Esel-Siesta
[584] Esel-Siesta. (Mit Abbildung S. 581.) Das ist ein frisches Bild aus dem Badeleben – der Strand des eleganten Nordseebades Scheveningen, wo gerade jetzt das vornehme Leben der Saison in höchster Blüthe steht. Die Esel-Siesta, welche uns der Künstler mit seinem Humor vor’s Auge führt, versetzt uns mitten in das bunte Treiben des Dünenlebens. „Jeder Strich meines Bildes,“ schreibt uns Herr Weinberger, „ist dem Leben abgelauscht. Es ist ein trauriges Loos, das diesen armen Vierbeinern, Eseln und Pferden, beschieden ist – zumal den Eseln. Unter harten Stockschlägen werden sie an den Strand getrieben und den Badegästen zum Spazierreiten vermiethet, und zwar unter der zudringlichen Empfehlung der Besitzer: das Reiten auf der Düne gehöre zu den gesundesten Bewegungen, die man haben könne. Du lieber Gott – so ein Ritt aus dem eckigen Rücken eines geduldigen Esels soll Herz, Lungen und Nieren stärken? Das begreife wer kann! Ein Vergnügen ist es jedenfalls nicht, von so einem störrischen und unberechenbar hinterlistigen Thiere bald in den Sand, bald aber in’s Wasser geworfen zu werden. – Letzteres gehört gar nicht zu den Seltenheiten; denn die Herren Esel von Scheveningen sind ganz besonders übellaunig, und ich glaube, das hat seinen guten Grund, sie scheinen dem geduldigen Badepublicum die stündlich von ihren Besitzern zu erleidenden Mißhandlungen heimzahlen zu wollen. So ein Esel hat auch ein Herz, und allzu viel Prügel machen bitter und störrisch. Auf meinem Bilde ist nun freilich nichts zu schauen von solchen Rache-Aeten einer verbissenen und – wenn ich mich des bezeichnenden Ausdrucks bedienen darf – verknurrten Eselsseele – nein, müde wie sie nach den Strapatzen eines heißen Morgens sind, halten sie alle ihre Mittagsruhe, die Esel, der Führer und – der Prügel. Nur Einer wacht über Alle, der getreue, nimmer ruhende Phylax. Ist es nicht ein Bild der Milde und Versöhnung?“