Fliegende Blätter Heft 8 (Band 1)

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Titel: Fliegende Blätter Heft 8 (Band 1)
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aus: Fliegende Blätter, Band 1, Nr. 8, S. 57–64
Herausgeber: Kaspar Braun, Friedrich Schneider
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Erscheinungsdatum: 1845
Verlag: Braun & Schneider
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Erscheinungsort: München
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Quelle: MDZ München, Commons
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[57]



Nro. 8.
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lungen, so wie von allen Postämtern und Zeitungs- für den Band von 24 Nummern 3 fl. 36 kr. R.-W. od. 2 Rthlr.
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Der dicke Bildschnitzer.
(Schluß.)



Während sie noch zusammen sprachen, kam der Abend heran, die Brüder kehrten zurück, stellten sich an, als bezahlten sie den Gläubiger und das Gericht, und der Notar stand von seinem Sitze auf, nahm die Schlüssel des Gefängnisses, ging hinein und fragte: Welcher ist Matteo hier? Der Dicke drängte sich vor, und rief: Hier bin ich, Herr. Der Notar sah ihn an und sagte: Diese deine Brüder haben deine Schuld bezahlt, du bist frei. Er machte die Thüre des Gefängnisses auf und fügte hinzu: Geh' deines Wegs. Der Dicke ging heraus, wo es schon ziemlich Nacht war, und entfernte sich mit den beiden Brüdern, die nahe bei Santa Felicità wohnten, unfern davon, wo man nach San Giorgio hinauf geht. Zu Hause angelangt, traten sie mit dem Dicken in ein Zimmer zur ebenen Erde und sagten ihm: Bleib hier, bis es Zeit zum Abendessen ist. Gleich als sollte ihn seine Mutter nicht sehen, um sich nicht zu betrüben. Der eine setzte sich mit ihm ans Feuer, an einen gedeckten Tisch, der andere ging zu dem Pfarrer von Santa Felicità, einer ehrlichen Haut, und sagte ihm: Ich komme zu euch, im Vertrauen, mein lieber Herr, so wie ein Nachbar zum andern kommt. Ihr müßt wissen, daß wir drei Brüder sind, davon einer Matteo heißt. Der ward nun gestern, einer gewissen Schuld wegen, auf das Handelsgericht gesetzt, und hat sich die Verhaftung so zu Gemüthe gezogen, daß er fast von Sinnen gekommen zu seyn scheint, obgleich er sich nur eine einzige fixe Idee merken läßt; denn er scheint uns in allen Stücken der alte Matteo noch wie vor, außer in einem einzigen, und zwar darin, daß er sich in den Kopf gesetzt hat, aus [58] dem Matteo ein anderer Mensch geworden zu seyn. Habt ihr jemals eine tollere Geschichte gehört? Er sagt geradezu, daß er ein gewißer dicker Bildner sei, der seine Werkstätte dicht hinter San Giovanni und sein Haus bei Santa Maria del Fiore hat. Die Dummheit können wir ihm mit aller Gewalt nicht aus dem Kopfe ziehen. Wir haben ihn nun aus dem Gefängnisse befreit und nach Hause geführt, wo er für sich in einer Stube sitzt, damit er seine Narrheiten nicht weiter unter die Leute bringen kann; denn ihr wißt wohl, wer einmal aus diesem Horne geblasen hat, mag hernach den schönsten Verstand von der Welt zeigen, so viel er will, er wird immer gefoppt. Wir wollten euch also bitten, aus Erbarmen mit nach unserm Hause zu kommen und zu versuchen, ob ihr ihm vielleicht seine Einbildungen aus dem Sinne bringt. Wir würden euch zeitlebens dafür dankbar sein. Der dienstfertige Priester erwiederte, er wolle sehr gern kommen, und wenn er mit dem Kranken gesprochen habe, bald sehen, was noch in der Sache zu hoffen stehe. Er werde ihm so viel und auf so eindringliche Art zureden, daß er wo möglich wieder zur Vernunft zu bringen sei.

Er machte sich mit dem Bittsteller sofort nach dem Hause der Brüder auf den Weg, und wie er daselbst angelangt war, trat er in die Stube, worinnen der Dicke ganz in seinen Gedanken vertieft saß. Der Dicke stand beim Anblick des Priesters auf, der zu ihm sagte: Guten Abend, Matteo. Der Dicke erwiederte: Guten Abend und gute Zeit, was wollt ihr von mir? Worauf der Priester weiter redete: Ich bin gekommen, um ein wenig bei dir zu bleiben. Er nahm einen Stuhl, setzte sich und sagte: Setz dich an meine Seite her und laß ein paar Worte mit dir reden. Der Dicke setzte sich ihm gehorsam zur Seite nieder, und der Priester fuhr fort: Ich bin hieher gekommen Matteo, weil ich mir habe eine Sache erzählen lassen, die mir ganz und gar mißfällt. Wie ich nämlich höre, hatte man dich dieser Tage Schulden halber auf das Handelsgericht gesetzt, und nun will verlauten: du seist darüber in solche Schwermuth gefallen, daß du drauf und dran, ein Narr zu werden, bist. Unter andern Albernheiten, die man dir Schuld gibt, sollst du denn auch der Grille fröhnen, daß du behauptest, du seist nicht mehr der Matteo, sondern durchaus ein Anderer, der der Dicke heißt und seines Gewerbes ein Bildner ist. Du bist ganz gewiß sehr zu tadeln, mein Freund, daß du, um einer kleinen Widerwärtigkeit willen, einen so großen Schmerz in deinem Herzen empfindest, der dich in den Verdacht bringt, nicht recht bei dir zu sein, und daß du, was dir nicht eben zur Ehre gereicht, durch deine übertriebene Hartnäckigkeit dich zum Gespötte der Menschen machst. In Wahrheit, Matteo, ich wünsche sehr, du ließest davon ab, und bitte dich, daß du mir, aus Liebe zu mir, versprichst, von diesem Augenblick an deine Narrheit aufzugeben, und dich zu befleißigen, nach wie vor an deine Arbeit zu gehen, wie es einem rechtschaffenen Manne geziemt, und wie alle andre Menschen thun. Diese deine Brüder würden sich recht innig darüber freuen. Erführe die Welt, daß du von Sinnen gewesen bist, man würde dich immer für verrückt halten, wärest du nachher auch der Allervernünftigste, und du bliebest so und so ein verlorener Mensch. Bedenke dieß daher wohl, entschließe dich, ein Mensch und keine Bestie zu sein, und schüttle die Albernheiten von dir ab. Was schiert es dich, ein Dicker oder kein Dicker zu sein? Folge meinem guten Rathe. der ich dein Bestes will. Er sah ihn freundlich bei diesen Worten in's Gesicht und klopfte ihm mit der Hand auf die Schulter. Der Dicke hatte schweigend den liebevollen Ermahnungen des Priesters zugehört, dessen eindringliche Rede ihn bewog, nicht im geringsten mehr zu zweifeln, daß er Matteo sei. Er erwiederte ohne anzustehen, daß er entschlossen sei, von Allem, was man ihm gerathen habe, so viel zu thun, als seine Kräfte gestatteten, weil er sich gern überzeugen und einreden wolle, man habe ihm das Alles nur um seines Besten willen gesagt. Und er versprach, er wolle sich von Stunde an auf das ernstlichste bestreben, nie wieder zu meinen, daß er ein Anderer als Matteo sei, der er denn wohl auch in der That sein müsse, habe sich nicht alle Welt vor ihm auf den Kopf gestellt. Er verlange, wenn es irgend möglich sei, nur eine Gunst, und zwar keine andere, als daß ihm erlaubt werde, mit jenem Dicken zu sprechen, um seinen Irrthum einzusehen. Der Priester entgegnete: Dieß könnte deinem Zustande nur nachtheilig sein, und ich sehe leider, daß du dir die Narrheiten noch nicht aus dem Sinne geschlagen hast. Was kann es dir helfen, wenn du mit dem Dicken sprichst? Was hast du mit dem Dicken zu thun? Je mehr du von dem Dicken sprichst und mit je mehr Menschen, desto mehr machst du deine Dummheit selber bekannt, und desto schlimmer und gefährlicher wird es mit dir. Er sagte ihm noch so viele Dinge, daß er ihn endlich beschwichtigte, und der Dicke sich zufrieden gab, den Dicken nicht zu sehen. Der Priester nahm Abschied, und erzählte den Brüdern, die sich vorher bei seiner Ankunft entfernt hatten, den ganzen Hergang des Gesprächs, und die Zusicherungen, die der Dicke gethan habe, worauf er von ihnen in seine Kirche ging.

Mittlerweile, während der Priester den Dicken vernahm, war Filippo di Ser Brunellesco heimlich herbei geschlichen und hatte sich von den Brüdern, in einem entfernten Zimmer, unter vielem Gelächter, wieder erzählen lassen: wie der Dicke aus dem Gefängniß gebracht worden war, was [59] sie ihm unterwegs gesagt hatten, und so fort. Und wie sie sich beim vollen Becher Weines dergestalt belustigten, sagte er zu ihnen: Seht zu, daß, während ihr mit ihm zu Abend eßt, ihr ihm entweder im Weine oder auf andere Art dieß unversehens beibringen könnt. Es ist ein Opiumpulver, auf das er so fest einschlafen muß, daß er es nicht fühlen würde, prügeltet ihr ihn Stundenlang. Gegen fünf Uhr frage ich wieder nach, und wir besorgen dann das Uebrige.

Die Brüder gingen in das untere Zimmer zum Dicken zurück, aßen mit ihm zu Nacht, als schon drei Uhr vorüber war, und brachten ihm so geschickt den Schlaftrunk bei, daß der bald vom Schlaf überwältigte Dicke die Augen unwillkührlich schloß. Die Beiden sagten zu ihm: Matteo, du scheinst ja vor Müdigkeit umfallen zu wollen? Nun, du hast vorige Nacht wohl wenig schlafen können. Sie schwiegen und erwarteten, was er sagen werde, worauf der Dicke sprach: Ich gestehe euch, daß ich in meinem Leben noch nicht so schlaftrunken gewesen bin; es könnte nicht ärger seyn, hätte ich einen Monat lang kein Bett gesehen. Wie er sich zu entkleiden anfing, war er kaum im Stande, Schuh und Strümpfe auszuziehen und sich niederzulegen, denn er fiel alsbald in tiefen Schlaf und schnarchte wie ein Ratz.



Zur verabredeten Stunde kam Filippo di Ser Brunellesco mit sechs seiner Gefährten zurück, und ging mit ihnen und Matteo's Brüdern in das Zimmer, worin der Dicke lag. Wie sie ihn im festen Schlaf hörten und sahen, nahmen sie ihn auf, luden ihn mit sammt seinen Kleidern in einen Korb, und trugen ihn in sein immer noch ganz leer stehendes Haus, worin zufälliger Weise seine Mutter noch nicht vom Lande zurückgekehrt war. Sie trugen ihn bis zu seinem Bette, legten ihn da hinein, und seine Kleider, wohin er sie gewöhnlich that, wann er schlafen ging, ihn selbst aber kehrten sie mit dem Kopfe dahin, wo er sonst mit den Füßen lag. So wie dieß geschehen war, nahmen sie den an der Wand an einem Haken hängenden Schlüsselbund, begaben sich nach der Werkstätte, schlossen die Thüre auf und traten ein, nahmen alles Handwerksgeräth einzeln vom rechten Ort und warfen es an einen anderen. Die Hobeleisen rissen sie entweder vom Hobel ab, oder drehten den Rücken nach unten, die Schneide nach oben hin; die Hämmer machten sie von den Griffen los und schleuderten das Eisen in eine Ecke, das Holz in die andere; dasselbe geschah mit den Beilen, und auf diese Art kehrten sie im ganzen Laden das Unterste zu oberst um, so daß der Teufel darin gehaust zu haben schien. Sie schlossen darauf die Thüre ordentlich wieder zu, trugen die Schlüssel in die Stube des Dicken zurück, machten auch die Thüre des Hauses zu, und gingen ein Jeder heim, um auszuschlafen. Betäubt von dem Opium schlief der Dicke die ganze Nacht, ohne sich zu rühren. Des anderen Morgens, um die Zeit des Avemaria in Santa Maria del Fiore, hörte die Wirkung des Trankes auf, und er erwachte, als es schon heller Tag war, über das Anschlagen der Glocke. Er öffnete die Augen, warf einen dämmernden Blick über die Stube, erkannte, daß er in seinem eigenen Hause war, rief sich alle ihm kürzlich widerfahrenen Dinge ins Gedächtniß zurück und verfiel in das höchste Erstaunen. Er erinnerte sich, wo er sich am vergangenen Abende niedergelegt hatte und wo er sich damals befand, und mit einem Male war er von Zweifeln bestürmt. Hatte er jenes geträumt, oder träumte er jetzt? Bald schien ihm das eine wahr zu sein, bald das andere. Nach einem herzlichen Stoßseufzer sagte er: Gott helfe mir! sprang aus dem Bette, kleidete sich in der Geschwindigkeit an, raffte die Schlüssel zur Werkstatt auf und rannte dahin. Wie er aufgeschlossen hat, sieht er mit vor Erstaunen offenem Munde die überall herrschende Unordnung. Kein Geräth an rechter Stelle, Alles halb zerbrochen oder verschoben umher gestreut. Und während er instinktmäßig anfängt, es wieder zusammenzulesen und an Ort und Stelle zu thun, kommen die beiden Brüder des Matteo hinzu, und sagen, als sie ihn so beschäftigt sehen, indem sie sich stellten, als kennten sie ihn nicht: Guten Tag, Meister. Der Dicke wendete sich nach ihnen um, veränderte ein wenig die Farbe, als er sie erkannte und sprach: Guten Tag und gutes Jahr; was sucht ihr bei mir? Der eine antwortete: Ich will es dir sagen. Wir haben einen Bruder, der Matteo heißt, und dem es vor einigen Tagen geschah, daß er aus Betrübniß über eine kleine Verhaftnahme den Verstand verlor. Unter andern Faseleien begeht er nun auch die, daß er nicht mehr Matteo, sondern der Meister dieser Werkstätte sein will, der, wie es scheint, den Beinamen der Dicke haben muß. Wir ermahnten ihn viele Male umsonst, sich wieder zu besinnen, und holten in unserer Rathlosigkeit [60] gestern Abend den Priester unserer Gemeinde, einen wohlhabenden Mann, hinzu, dem er auch versprach, sich den Sparren aus dem Kopfe zu ziehen. Er aß zu Nacht mit dem besten Appetite, und legte sich in unserer Gegenwart zu Bett, läuft aber diesen Morgen, wie sich dessen Niemand versieht, aus dem Hause, wir wissen nicht, wohin. Wir sind deshalb hieher gekommen, um zu sehen, ob er sich vielleicht zu dir verstiegen hat oder ob du etwas von ihm weißt. Dem Dicken ging es, derweil wie jener sprach, wie ein Rad im Kopfe herum, und er wendete sich mit den Worten zu ihm: Ich verstehe nicht, was ihr da sagt, und weiß nicht, was das für Possen sind. Matteo ist nicht hieher gekommen und begeht eine große Schurkerei, wenn er sich für mich ausgibt. Bei meiner Seele! treffe ich einmal mit ihm zusammen, so büße ich meine Lust an ihm und will wohl sehen, ob ich er bin oder ob er ich ist. Was zum Henker ist das für ein Spuck die zwei Tage her! Mit diesen Worten ergriff er zornerfüllt seinen Mantel, warf die Thüre des Ladens hinter sich zu und stürmte unter heftigen Drohungen nach Santa Maria del Fiore zu. Die Brüder machten sich eilig davon und der Dicke ging in die Kirche, in der er, wie ein Löwe, innerlich über Alles was ihm begegnet war ergrimmt, auf und niederschritt. Nach einer guten Weile trat ein junger Mann in die Kirche, sein ehemaliger Freund, der mit ihm zusammen vordem bei Meister Pellegrino in Terna das Schreiner-Handwerk erlernte, vor Jahren aber schon nach Ungarn auswanderte, wo er unlängst mit Hilfe eines andern Florentiners, des Io Spano zubenannten, von Sigismund, dem Sohne des Königs Karl von Böhmen, als Generalkapitain seines Heeres angestellten Filippo Scolari sein Glück gemacht hatte, der als ein wohlwollender Herr allen seinen irgend tüchtigen und betriebsamen Landsleuten Schutz und Zuflucht verlieh. Es kam nun jener dem Dicken befreundete Mann gerade damals nach seiner Vaterstadt Florenz, um zu sehen, ob er einen Meister seines Handwerks bereden könne, zu Beendigung vieler von ihm übernommener Arbeiten mitzugehen. Er hatte auch schon öfter, wiewohl erfolglos, den Dicken selbst für seine Absicht zu gewinnen versucht, und ihm dargethan, sie würden in Ungarn Beide in wenig Jahren reiche Leute seyn. Wie der Dicke ihn jetzt auf sich zukommen sah, entschloß er sich auf der Stelle in seinen Vorschlag zu willigen. Er trat zu ihm und sprach: Du hast mir oftmal zugeredet, ich möge mit dir in die Fremde wandern, und ich habe immer nicht gewollt. Ein Zufall, der mir gegenwärtig widerfahren ist, auch daß ich oft mit meiner Mutter uneins bin, bestimmt mich auf einmal, dich zu begleiten, wofern du mich noch willst. Verlorst du also nicht die Lust zu mir, so mache ich mich schon morgen auf den Weg; denn es könnte mir wohl was dazwischen kommen, bliebe ich länger hier.

Der junge Mann erwiederte, der Entschluß sei ihm sehr gewünscht; am andern Morgen erlaubten ihm zwar seine Geschäfte noch nicht fortzugehen, er möge indeß aufbrechen wenn er wolle, und ihn nur in Bologna erwarten, wo er in wenigen Tagen gewiß bei ihm sei. Der Dicke war es zufrieden; sie verständigten sich über Alles, und der Dicke ging in seine Werkstatt zurück, wo er sein nothwendiges Handwerkszeug, und einige Kleinigkeiten, die er fortbringen konnte, so wie etwas baares Geld nahm und zusammen packte. Nach diesem begab er sich in die Vorstadt San Lorenzo, miethete bis Bologna einen Gaul, auf den er seine Habe lud, bestieg ihn selber und trat seinen Weg an, indem er einen Brief an seine Mutter zurückließ, worin er ihr sagte, er sei nach Ungarn gegangen, und schenke ihr, was noch in der Werkstätte vorhanden bliebe, zu ihrem Unterhalt.



Auf diese Art wanderte der Dicke von Florenz aus, erwartete in Bologna seinen Freund, und reiste mit ihm nach Ungarn, wo ihre gemeinsamen Geschäfte so gut von Statten gingen, daß sie durch des genannten Spano Gunst, der sie zu seinen Kriegwerkmeistern machte, in wenig Jahren reich geworden waren, in den Verhältnissen ihres Standes. Der Dicke ward Meister Mannetto von Florenz genannt, und kam in der Folgezeit öftere Male in seine Vaterstadt. Befragte ihn Filippo di Ser Brunellesco um seine Auswanderung, so erzählte er ihm gemeinehin diese Novelle, und gab sie als Grund dazu an.

[61]
Sprüchwörter.



Ein echter Narr braucht nicht Glocken- und Schellenklang,
Man kennt ihn schon an Kleidern und Gang.



Je länger ein Narr lebt auf Erden,
Desto thörichter wird er werden.




Die zwei Bettelweiber.



Nach eilf Uhr in der Geisterstunde,
Kam eine Frau des Nachts zu einem Grunde;
Ein andres Bettelweib kam in den Grund heran,
Und beide scheuten sich, als sie einander sahn.

5
Der Schrecken ist gleich groß, sie blieben beide stehen,

Bekreuzen sich mit größtem Fleiß,
Es traut sich keine fortzugehen,
Wenn eine Schauer fühlt, so wird der andern heiß.
Wenn jene seufzt, so zittert diese.

10
Als würd' es ihr den Hals umdrehn;

Die glaubt die weiße Frau zu seh'n.
Der scheint die andre wie ein Riese.
Dieß währte bis zur Dämmerung,
Bei der die Affen sich erkannten,

15
Und fluchend auseinander rannten.


[62]
Der Staatshämorrhoidarius.
Der Staatsdiener am Actentische.


Der Staatsdiener geht in die Sitzung.


Der Staatsdiener qualificirt sich durch Unterleibsbeschwerden zum Staatshämorrhoidarius. Man zieht den Arzt zu Rathe.


Gastricismus, der in ein Gallenfieber übergeht.


Abreise in ein auflösendes Bad.


Im Bade.


[63]
Rückkehr. Actenrückstände.


Und wieder am Actentische!! etc. etc.



Fluß-Uebergang.


Es hatten sich siebenzig Schneider verschworen,
Sie wollten mitsammen ins Niederland fahren,
Da nähten sie einen papierenen Wagen,
Der siebenzig tapfere Schneider konnt’ tragen,
Die Zottelgeiß spannten sie dran,
Hott Hott, Meck Meck, ihr lustigen Brüder,
Nun setzt euer Leben daran.

Sie fuhren, da trat wohl an einem Stege
Den Schneidern der Geiß ihr Böcklein entgegen,
Und schaute die Meister gar trotziglich an,
Darunter war aber ein herzhafter Mann,
Der zog wohl den kupfernen Fingerhut an,
Und zog eine rostige Nadel heraus,
Und stach das Geißböcklein, daß es sprang.

Da schüttelt das Böcklein gewaltig die Hörner,
Und jagte die Meister durch Disteln und Dörner;
Zerriß auch dem Held den manchesternen Kragen,
Erbeutet viel Ellen und Scheeren im Wagen;
Und weil neun und sechzig gesprungen in’ Bach,
So hat nur ein Einz’ger sein Leben verloren,
Weil er nicht konnt’ springen, er war zu schwach.


[64]
Naturgeschichte.



Homo portitor. Cic. Et Plaut. Homo bandito vel bravo.
Familie der Brutaleen. Familie der Crudelen.
Zu Deutsch:      der Portier. Zu Deutsch:      der Bandit.
Kennzeichen:      Großer Knopf. Kennzeichen:      Rother Mantel, rother Federbusch und sehr spitzes Messer (Fra Diavolo, letzter Act.)
Fundort:      Unter den Hausthüren großer Städte. Fundort:      Italien, kommt als Abart auch in andern Ländern vor.
Zweck:      Honneurs machen. Zweck:      Leute ausrauben und umbringen.



München, Verlag von Braun & Schneider.Papier und Druck von Fr. Pustet in Regensburg.