene Nachrichten.

[117] Nach der Hochzeit fragte der Vater des Danylo: „Wie, heiratetest du den Danylo? Als hättest du nichts mit eigenen Augen gesehen; wer hätt’ auch im Leben gedacht, daß solch ein „Landstreicher“ heiraten werde.“

„Wie Ihr sehet, Herr Iwan, hab’ ich doch geheiratet“, sagt Danylo. „Sie gefiel mir wie jener Singvogel und mag nun auch in meinem Hause zwitschern!“

Mein Schwiegervater ist so gut, liebt mich, als wär’ er mein leiblicher Vater; und auch die Schwiegermutter scherzt und ist gnädig. Glücklich ist mein Schicksal und wohlgeraten, Gott sei’s gedankt! Nur im Frühjahr erinnerte ich mich daran, daß keine Freude ewig währe, als nämlich mein Danylo sich zum Auszuge zurüsten begann.

Ein unsagbarer Schmerz bemächtigte sich meiner, als ich ihn weit bis außerhalb des Dorfes begleitete; ich blieb stehen und sah um mich ringsherum – aber es war nichts zu sehen als grüne Steppen … Die Schwiegermutter tröstet mich und selber weint sie: „So hat es Gott gefügt, meine liebe Tochter!“ sagt sie, „daß Leid und Freud aufeinander folgen. Ich lebte mein Leben im Wohlstand, heiratete aus Liebe, meine Söhne sind wie Falken, aber trotzdem vergoß ich auch bittere Tränen. Früher rüstete ich auch meinen Mann auf den Weg aus und jetzt trenne ich mich von meinem Kinde und ich weiß nicht einmal, ob ich seine Wiederkehr erleben werde! Ich habe ein schönes Stück Leben hinter mir und vielleicht nimmt mich Gott bald zu sich; du aber bist jung, wirst seine Heimkehr erleben; weshalb also trauern? Dadurch wird nur das Gesichtchen elend und blaß und du wirst durch schlechtes Aussehen nur seine Besorgnis erregen.“

Auch Martha kommt manchmal gelaufen: „Was ist denn mit dir, Domache? Mein Kyrylo ist doch auch in die Krim! Wie abgehärmt siehst du doch aus, heilige Mutter Gottes! – wenn dein Mann vernünftig ist, so wird er dich kaum ansehen, so verändert hast du dich, – der meinige wird mich küssen und umarmen, denn ich werde ihm wie eine volle Mohnblume entgegenkommen.“ So suchten sie mich alle zu trösten und aufzuheitern[WS 3].

Qualvoll hatte ich den Sommer verlebt und der Herbst naht schon; alle Stunden laufe ich vor’s Tor, um zu sehen, ob sie noch nicht kämen? In der Nacht schließe ich kaum die Augen; mir träumt, daß das Tor knarrt, daß die Stimme meines Mannes irgendwo hörbar sei – eilends raffe ich mich auf und laufe heraus, – umsonst, es ist niemand da. Öde ist es und das Tor ist und bleibt geschlossen.

Um den Beginn des Herbstes und just gegen einen Sonntag zu, hatte ich einen sonderbaren Traum. Über unserem Hause ging der Vollmond auf, rot, ganz feuerrot; und drinnen im Monde befand sich ein weißer Hahn, der schlug mit den Flügeln und sang, sang so laut, daß es im Dorfe widerhallte. „Du hast einen guten Traum gehabt,“ sagt die Schwiegermutter, als ich ihr das erzählte, „du wirst sehen, unser Danylo kehrt bald heim. Wenn ein Mädchen vom Monde träumt, so bedeutet das einen Freier und wenn ein junges Weib von ihm träumt – so – kehrt ihr Mann bald heim, oder sie bekommt einen Sohn. Man muß nach Danylo ausschauen; wir werden es kaum merken, wie sie einrücken werden.“

Und wirklich, am nächsten Tage gegen Abend kehrte er hei[m], mein lieber, süßer Falke. Bald hatten wir uns auch schon zur Genüge ausgesprochen; jetzt erst erzähle ich ihm, was für einen sonderbaren Traum ich geträumt; einen Traum vom Vollmonde.

„Und mir,“ sagte er, mich innig an sich drückend, „mir träumte nur von einem Sternlein!“

Aus dem Ruthenisch-Ukrainischen übersetzt von Olga Kobylanska.

  1. „Tschumaken“ wurden die Leute aus der Ukraine genannt, welche mit ihren Ochsen nach der Krim oder an den Don fuhren, um sich von dort Fische und Salz zu holen. Anmerk. der Übersetzerin.
  2. Frühlingsspiel der Mädchen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: ihm
  2. „Tschumaken“ von russisch „чума“ (Pest), galten als verantwortlich für die Verbreitung von Viehseuchen.
  3. Vorlage: anfzuheitern