Frühling (Delle Grazie)
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Frühling.
Nun blühen am Tiberio die Narzissen
Und niederwallt ihr Athem mit der Luft,
So heiß, wie einer brünst’gen Seel’ entrissen,
Wie eines Brautgemach’s narkot’scher Duft –
Sieh die Capresin dort! Im dunklen Haare
Nickt siegreich ihr der weiße Frühlingsstern:
„Wenn diese wieder blüh’n im nächsten Jahre“,
Sprach der Geliebte, „bin ich nicht mehr fern“ –
Und nahen fühlt sie ihn, in süßen Träumen,
Korallen führt sein Schiff und Perlenfracht,
Und von den Rudern sieht sie’s leuchtend schäumen,
Wie Gold – da schreit sie auf, ach! und erwacht –
Und nahen seh’ auch ich, in schwankem Nachen,
Das Glück, von einem fernen Wunderstrand,
Und durch die Luft klingt sein melodisch Lachen,
Und ausstreck’ sehnend ich nach ihm die Hand:
Nun blühen am Tiberio die Narzissen
Und hoch im Frühlingsrausche geht die Fluth –
So nimm mich hin – ich will mit fortgerissen
Vom Taumel sein, verzehrt von deiner Gluth!