Zum Inhalt springen

Ferdinand Raimund und der Censor

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: unbekannt
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Ferdinand Raimund und der Censor
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 52, S. 823
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1866
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Blätter und Blüthen
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[823] Ferdinand Raimund und der Censor. Raimund hatte eines seiner ersten dramatischen Volksmärchen für die Leopoldstädter Bühne geschrieben und es der Wiener Theatercensur unterbreitet. Wenn auch reich mit rothen Krähenfüßen illustrirt, wurde ihm das Manuscript dennoch mit dem Imprimatur der Ober-Polizei- und Censurbehörde zurückgestellt. Auf ein paar Zeilen jedoch hatte diese unfehlbare Großinquisition ein Condemnatur geschleudert, über welches der Dichter Müllner’s Warum heraussprudelte, das bekanntlich erst offenbar wird, wenn die Todten auferstehen.

In dem hochtrabenden Verse: „Mein Gott, laß nicht den Teufel triumphiren!“ hatte man den alten deutschen „Teufel“ dick durchstrichen, und durch den speciell österreichischenTeuxel“ ersetzt. In einer andern Scene waren mit unverkennbarem Ingrimm die Worte gestrichen: „Komm’ in mein Cabinet, mein Kind, ich habe unter vier Augen mit Dir zu sprechen.“ Diese Aufforderung, die in dem Märchen ein Vater an seine Tochter richtet, war in einem Meer von rother Tinte ertränkt.

Raimund starrte wie ein Blödsinniger aus die gestrichenen Stellen. Wie gesagt, er konnte es nicht begreifen, warum man aus seinem Teufel einen Teuxel gemacht und nicht dulden wollte, daß der Vater mit seiner Tochter ein Wörtchen unter vier Augen spricht. Schnell entschlossen, steckte er sein gemaßregeltes Manuscript in die Tasche und eilte der Ballgasse zu, um sich dort in dem alten Dunkel der Jahrhunderte Aufklärung zu erbitten. Als er in das Bureau des Censors trat, saß dieser an seinem Schreibtisch nahe am Fenster und den Rücken der Thür zugewandt. Raimund hielt sich in bescheidener Ferne. Nach ein paar Minuten scharrte er ganz leise mit den Füßen, um sich bemerkbar zu machen, dann räusperte er sich ein wenig, endlich fing er tollkühn und verwegen zu husten an.

„Herr Raimund?“ frug der Gewaltige, mit dem Griffel in der Hand die Gedanken wie die Fliegen tödtend und ohne das edle Haupt zu wenden.

„Ergebenst aufzuwarten, Herr Hofrath.“

„Wünschen?“

„Eine gütige Belehrung,“ antwortete schüchtern der Gefragte, indem er sich mit dem Manuscript in der Hand dem Bayard vom Griffel schüchtern näherte. „In diesen rein deutschen Jamben haben Sie mir meinen Teufel gegen einen Teuxel vertauscht. Ich bin zwar dankbar für Alles, denn alles Gute kommt von oben, aber ich fürchte, das Publicum wird mich und die tragische Liebhaberin verhöhnen, wenn sie mit Pathos declamirt: ‚Mein Gott, laß nicht den Teuxel triumphiren!‘“

„Sind Sie Katholik?“ frug der Censor abermals, aber die Stirn runzelnd und mit inquisitorischer Würde.

„Allerdings, und ein sehr guter Katholik.“

„Nun; als guter Katholik sollten Sie wissen, daß es ein Frevel ist, den Namen des Teufels auf der Bühne auszusprechen.“

„Aber den Namen Gottes auszusprechen, ist kein Frevel?“

„Nein, denn Gott darf man überall anrufen, selbst auf der Bühne. „Wenn Ihnen der ‚Teuxel‘ in Ihren Kram nicht paßt, so machen Sie einen Mephisto oder Vitzliputzli aus ihm.“

„O, das wird hübsch werden, wenn meine tragische Liebhaberin in höchster Aufregung ruft: ‚Mein Gott, laß nicht den Vitzliputzli triumphiren!‘“

„In der That, das klingt gar nicht übel!“

„Es freut mich, wenn es Ihnen gefällt, Herr Hofrath. Nun meinetwegen, den Teuxel soll der Teufel holen, aber für die paar harmlosen Worte hier im zweiten Acte bitt’ ich um gnädigen Pardon.“

„Lesen Sie.“

„‚Komm’ in mein Cabinet, mein Kind, ich habe unter vier Augen mit Dir zu sprechen.‘“

Der Censor erhob sich in seiner ganzen Majestät, kreuzte die Arme über die Brust und richtete durchbohrende Blicke auf den Dichter.

„Herr,“ donnerte er, „die Bühne soll eine Schule der Sitten sein, und Sie werden nicht schamroth, dem Schauspieler dergleichen Zoten in den Mund zu legen?“

„Zoten? Der Herr Hofrath scheinen mich nicht verstanden zu haben. ‚Komm’ in mein Cabinet, mein Kind, ich habe unter vier Augen mit Dir zu sprechen,‘“ wiederholte Raimund ganz verblüfft.

„O, ich habe Sie nur zu gut verstanden, das muß Ihnen meine Entrüstung sagen.“

„Aber du lieber Himmel, Herr Hofrath, es ist ja der Vater, der mit seiner Tochter unter vier Augen sprechen will.“

„Vater? Tochter? Herr, stellen Sie sich so einfältig, oder halten Sie mich für einen Einfaltspinsel? Wenn Vater und Tochter die Rollen mit einander spielten, hätte ich die Rede ohne Anstand passiren lassen, aber der Schauspieler ist nicht der Vater der Schauspielerin, mit der er spielt, sie stehen nur in collegialer Verbindung, darum ist die Rede nichts als eine grobe Zote, die ich nicht dulden darf. Gott befohlen!“

Der arme Raimund schlich davon und murmelte: „Es giebt Dinge unter der Kappe eines Censors, von denen sich unsere Philosophie nichts träumen läßt!“