Ein glücklich durchgeführtes deutsches National-Unternehmen

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Autor: R.
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Titel: Ein glücklich durchgeführtes deutsches National-Unternehmen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 23, S. 362–365
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1862
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Ein glücklich durchgeführtes deutsches National-Unternehmen.

Sieht man ein großes Werk an seinem Abschlusse angelangt, so wirft man wohl gern noch einmal einen prüfenden Blick auf Veranlassung, Fortgang und Ausführung desselben. Dies dürfte vorzugsweise der Fall sein bei einem Unternehmen, welches Schiller’s, des hochgefeierten Dichters deutscher Nation, Namen an seiner Spitze trägt und dessen Gelingen bei seinem Beginn so vielfach angezweifelt ward. Wir meinen die „Allgemeine deutsche Nationallotterie“, sogenannte Schillerlotterie, welche auf Anlaß von Schiller’s hundertjähriger Geburtsfeier zum Besten der Schiller- und der Tiedgestiftung gegründet worden, deren beider Zweck ist: würdige, aber hilfsbedürftige Dichter, Schriftsteller und Künstler (im Gebiete der Malerei, Musik-, Kupferstecher-, Bildhauer-Kunst und Architektur), sowie deren hinterlassene Wittwen und Waisen rechtzeitig, d. h. noch bei Lebzeiten, durch angemessene Unterstützungen zu ehren.

Ein hochherziger, für alles Schöne und Edle begeisterter Mann, der Major Serre auf Maxen, faßte die glückliche Idee, durch Begründung der Schillerlotterie dem Andenken Schiller’s ein Monument dauernder als Erz zu errichten, indem er die schönen Zwecke der Schiller- und der Tiedgestiftung in einer Weise und mit einem Male so förderte, wie es den betreffenden Vereinen, wenn überhaupt, doch kaum selbst in einem sehr langen Zeitraum möglich gewesen sein würde.

Zur Erreichung dieses hohen Zweckes bedurfte es der Betheiligung [363] der ganzen Nation, zur Ausführung der einzelnen Maßregeln der opferwilligen, uneigennützigen und unermüdlichen Mitwirkung gleichbegeisterter Männer. Letztere wurden gesucht zunächst in der Mitte der Dresdner Schillerstiftung; sie wurden aber, nachdem der Comité dieser Stiftung seine Mitwirkung wiederholt versagt, gefunden durch Begründung eines „Hauptvereins der Allgemeinen Deutschen Nationallotterie“, welchen außer dem Major Serre, dem die Geschäftsführung speciell anvertraut blieb, folgende Männer bildeten: Dr. v. Wietersheim, Königlicher Staatsminister a. D., Pfotenhauer, Oberbürgermeister, Dr. Hertel, Bürgermeister, Dr. Arnest, Stadtverordneten-Vorsteher, Banquier Lötze, Hofrath Dr. Ziegler, sämmtlich in Dresden, ferner Oberst v. Bielfeld zu Altenburg und Graf Hohenthal-Döbernitz.

Die Betheiligung des deutschen Volkes suchte Major Serre, ermuthigt durch die allgemeine Begeisterung, welche sich beim Herannahen der hundertjährigen Geburtsfeier Schiller’s kundgab, durch mehrere im Juni und September 1859 erlassene Aufrufe zu gewinnen, in welchen er zu sachförderlicher Mitwirkung, Beisteuer von Gaben aller Art für die Lotterie, sowie zur Entnahme von Loosen zu derselben aufforderte. Da über den weiteren Plan des Unternehmens, z. B. über die Anschaffung der Gewinne, über die Herstellung des riesigen Gewinn-Gegenstands-Verzeichnisses (4 Exemplare à 22 Foliobände, zusammen 88 Foliobände), über den sinnreichen Ziehungs-Modus, über die Anfertigung einer durchaus vollständigen Gewinn-Liste, welche nur 17 Quartbogen à 8 Seiten enthielt, über die Veranstaltung einer Ausstellung der Gewinne, sowie über Weiteres, die bekannte bereits in sechster Auflage erschienene Schrift „Die Schillerlotterie, von Alexander Ziegler“ (Dresden, K. Höckner, 1862. Preis ⅓ Thlr.) vollständigen Aufschluß giebt, so wird es genügen, hier auf dieselbe zu verweisen.

Als die Ausstellung am 1. October 1860 geschlossen war, hatten bereits 660,000 Loose Abnahme gefunden, und es mußte, sollte das Unternehmen dem Hauptvereine nicht über den Kopf wachsen und die Ziehung selbst nicht weit über die festgesetzte Zeit hinaus verschoben werden, der Betheiligung eine Grenze gezogen werden. Man mußte deshalb nicht weniger als 135,000 bereits eingesandte Thaler zurückschicken. Wie richtig hatte doch Major Serre die Verhältnisse beurtheilt, wie praktisch dasjenige reale Mittel herausgefunden, welches der Verwirklichung des Ideals am schnellsten und sichersten entgegenführen konnte! Die Ziegler’sche Schrift hat schon in sehr interessanter Vergleichung gezeigt, welch’ riesenhafte Dimensionen diese Sachen-Lotterie angenommen hatte, und es sei hier noch beispielsweise erwähnt, daß die abgesetzten 660,000 Loose aufeinandergelegt nahezu die Höhe der Pyramiden oder sicher die Höhe des Kreuzthurmes in Dresden erreichen und neben einander gefügt einen Weg wie etwa von Dresden nach Leipzig bedecken würden. Das Gewicht der 660,000 Loose beträgt 4 Centner 83 Pfund. Die Anzahl der an das Bureau eingegangenen und beantworteten Briefe mag sich annähernd auf 60–70,000 belaufen. Außer nach Sachsen, Preußen (232,000), Baiern (20,500), Württemberg (26,100), den freien Städten (18,400), Hannover (16,400) u. s. w. sind auch Loose nach Ungarn, Galizien, Polen, Griechenland, Rußland, der Türkei, Aegypten, Amerika u. s. w. abgesetzt worden.

Der vom Publicum vielfach und dringlich unterstützte Wunsch, den festgesetzten Ziehungstermin einzuhalten, dann aber auch der Umstand, daß trotz des ausgesetzten Preises von 200 Ducaten, der sogar noch bedeutend erhöht werden sollte, ein der Tendenz entsprechendes „Volksbuch“ oder ein „Roman“ nicht erlangt werden konnte, waren mit Veranlassung, daß eine größere Anzahl von literarischen und Kunstgegenständen angefertigt werden mußte, welche als sogen. Nietengewinne, gegenüber den andern „Sachgewinnen“, nicht allseitigen Beifall fanden. Sie waren aber sämmtlich unter Beirath und Zuziehung Sachverständiger entstanden und hatten mindestens einen Thaler Kaufpreiswerth. Dahin gehören insbesondere die Holzschnitte „ein immerwährender Wandkalender“ und „zwei Apotheosen“. Darauf freilich hatte man wohl gerechnet, daß die Interessenten nicht fordern würden, jeder Gewinn solle einen Thaler Verkaufswerth haben. In Anbetracht, daß der edle Zweck des Unternehmens nicht auf Gewinnsucht, sondern auf die Begeisterung des Volkes begründet worden, daß von den uneigennützigen Leitern der Lotterie über 300,000 Gewinngegenstände beschafft worden waren, die doch wenigstens 1½–2 Thaler Kaufpreiswerth haben, daß nur die rechtzeitige Herstellung von Holzstichen eben noch möglich war, wenn die allseitig gewünschte Ziehung nicht um ein halbes Jahr hinausgeschoben werden sollte, und daß jedes Loos die Chance gehabt hat, einen ansehnlichen Gewinn zu erhalten, werden bei dem Abschluß des National-Unternehmens sich diejenigen beruhigen, denen das grausam schäkernde Schicksal nicht den gewünschten Gewinn in den Schooß geworfen haben sollte.

Mancher, selbst harter Anfechtungen ungeachtet, ließ sich Major Serre in dem, was er sich einmal zur Lebensaufgabe gemacht, nicht beirren. Die Abwickelung des Geschäfts nahm ihren Fortgang, in dem verhältnißmäßig kurzen Zeitraume von sechs Monaten war auch das Ausgeben, die Verpackung und Versendung der Gewinne beendigt. Und nachdem der wegen zurückgebliebener, nicht abgeholter Gewinne gestellte Termin verflossen und die deshalb getroffenen Anordnungen ausgeführt waren (diese Gewinne, natürlich meist nur Nietengewinne, sollen zum Besten einer Stiftung verwendet werden), sah der Dresdner Hauptverein, sah Serre das mit festem Vertrauen auf die Begeisterung und Opferwilligkeit des deutschen Volkes begonnene Werk, wenn auch demselben nur etwa 3000 Geschenke von über einen Thaler Werth, ausschließlich der Bücher, zu Theil geworden, in einer Weise mit Erfolg gekrönt, welche seine kühnsten Erwartungen weit überstieg. Denn es blieb nach Abzug aller Unkosten dieses außerordentlichen Unternehmens für den Hauptzweck die runde Summe von nahezu einer halben Million Thaler übrig.

Wie der Major Serre, der, seiner hohen Jahre nicht achtend, den Rest seiner Tage daran setzte, um zwei nationale Stiftungen lebenskräftig und groß zu machen, und mit einer bewunderungswürdigen enthusiastischen, organisationssähigen und dabei zähen, harthörig durch alles Geschrei und die sich widersprechenden Vor- und Rathschläge hindurchschreitenden Natur unverrückt auf das Ziel losgegangen ist, so werden auch seine Mitarbeiter im Hauptvereine, insbesondere Herr Bürgermeister Dr. Hertel und Herr Hofrath Dr. Alexander Ziegler aus Ruhla, durch das erhebende Bewußtsein, etwas wahrhaft Gutes und Nationales gethan zu haben, sich hinlänglich belohnt und geschützt finden gegen alle Anfeindungen und Verdächtigungen, welche bei einem so gewagten Werke leider nicht ausbleiben konnten. Da wir die Bildnisse dieser drei eigentlichen Leiter und Factoren der Lotterie geben,[1] so durften einige kurze biographische Notizen dazu hier am Orte sein.

Major Serre, geboren in Bromberg im Jahre 1789, besuchte die Schule in Danzig, studirte die Rechtswissenschaft in Frankfurt a. O. und war drei Jahre lang Referendarius beim Oberlandsgericht in Glogau. Beim Ausbruch des Freiheitskrieges trat Serre 1812 als freiwilliger Jäger in das zweite Garde-Regiment und kämpfte die Schlacht bei Groß-Görschen mit. Später wurde er als Hauptmann dem Militär-Gouverneur von Sachsen, General v. Gaudy in Dresden, beigegeben, wo er seine jetzige hochgebildete Gattin kennen lernte, seinen Abschied als Major nahm und seit jener Zeit in Dresden geblieben ist. Es ist hinlänglich bekannt, daß Major Serre stets ein Wohlthäter der Armen, sowie fortwährend ein Gönner und Förderer der Kunst und gemeinnütziger Bestrebungen gewesen, und daß er auf seinem Belriguardo, genannt Maxen, schon manchem aufstrebenden Talent als ein Alphons der Zweite in verjüngtem Maßstabe erschienen ist. Serre ist vor Allem auch als der Begründer der Waisencolonien in und um Maxen zu bezeichnen, welche bezwecken, die Waisenkinder der Familie und dem gesunden Landleben zuzuführen und durch Verminderung der Waisenhäuser der Stadt eine große Ersparniß zuzuwenden. Wie wir aus guter Quelle vernehmen, sind bereits an 1000 dieser Waisenkinder seit etwa 25 Jahren dort untergebracht worden.

Bürgermeister Dr. Hertel, geb. 1807 zu Nemt bei Würzen, früher Sachwalter, seit 1837 Mitglied des Stadtrathes in Dresden und seit 1851 Mitglied der zweiten Kammer, hat trotz seiner vielen Geschäfte Zeit zu finden gewußt, Serre mit Rath und That, mit Liebe und Opferfreudigkeit, mit Geschäfts- und rechtskundiger Umsicht unausgesetzt zu unterstützen. Hertel, der von den sächsischen Landtagen her als Referent in Finanzangelegenheiten bekannt und ein ausgezeichneter Finanzmann ist, hat sich insbesondere um das Rechnungs- und Cassenwesen, sowie um die Anlegung und Aufbewahrung der Gelder sehr verdient gemacht.

Der längst bekannte Reisende und Reiseschriftsteller, Hofrath Dr. Alexander Ziegler, geboren am 20. Januar 1822 in Ruhla bei Eisenach, erzogen in der berühmten Salzmann’schen Erziehungsanstalt zu Schnepfenthal und gebildet auf dem Gymnasium [364] zu Eisenach und auf der Universität zu Jena, hat ebenfalls dem Major Serre als allezeit bereiter administrations- und schriftgewandter Mann treu zur Seite gestanden, insbesondere die Anlegung des oben erwähnten riesenhaften Gewinn-Gegenstands-Verzeichnisses persönlich geleitet und in Correspondenz- und Preßangelegenheiten vielfache Dienste geleistet. Ziegler ist in der literarischen Welt durch seine Reisewerke über Amerika, Spanien, den Orient, den hohen Norden etc., sowie durch seine geographischen und historischen Arbeiten, z  B. über Martin Behaim aus Nürnberg, über Pytheas von Massilien, über den Rennsteig des Thüringerwaldes etc., längst bekannt; durch die Herausgabe seiner gegenwärtig in sechster Auflage vorliegenden Schrift über die Schillerlotterie und eine andere über die Erforschungs-Expeditionen nach Inner-Afrika, deren ganzer Reinertrag von ihm für die letztgenannten deutschen Expeditionen bestimmt ist, hat er sich auch als tüchtiger Historiograph bewährt, der mit Wahrheitsliebe, Ruhe, Sachkenntniß und Hingebung, sowie mit einer wohlthuenden, echt deutsch nationalen Gesinnung über diese deutschen Unternehmungen, Berichte ausgearbeitet, welche hinfort der Geschichte angehören.

Major Serre.

Was nun die künftige Verwaltung der ohne jegliche Mitwirkung der Schillerstiftungen gewonnenen großen Capitalien betrifft, so ist dieser wichtige Punkt schon seit langer Zeit von Seiten des Hauptvereins der reiflichsten Ueberlegung unterworfen worden. Seltsamer Weise – aber an eine bekannte Fabel erinnernd – hat die in Nr. 17 dieser Blätter enthaltene kurze und keineswegs officielle Notizüber die mutmaßliche Verwendung der Erträgnisse der Schillerlotterie den Verwaltungsrath der deutschen Schillerstiftung zu einer öffentlichen entschiedenen Wahrung seiner und zu einer nicht minder entschiedenen Bekämpfung fremder Rechte veranlaßt. Major Serre stellte dem mit richtigem Takte die kurze Bitte entgegen, doch erst ruhig die Abwickelung der Schlußrechnung und das, was sich etwa mit Vorlage derselben weiter finden werde, abzuwarten. Aus den jetzt veröffentlichten Vorlagen geht allerdings klar hervor, daß die Befürchtungen des Verwaltungsrathes ungegründet waren.

Es kann wohl nicht bezweifelt werden, daß die Leiter der Schillerlotterie die Einnahme der letzteren auch vorzugsweise zu Gunsten ihres Gründungszweckes, also der Schiller- und Tiedgestiftung, verwenden werden. Dafür bürgt ihre allbekannte Uneigennützigkeit, Parteilosigkeit und Gewissenhaftigkeit, ebenso wie das vollständige Bewußtsein der hohen Verantwortlichkeit, welche ihnen das außerordentliche allgemeine Vertrauen auferlegt hat. Eben darum wird man denselben nicht verdenken, man wird es vielmehr für heilige Pflicht der Gründer und Leiter der Lotterie halten, wenn sie Anträge stellen, um einem Vermögen volle Sicherheit zu verschaffen, welches durch ihre ununterbrochene jahrelange Arbeit mit Hintansetzung aller Privatinteressen unter vielen Kämpfen und Hindernissen und ohne des Verwaltungsrathes Hinzuthun gesammelt worden ist.

Durch dieses neue Capital steigt das Vermögen der ganzen Schillerstiftung von 70,000 auf mindestens 370,000 Thaler. Der Verwaltungsrath ist nach den Satzungen lediglich das Organ der Zweigstiftungen, deren Händen allein das Stiftungsvermögen und deren Verwaltung überlassen bleibt, und er ist folgerecht weder zur Erwerbung noch zu Verwaltung von Capital-Vermögen ermächtigt. Man bedenke ferner, daß der Verwaltungsrath kein bleibendes Domicil, sondern einen alle fünf Jahre wechselnden Vorort hat, daß die deutsche Schillerstiftung selbst aber in manchen Staaten, z. B. in Preußen, noch nicht als juristische Person anerkannt ist, mithin keinen Gerichtsstand besitzt, keine Processe führen, keine Legate einziehen kann. Man bedenke, daß weder eine deutsche Schillerstiftung, noch ein formeller Verband der verschiedenen Stiftungen noch ein Verwaltungsrath bestand (welcher letztere erst im October 1859 seine Begründung fand), als der Dresdner Hauptverein bereits in voller Thätigkeit war; daß auf den Loosen von einer deutschen Schillerstiftung daher keine Rede sein konnte, daß demnach auch das Anrecht des Ersteren auf das Gesammtergebniß des von Letzterem selbstständig unternommenen und ausgeführten Werkes ein über allen Zweifel erhabenes nicht sein dürdte, während nicht bestritten werden mag, daß der deutschen Schillerstiftung zwei Drittel der jährlichen Nutzungen statutenmäßig zukommen. Dagegen ist ebenso statutarisch die Verwendung des dritten Dritttheiles der Jahreseinnahmen, sowie die Verwaltung und Vermehrung der von den Zweigvereinen angesammelten Capitalien letzteren selbst vorbehalten.

Um allen hier angedeuteten Bedenken uns Anstanden zu begegnen, hat der Hauptverein der Schillerlotterie auf Grund der Satzungen beschlossen, sich als eine Zweigschillerstiftung zu constituiren und zu gleicher Zeit der hier bestehenden Dresdner Zweigstiftung, mit welcher das Lotterieunternehmen durchzuführen gleich Anfangs beabsichtigt wurde, eine Vereinigung angetragen, um in gemeinsamer Wirksamkeit mit vergrößerten Mitteln die edlen Aufgaben der Stiftung erfolgreicher zu erfüllen. Der Vorstand derselben hat dazu seine Zustimmung bereits ausgesprochen, und nach Erfolg einiger deshalb nöthigen Statuten-Aenderungen wird daher auch künftig wieder nur eine Zweigstiftung in Dresden bestehen. Im Uebrigen wird das der Zweigstiftung zukommende eine Drittheil unter Fernhaltung jeder particularistischen Rücksicht, wie sich nach Maßgabe der Satzungen §. 1 von selbst versteht, zu Unterstützungen verwendet werden.

Auf diese Weise glaubt der Hauptverein der Schillerlotterie nach bestem Gewissen seiner Pflicht zu genügen. Der gewonnene Reinertrag von 454,740 Thaler wird daher, mit einstweiliger Innebehaltung von 4,740 Thaler zur Deckung späterer Ausgaben, laut §. 10 des Lotterieplanes zu zwei Drittel, d. h. 300,000 Thlr. der Schillerstiftung und zu ein Drittel, d. h. 150,000 Thlr. der Tiedgestiftung übereignet werden und zwar der Art, daß obige 300,000 Thaler als neuer Zweigstiftungsfond in die deutsche Schillerstiftung eintreten, indem der Hauptverein in Gemäßheit der Satzungen der deutschen Schillerstiftung als Zweig-Schillerstiftung vorbehältlich zweier Anträge sich anschließt.

Ist mit gutem Grunde wohl vorauszusetzen – heißt es in den vorliegenden Mittheilungen des Hauptvereins an den Verwaltungsrath – daß die Zahl derer, deren Unterstützung die Aufgabe der Schillerstiftung ist, weder jetzt noch in naher Zukunft so groß [365] sein könne, daß der bedeutende Betrag der disponiblen Jahreseinnahmen (14,800 Thaler) dazu vollständig in Anspruch genommen werde, so wird erlaubt sein, unter diesen günstigen Verhältnissen den schon anderwärts aufgetauchten Gedanken auszusprechen, daß ein Theil des durch die Lotterie eingetretenen Vermögenszuwachses zurückgelegt und damit ein Fonds zu künftiger Errichtung eines zweiten großen nationalen Instituts zu Förderung deutscher Literatur und deutscher Sprache gegründet werde, welcher die Auszeichnung und Belohnung der in diesen Wissenschaften sich hervorthuenden Männer zum Zweck haben solle. Demzufolge geht der Antrag des Hauptvereins dahin:

Dr. Hertel.

Die deutsche Schillerstiftung wolle ihr Einverständniß damit erklären, daß zu Gründung einer nach Schiller’s Namen zu benennenden Akademie für deutsche Literatur und Sprache von dem durch die Lotterie der Schillerstiftung zugeführten Ertragsantheile ein Capital von 100,000 Thaler zurückgelegt und dasselbe durch Zinsenzuwachs, ingleichen durch Hinzuschlagung der bei dem Verwaltungsrathe und der Schillerlotterie-Stiftung alljährlich etwa übrig bleibenden Nutzungsüberschüsse, sowie durch Vereinbarung mit der Tiedgestiftung hinsichtlich des von ihr offerirten Jahresbeitrags und sonst in zweckdienlicher Weise bis zu Erreichung des Betrags von 300,000 Thaler vermehrt werde.

Den zweiten Antrag stellen die Leiter der Schillerlotterie, wie den ersten, in wohlgemeintester Absicht, weil sie glauben, daß die deutsche Nation, welche durch zahlreiche Betheiligung an dem Lotterie-Unternehmen bei Erwerbung des großen Vermögenszuwachses für die Schillerstiftung mitgewirkt, in der That auch einen begründeten Anspruch darauf besitzt, von der Verwendung fortdauernd specielle Kenntniß zu erlangen. Dieser Antrag formulirt sich dahin:

Es möge entweder §. 10 der Satzungen in Wegfall gebracht und dafür eine die Veröffentlichung der Unterstützungsempfänger als Regel aufstellende Festsetzung substituirt, oder mindestens zu §. 10 der Zusatz beigefügt werden: „die Namen derer, welche von den Zinsen des durch die Allgemeine deutsche National-Lotterie erworbenen Stiftungsvermögens Unterstützungen empfangen haben, sind in den Jahresberichten zur Veröffentlichung zu bringen, dafern nicht in einzelnen Fällen und aus überwiegenden und dringenden Gründen die Nichtveröffentlichung ausnahmsweise als nothwendig erkannt und beschlossen wird.“

Wir glauben diese referirten Beschlüsse und Anträge des Hauptvereins, welche letztere dem Verwaltungsrathe mit dem Gesuche eingereicht worden sind, sie der bevorstehenden Generalversammlung der Schillerstiftung zur Beschlußfassung vorzulegen, mit wahrhafter Freude begrüßen zu müssen und sind überzeugt, daß nicht leicht geeignetere und zweckmäßigere an deren Statt gemacht werden konnten. Die Begründung einer lebensfrischen thatkräftigen Akademie halten wir für einen wahrhaft nationalen Gedanken und müssen uns auch für die Veröffentlichung der Unterstützungsempfänger als Regel aussprechen, weil es eine Ehre sein soll, von der deutschen Schillerstiftung unterstützt zu werden, und weil auch so eine zweckmäßige Controle herbeigeführt und dem Coteriewesen vorgebeugt werden kann. Die Verschweigung des Namens der Empfänger von Beihülfen – Gaben – erinnert zu sehr an das Verhältniß verschämter Armen zum öffentlichen Almosen. Und doch soll die den Schriftstellern gewährte Gabe nicht ein Bettelpfennig, sondern eine zeitweilige Unterstützung und zugleich ein Zeichen der Erkenntlichkeit, der dankbaren Anerkennung sein.

Wir glauben, daß es, wie dem Gründer und den Leitern der deutschen Schillerlotterie, so denen der deutschen Schillerstiftung heiliger Ernst ist, etwas Großes und Nationales zu schaffen, sowie „innerhalb und außerhalb derselben den unverbrüchlichen Gottesfrieden aufrecht zu erhalten, welcher allein einer pia causa, einem Werke reiner Humanität geziemt.“ Wir geben uns diesem frohen Glauben um so zuversichtlicher hin, als durch die gewaltigen in ihrer Art einzigen Erfolge der Schillerlotterie, sowie durch Annahme und getreuliche Ausführung des obgenannten Antrags der Zeitpunkt weit näher gerückt ist, „wo die Sonne des 10. November unter den vollendeten Pantheen und Capitolien deutscher Nation auch ihr Prytaneion, die Schillerstiftung und Schillerakademie, fertig und fest beleuchten wird!“

Wenn irgend etwas großartig Gutes, patriotisch Förderndes in unserer Zeit des wachgerufenen und werkthätig gewordenen Gemeinsinnes geschehen ist, die Schöpfung der Schillerlotterie darf sich ihm getrost zur Seite stellen. Sie macht dem Talent, dem Genius die Bahn frei von allen fesselnden und bedrückenden Hemmnissen des Alltagslebens, und dafür wird sie zu aller Zeit mit Erhebung und Dank gepriesen werden. Wie dem wackern, 74jährigen Major Serre, so wird auch seinen opferfreudigen Mitarbeitern im Hauptverein das deutsche Volk im Namen aller Derer, welche dereinst oder bald die Segnungen dieser Stiftungen genießen werden, den aufrichtigsten Dank und die vollste Anerkennung zollen, welche solcher uneigennützigen Hingabe an ein wahrhaft nationales Unternehmen gebührt. Nicht minder gebühren Dank und Anerkennung dem edlen Großherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach, der als Protector und liberaler Schenkgeber an die Spitze der Unternehmung trat, ebenso der königl. sächs. Staatsregierung, vor Allem dem Ministerpräsident Freihern von Beust, sowie dem Chef des Finanzministeriums, Freiherrn von Friesen, und dem des Cultusministeriums, Freiherrn von Falkenstein, endlich allen Denen, welche durch Portofreiheit und sonstige Erleichterung der Schillerlotterie Vorschub leisteten. Allen Dank, herzlichen Dank; denn

„Was für Andre man gethan,
Bleibt doch immer wohlgethan.“


  1. Ziegler’s Portrait wird später erscheinen.