Espartero und O’Donnell
[440] Espartero und O’Donnell. Die beiden ersten Häupter der Revolution in Spanien haben weder körperlich noch geistig die geringste Aehnlichkeit mit einander. Espartero (um unsere bereits gegebene Lebensskizze zu ergänzen) fällt sogleich durch seinen festen Blick unter stark markirten Augenbrauen, der alle Männer von großer Geisteskraft auszeichnet, als ein überlegener Charakter auf. Dazu kömmt die stets geschlossene Lippe und die Breite seines Kinns. Dies sind die Symbole seiner Energie und Ausdauer, wenn er sich einmal zu Etwas entschlossen hat. Er ist mittlerer Größe, über 60 Jahre alt, doch dem Ansehen nach kaum 50, von hoher Stirn, feurig in seinem dunkeln Blick und dabei leicht zu einem Lächeln zu bringen, welches den Charakter von Offenheit und Güte deutlich aufleuchten läßt. Seinen Thaten und Verdiensten nach ist er wirklich der erste unter allen lebenden Spaniern. Er ist ein guter Kamerad für die Soldaten. Sehr oft in seinem Leben mußte sein und seiner Frau Vermögen herhalten, um fehlende Bedürfnisse für seine Truppen zu befriedigen. Daher kam es, daß er viel ärmer war, als er seine höchste militärische Stellung aufgab, wie vorher, ein Lob, das schon durch seine Seltenheit Respect einflößt. Sein Vermögen verdankt er hauptsächlich seiner Frau, der Tochter eines reichen Kaufmanns und Banquiers. Sie hielt mit ihrer Unterschrift nie zurück, wenn es galt, Opfer für die Leute zu bringen, deren Oberhaupt ihr Gatte war. Er selbst hatte von Hause aus nichts als sein Schwert, das leider in Spanien das Hauptsymbol der Ehre und die mächtigste Waffe zum Emporsteigen geworden. Seine niedere Herkunft und armen Verwandten verläugnete er nie. Davon gab er während seiner Regentschaft einmal den überraschendsten Beweis. Zu einer großen Soireée in Buena-Vista wurden sein Onkel und zwei Cousinen angesagt. Er stellte den Ersteren auch richtig als Eisenbahnbeamten aus la Mancha und letztere als Kleidermacherinnen, Schneidermamsells vor, wie es heißt, nicht ohne geheimen demokratischen Stolz, daß er von so niederer Herkunft so hoch gestiegen, ohne sich seiner Verwandten zu schämen. Freilich giebt dies Alles und sein ganzes Leben noch keine gegründete Hoffnung, daß er seiner jetzigen Stellung gewachsen sei, die unendlich schwieriger ist, als seine Regentschaft, die er nicht ohne Beweise von Schwäche aus den Händen gab. Im Uebrigen aber bleibt eines Menschen Vergangenheit immer das Hauptelement, aus dem man Schlüsse auf seine Zukunft ziehen darf.
O’Donnell’s Leben und Charakter sieht viel anders und ziemlich gemein aus. Er ist ein Abkömmling der irländischen Familie O’Donnell, welche sich vor langer Zeit in Spanien niederließ und dort ein Rolle spielte. Der Vater des jetzigen Revolutionärs war Direktor der Artillerie unter Ferdinand VII. Er hatte vier Söhne, die er alle in einflußreiche Stellungen zu bringen wußte. Der Revolutionär, der vierte, war der einzige, der nach Ferdinand’s VII. Tode in die Dienste Isabella’s überging. Als tüchtiger Soldat und streng in Disciplin, wie sein Vater, der größte Feind aller liberalen Ideen, konnte er nur steigen. Von seiner militärischen Grausamkeit wissen besonders die baskischen Provinzen zu erzählen. Als Christine ihre Wirthschaft als Königin aufgeben mußte, war er General-Lieutenant und Graf von Luceno mit dem Ober-Commando über die Central-Armee. Nach Espartero’s Triumphe 1840 wanderte er nach Paris aus, wo er mit Christine wirthschaftete. Im Jahre 1841 überfiel er Pampeluna, das er im Namen Christine’s durch Bestechung in seine Gewalt bekam und behauptete. Zugleich versuchten die Generäle Concha und Diego Léon, Madrid und die junge Königin gefangen zu nehmen. Der damalige Lieutenant Dulce (neuerdings sein Genosse) verhinderte dies mit seinen Hellebardiers, die den Palast bewachten, so daß der beabsichtigte Sturz Espartero’s mißlang. Im Jahre 1846 finden wir O’Donnell als Gouverneur von Cuba. Von diesem ergiebigen Posten wurde er vor der üblichen Zeit (3 Jahren) durch Marschall Narvaez, damals Minister-Präsidenten, abgerufen. Diese Schmach verzieh er dem Narvaez nie. Um sich zu rächen, bildete er eine Opposition gegen den Minister-Präsidenten so widerwärtiger und unerträglicher Art, daß er seine Entlassung einreichen mußte. Dessen ungeachtet finden wir O’Donnell zwei Jahre später als Mitglied einer parlamentarischen Partei, welche Narvaez zu ihrem Führer gewählt hatte und den Minister Murillo zwang, den constitutionellen Grundsatz anzunehmen: „Die Königin regiert, aber herrscht nicht.“ Der frühere erbitterte Absolutist war jetzt ein Constitutioneller der linken Seite, und der frühere Feind Espartero’s machte jetzt eine Revolution mit Messina und Dulce, den intimsten Freunden Espartero’s, eine Revolution, die durchaus zum Triumphe der von ihm zeitlebens bekämpften Principien und seines Feindes ausschlug. Sonach scheint O’Donnell eigentliche Grundsätze nicht zu hegen. Haß, Ehrgeiz, Gewinnsucht sind die Mächte, die ihn gelegentlich bestimmen. Man hat Grund anzunehmen, daß seine moralische Entrüstung über die jetzige Regierung von dem Gelde stammte, welches England im Interesse Espartero’s geschickt haben sollte. Was auch aus der Revolution werden mag, an O’Donnell’s Verlust kann sie nur gewinnen.