Ein geistiger Vorläufer des Columbus

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Autor: Friedrich Hofmann
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Titel: Ein geistiger Vorläufer des Columbus
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aus: Die Gartenlaube, Heft 28, S. 468–471
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1876
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[468]
Ein geistiger Vorläufer des Columbus.
Kultur- und Lebensbild.

Eine Meile nordöstlich von der unterfränkischen Mainstadt Haßfurt liegt am Fuße seines Schloßberges mit der Ruine der Veste Königsberg das Städtchen gleichen Namens, und weil es noch mehrere Königsberge giebt, Städte und Dörfer, in Preußen, in der Neumark, in Oberhessen, in Böhmen, Tirol, österreichisch Schlesien und Ungarn, so heißt diese kleine sachsen-coburg-gothaische Stadt mitten im baierischen Gebiete Königsberg in Franken. In der sogenannten Schloßgasse daselbst, die zum Amthaus und zur Burgruine hinaufführt, steht rechter Hand und zwischen Gebäuden späterer Zeit ein uraltes Haus, dessen ergrautes Holzgebälk oberhalb des Einfahrtsthores mit allerlei Schnitzwerk verziert ist; auch der fromme Spruch steht daran: An Gottes Segen ist Alles gelegen. Es ist fast ein Wunder zu nennen, daß gerade dieses Haus der Zerstörung der Jahrhunderte und sogar des dreißigjährigen Krieges entgangen ist, dieses Haus, das nicht blos für die kleine Stadt, sondern für die ganze Welt eine so große Bedeutung hat. In diesem alten Hause wurde vor nun gerade vierhundertundvierzig Jahren am sechsten Juni ein Knabe geboren, aus welchem ein Mann wurde, der sich als großer Beförderer der griechischen Sprache und Literatur in Deutschland, als Beförderer der Mathematik, der Mechanik und der Astronomie einen Weltruf, insbesondere aber durch Bearbeitung und Herausgabe des ersten deutschen Kalenders und durch die Entwickelung der nautischen Astronomie [469] sich die größten Verdienste um die Schifffahrt auf dem hohen Meere erworben hat.

Wir legen gerade auf dieses deutsche Verdienst unseres Regiomontanus, unseres großes Todten, besonderes Gewicht, weil es Jahrhunderte lang und noch hart bis in die neueste Zeit nicht blos bei den seefahrenden Nationen, sondern in den regierenden Köpfen Deutschlands selbst zur Modeansicht geworden war, daß Deutschland vor Allem eine Landmacht sei und eigentlich auf der See gar nichts zu suchen habe. Hat doch noch im April 1861 eine der angesehensten englischen Zeitungen (die „Morning-Post“) aller Welt Folgendes kund und zu wissen gethan: „Der Wunsch nach einer deutschen Flotte ist ein nebelhaftes, weinerliches, albernes Sehnen und kann nur einem Volke, das in den Wolken lebt, in den Sinn kommen. Wenn es in Preußen einen Staatsmann gäbe, was nicht der Fall ist, wenn es im preußischen Ministerium

Die Denkmal-Statue des Regiomontanus zu Königsberg in Franken.

einen einzigen guten Politiker gäbe, was auch nicht der Fall ist, so würde er diesem Unsinn von einer deutschen Flotte ein Ende machen. Die Deutschen mögen die Erde pflügen, mit den Wolken segeln oder Luftschlösser bauen, aber nie seit dem Anfang der Zeiten hätten sie den Genius, das Weltmeer zu durchfurchen oder die hohe See oder nur die schmalen Gewässer zu befahren.“

Wenn wir auch diese Auslassungen eines Einzelnen nicht seinem ganzen Volke zur Last legen wollen, so bleibt es doch eine auffallende Erscheinung, daß es trotz der untrüglichsten Anzeichen für den Seefahrts-Beruf der Deutschen, so lange dauerte, bis derselbe auf den eigenen Thronen erkannt und endlich auch vom Auslande anerkannt worden ist.

Schon vor zweiundzwanzig Jahren habe ich (in Frömmann’s „Deutschlands Mundarten“) auf den merkwürdigen Seelenspiegel hingewiesen, den wir vom deutschen Volke in seiner Sprachkarte besitzen. Wenn wir nämlich auf der Landkarte von Mitteleuropa die Grenzen ziehen, bis zu welchen des deutschen Volkes Geist mit seiner Sprache vordrang und Herr wurde, so finden wir sofort, daß im Norden die deutsche Sprache ihre größten Triumphe feierte: dort hatte sie das halbe Norddeutschland erst für sich zu erobern, und machte sich zum Herrn der Ostseeküste weit über die Grenzen des deutschen Reichs hinaus. Die Religion drang kämpfend vorwärts, und wohin die Schwerter der deutschen Ritter nicht reichten, dahin trugen die Schiffe der Hansa deutsche Cultur und deutsche Sprache. Und so sehen wir beide noch heute herrschen von Dünkirchen in Frankreich bis Riga in Rußland. Wie zwei sehnsüchtig und liebend nach dem Meere ausgebreitete Arme strecken sich die Sprachgebiete nach Ost und West die Küsten entlang, – ganz so sehnsüchtig und liebend, wie das gesammte deutsche Volk zum Meere blickt. Wer verlangt ein unumstößlicheres Zeugniß für den Beruf der Deutschen zur Seeherrschaft, als uns die Sprachkarte von Deutschland giebt? Ist sie nicht wirklich hier das vollkommenste Spiegelbild der Seele des deutschen Volkes?

Nicht weniger deutlich und bedeutungsvoll spricht, abgesehen von der Geschichte der Hansa und der noch älteren der Angeln und Sachsen, die Thatsache für uns, daß die Schifffahrt ihre wichtigsten Fortschritte den Arbeiten deutscher Geister zu verdanken hat. Selbst die kühnsten Seefahrer blieben mit ihren Schiffen an die Küsten gebannt, bis unser Regiomontanus durch seine astronomischen Instrumente und Berechnungen sie in den Stand setzte, ihren Weg nach den Sternen zu finden. Das erste Dampfschiff fuhr am 27. September 1707 auf der Fulda von Kassel nach Münden; sein Erfinder, Dionys Papin, war zwar ein Franzose von Geburt, aber Professor der Physik an der deutschen Universität Marburg. Ebenso ist die wichtigste Verbesserung der Dampfschifffahrt durch die Schiffsschraube die That eines Deutschen, Joseph Ressel’s, dessen erster Schraubendampfer im Hochsommer 1829 von der Rhede von Triest aus seine Probefahrt hielt. Ein Deutscher war endlich auch der Erfinder der unterseeischen Schifffahrt, die sicherlich ihre Auferstehung feiern wird, und hoffentlich nicht wieder unter fremder Flagge. – Diese Zeugnisse für den deutschen Seefahrtsberuf wird man wohl gelten lassen müssen; nicht unbemerkt darf bleiben, daß Keiner dieser vier Männer an der See geboren ist, drei davon gehören sogar Süddeutschland an: Franken, Deutsch-Böhmen und Schwaben.

Ein freundliches Geschick will es, daß in derselben Zeit, wo zum ersten Male nach Jahrhunderten wieder eine deutsche Kriegsflotte achtunggebietend das Meer befährt, ein Erinnerungsfest den Namen des ersten der genannten vier Männer zu feiern hat, und an dieser Feier nimmt hiermit auch die „Gartenlaube“ Theil.

Wir kehren in das Städtchen Königsberg zurück, das heute im Festschmucke prangt. Johannes Müller ist der deutsche Name des Mannes, der sich nach der Gelehrtensitte seiner Zeit den latinisirten Namen Regiomontanus, d. h. der Königsberger, gab. Fast noch im Knabenalter bezog er die damals ebenfalls noch sehr junge Universität Leipzig, fand jedoch dort außer seinen philologischen Studien nicht, was er suchte, und wandte sich drei Jahre später (1451) nach Wien, wo Georg Purbach (nach seinem Geburtsorte auch Peurbach genannt) damals der einzige Lehrer der Astronomie in Deutschland war. Die Astronomie gehörte zu den Wissenschaften, welche im Abendlande völlig untergegangen, von den vor den hereinbrechenden Osmanen fliehenden Griechen mit den anderen Wissensschätzen des classischen Alterthums dahin zurückgebracht wurden. Der große Meister fand am jungen Schüler bald einen gereiften Mitstrebenden und Freund und arbeitete mit ihm gemeinschaftlich an der Erforschung und Ausbeutung der für ihre Zeit unschätzbaren astronomischen Reliquien des Alterthums, namentlich des „Almagest“, jenes von den Arabern so benannten „Lehrgebäudes der Astronomie“ des Ptolemäus und Hipparch, das noch bis in das vorige Jahrhundert das einzige Lehrbuch der Sternkunde war. Es ist ergreifend, zu sehen, wie beide Männer, noch befangen von der Annahme ihrer Zeit, daß die Erde feststehe, sich vergeblich abmühten, den Planetenlauf zu bestimmen. Dennoch erregten ihre Arbeiten ungemeines Aufsehen, und dies half auch ihren übrigen Bestrebungen zu manchem Erfolge. Ein Verdienst, das Jeder zu würdigen versteht, welcher begreift, wie schwer das [470] Rechnen mit den alten römischen Zahlen war, ist die Einführung der arabischen (eigentlich indischen) Zahlzeichen und des Decimalsystems, das wir beiden Männern verdanken. Erst von dieser Zeit an konnte das Rechnen auch in den Schulen gelehrt werden und zu seiner unermeßlichen Bedeutung in Handel und Wandel und im ganzen Volksleben gelangen.

Auf eine erfreuliche Erscheinung in jener Zeit macht uns J. H. von Mädler (in einer Lebensschilderung des Regiomontanus in Westermann’s Jahrbuch, 1871) aufmerksam, indem er sagt: „Es darf nicht verschwiegen werden, daß von der ingrimmigen Feindschaft, mit welcher später die Mönchsorden den Naturwissenschaften entgegentraten, damals noch keine Spur zu finden war. Im Gegentheil sehen wir, daß die Wenigen, welche sich damit beschäftigten, von Seiten der Kirche alle mögliche Begünstigung und Förderung erfuhren.“ Kaum war daher die Kunde von den astronomischen Arbeiten der beiden Deutschen nach Rom gedrungen, so kam der berühmte griechische Gelehrte und römische Cardinal Bessarion selbst nach Wien, um Purbach zu sich nach Italien und seinen reichen literarischen Schätzen abzuholen. Purbach war sofort zur Reise bereit, da überraschte ihn, den erst Achtunddreißigjährigen, 1461, der Tod. An seine Stelle trat nun Regiomontanus. So jung er noch war, so groß war doch schon sein Ruhm. „Ueberall,“ sagt Mädler, „wo er sich auch hinbegab, in Bologna, Ferrara, Venedig, galt er für den Gelehrtesten.“ Der Umgang mit Männern, wie Bessarion, Bianchini und besonders mit dem berühmten Griechen Georg von Trapezunt wies ihn auf die Quellensprache der astronomischen Wissenschaft, das Griechische hin, und mit so viel Beharrlichkeit und Glück warf er sich auf dasselbe, daß er bald seinen Meister meistern und ihm Fehler in dessen Bearbeitung des „Almagest“ nachweisen konnte, ein Umstand, der leider eine Entzweiung beider Gelehrten herbeiführte. Für Deutschland brachte diese italienische Zeit des Regiomontanus außerordentlichen Gewinn, denn durch ihn, der damals der größte Kenner der griechischen Sprache und Literatur unter allen Deutschen war, fand das Studium derselben auch in Deutschland Eingang.

Schon damals begeisterte die Italiener der Gedanke, einen Weg nach Indien durch eine Fahrt in den großen Ocean hinein zu suchen, ein Gedanke, den später ihr Landsmann Columbus ausführte, der ja bekanntlich selbst nie erfuhr, daß er einen neuen Erdtheil entdeckt hatte, sondern die Küste des gesuchten Indien erreicht zu haben glaubte. Auch unserm Regiomontanus konnte dieser Gedanke nicht fern bleiben, und er mochte ihn schon damals bei seinen astronomischen Beobachtungen geleitet haben. Sein Hauptwerk in dieser Beziehung, die „Ephemeriden“, erschien jedoch erst 1473. Doch davon später – Nach siebenjährigem Aufenthalte in Italien folgte er (1468) einem Rufe des ungarischen Königs Matthias Corvinus nach Ofen. Der König hatte eine ansehnliche Bibliothek (natürlich von Handschriften, denn die Buchdruckerkunst stand erst im Beginne ihrer Thätigkeit) erworben, die Regiomontanus ordnen sollte und mit seinen eigenen, in Italien gesammelten Schätzen für seine Wissenschaften zu verwerthen gedachte. Da aber unaufhörliche Kriege den König nicht zur Ruhe kommen ließen und sogar die Mittel zur Ausführung der Arbeiten des Regiomontanus fehlten, so siedelte dieser im Frühjahre 1471 nach der Stadt über, in welcher damals Wissenschaften, Künste und Gewerbe zuhöchst in Blüthe und Ehren standen, in das alte Nürnberg.

Hier empfing man den weltberühmten Mann mit offenen Armen. Vor Allen schloß der reiche Patricier und Rathsherr Bernhard Walther sich ihm an. Er ließ ihm nicht nur in der Rosengasse ganz nach dessen Plan eine Sternwarte bauen, die Mädler als die erste des neuen Europa bezeichnen zu können glaubt, ausgerüstet mit Instrumenten, wie nur der Nürnberger Kunst- und Gewerbefleiß sie herzustellen vermochte, sondern er errichtete für ihn auch eine eigene Druckerei, weil die damals dort blühende von Anton Coburger die fremden Schriftzeichen, Tabellen und mathematischen Symbole nicht besaß, welche für den Druck der mathematischen und astronomischen Schriften Purbach’s, welche Regiomontanus hier veröffentlichte, und seine eigenen unentbehrlich waren. Da Regiomontanus in Nürnberg und auf der Nürnberger Universität Altorf öffentliche Vorlesungen hielt, so wurden beide Städte bald Wallfahrtsorte für alle damals in gleichem Geiste Strebenden.

Die lange Reihe von Werken, welche aus dieser Druckerei hervorgingen, und die späteren Ausgaben und Bücher von und über Purbach und Regiomontanus hier aufzuführen, entspricht weder dem Raum noch dem Zweck dieses Artikels. Um so mehr freuen wir uns, unsere Leser auf eine Schrift hinweisen zu können, die als eine Festschrift zu Ehren unseres großen Todten gelten kann; wir meinen die mit ebensoviel Wärme und Begeisterung, als Kenntniß und Fleiß ausgearbeitete Monographie Alexander Ziegler’s: „Regiomontanus, ein geistiger Vorläufer des Columbus (Dresden, 1874).“

Das schon genannte Hauptwerk des Regiomontanus, welches Ziegler zu der weltwichtigen Ehrenbezeichnung desselben berechtigte, sind seine „Ephemeriden“, astronomische Tafeln, in denen der Ort des Standes der Sonne und anderer Himmelskörper auf zweiunddreißig Jahre (1474 bis 1506) zum Nutzen der Seefahrer voraus berechnet war. Wir haben nur angedeutet, daß Regiomontanus auch durch Verbesserung und Erfindiung nautischer Instrumente (wie des sogenannten Astrolabiums und Jakobsstabs) sich um die Schifffahrt Verdienste erworben. Hierüber sagt Ziegler: „Wenn Regiomontanus durch den von ihm erfundenen Gradstock oder Jakobsstab, der während dreier Jahrhunderte nebst dem Compaß das wichtigste Werkzeug in den Händen der Seeleute gewesen ist, der Seefahrt große Dienste erzeigt hat, so ist dies in noch größerem Grade von den Ephemeriden des Regiomontanus zu sagen. – Aus dem Schiffsjournal des Columbus wissen wir mit Bestimmtheit, daß der Admiral diese ‚Ephemeriden‘ am Bord gehabt, denn er selbst sagt, daß er vermittelst derselben die Eingeborenen auf Jamaica, um sie in Schrecken zu setzen und zur Beschaffung von Nahrungsmitteln zu zwingen, drei Tage vorher mit der Mondfinsterniß vom 29. Februar 1504 bedroht habe. Durch die Benutzung seiner astronomischen Instrumente und vornehmlich der Ephemeriden hat Regiomontanus die deutsche Astronomie mit der iberischen Nautik (wohin sein Schüler, der berühmte Nürnberger Weltreisende Martin Behaim, sie trug) verbunden, die Küstenschifffahrt in eine Seeschifffahrt umzuwandeln ermöglicht und jenen berühmten Seefahrern Columbus, Vespucci, Vasco de Gama, Magalhaens u. A. die Füglichkeit an die Hand gegeben, mit Sicherheit sich weiter in den Ocean hinauszuwagen und ihre weltgeschichtlichen Entdeckungen zu Stande zu bringen.“ Was den heutigen Seefahrern der Nautrical Almanac der Engländer, das waren damals die Ephemeriden des Regiomontanus, und lange Zeit blieben sie der unschätzbare Wegweiser, ohne den sich so leicht Niemand auf die offene See wagte.

Nicht weniger Verbreitung fanden des Regiomontanus lateinische und erste deutsche Kalender, deren Drucke Ziegler ebenfalls gewissenhaft verzeichnet; auch über deren Werth ertheilt er eingehende Belehrung. Diese Arbeiten und das Ansehen, in welchem der deutsche Gelehrte nicht blos im Vaterlande, sondern in allen civilisirten Ländern stand, lenkten abermals die Aufmerksamkeit Roms auf ihn. Die Fehler des Julianischen Kalenders erforderten endlich dringend Abhülfe, und so setzte denn Papst Sixtus der Vierte eine Commission in Rom zusammen, zu welcher auch Regiomontanus berufen wurde; als Belohnung für seine Leistungen war ihm schon im Voraus das Bisthum Regensburg bestimmt. Gewiß nicht leicht trennte er sich im Frühjahr 1476 von Nürnberg, das ihm zur zweiten Vaterstadt geworden war; glücklich kam er in Rom an, aber schon am 6. Juli hatte die dort herrschende Pest ihn hingerafft. Die Sage beschuldigt die Söhne des Georg von Trapezunt, aus Rache dafür, daß Regiomontanus Fehler in ihres Vaters Uebersetzung des Almagest gefunden, ihn vergiftet zu haben. Beweise sind nirgends für diese schwere Beschuldigung zu finden. Der große Todte wurde mit allen Ehren im Pantheon des Marcus Agrippa beigesetzt.

Seit diesem Tag der Trauer sind nun vierhundert Jahre vergangen. Die Trauer ist verschwunden, denn was des Mannes Geist gelebt und gethan, hat seine Unsterblichkeit bewährt, – und in diesem Sinne kann der Tag seines Todes mit einem Erinnerungsfeste gefeiert werden, an dem ein gerechter Stolz auch die helleren Farben der Freude nicht zu verhüllen braucht. Tausende werden an diesem Tage sein Andenken segnen, und wenn auch der Mittelpunkt aller Feier seine kleine Vaterstadt ist, so wird doch an mehr als einem Orte gepriesen werden, was der eine Mann gewirkt, und man wird überall übereinstimmen mit unserem edlen [471] Mädler, der da schließt: „Das Wirken des Regiomontanus ist kein unfruchtbares gewesen. In steigendem Verhältniß haben seine Nachfolger auf dem von ihm gelegten Grunde fortgebaut und haben sich nicht beirren lassen von den Gegnern, selbst nicht von den mächtigsten und gefährlichsten, den Mönchsorden. Alle diese Kämpfe sind vorüber, und die Wahrheit hat gesiegt. Das ist es, was wir unserem Regiomontanus verdanken und was alle kommenden Geschlechter ihm verdanken werden; denn immer klarer wird es sich herausstellen, wie wohlthätig die echte Himmelsforschung wirke und wie nichtig und bedeutungslos alles Andere ist, was finstere Jahrhunderte aus ihr zu machen versuchten.“

Unsere Abbildung stellt die Denkmal-Statue des Regiomontanus, ausgeführt vom Bildhauer Mayer in Haßfurt, dar, die am zwölften September 1871 enthüllt worden ist; eine Marmortafel schmückt von heute an sein Geburtshaus; ein geistiges Denkmal ist die Regiomontanus-Schule daselbst, die, eine Gründung des Bürgermeisters Franz Ronge, jetzt zu einer höheren Anstalt erweitert werden soll. Andere Denkmale des großen Meisters sind die Kolossalbüsten in der Walhalla und in der Aula des Gymnasiums zu Coburg, letztere von G. von Dornis; Nürnberg hat ihm in der Kreisgewerbeschule eine Erz-Statue von Burgschmiet errichtet. – Möge immer frisch bei den Nachkommen das Andenken an den wahrhaft großen deutschen Mann fortblühen!
Friedrich Hofmann.