Friedrich Goldhaar
Vor dieser Zeit ist mal ein armer Mann gewesen, der hatte einen einzigen Sohn mit Namen Friedrich; und es begab sich, als er grade sechzehn Jahre alt war, daß an dem nämlichen Tage ein Wagen mit vier Hengsten bespannt vor des Mannes Thüre hielt, da stieg ein vornehmer Herr heraus, trat ein und fragte den armen Mann, ob er ihm nicht einen Knecht wüßte, der Friedrich hieße und grade sechzehn Jahre alt wäre. »Da kommt Ihr eben in das rechte Haus,« sagte der Mann, »mein Sohn Friedrich hat heute seinen sechzehnten Geburtstag.« Sprach der Fremde: »So will ich ihn, wenn es Euch recht ist, in meine Dienste nehmen und will Euch im voraus den Lohn bezahlen, aber nur unter der Bedingung kann er mein Knecht sein, daß er sieben volle Jahre aushält und in den sieben Jahren niemals zu Hause geht.« Damit war der Mann zufrieden; der Fremde warf einen schweren Beutel mit Geld auf den Tisch, nahm seinen Knecht Friedrich mit in seinen Wagen und fort gings wie der Wind, daß den vier Hengsten die Mähnen sausten. Eine Stunde mochten sie wohl gefahren sein, da ließ der Herr den Wagen halten und sprach: »Friedrich, sieh mal hinaus!« »Ja Herr!« »Friedrich, was siehst du?« »Ach Herr«, sprach Friedrich, »ich sehe ein schönes Schloß, das liegt nicht weit von hier.« Sprach der Herr: »Hier hast du meine Uhr, Friedrich, die ist grade zehn; nun geh, derweil ich auf dich warte, nach dem Schlosse, da wirst du gut bewirthet werden, aber Punkt elf, nicht früher und nicht später, gehst du wieder fort, und was man dir dann giebt, das bringe mit.« »Gut, Herr!« sprach Friedrich und ging in das Schloß; da waren viele Diener, die trugen gutes Essen auf und luden den Friedrich zum Sitzen ein. Der ließ sich auch nicht lange nöthigen, aß und trank nach Herzenslust und nachdem, da es ihm bald Zeit dünkte, sah er nach der Uhr, und weil es nahe vor elfe war, so brach er auf zum Weitergehen. Da wurde ihm ein Hammelbraten gereicht, den nahm er mit, wie ihm sein Herr befohlen hatte. Als er nun wieder an den Wagen kam, fragte der Herr: »Nun, Friedrich, was bringst du mit?« »O Herr, sie haben mir einen Hammelbraten gegeben!« »Schön! Friedrich,« sprach der Herr, »lege ihn nur hinten in den Kutschkasten, wir werden ihn heute wohl noch nöthig haben.« Friedrich that, wie ihm geheißen [97] war. Dann stieg er wieder zu seinem Herrn in den Wagen, und fort gings wie der Wind, daß den vier Hengsten die Mähnen sausten.
So mochten sie wohl eine Stunde gefahren sein, da ließ der Herr den Wagen halten und sprach: »Friedrich! Sieh mal hinaus!« »Ja Herr!« »Was siehst du, Friedrich?« »O Herr, ich sehe nicht weit von hier ein Schloß, das ist noch viel schöner als das erste war.« Sprach der Herr: »Hier hast du meine Uhr, Friedrich, die ist gerade zwölf; nun geh, derweil ich auf dich warte, in das Schloß, da wirst du noch besser bewirthet werden als das erste Mal; aber Punkt eins, nicht früher und nicht später, gehst du wieder fort, und was man dir dann giebt, das bringe mit!« »Gut, Herr!« sprach Friedrich und ging in das Schloß; da waren noch viel mehr Diener als in dem ersten Schloß; die trugen Speisen und Weine auf von allen Sorten und luden den Friedrich zum Sitzen ein. Er ließ sich auch nicht lange nöthigen, aß und trank nach Herzenslust und als die Uhr nahe vor eins war, rüstete er sich zum Weitergehen. Da wurde ihm ein Gänsebraten gereicht, den nahm er mit, wie ihm sein Herr befohlen hatte. Als er nun wieder zurück an den Wagen kam, so fragte der Herr: »Nun, Friedrich, was bringst du mit?« »O Herr, sie haben mir diesmal einen Gänsebraten gegeben!« »Schön! Friedrich; lege ihn nur hinten in den Kutschkasten, wir werden ihn wohl heute noch gebrauchen können.« Friedrich that, wie ihm geheißen war; dann stieg er wieder zu seinem Herrn in den Wagen, und fort gings wie der Wind, daß den vier Hengsten die Mähnen sausten.
Eine Stunde wohl mochten sie so gefahren sein, da ließ der Herr den Wagen zum dritten Male halten und sprach: »Friedrich! Sieh mal hinaus!« »Ja Herr!« »Friedrich, was siehst du nun?« »O, Herr! Nun sehe ich nicht weit von hier ein Schloß, das ist so schön, wie ich in meinem ganzen Leben noch keins gesehen habe.« Sprach der Herr: »Hier, Friedrich, hast du meine Uhr, die ist grade Zwei; nun geh, derweil ich auf dich warte, in das Schloß, da wird man dich bewirthen, wie noch nie; aber Punkt drei Uhr, nicht früher und nicht später, gehst du wieder fort und was man dir dann giebt, das bringe mit.« »Gut, Herr!« sprach Friedrich und ging in das Schloß; da war ein Leben und Gewühl von Dienern, nicht anders wie an eines Königs Hofe, die trugen die köstlichsten Speisen und Weine auf und luden den Friedrich zum Sitzen ein. Er ließ sich auch nicht lange nöthigen, aß und trank nach Herzenslust und als die Uhr nahe vor drei war, rüstete er sich zum Weitergehen. Da wurde ihm ein Schweinsbraten gereicht, den nahm er mit, wie ihm sein Herr befohlen hatte. Als er nun wieder zurück an den Wagen kam, so fragte der Herr: »Nun, Friedrich, was bringst du diesmal mit?« »O, Herr; sie haben mir einen Schweinsbraten gegeben.« »Schön, Friedrich; lege ihn nur hinten in den Kutschkasten; wir werden ihn wohl heute noch gebrauchen können.« Friedrich that, wie ihm geheißen war; dann [98] stieg er wieder zu seinem Herrn in den Wagen und fort gings wie der Wind, daß den vier Hengsten die Mähnen sausten.
Wohl eine Stunde mochten sie so gefahren sein, da ließ der Herr zum vierten Male halten. »Friedrich!« sprach er wieder; »sieh mal hinaus!« »Ja Herr!« »Friedrich, was siehst du denn nun?« »O Herr, ich sehe nicht weit von hier ein Schloß, das ist so erbärmlich schlecht, wie ich in meinem ganzen Leben noch keins gesehen habe.« »Das ist aber gerade das Schloß, mein lieber Friedrich, wo du die sieben Jahre dienen mußt. Jetzt nimm die drei Braten, die wirst du gut gebrauchen können; denn um auf das Schloß zu kommen, mußt du durch drei Pforten; vor der ersten liegt ein Löwe, vor der zweiten ein Bär, vor der dritten ein Wildschwein; dem Löwen gibst du den Hammelbraten, dem Bären den Gänsebraten und dem Wildschwein den Schweinsbraten, so werden sie dich frei passiren lassen; in dem Schlosse aber wirst du Einen finden, der wird dir deine Arbeit geben. Leb wohl, Friedrich und halt dich gut!« Friedrich stieg aus, wie ihm sein Herr befohlen und fort rollte der Wagen wie der Wind, daß den vier Hengsten die Mähnen sausten.
Als Friedrich nun auf das Schloß wollte, so lag vor der ersten Pforte ein Löwe, dem gab er den Hammelbraten; vor der zweiten Pforte lag ein Bär, dem gab er den Gänsebraten, vor der dritten Pforte aber lag ein Wildschwein, dem warf er den Schweinsbraten hin; da ließen ihn die Thiere frei in das Schloß hinein. Kaum war er eingetreten, so kam ihm gleich ein graues Männchen entgegen. »Sieh! Friedrich! Bist du da?« sprach das Männchen; »auf dich habe ich schon lange gewartet. Nun merk auf! Hier hast du ein kleines Stöckchen, damit kannst du dir das nöthige Essen schaffen. In meinem Stalle steht sodann ein Schimmel und ein Esel; dem Schimmel giebst du Aas zu fressen, dem Esel Heu; thust du aber anders und giebst dem Schimmel Heu und dem Esel das Aas, so mußt du sterben. Ferner siehst du da im Hofe zwei Brunnen; aus dem einen, der offen ist, kannst du trinken und auch dem Vieh daraus zu saufen geben, der andere ist mit einer Fallthüre verschlossen, da darfst du aber niemals hineinsehen; thust du’s doch, so mußt du sterben. Noch eins! Merke dir diese Zimmerthür; läßt du dir jemals einfallen, sie auf zu machen, so mußt du sterben. Nun weißt du was du zu thun und wie du dich in deinen sieben Dienstjahren zu verhalten hast. Adieu!« Damit ging das Männchen fort.
Friedrich trat nun seinen Dienst an, fütterte zur rechten Zeit den Schimmel mit Aas und den Esel mit Heu und tränkte sie aus dem offenen Brunnen, wie das Männlein ihm geboten hatte. Mit Hülfe seines Stöckleins wünschte er sich Essen herbei, so viel er mochte; hüthete sich auch wohl in den verdeckten Brunnen zu sehen oder das verbotene Zimmer aufzumachen. So vergingen drei Jahre. Nun hatte er aber, da er so plötzlich von Haus fortgekommen [99] war, nicht daran gedacht, Kamm und Scheere mitzunehmen, darum wuchs ihm sein Haar zuletzt so lang, daß es in verwilderten Locken tief über seinen Nacken hinabwallte.
Drei Jahre lang hatte er pünktlich gethan, was ihm befohlen war, da faßte ihn ein heftiges Verlangen, einmal zuzusehen, was wohl in dem verbotenen Zimmer sein möchte. Kaum aber hatte er die Thüre aufgemacht, so schlug ihm daraus mit Qualm und Dampf die heiße, lichte Lohe entgegen, und in demselben Augenblicke erschien auch das graue Männchen, das sich sonst in den drei Jahren gar nicht wieder hatte sehen lassen. »Friedrich, du hast geguckt!« sprach es drohend; »diesmal soll es noch so hingehen; thust du es aber noch ein einziges Mal wieder, so mußt du ohne Gnade sterben!« Damit verschwand es. »Ich werde mich wohl hüthen,« dachte Friedrich; »in einem Zimmer voll Feuer und Flammen habe ich nichts zu suchen.«
So ging wieder ein Jahr dahin; er that pünktlich, was ihm befohlen war, fütterte den Schimmel mit Aas und den Esel mit Heu und tränkte sie aus dem offenen Brunnen. Aber einstmals, da er wieder Wasser schöpfte, trieb ihn doch die Neugierde so sehr, daß er hinging und den verdeckten Brunnen aufmachte und sich hinüberbeugte, zu schauen, was wohl darinnen wäre. Mit dem so fielen seine langen Locken in das Wasser hinab, und als er sie zurückzog, waren sie, so weit das Wasser gereicht, ganz golden geworden. Da schöpfte er mit den Händen noch mehr von dem Wasser und wusch sein ganzes Haar damit, das glänzte nun mit sammt den Händen wie eitel Gold. In dem nämlichen Augenblicke erschien aber auch schon das graue Männchen wieder. »Friedrich!« sprach es drohend; »du hast geguckt! Thust du das noch ein einziges Mal, so mußt du sterben ohne Gnade und Barmherzigkeit.« Damit verschwand es. Friedrich aber, dem die Sache noch jedesmal so glücklich abgelaufen war, nahm sich vor, nun auch dem Schimmel nicht mehr Aas, sondern Heu und dem Esel nicht mehr Heu, sondern Aas zu geben. Gedacht, gethan. Sobald aber der Schimmel das Heu zu fressen kriegte, fing er mit einem Male zu sprechen an. »Friedrich,« sprach der Schimmel, »es wird uns beiden schlimm ergehen, wenn wir nicht suchen zeitig von hier weg zu kommen; heut Mittag um zwölf halte dich zur Flucht bereit, aber vergiß nicht, meinen Kamm, meine Bürste und meinen Staublappen mitzunehmen, sie können uns vielleicht von größtem Nutzen sein.« Friedrich, dem es auf dem alten einsamen Schlosse auch gar nicht mehr recht gefallen wollte, that wie der Schimmel ihm geheißen hatte; er umwickelte sich aber Kopf und Hände mit Tüchern, daß von dem Golde nichts mehr zu sehen war, dann sattelte er den Schimmel und Punkt zwölf Uhr schwang er sich auf und jagte ins Weite, so schnell der Schimmel nur laufen konnte.
Nicht lange waren sie geritten, da rief der Schimmel: »Friedrich, sieh dich mal um, ob auch wer kommt!« »O weh!« sprach Friedrich, »ich sehe [100] das graue Männchen, das ist schon ganz dicht hinter uns!« »So wirf schnell den Kamm zurück!« Friedrich that es und alsbald wurde daraus ein langer tiefer Graben, den mußte das Männchen erst umgehen, eh es weiter konnte. Aber es dauerte nicht lange, da rief der Schimmel wieder: »Friedrich, sieh dich mal um, ob auch wer kommt!« »O weh«, sprach Friedrich; »ich sehe das graue Männchen, das ist schon wieder ganz nahe hinter uns.« »So wirf schnell die Bürste zurück!« Friedrich that es; und sogleich entstand daraus ein dichter, ganz mit Dorngebüsch durchwachsener Wald, da mußte das Männchen erst mit Mühe hindurch, ehe es weiter konnte. Aber es dauerte nicht lange, als der Schimmel zum dritten Male rief: »Friedrich, sieh dich mal um, ob auch wer kommt!« »O weh«, sprach Friedrich, »ich sehe das graue Männchen, das ist schon wieder ganz nahe hinter uns.« »So wirf schnell den Staublappen zurück!« Kaum war es geschehen, so entstand daraus ein großes, großes Wasser, das war so tief und gingen so hohe Wellen darauf, daß das Männlein nicht hinüber konnte und verdrießlich wieder nach Hause lief.
Friedrich ritt nun gemächlich weiter; und als er gegen Abend über einen Hügel kam, sah er auf einmal vor sich in der Ebene ausgebreitet eine prächtige Stadt, deren Thürme glänzten weithin von den Strahlen der rothen Abendsonne. Es war das aber die Stadt, wo der König Hof hielt. Nun stand nicht weit vom Wege ab ein großer hohler Eichbaum, als den der Schimmel sah, sprach er: »Ich will hier in dem hohlen Baume bleiben; du aber geh hin an den königlichen Hof und vermiethe dich als Küchenjunge; alle vierzehn Tage mußt du aber kommen und mir ein Pfund Brod bringen.« So blieb der Schimmel in der hohlen Eiche; Friedrich aber ging an den königlichen Hof und fragte den König, ob er nicht einen Küchenjungen gebrauchen könnte. »Du kommst mir recht,« sprach der König; »einen Küchenjungen habe ich gerade nöthig. Aber was heißt denn das? Du hast ja deinen Kopf und deine Hände verbunden.« »Mit Verlaub, Herr König! Ich habe einen bösen Grind.« Sprach der König: »So kann ich dich nur unter der Bedingung in meine Dienste nehmen, daß du des Nachts bei dem Vieh im Stalle liegst.« Friedrich war damit zufrieden und wurde nun des Königs Küchenjunge; das Gesinde aber nannte ihn nicht anders als den Grindhans, darum, daß er Kopf und Hände stets verbunden trug.
Nach vierzehn Tagen ging er zu der hohlen Eiche und brachte dem Schimmel ein Pfund Brod. Da fragte der Schimmel: »Nun, Friedrich, wie gefällt dir dein Dienst?« »Ach, schlecht,« entgegnete er; »sie schelten mich immer Grindhans, und dann muß ich auch bei dem Vieh im Stalle schlafen.« Sprach der Schimmel: »So geh hin zu dem Gärtner, der dicht neben des Königs Schlosse wohnt, bei dem verdinge dich als Gärtnerbursch. Hier nimm diese drei Büchsen voll Samen, wenn du den ausstreust, so werden daraus die [101] schönsten Blumen wachsen. Du darfst aber auch nicht vergessen, mir alle vierzehn Tage ein Pfund Brod zu bringen.« Friedrich ging nun hin zu dem Gärtner und fragte, ob er nicht einen Burschen gebrauchen könnte. »Du kommst mir gerade recht,« sprach der Gärtner; »einen Burschen, wie du bist, habe ich schon lange gesucht; aber warum hast du dir denn Kopf und Hände verbunden?« »Mit Verlaub, Herr Gärtner; ich habe den Grind.« Sprach der Gärtner: »So kann ich dich nicht anders behalten, als wenn du im Gartenhause schlafen willst.« Friedrich war damit zufrieden; er streute den Samen ins Land, den ihm der Schimmel gegeben hatte, und bald wuchsen die schönsten Blumen hervor.
Eines Morgens, da er ganz allein im Garten arbeitete, fiel ihm ein: »Du hast nun so lange Zeit dein Haar nicht los gehabt, daß es wohl an der Zeit ist, es einmal zu kämmen.« Darum so machte er das Tuch los, setzte sich an einen sonnigen Ort und strählte sich das Haar. Das war eine Pracht zu sehen, wie ihm da die langen goldenen Locken über die Schultern wallten und wie sie funkelten und blitzten wie lauter Gold in der Morgensonne. Nun lagen aber die Zimmer der königlichen Prinzessin nach dem Garten hin; in die strahlte der Sonnenwiderschein von Friedrichs Goldhaar und spielte an den Wänden, und als die Prinzessin das sah, öffnete sie das Fenster, zu schauen, woher der ungewohnte Glanz wohl kommen möchte; da sah sie, daß des Gärtners Bursche mit goldenen Händen seine goldenen Locken strählte, die schimmerten in so lichtem Scheine, daß die Prinzessin ihre Augen mit den Händen deckte. Der Bursche gefiel ihr aber so wohl, daß sie sogleich ihre Dienerin zu dem Gärtner schickte, er möchte ihr doch von den schönen Blumen aus seinem Garten einen Strauß schicken, aber der Bursche solle ihn herbringen. Als das Friedrich vernahm, pflückte er einen schönen Strauß, ging damit aufs Schloß und brachte ihn der Prinzessin; seinen Kopf, wie auch seine Hände hatte er aber wieder mit Tüchern umwickelt, daß von dem Golde nichts zu sehen war. »Grober Schlingel!« rief da die Prinzessin; »warum nimmst du die Mütze nicht ab? Weißt du nicht, vor wem du stehst?« »Ihr seid die königliche Prinzessin!« entgegnete Friedrich; »aber meine Mütze kann ich nicht abnehmen, weil ich den Grind habe.« »Junge, du lügst!« rief die Prinzessin, sprang auf ihn zu und wollte ihm das Tuch vom Kopfe ziehen, er aber entwischte ihr und lief weg in den Garten an seine Arbeit. Den andern Morgen schickte die Prinzessin wieder zu dem Gärtner, er möchte ihr von den schönen Blumen noch einen Strauß schicken, aber der Bursche müßte ihn herbringen. Als Friedrich das vernahm, pflückte er einen noch viel schöneren Strauß als das erste Mal, ging damit aufs Schloß und brachte ihn der Prinzessin; sobald er aber in der Stube war, verschloß die Prinzessin die Thüre. »Grober Schlingel!« rief sie wieder; »warum nimmst du deine Mütze nicht ab? Weißt du nicht, vor wem du stehst und daß sich das nicht schickt?« [102] »Ihr seid die königliche Prinzessin,« entgegnete Friedrich; »aber verzeiht! meine Mütze kann ich nicht abnehmen, weil ich den Grind habe.« »Junge! Schelm! du lügst!« rief die Prinzessin, sprang auf ihn zu und rang so lange mit ihm, bis sie ihm endlich das Tuch vom Kopfe zog; da wallten ihm mit einem Male seine langen goldenen Locken über den Nacken herab. »Das wußt ich wohl, du Goldjunge!« rief die Prinzessin voller Freuden; »dich will ich nun auch zu meinem Gemahle haben, es mag gehen wie es will!« Und da faßte sie ihn bei den Locken und küßte ihn und konnte sich gar nicht satt sehen an all dem Glanze, der von dem goldenen Haare strahlte.
Es währte aber nicht lange, so ward dem Könige hinterbracht, daß sich seine Tochter zu dem Gärtnerburschen, dem Grindhans, hielte und daß sie dächte, ihn zu ihrem Gemahl zu nehmen. Darüber gerieth der König in so heftigen Zorn, daß er der Prinzessin Befehl gab, das Schloß zu verlassen. Da ging sie hin zu ihrem lieben Gärtnerburschen, mit dem wohnte sie nun zusammen in dem kleinen Gartenhause.
Es begab sich aber zu derselben Zeit, daß ein mächtiger Feind mit einem großen Kriegsheere in des Königs Land fiel; da rüstete sich der König, eine Schlacht zu schlagen. Den Tag vorher aber, ehe der König auszog, kam Friedrich zu dem Schimmel in der hohlen Eiche und brachte ihm sein Brod. Da fragte der Schimmel: »Nun, Friedrich, wie gefällt es dir bei dem Gärtner?« »Recht gut!« entgegnete er. Sprach der Schimmel: »Morgen früh komme bei Zeiten wieder, so will ich dir einen guten Rath geben.« Als nun Friedrich am andern Morgen zu dem Schimmel kam, gab ihm der ein Schwert und sprach: »Es wird nicht lange währen, so kommt der König mit seinem Heere an dem Strome heraufgezogen; dann setze du dich ans Ufer und schlage mit dem Schwerte ins Wasser und sprich dazu: ›Einen erhauen, Einen erstochen!‹ und wenn das Heer vorüber ist, so komm zurück.« Friedrich that, wie ihm der Schimmel gesagt hatte. Da nun das Heer heranzog und ihn sitzen sah, sprachen die Soldaten untereinander: »Seht! da sitzt Grindhans, des Königs Schwiegersohn!« und spotteten über ihn. Sobald sie aber vorüber waren, ging Friedrich schnell wieder zu dem Schimmel zurück, der gab ihm zu dem Schwerte auch noch eine prächtige Rüstung. »Friedrich,« sprach der Schimmel da, »es wird nun die Zeit sein, wo die Heere gegen einander stoßen, darum rüste dich und reite auf den Kampfplatz, wenn du dann drei Kreuzhiebe mit deinem Schwerte thust, so werden gleich dreimal hunderttausend Feinde erschlagen liegen, und der König wird heute den Sieg erlangen; verweile dich aber nicht, sondern reite, sobald es geschehen, hier zu der Eiche zurück, lege deine Rüstung ab und setze dich an den Strom und thu wie vorhin.« Da machte Friedrich sein Goldhaar los, rüstete sich, schwang sich auf den Schimmel und ritt in vollem Galopp dem Heere nach, daß seine goldenen Locken im [103] Winde wehten; und als er auf das Feld kam, wo die Heere an einander waren, that er drei Kreuzhiebe mit seinem Schwerte, da lagen gleich dreimal hunderttausend Feinde erschlagen, die andern flohen. So war an diesem Tage die Schlacht für den König gewonnen. Da rief der König: »Nun bringt mir den Reuter mit dem Goldhaar her, daß ich sehe, wer er ist und ihn belohnen kann, denn er allein hat uns den Sieg erstritten!« Er war aber nirgends mehr zu finden; denn Friedrich, nachdem die Schlacht entschieden, war sogleich wieder davongeritten. Er brachte den Schimmel wieder in die hohle Eiche, legte die blanke Rüstung ab und umwand seinen Kopf mit dem Tuche; darnach ging er an den Strom und haute mit dem Schwerte ins Wasser und sprach dabei in einem fort: »Einen erhauen, Einen erstochen; Einen erhauen, Einen erstochen!«
Da nun das Heer, des Sieges froh, mit voller Musik stromab den Heimweg zog und die Soldaten den Friedrich an dem Strome sitzen sahen, sprachen sie untereinander: »Seht! da sitzt Grindhans, des Königs Schwiegersohn!« Als sie aber vorüber waren, brachte Friedrich dem Schimmel das Schwert zurück. Da sprach der Schimmel: »Morgen früh komm wieder und thu, wie du heute gethan hast, denn es wird noch eine zweite Schlacht zu schlagen sein, weil des Königs Feinde sich wieder gesammelt haben.« Es kam auch, wie der Schimmel gesagt hatte.
Den andern Morgen zog der König mit seinem Heere den Strom hinauf, und die Soldaten hatten über Friedrich ihren Spott und sprachen unter einander: »Seht! da sitzt der Grindhans, des Königs Schwiegersohn!« Er aber wartete, bis sie vorüber waren; dann rüstete er sich, schwang sich in den Sattel und jagte ihnen nach in vollem Galopp, daß seine goldenen Locken im Winde wallten. Es war auch die höchste Zeit, daß er auf dem Schlachtfelde ankam, denn schon war des Königs Heer im Weichen. Da schwang er rasch sein Schwert und that diesmal fünf Kreuzhiebe, da lagen fünfmal hunderttausend Feinde erschlagen und waren alle todt bis auf den letzten Mann.
Es hatte aber der König diesmal den Befehl gegeben, wenn der Reuter mit dem Goldhaar wiederkäme, daß man ihn um jeden Preis anhalten, oder, wenn er entflöhe, auf ihn schießen sollte, so groß war des Königs Verlangen, zu wissen, wer er war und woher er käme. Da nun Friedrich, als der Sieg entschieden, rasch davon jagte, und die Soldaten sahen, daß sie ihn nicht fangen konnten, gaben sie Feuer; er entkam aber glücklich; nur eine Kugel schrammte ihm das Bein.
Nachdem er nun in der hohlen Eiche seinen Waffenschmuck wieder abgelegt und sein Haar mit dem Tuche umwunden hatte, setzte er sich an das Wasser; und als das Heer nun unter voller Musik den Strom hinab marschierte, sprachen die Soldaten spottend: »Seht! da sitzt Grindhans, des Königs Schwiegersohn!« Er aber kehrte sich nicht daran, sondern brachte, [104] da sie vorüber waren, dem Schimmel das Schwert zurück. Da sprach der Schimmel: »Jetzt, Friedrich, ist deine Prüfungszeit zu Ende; darum so binde deine Locken los, rüste dich und ziehe an den Hof des Königs. Erst aber thu mir den Gefallen und schlag mir den Kopf ab, daß ich nun auch erlöst werde.« Weil nun der Schimmel so sehr darum bat, so faßte Friedrich das Schwert und hieb ihm den Kopf ab. Sobald aber das Blut floß, verwandelte sich der Schimmel in eine schöne Dame, und die war niemand anders, als die Schwester des Königs, welche in den Schimmel war verwünscht gewesen. Da ging Friedrich mit ihr an den königlichen Hof und gab sich zu erkennen und erzählte dem Könige, wie das alles so gekommen war. Da ward auch die Prinzessin aus dem Gartenhause geholt, und der König vermählte sie nun mit Friedrich und stellte eine große Hochzeit an; und als sie zur Kirche gingen, erstaunte alles Volk und freute sich über Friedrichs goldene Locken und Hände, die blitzten und funkelten wie lauter Gold im Sonnenlichte.