Erzbischof Balduin’s von Trier italienische Einnahmen vom Jahre 1311

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Autor: Gustav Sommerfeldt
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Titel: Erzbischof Balduin’s von Trier italienische Einnahmen vom Jahre 1311
Untertitel: Ein neuerdings entdecktes Einnahmeregister
aus: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Bd. 1 (1889), S. 448–454.
Herausgeber: Ludwig Quidde
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Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Akademische Verlagsbuchhandlung J.C.B. Mohr
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Erscheinungsort: Freiburg i. Br.
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Quelle: Scans auf Commons
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[448] Erzbischof Balduin’s von Trier italienische Einnahmen vom Jahre 1311. Ein neuerdings entdecktes Einnahmeregister. Dass ein Codex des Trierer Domcapitelsarchivs (kl. 4°. chart. f. 9 B. Nr. 27 Bl. 1) ein von dem Trierer Erzbischof Balduin eigenhändig geschriebenes Verzeichniss der Einnahmen enthalte, welche diesem Erzbischof während seines Aufenthaltes in Lombardien auf dem Romzuge zuflossen, war seit Längerem bekannt. Irmer, die Romfahrt K. Heinrich’s VII. im Bildercyklus des Codex Balduini Trevirensis (Berlin 1881) p. VI. und p. 14–15, namentlich aber [449] W. Friedensburg (Westdeutsche Zeitschr. f. Gesch. u. Kunst III, 299) hatten den Codex eingesehen und auf dieses merkwürdige Stück, das daselbst die 1. u. 2. Seite von Blatt 1 füllt, hingewiesen. Die Schriftzüge seien leider arg verlöscht und die Lesung eine schwierige.

Nun hat kürzlich Franz Prowe, die Finanzverwaltung am Hofe Heinrich’s VII. während des Römerzuges (Berlin 1888) p. 94–97, dieses Schriftstück in seinem Wortlaute bekannt gemacht. Ob er den Codex selbst studirt hat oder etwa nur eine Abschrift des Stückes ihm zu Gebote stand, sagt er nicht. Die grosse Menge der Unrichtigkeiten, welche sein Text bietet, machen jedoch das letztere wahrscheinlicher. Da einige dieser Unrichtigkeiten schwerwiegender Natur sind und leicht zu falschen Auffassungen über den Gang der Ereignisse des Jahres 1311 Veranlassung geben könnten, so erscheint es geboten, das Einnahmeverzeichniss aufs neue in gereinigter Gestalt zu ediren.

Den Text, den ich im Folgenden mittheile, habe ich mit gütiger Unterstützung des Herrn Prof. Franz Rühl in Königsberg und des Herrn Geh.-Rath Prof. Wilhelm Wattenbach in Berlin vor länger als Jahresfrist festgestellt auf Grund einer mir durch Herrn Generalvikar, Domcapitular Dr. Henke zu Trier freundlichst übersandten photographischen Nachbildung von S. 1 und einer Durchpausung von S. 2 des besagten Codex. Herr Stadtbibliothekar Dr. Max Keuffer in Trier hatte dann die Güte, für mich eine Collationirung dieses Textes mit dem Codex selbst an Ort und Stelle vorzunehmen. Ich hoffe, dass es mir an den meisten Stellen gelungen sein wird, zu einer richtigen Lesung dieses Stückes, das allerdings grosse Schwierigkeiten bietet, zu gelangen.

Seite 1.

Proventus mei MCCCXI. Ind[ictione] VIIII.
in Lombardia.
 

Erste Spalte.

C. I. ab abb[at]e de Clavate.
C. IIII. de iuram[en]tis.

5
C. VI. de Canobio.

C. III. a quoda[m] Asten[si].
C. C. de Mod[eti]a[1].

[450]

C. XXVI. de T[ri]vill[io].
C. III. de valle camo[n]ica.

10
C. XXV. gualt[erius] de becha[r]ia.

C. VIII. d[ominus] gualt[erius] de cu[r]te.
C. XXV. de Soncino.
C. XXV. a Vent[urino] d[e] Fundut[e].
C. I. a Joha[n]ne de benz[onis].

15
C. I. a Can[oni]co papien[si].

C. I. a co[mun]i de B[r]isago.
C. L. de Crema.
C. LXXV. de Laude.
C. I. p[ro] q[u]ada[m] litte[r]a.

20
C. II. de Vuen[2].

C. II. p[ro] bullis.
 

Zweite Spalte.

C. CCC. a p[er]gamen[sibus].
C. XX. p[ro] [con]p[ro]misso peren[ni][3].
C. X. de litte[ri]s plu[r]imo[rum].

25
C. XXV. co[mun]e c[re]monen[se].

C. C. co[mun]e Novar[iense].
C. I. a monach[o] papien[si].
C. L. d[ominus] M[atheus] Vicecomes.
C. XVIII. a co[mun]i asole.

30
C. XV. p[ro] ca[m]pan[a] papien[si].

C. XXV. p[ro] ballonib[us].
C. XX. a captis Mod[eti]e[4].
C. I. p[ro] una litte[r]a.
C. VI. p[ro] vino.

35
C. XVIII. a Giorieto[5].

C. C. a co[mun]e Laude
ap[ud] papiam.

[451]

C. XXXVI. de Fr…[6]
S[umma] lom[bardie][7]……MCIIII.
 

Seite 2.
40
C. XX. a Luchan[is] Monethariis

p[ro] [con]promisso videli[cet] p[ro] illa
p[ar]te q[ue] remans[er]at ad solve[n]du[m]
nom[ine] Sornachi[8].
C. … p[ro] Coracinis.

45
*XXV. de frum[en]to Asole[9].

C. XXV. a com[it]e de blandrate.
C. XVIII. de Roncino abb[at]is S. Zenonis.
C. XXXIII. a d[omino] Symo[n]e C[ri]vello.
C. XXIIII. f. a Ray[mundino] de incisa.

Es erübrigt noch auf Grund dieses verbesserten Textes die einzelnen Eintragungen des Verzeichnisses chronologisch zu fixiren und auf ihren sachlichen Werth hin zu prüfen.

Den Ausgangspunkt für die Untersuchung bildet, wie sich von selbst versteht, Zeile 37: apud Papiam, (wo Prowe fälschlich ante Papiam liest). Dieser Theil des Verzeichnisses muss darnach geschrieben sein, während sich Balduin in der Nähe von Pavia aufhielt. Die Zeitbestimmungen, welche sich aus Zeile 25 und Zeile 26 ergehen würden, wenn man mit Prowe hier ante Cremona und ante Novaria lesen wollte, fallen fort, weil es keinem Zweifel unterliegt, dass statt ante in beiden Fällen comune zu lesen ist.

In Pavia nun hat sich Heinrich VII. und mit ihm Erzbischof Balduin, sein Bruder, während des Jahres 1311 nur zweimal aufgehalten, einmal zur Zeit des Osterfestes, nämlich in den Tagen vom 11. bis 13. April, wie urkundlich bezeugt ist, sodann in der ersten Hälfte des Monats October (vergl. Böhmer, reg. Henr. Nr. 432). Der letztere Zeitpunkt kommt nicht in Betracht, denn die Gesammtheit der in dem Verzeichnisse namhaft gemachten Posten ergibt, dass wir es mit einer erheblich früheren Zeit zu thun haben. Die Aufzeichnung [452] unseres Stückes hat demnach Mitte April 1311 auf der Hinreise von Mailand nach Pavia oder auf der Rückkehr von dort – am 17. April urkundet Heinrich VII. schon wieder in Mailand – stattgefunden.

Einen weiteren Anhalt bietet uns Zeile 28. Der dort genannte Matteo Visconti war nach Niederwerfung des Mailänder Aufruhrs vom 12. Februar 1311 durch den König nach Asti verbannt worden (Joh. de Cermenate, bei Muratori SS. IX, 1248). Er kam von dort erst zum Osterfeste nach Pavia, wo er die Verzeihung des Königs fand (Joh. de Cermenate a. a. O. 1249). Es wird daher anzunehmen sein, dass auch die in Zeile 28 gekennzeichnete Zahlung an Erzbischof Balduin in Pavia erfolgte und sich Zeile 28 bis 37 überhaupt auf den Aufenthalt zu Pavia beziehen. Dazu passen auch vortrefflich Zeile 30 und Zeile 36. Die erstere steht offenbar in Zusammenhang mit der Privilegbestätigung zu Gunsten gewisser Cisterciensernonnen zu Pavia vom 13. April (Bonaini, acta Henrici. I, 379–880), und Zeile 36 weist auf Lodi hin, welches damals im Aufruhr gegen den König begriffen war, aber, wie wir wissen, zu eben jener Zeit flehentlichst um die Gnade des Königs nachsuchte (vergl. Nicolaus v. Butrinto bei Böhmer, Fontes rerum Germanicarum I, 84, Joh. de Cermenate a. a. O. 1249).

In Zeile 22 werden 300 Florin von Bewohnern Bergamos entrichtet. Dass es sich hier um Bergamo handelt, scheint Prowe gar nicht erkannt zu haben, denn er ergänzt irrthümlich Pergamenis statt Pergamensibus. Er unterlässt es auch, bei diesem Posten einen Verweis anzubringen. Und doch ist es klar, dass hier eine Zahlung vom 1. April gemeint ist, denn an eben diesem Tage werden bei (Bonaini I, 286 „a 24 rusticis de comitatu Bergami, qui fuerunt electi valvassores“ 600 Florin an Heinrich VII. entrichtet. Auch Zeile 26 weist auf eben diese Zeit hin, denn bei (Bonaini I, 286 zahlt Novara am 28. März an Heinrich VII. die Summe von 1000 Florin.

Nachdem sich somit das Resultat ergeben, dass die Zahlungen von Zeile 22 bis 37 sämmtlich ungefähr der ersten Hälfte des April angehören, wird es leichter sein, auch diejenigen von Zeile 3 bis 21 gewissen Zeitpunkten zuzuweisen. Prowe will, nach den Anmerkungen von p. 94 und p. 95 zu schliessen, dieselben alle in den Januar verlegen. Er bezieht sich zu dem Zweck auf gewisse Privilegien, die einzelnen der in unserem Verzeichniss erwähnten Personen und Ortschaften durch Heinrich VII. im Januar 1311 gewährt wurden. Damit ist der Zahlungstermin aber noch nicht gegeben, denn es scheint, dass die mit solchen Privilegien Begabten ihren dabei eingegangenen [453] pecuniären Verpflichtungen oft erst in sehr später Zeit genügt haben. Der schon erwähnte Rechnungsbericht Bonaini I, 286 zeigt, dass Canobbio (vergl. Zeile 5 unseres Verzeichnisses) erst am 23. Februar 600 Florin an den König entrichtete. Das in Zeile 8 erwähnte Treviglio zahlte erst am 30. März 1000 Florin an Heinrich VII. und Brissago (vergl. Zeile 16) erst am 31. März die ihm auferlegte Summe. Es wird kaum zu bezweifeln sein, dass sich Balduin mit der Bezahlung in den meisten Fällen ebenso lange gedulden musste als sein Bruder, der König. Die Ansätze Prowe’s sind mithin falsch. Die in Zeile 1 bis 21 namhaft gemachten Posten sind, zum mindesten der grossen Mehrzahl nach, erst in den Monaten Februar und März zur Zahlung gekommen. In diesem Sinne werden daher die Angaben unseres Verzeichnisses für die Geschichtsdarstellung zu verwerthen sein. Zeile 15 scheint mir wegen seiner Beziehung zu Urkunde Böhmer, reg. Henr. Nr. 374, ziemlich sicher auf den 18. März zu verweisen.

Besondere Erwähnung verdient Zeile 13, woselbst Prowe den Namen des Bischofs von Brescia, Federigo de’ Maggi, vermuthete. In Wirklichkeit handelt es sich hier um Venturinus de Fundute, einen Mann, der uns als Haupt der guelfischen Partei von Soncino begegnet bei Joh. de Cermenate a. a. O. 1268. Diese Zeile hängt also mit Zeile 12 (de Soncino) aufs engste zusammen, während der in Zeile 14 genannte Johannes de Benzonis ein angesehener Cremenser ist (vergl. z. B. Bonaini I, 20).

Noch muss mit wenigen Worten auf Zeile 7 und Zeile 32 eingegangen werden, da ich im Gegensatze zu Prowe in beiden Fällen Modetia statt des scheinbar so viel näher liegenden Modena lese. Der Grund ist erstens der, dass ich mich nicht entschliessen konnte zu glauben, Balduin habe in diesem Verzeichnisse unter „Lombardia“ etwas anderes verstanden, als was in mittelalterlichen Quellen gewöhnlich mit diesem Namen bezeichnet wird, nämlich nur die grosse westliche Hälfte des oberitalischen Tieflandes. Dazu kommt aber noch, dass Modena, so viel wir wissen, zum deutschen Könige nur in ganz losen Beziehungen gestanden hat, Monza dagegen sich seines ganz besonderen Schutzes erfreute. Heinrich war dort am 30. Januar in Begleitung seines Bruders Balduin persönlich anwesend (Bonaini I, 141–142) und hat die Stadt wiederholt gerade in der für uns in Betracht kommenden Zeit durch Privilegien ausgezeichnet. Vergl. Bonincontro Morigia, chronicon Modoetiense bei Muratori SS. XII, 1098 und Böhmer, regesta Henr. Nr. 378.

Im Ganzen betrachtet ist unser Verzeichniss eine wichtige Quelle für die Geschichte Heinrich’s VII. Es bleibt nur bedauerlich, dass [454] wir die Fäden der stattgehabten Beziehungen nicht in allen Punkten mit gleicher Schärfe zu verfolgen vermögen.

G. Sommerfeldt.     

Anmerkungen

  1. Prowe liest hier „Modena“, was graphisch zwar gleichfalls möglich ist, nicht jedoch dem Zusammenhange nach. Das Nähere darüber vergl. unten am Schlusse unseres Artikels.
  2. Dies Wort ist mir unverständlich. Mit Prowe „de Vicentia“ zu lesen, ist unter keinen Umständen statthaft, eher möchte ich de Vicivino (= Vigevano) vermuthen, doch wird hier überhaupt nicht an irgend eine Stadt zu denken sein, da die Summe von zwei Florinen hierfür gar zu klein ist.
  3. perenni ist zweifelhaft, doch sind die Buchstaben pe..n noch deutlich erkennbar.
  4. Vergl. S. 449 Anm. 1.
  5. Diese Buchstaben lassen sich nach Keuffer noch genau erkennen, doch der Sinn des Wortes bleibt unklar.
  6. Das Wort ist auch in der Vorlage nicht ausgeschrieben, sondern zum Zeichen der Abkürzung über dem „r“ ein Haken angebracht.
  7. Die Ergänzung bei „lom“ ist unsicher. Die Prowe’sche Lesart „inventa“ ist jedoch ganz unmöglich.
  8. Gemeint ist wohl Guillelmus Sornachus, der als Gesandter Lucca’s beim päpstlichen Hofe erwähnt wird unterm 21. Juli 1311: Reg. Clem. papae V Nr. 7110 (Ann. VI p. 239).
  9. Diese Zeile findet sich im Original von dem Schreiber selbst durchgestrichen.