Einsegnungsunterricht 1892/6. Stunde
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Ewiges und unvergängliches Licht, JEsu Christe, der Du willst auch unsere von Natur finsteren Herzen durch Deine Gnade erleuchten und uns in Deinem Lichte wandeln heißest: Wir bitten Dich, laß endlich uns Dein Antlitz leuchten, auf daß wir genesen, und vertreibe alle Finsternis und alle Dunkelheit, damit wir in Deinem Lichte alles licht sehen mögen. Amen.
„Jetzt haben sie erkannt, daß alles, was Du Mir gegeben hast, von Dir herrühre.“ Indem die Jünger das Wort bewahret haben, haben sie erkannt, daß dies Wort ein einfaches GOtteswort ist und in seinen letzten Tiefen von Ihm stammt.
„Jetzt haben sie erkannt, daß alles ist von Dir,“ damit weist unser HErr wieder alles Verdienst auf die ewige Gnade. Er weist sie zurück auf den ewigen Ursprung, indem Er als der ideale Mensch, als der zweite Adam, ausdrücklich darauf hinweist, daß, was Ihm an Gnadenmacht beschieden, alles von dem Vater der Geister stammt. Das ist das Ziel Seines Lebens bis auf diese Stunde gewesen, daß Er nicht aus eigener Willkür redet, sondern aus der Gabe GOttes. „So jemand will des Willen thun, der wird inne werden, ob diese Lehre von GOtt sei, oder ob Ich von Mir Selber rede.“ Seine Jünger haben den Willen Seines Vaters gethan, indem| sie das Wort bewahrten. Sie haben geglaubt, daß es von GOtt herrühre und von Ihm allein. V. 8.„Die Worte, die Du mir gegeben hast ff.“ Was heißt hier: „Die Worte, die Du mir gabst?“ Matth. 11, 28.
Die Worte, über deren Offenbarung Er Seinen himmlischen Vater preist: „Kommet her zu Mir, Mühselige und Beladene, auf daß ich euch von euerer Mühsal und Arbeit befreie.“ Diese Worte, welche den Gehalt Seines Lebens ausmachen, hat Er gegeben Seinem Sohne, daß Er sie einer totmüden, im vergeblichen Kampfe ermatteten Welt, einer am Rande der Verzweiflung irrenden Welt zuspreche. „Kehre wieder, du abtrünnige Israel, so will Ich Mich Deiner erbarmen “ ER hat sie ihnen gegeben in der ganzen unversehrten Frische, wie Er sie von Seinem Vater empfangen hat, in der ganzen Reinheit, Klarheit und ursprünglichen Fülle. Er hat sie in die Welt gelegt bis auf diese Stunde. Da haben sie dies Wort angenommen freudig, aufgenommen wie das lechzende Erdreich den Tau aufnimmt, an sich und in sich hineinzieht. So hat die Menschheit, die Erwählte, diese Worte ewiger Ruhe und bleibenden Friedens in sich aufgenommen, und da haben sie erkannt, daß Er wahrhaftig von Ihm ausgegangen ist, daß dies uralte Wort, daß noch ein Friede kommen wird den Seinen, Gestalt gewonnen hat. Klänge, die zu hören die Menschheit sehnlichst verlangte, die weiland die Propheten andeuteten: „Tröstet, Tröstet Mein Volk ff.“, die Klänge haben in JEsu Christo Gestalt gewonnen, sich versinnlicht. In Kraft dieser Worte haben sie erkannt, daß Er von dem ewigen Friedenskönig ausgegangen sei, und nun haben sie geglaubt. Hier ist eine Stufenleiter: Ich gab sie ihnen, sie nahmen sie, zunächst instinktiv, wie ein Ertrinkender nach dem Tau sich ausstreckt, sie haben es dann erkannt, durch Intuition, in ihrer Erfahrung. Nun kommt die letzte Stufe des Christenlebens: sie sind zu Seinen Füßen niedergesunken: „Mein HErr und mein GOtt, wohin sollen wir gehen, Du hast Worte ewigen Friedens.“ So haben sie Seine Worte in ihr Glaubensleben mithineingenommen, daß sie sagen: „Du bist unser Leben, Du hast Worte des ewigen Lebens.“ „Sie haben geglaubet, daß Ich von| Dir ausgegangen, daß Du Mich gesandt hast.“ Wenn man hier nicht den Begriff Glauben lernt, so lernt man ihn überhaupt nicht mehr. Hier ist die ganze Skala aufgezeichnet, die zum Glauben führt: Ein freundliches, mehr passives Hinnehmen, dann ein innerer Erkenntnis- und Willensprozeß, der ausmündet in der felsenfesten Treue, die wir Ihm, dem Treuen, bewahren, die sagt: „Und wenn alles mir zuwider wäre, so will ich doch Dir vertrauen.“ „Und wenn, die ganze Welt spräch’ nein, Dein Wort muß doch gewisser sein.“ „Ihr seid Meine Freunde, so ihr thut, was Ich euch gebiete.“ Das ist das Geheimnis alles unseres Glaubens. Wie es gestern hieß: „Die Hauptsache ist, daß Christus ist,“ so jetzt wieder: „Es ist die Hauptsache unseres Glaubenslebens, daß wir uns mit Ihm eins wissen, mit Ihm fest vereinigt fühlen. So ist der Glaube schließlich völlige Inanspruchnahme sämtlicher Funktionen, geistiger, willentlicher und geistlicher (Kahnis). Wann kommt der Unglaube? Sobald eine jener Funktionen nicht genügend beschäftigt ist. Geist, Seele und Leib müssen hineingezogen werden ins Glaubensleben. „Euer Geist ganz, samt Seele und Leib“ müsse bewahrt werden im Glauben. Es giebt Leute, die im Herzen ferne von Christo sind, und die mit dem Verstande doch Christen sind. Es giebt Leute, die im Herzen Christen sind und doch keine rechten Christen, denn was hilft mich alles geistliche Leben, wenn mein Wille sich nicht beugt? Sehen Sie ins praktische Leben hinein: Petrus, da er verleugnete, war ganz gewiß mit dem Herzen bei Christo; aber der Wille war zu feig. Das Herz war ganz gewiß noch bei Ihm, sonst hätte ihn der HErr nicht wieder angenommen. Judas ist gewiß mit dem Verstande anerkennend zum HErrn gestanden, aber das Herz und der Wille war wider Christum, und er ist gefallen. „Wachet, stehet fest im Glauben, seid männlich und seid stark.“ Männlich sein, stark sein, innigen Gemütes sein, das ist Glaubensding. Wir hangen an Ihm, wir singen: „Herzlich lieb hab ich Dich, o HErr,“ – warum fahren wir weiter: „Ich bitt, wollst sein von mir nicht fern?“ Weil wir sehr wohl wissen, daß der HErr Christus einen energischen Glauben von uns verlangt. Das ist der| Glaube, der unsern Willen stählt, indem Er ihn bricht: „Ich vermag alles in dem mich bevollmächtigenden Christus.“ Das ist die Gefahr, die speziell Ihren Christenglauben bedrohen kann, daß man in eine gewisse Weichheit der Affekte verfällt, in eine Weichheit, welche in Thränen ausbricht angesichts des Leidens unseres HErrn (und das ist wohlgethan, ich schäme mich der Thränen nicht); aber es giebt eine Weichheit, welche die Gefahr der Verweichlichung sehr heraufbeschwört. Das Gemütsleben, wenn es nicht vom Willen temperiert wird, lebt sich nie gesund aus. Wir sterben dahin an einem Uebermaß der Gefühle (Hypertrophie) und das ist vom Uebel. Bei all den Gefühlen, die man JEsu zu Füßen legte, drang Er immer darauf, daß man handelte. Daran soll man die Wahrheit unserer Gefühle, die Keuschheit unserer Liebe zu Ihm bemessen, daß sie unsern Willen festigen. In den Zeiten der Kirchengeschichte, da das Gefühl im Christentum vorherrschte, verlor sich das Christentum. Andererseits, wenn nur der Verstand in Anspruch genommen wird, giebt es ein starres, totes Christentum. Man kann keins vom andern trennen. Wenn ich wirklich meinem HErrn und Heiland nachfolge, Ihn von ganzem Herzen liebe, dann giebt Er mir auch die Kraft, meinen Willen zu brechen, der Sünde ein für allemal Widerstand zu leisten.„JEsu, ob ich gleich in mir
Nichts als Unvermögen finde,
So macht doch die Kraft aus Dir,
Daß ich alles überwinde.
Stärke meinen schwachen Mut,
Hilf mir in dem ernsten Ringen,
Laß mir durch Dein teures Blut
Meinen schweren Kampf gelingen.“
Unser HErr Christus aber spricht auf solche Bitte immer ein gnädiges Ja und Amen. ER spricht darauf: „Ich habe gesiegt, weine nicht, siehe, es hat auch die letzte Uneinigkeit überwunden der Löwe aus dem Stamme Juda.“
| O HErr JEsu Christe, treuester Heiland und ewiger Erbarmer, der Du teuer die Einheit der Deinen erkauft hast, und ihnen als letztes Vermächtnis beim Scheiden Dein einigendes Wort gegeben, wir bitten Dich, siehe an erbarmenden Auges unsere Schwäche, Sünde und Schuld, und verleihe, daß nichts, was nicht aus Dir ist, in uns Wurzel finde, verleihe vielmehr, daß Deine einigende und vereinigende Kraft alles, alles überwinde und uns endlich zu unserem ewigen Erbarmer führe, damit wir Eines Mundes Dich anbeten, loben und preisen dürfen um Deiner ewigen Liebe willen.Das ist je gewißlich wahr und ein teuer wertes Wort, daß Christus JEsus kommen ist in die Welt, die Sünder selig zu machen.
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