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Erinnerungen an Teplitz

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Textdaten
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Autor: Walter Schwarz i.e. Wanda von Dallwitz
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Titel: Erinnerungen an Teplitz
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 19, S. 314–316
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1878
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[314]
Erinnerungen an Teplitz.
Von Walter Schwarz.

Es giebt kein langweiligeres Genre in der Literatur als die üblichen Badeberichte aus Karlsbad oder Homburg, keine fatalere Lectüre als vornehme Plaudereien aus Wiesbaden oder Baden-Baden. Was ich hier dem Leser biete, sollen nur schlichte anspruchslose Erinnerungen nicht an Teplitz, das Bad, sein, wohl aber an Teplitz, das historisch wie malerisch so interessante Städtchen an der Tepel. Eine liebliche Natur, blaue Berge, dunkle Waldungen rahmen es freundlich ein. Auf dem halb poetisch, halb historisch gefärbten Hintergrunde der prächtigen Schlösser, Kirchen und Klöster in seiner Umgebung tauchen Namen und Erinnerungen auf, die unseren Antheil wecken. Und nicht immer waren es nur Kranke, die sich hierher wendeten. Auch Teplitz hat seine große Zeit gehabt als Sammelplatz der auserlesensten Gesellschaft, damals, als Rahel und Varnhagen, der geistreiche Prinz von Ligne, Prinz Bentheim, der ritterliche Cavalier, die schöne Schauspielerin Auguste Brede und viele andere, in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts oft genannte Persönlichkeiten hier ihre Sommerfrische suchten. In ihren Korrespondenzen lesen wir, wie bunt und anregend sich damals in Teplitz Alles zusammenfand: Preußens, Oesterreichs und Rußlands Größen; in wie heiterer Gemeinschaft man oben in dem großen Hôtel am Schloßplatze speiste, das noch heute den Namen des Prinzen von Ligne trägt. Nach ihm nennt sich auch das Lusthäuschen mit bunten Glasfenstern, welches sich auf spitzem Steinkegel zwischen Teplitz und Schönau erhebt und eine reizende Aussicht gewährt: dicht unten zu Füßen die dampfenden Straßen der Stadt, die sich in drei Schlangenlinien eng zwischen den steilen Felswänden hinziehen, hie und da von einer dunklen Tannenkuppe überragt, weiter hin die zarte, in blauem Duft schwimmende Ferne.

Rahel war sehr oft in Teplitz. Sie liebte den Ort, traf daselbst ihre österreichischen Freunde und Varnhagen, der 1811 als Officier beim Oberst Bentheim in Prag und Komotau stand; sie suchte auch nach den Kriegsjahren in den Teplitzer Heilquellen Stärkung ihrer tieferschütterten Gesundheit. Noch ehe sie geistreich und anregend mit all den Beziehungen, die sie überall fand, und die ihr überall folgten, den Schauplatz dort belebte, traf ihren Freund, den Prinzen Louis Ferdinand von Preußen, in Teplitz eines der tragischen Abenteuer seiner stürmischen Laufbahn. Auf einem Balle im Cursaal veruneinigte er sich wegen einer der schönen Tänzerinnen mit dem Chevalier de Saxe. Es kam zur Forderung. Das Rendezvous wurde für den nächsten Morgen unter zwei Linden im Walde, die noch heute stehen, dicht hinter Osseg verabredet. Man wählte diese Richtung, weil dort die leicht zu erreichende sächsische Grenze dem Ueberlebenden die günstige Gelegenheit zur Flucht bot. Der Prinz tödtete seinen Gegner, richtete aber, ehe er von dannen eilte, an den Sterbenden die Bitte: „Chevalier, können Sie mir verzeihen?“ – Jener reichte ihm die Hand und entgegnete: „Ich verzeihe Ihnen, wie Gott mir verzeihen möge.“ Der Chevalier de Saxe wurde, da er ohne Absolution gestorben, nur in Folge besonderer Vergünstigung auf dem Kirchhofe von Osseg beerdigt, aber im äußersten Winkel desselben, hart an der Mauer, die der spitzige Ueberbau eines kleinen Denkmals, das man ihm errichtet, etwas überragt, wodurch die Grabstätte leicht kenntlich wird.

Osseg ist ein altes Cisterzienserkloster von großartiger Anlage mit hohen, hallenden Gängen und einem geräumigen Refectorium, das über Blumenterrassen in die blühendste Landschaft hineinblickt. Zwischen den Terrassen, die von schwerem Steingeländer eingefaßt sind, thun sich spiegelglatte Bassins auf. Man sieht die für die Abttafel bestimmten fetten Fische lustig darin springen. Die dichten Buchenhecken im Garten sind nach altfranzösischem Geschmack verschnitten. Sandsteingruppen bergen sich in ihrem Schatten. Kühl plätschert das Wasser der von Terrasse zu Terrasse ablaufenden Fischbehälter, und hinter den Klosterthürmen steigen die tannendunklen Berge groß und ernst empor. Alles hier ist vornehm, feierlich, auch die Kirche ungewöhnlich prachtvoll und elegant gehalten. Ein kunstvoll gearbeitetes Messinggitter, das sie der Quere nach durchschneidet, gleicht dem feinsten Filigran. Von der mittleren Deckenwölbung herab drapirt sich ein Vorhang, welchen schwebende Engel zusammenraffen und emporheben. Seine Falten fallen so leicht und lose wie duftiger Stoff, und doch ist das Ganze eine Sculptur aus blassem Marmor.

Dicht hinter Osseg steigt prachtvolle Waldung am Berge empor. Ein brausendes Gewässer rauscht im tiefen Grunde über die Wurzeln der Edeltannen, zwischen bemoosten Steinblöcken hin. Wenn man eine Stunde ungefähr gestiegen ist, wird, eng zwischen die Waldberge eingeklemmt, der uralte Bau der Riesenburg sichtbar. Die Ruine ist ebenso malerisch wie interessant, köstlich der Blick hinunter auf Osseg, das sich mit seinen weißen Mauern und rothen Dächern, scheinbar klein, wie Kinderspielzeug, zwischen zwei hohen Berglehnen aufbaut, vom duftblauen, vierkantigen Biliner Felsen überragt. Auf der Riesenburg erblickte der heilige Adalbert, Bischof von Prag und Apostel von Preußen, im zehnten Jahrhundert das Licht der Welt.

Eine andere Ortschaft in der Umgegend von Teplitz, die interessant zu besuchen, ist das Gebirgsstädtchen Graupen. Es liegt in entgegengesetzter Richtung von Osseg, am Südabhange des Erzgebirges, und besteht aus einer einzigen langen Straße, die eng und steil in die Höhe klimmt. Ihre unregelmäßigen, dicht an einander gerückten Giebelhäuser entzücken jedes Malerauge. In der Kirche, die mit hohem Schindeldache und kurz aufgedrücktem Holzthürmchen an der Bergwand zu kleben scheint, befindet sich eine alte, umfangreiche Schnitzarbeit von unbekannter Hand, die mit Recht für sehr merkwürdig gilt. – „Die Gruppe befindet sich dem Eingange gegenüber und zählt wohl zwanzig Figuren in Lebensgröße,“ hatte man mir gesagt. Das war also nicht zu übersehen. Ich kam an einem Sonntage zur Abendandacht nach Graupen. Die Kirche war von Menschen [315] erfüllt. Doch fand ich noch ein Sitzplätzchen, und unter Gesang und Messelesen hoffte ich das Kunstwerk um so ruhiger betrachten zu können. Aber ich konnte es nicht entdecken; Kopf an Kopf umgab mich die Menge, unten im Schiff, oben auf dem Chore. Instrumentalmusik wechselte mit Gesang; Weihrauch dampfte empor – aber das Schnitzwerk sah ich nicht und meinte schon, es sei von einer ganz anderen Kirche, als der in Graupen, die Rede gewesen. Nun war der Gottesdienst zu Ende. Es kam Bewegung in die Menschenmasse, die sich langsam nach der einzigen Ausgangsthür hinschob.

Da fiel mir’s auf, daß oben auf dem Chor eine Anzahl Menschen regungslos stehen blieb, und nun endlich erkannte ich die Holzfiguren, nach denen ich gesucht hatte. Es war ein überraschender, fast unheimlicher Eindruck: mitten unter den Lebenden diese todten Gestalten, die sich nicht mit fortbewegten, die schon seit Jahrhunderten so dagestanden und vielleicht noch einmal Jahrhunderte hindurch so dastehen werden. Nach alter Art ist das Schnitzwerk in den Farben des Lebens gemalt. Unter dem bunten Sonntagsstaat des Gebirgsvolkes waren mir die fremdartigeren Gewänder gar nicht aufgefallen, um so mehr als die Abendstunde und der aufsteigende Weihrauch schon leise Dämmerung durch die Kirche webte. Die Gruppe stellte Christus und Pilatus vor. Der Chor ist als Söller gedacht, von dem herab der Landpfleger zu dem unten versammelten Volke spricht, ihm sein Opfer weihend. Die Gestalt des Heilands selber ist nicht hervorragend. Kläger, Hohepriester und sonstige Betheiligte aber, die einzeln und frei herumstehend die Mittelgruppe umgeben, sind merkwürdig wahr im Ausdruck, in Stellung und Geberde so bewegt und natürlich, daß man sie wirklich, besonders wenn sich wie vorhin das Leben selber unter sie mischt, kaum von diesem unterscheiden kann. Es dauerte lange, bis der Raum sich leerte; ich hatte Zeit, die merkwürdige Arbeit genau zu betrachten, bis ich endlich als Letzter die Kirche verließ. Nur noch die Hand Eines der zornigen Kläger sah ich drohend emporgehoben, da die Thür sich langsam hinter mir schloß; dann sank die wunderbare Täuschung in Schweigen und Dunkelheit zurück.

Seume’s Grab in Teplitz.
Originalzeichnung von C. Reinhardt.

Es gäbe viel zu erzählen, wollte ich all der schönen Punkte erwähnen, die Teplitz umgeben: des stillen, waldumschlossenen Schweißjägers, mit seiner blauen Fernsicht; des Klosters Mariaschein, wo alte mit Gold und echten Perlen gestickte Meßgewänder gezeigt werden, wahre Prachtstücke nonnenhafter Kunstfertigkeit; des Milischauers mit seinen mehr romantischen als bequemen Mooslagern und der köstlichen Rundschau bis Prag einerseits, bei klarem Wetter bis zur Schneekoppe auf der anderen Seite. Nur einen Blick noch nach Dux, dem Waldstein’schen Grafenschloß, dessen edel vornehmen Bau ein herrlicher Park umgiebt. Die Gemälde-Gallerie im ersten Stock bedeutet nicht viel. Selbst das Dyk’sche Portrait des Herzogs von Friedland, in voller Rüstung, die Hand am Schwert, ist eine etwas harte, arg nachgedunkelte Arbeit. Im Erdgeschoß aber befinden sich in einer Curiositäten-Sammlung sehr schöne alte Meßbücher, die der näheren Betrachtung werth sind. Auch zeigt man dort Waffen und sonstige Andenken Wallenstein’s, darunter den blutbefleckten Halskragen, den man seinem Leichnam abgenommen. Merkwürdig besonders ist der Himmelsglobus, welcher ihm bei seinen astronomischen Operationen gedient hat, ein wunderliches, altes Ding, mit Sternbildern, Figuren und geheimnißvollen Zeichen bemalt. Und daran hat ein Menschenschicksal – ein großes, tragisches – gehangen!

Sehr interessant ist auch die Sammlung des Pfarrers Vincenz Hassak an Weißkirchlitz, einem kleinen Kirchdorfe zwischen Teplitz und Graupen. Neben allerlei Alterthümern, wunderschönen Mineralien, amerikanischen und inländischen Achaten, Labradoren und Drusen von ungewöhnlicher Schönheit hat der geistliche Herr eine beträchtliche Anzahl alter Druckschriften von hohem Werthe zusammengetragen. Eine Collection vor-lutherischer Bibelübersetzungen besonders hat schon manchen Forscher herbeigelockt. [316] Die Sammlungen des Pfarrers sind in einem einzigen Zimmer, unglaublich eng bei einander, aber mit Verständniß und künstlerischem Geschmacke aufgestellt. Ihr Besitzer, ein kindlich freundlicher alter Herr von ungewöhnlicher Lebendigkeit, zeigt sie gern und erklärt sie in liebenswürdigster Weise. Es wird kein Besucher unbefriedigt von ihm gehen.

In Teplitz selbst ist das Cabinet des Mineralienhändlers Seyffert, oben auf der Höhe der Schlackenburg, im Belvedere sehenswerth. Dort flimmert und funkelt uns der ganze kostbare Steinreichthum des böhmischen Gebirges entgegen: dunkelglühende Granaten, Quarze in buntfarbiger Krystallisation, grün und golden schimmernde Metalle, wie sie, gleichsam verzaubert, im tiefen dunklen Felsenschachte ruhen. Herr Seyffert – ein übrigens recht unterhaltend gescheiter Mann, der von seinen Bergen und Steinen, Pflanzen und Versteinerungen viel Interessantes zu erzählen weiß – besitzt eine der schönsten Mesotypdrusen, die überhaupt gefunden worden. Verschiedene Museen haben ihm bereits Beträchtliches für das Exemplar geboten, aber er kann sich von seinem Kleinod nicht trennen. Der Stein hat die Größe eines Kinderkopfes und ist von außen grau und unansehnlich. Klappt man ihn vorsichtig aus einander – die beiden Hälften schließen so genau an einander, daß zusammengefügt kaum ein feiner Riß auf der Oberfläche sichtbar bleibt – so scheint sich ein Feenreich vor uns aufzuthun. Tausend zarte kleine Krystalle, weiß wie Silber schillernd, bauen sich in den feinsten Formationen auf, und keines fehlt, kein Nädelchen, kein Spitzchen ist abgebrochen. Des alten Seyffert’s Augen leuchten, wenn er vor einem Kenner diese Schatzkammer aufschließt. Man kann in dem Cabinete stundenlang Unterhaltung und Belehrung finden, und hübsch ist es dann auch wieder hinauszutreten und von der freien Höhe dort in die blaue Landschaft zu blicken. Ueber einem frischgrünen Vordergrund steigen hier, groß gezeichnet und doch fein in der Linie, die beiden Milischauer empor. Im Sonnenscheine sieht man am Abhange des großen Milischauer zwischen dunklen Waldmassen das weiße Gemäuer von Kostenblath aufleuchten.

Nicht weit ist es von des alten Seyffert’s Höhe hinunter in den Schloßgarten, der in seiner abgeschlossenen Stille und Kühle ein Lieblingsaufenthalt des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm’s des Dritten war. Sie ist aber auch wirklich schön, die aufstrebende Kraft dieses mächtigen Baumwuchses; darunter der ruhige Wasserspiegel des großen Teiches, durch den sanfte Schwäne ziehen, während am Ufer eine breite Trauerweide die feinblätterigen Zweige bis in das Wasser hinein neigt. Zur Maienzeit besonders, wenn Faulbaum und Flieder hier in üppiger Fülle die duftigen Dolden öffnen, die Rasenplätze mit weißen, sternäugigen Anemonen übersäet sind und munterer Finkenschlag das junge Grün belebt, kann es kaum anmuthigere Wege zum Wandeln und Sinnen geben, als diese hier.

Auch er mag sie gewandelt sein vor Jahren, der unermüdliche Spaziergänger nach Syrakus, Johann Gottfried Seume[WS 1], der 1811 in Teplitz gestorben ist. Sein ganzes Leben war ein Wandern und Pilgern. Bekanntlich wurde er schon als neunzehnjähriger Student, da er von Leipzig nach Frankreich zog, von den Schergen des damaligen hessischen Tyrannen ergriffen und nach Amerika verhandelt. Auch über seinen ferneren Lebenswegen hat die Glückssonne nur spärlich geschienen; sie blieben rauh und steil bis an’s Ende. In den böhmischen Bergen endlich sollte er die ewige Ruhe finden. Man begrub ihn auf dem alten Kirchhofe, der sich auf grün bewachsenen Höhenrücken zwischen Teplitz und Schönau hinzieht. Als vor zwei Jahren diese Stätte des Todes in freundliche Promenaden umgewandelt und alle hier ruhenden Gebeine nach dem Eichwalder Kirchhofe übergeführt wurden, blieb Seume’s Grab unberührt. Inmitten der neu erschaffenen Anlagen ruht noch heute, von einer knorrigen, sich über das Grab hinbeugenden Eiche beschattet, der breite dunkle Stein, der nur den Namen „Seume“ trägt. Freunde, die bei seinem Tode anwesend, darunter Fichte und Elise von der Recke, haben ihm dem Andenken des deutschen Schriftstellers gesetzt. Albert Traeger hat diesem Dichtergrabe vor Jahren (Gartenlaube 1857) die nachfolgenden tief empfundenen Strophen gewidmet:


Ein schmucklos[WS 2] Grab: ein Stein und eine Eiche,
Ein stiller Frieden, der darüber liegt,
Gebettet unten eines Dichters Leiche,
Vom Blätterrauschen in den Schlaf gewiegt.

Ein müder Wandrer, krank und aufgerieben
Von rauhen Wegen und von bitt’rer Noth,
Zur Quelle kam er und ist dort geblieben,
Er suchte Heilung und genas – im Tod.

Daß Deinem Schlummer nicht die Ruhe fehle,
Die stets geflohen Deines Leibes Pein,
Ließ Deiner Freundin[1] zarte Dichterseele
Der Eiche Zweige schatten Deinen Stein.

Verlassen bist Du, Armer, nun nicht länger,
Die Eiche hütet treulich Deinen Traum,
Du warst es werth: es darf der deutsche Sänger
Wohl Frieden finden bei dem deutschen Baum.

Schlaf, Seume, sanft! Im Grund die Wurzeln schlingen
Sich um Dein Haupt, wie einer Mutter Arm,
Und Vöglein oben in dem Wipfel singen
Ein Lied, wie Deines, innig zart und warm.


Diesem Traeger’schen Gedichte war auch die umstehende Abbildung des Seume’schen Grabes beigefügt, deren Wiedergabe heute um so mehr am Platze sein dürfte, als inzwischen die Zahl der Gartenlauben-Leser wohl um 300,000 gewachsen ist; doppelt willkommen wird sie deswegen sein, weil, wie man hört, der moosbewachsene Stein demnächst verschwinden wird, nun – hoffen wir es! – einem würdigen Dichterdenkmale Platz zu machen.[2]

Unsere Zeit geht nicht mehr zu Fuß nach Syrakus. Einem muthigen Streben in’s Große, Weite eröffnen sich jetzt freiere Bahnen, als dem armen, hartgeprüften Seume. Eine weiße Marmortafel bezeichnet unten in Schönau ein Haus – es ist der Morgenstern – als Geburtshaus Peyer’s, des kühnen Nordpolfahrers, der vor zwei Jahren ruhmgekrönt seine Heimath wieder besuchte, um von Souveränen gefeiert, von seinem Volke mit Jubel begrüßt zu werden. Freuen wir uns, daß Fürsten jetzt selber der strebenden Forschung helfend die Hand bieten, freuen wir uns dankbar der Tage, in denen wir leben! Treue Erinnerung aber auch den Märtyrern einer andern Zeit – ein grünes Blatt, Wandrer Seume, auf Dein stilles Grab!

  1. Elise von der Recke.
  2. Neuerdings hat in Teplitz ein „Seume-Comité“ sich die Aufgabe gestellt, die Mittel zu einem Denkmal auf das Dichtergrab zu sammeln. Vielleicht macht es manchem Verehrer Seume’s Freude, hiermit zu erfahren, wohin er seine Beisteuer richten kann.
    D. Red.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Johann Gottlieb Seume
  2. Vorlage: schmuckes