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Für Rußland

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Rudolf Lavant
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Titel: Für Rußland
Untertitel:
aus: Rudolf Lavant Gedichte
Herausgeber:
Auflage: 3. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1965
Verlag: Akademie Verlag
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Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons,
S. 115–116
Kurzbeschreibung:
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[115]
Für Rußland


Wild um sich schlägt in seinem Todeskampf,
Den Schaum der Wut auf den erblichnen Lippen,
Das fluchbeladne russische Zarat.
Die Salven rollen dröhnend durch die Gassen,

5
Und über Sterbende und Tote fegt

Wie eine Windsbraut ein Kosakenschwarm,
In der erhobnen Rechten die Nagaika,
Zum Stoß gesenkt die mörderische Lanze,
Und Weiber, Kinder, schreckgebannte Greise

10
Wirft untern Hufschlag seiner Steppenpferde

Der wilde blut- und schnapsberauschte Schwarm.
Wer in der Tür sich und am Fenster zeigt,
Den nimmt zum Ziel sich die Kosakenkugel;
Schlüpfrig von Herzblut sind des Pflasters Steine,

15
In allen Gossen rinnt es wie ein Bach;

Und die der Kriegssturm vor sich hergejagt
Wie lose Spreu, die rohe Soldateska
Rächt an den eignen Landeskindern sich
Und feiert mordend billige Triumphe.

20
Wie Räuber brechen sie mit Kolbenstößen

In jedes Haus, das Beute hoffen läßt;
Sie schleppen fort, was ihre Gier gereizt,
Und als Finale züngelt durch die Sparren
Des Daches fauchend die gefräß’ge Flamme.

25
Ein rotdurchglühtes Rauchgewölk verdunkelt

Den Horizont, und dichte Trauerschleier
Bedecken schonend eine Trümmerstatt.
So tobt in Rußland sich die Wut der Angst
In grauenvollen Henkerszenen aus,

30
Und des Zarates letzte Todeszuckung

Ist widerlich, wie es die Blüte war.
Der Völker Blicke hängen wie gebannt

[116]
An diesem Schauspiel, wie es fürchterlicher

Sich nie geboten, seit die Erde steht;

35
Und instinktiv empfinden alle Völker,

Daß man da drüben ihre Schlachten schlägt,
Daß jedes Opfer, das der Huf zerstampft,
Gefallen ist für ihre eigne Sache.
Und riesengroß aus riesengroßem Elend

40
Erwächst den Völkern nun die Ehrenpflicht,

Nach besten Kräften helfend abzutragen
Die Schuld des Dankes, die sie sonst erdrückt.
Was eigne Armut nur entbehren kann –
Hier soll sie willig es und freudig geben.

45
Ein gar beredter Mahner ist das Mitleid,

Wenn aus dem Herzen es zum Kopfe drängt
Und unwillkürlich uns die Augen feuchtet,
Die sich an blut’gem Elend blind gesehn,
Der strengste Mahner aber ist die Pflicht!

Anmerkungen (Wikisource)

Ebenfalls abgedruckt in:

  • Der Wahre Jacob. Nr. 497 (1905), S. 4769.