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Eine Krokodiljagd

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Walther Kabel
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Titel: Eine Krokodiljagd
Untertitel:
aus: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1915, Sechster Band, Seite 234–235
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1915
Verlag: Union Deutsche Verlagsgesellschaft
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Erscheinungsort: Stuttgart, Berlin, Leipzig
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Quelle: Commons
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[234] Eine Krokodiljagd. – Ein Reisender lebte in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts längere Zeit auf den Philippinen mitten im Urwalde am Ufer eines Flusses, um dort seiner Leidenschaft als Sammler und Jäger nachzugehen.

Eines Tages saß der Gelehrte friedlich auf der Veranda seines Bambushauses, mit dem Ausstopfen von Vogelbälgen beschäftigt, als atemlos ein Eingeborener herbeistürzte und berichtete, daß soeben ein riesiges Krokodil ein Mädchen, das am Flusse gewaschen hatte, ergriffen und als willkommene Beute davongeschleppt habe. Mit einem Griff erfaßt der Forscher die treue Kugelbüchse, im Laufen wird die Waffe geladen, das stets bereite Boot stößt vom Ufer, und mit scharfem Blick späht der erfahrene Jäger über die vom Blut des armen Opfers noch gerötete Wasserfläche, um wenigstens Rache zu nehmen, da Rettung unmöglich ist.

Auf einer Sandbank, halb versteckt unter Lianen, liegt in [235] träger Ruhe der baumstammähnliche Körper des Räubers, der die reichliche Mahlzeit offenbar in Behaglichkeit zu verdauen wünscht. Da fliegt die Büchse an die Wange, und donnernd entfährt der feurige Strahl dem todbringenden Rohre. Wie der Blitz ist das Krokodil im Wasser. Das Weichbleigeschoß hat es wohl in seiner Ruhe gestört, aber den Panzer nicht zu durchschlagen vermocht. Fünf-, sechsmal bringt der Jäger seine Kugeln an, ohne irgendwelche nennenswerten Erfolge zu erzielen. Die Jagd wird abgebrochen, aber die Rache nicht aufgegeben.

Wenige Tage später werden zwei starke Fischernetze herbeigeschafft, und es wird eine ganze Strecke des Flusses mit ihnen abgesperrt, wobei die Eingeborenen mutig beim Hinabtauchen auf den Grund ihr Leben in die Schanze schlagen, um die Ausführung des Racheplanes zu ermöglichen. Nun kann das Krokodil nicht mehr entrinnen. Eine Ziege wird als Köder geschlachtet, ihr Leib mit einer starken, in einer Flasche befindlichen Pulverladung gefüllt und das Pulver mit einem Leitungsdraht in Verbindung gebracht, der bis zum Ufer reicht, wo der Forscher mit einer elektrischen Batterie bereitsteht, um das Zerstörungswerk zu vollenden. Nun wird der Köder vorsichtig ins Wasser gelassen. Es vergeht Stunde um Stunde, bis das misstrauische Ungeheuer sich sehen läßt. Da endlich erblicken die auf der Lauer liegenden Rächer dicht unter der Wasseroberfläche den langgestreckten Leib der Bestie. Vorsichtig nähert sie sich der neuen Beute. Mit verhaltenem Atem erwarten die Jäger den Erfolg ihrer List. Ein heftiger Ruck an dem Leitungsdraht, ein wildes Dahinschießen, und dann ist alles ruhig. Aber nun ist der Forscher sicher. Hat er doch das Ende des Leitungsdrahtes in seiner Hand, und wohlgeborgen liegt die Pulverladung im Bauche des Untieres. Vorsichtig werden die Pole der beiden Drähte zusammengebracht. Ein Augenblick atemloser Spannung. Plötzlich erhebt sich aus dem Wasser mit dumpfem Knall eine grauschwarze Wolke, die nach ihrem Zerplatzen die Oberfläche des Wassers mit einem eklen Gemisch von Haut- und Fleischfetzen bedeckt.

W. K.