Zum Inhalt springen

General Hoche und die Koblenzer

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Walther Kabel
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: General Hoche und die Koblenzer
Untertitel:
aus: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1913, Bd. 11, S. 216–218
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1913
Verlag: Union Deutsche Verlagsgesellschaft
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Stuttgart, Berlin, Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[216] General Hoche und die Koblenzer. – Im Jahre 1795 lagen starke Truppenteile der französischen Armee in der damals noch zum Kurfürstentum Trier gehörenden Stadt Koblenz. Ihr Befehlshaber war der General Hoche, ein rauher Kriegsmann, der überall mit rücksichtsloser Härte auftrat. Nachdem er der Stadt Koblenz zunächst eine hohe Kriegskontribution auferlegt hatte, die auch pünktlich bezahlt wurde, verlangte er, daß der Magistrat innerhalb vierundzwanzig Stunden zweitausend Paar Stiefel für die reichlich abgerissenen französischen Soldaten beschaffen sollte. Diese Forderung zu erfüllen war den Stadtbehörden beim besten Willen unmöglich. Man brachte an dem einen Tage nur hundertsechzig Paare zusammen.

Als eine Deputation des Magistrats dies dem General mitteilte und zugleich um eine Verlängerung der Frist bat, war Hoche zunächst äußerst ungehalten und drohte mit Zwangsmitteln vorzugehen; schließlich ließ er sich aber doch beruhigen und versprach, noch vierzehn Tage warten zu wollen. Hochbeglückt zog die Deputation wieder ab.

Am folgenden Morgen wurde von dem General durch Plakate und Ausrufer eine allgemeine Volksversammlung für den nächsten Tag auf den Marktplatz anberaumt. Es sollte öffentlich beraten werden, in welcher Weise man dem durch die Kriegsunruhen entstandenen Lebensmittelmangel am besten abhelfen [217] könne. Berechtigt zur Teilnahme war jeder männliche Bürger über achtzehn Jahre. Leute, die Vorschläge machen wollten, sollten sich vorher bei dem Adjutanten des Generals melden und sich in die Rednerliste eintragen lassen.

Die Koblenzer konnten sich gar nicht genug über dieses fürsorgliche Entgegenkommen des französischen Befehlshabers wundern. In der ganzen Stadt war nur eine Stimme des Lobes für General Hoche, und am nächsten Tage strömte zur festgesetzten Stunde alles, was über achtzehn Jahre hinaus war, auf dem Marktplatz zusammen, so daß dieser die Menge kaum fassen konnte. An den offenen Fenstern der Häuser aber sah man die Koblenzer Frauen neugierig auf dieses Schauspiel herabblicken. Zum Schluß nahte in feierlichem Zuge auch der gesamte Magistrat und nahm auf den bereitstehenden Bänken mitten auf dem Markte Platz.

Gleich darauf erklangen Trommelwirbel. General Hoche erschien mit seinem Adjutanten, hinter ihm zwei Kompanien Infanterie. Ebenso waren auch durch andere Seitenstraßen kleinere Trupps französischer Soldaten unauffällig bis zum Markte vorgedrungen, die nun, verstärkt durch die Leibwache des Generals, urplötzlich um die versammelten Bürger einen dichten Kordon zogen. Da erst merkten die Koblenzer, daß hier irgend etwas nicht stimmte. Einige wollten sich jetzt noch schnell heimlich drücken; aber niemand durfte den von dem Militär umstellten Kreis verlassen. Drohend streckten sich jedem die Bajonette entgegen.

Inzwischen hatte der Adjutant des Generals die Rednertribüne erstiegen und las mit weithin schallender Stimme einen Befehl des Höchstkommandierenden vor, dahin lautend, daß jeder der zu der Versammlung Erschienenen sich sogleich seiner Stiefel zu entledigen habe. Da bisher von dem Magistrat die verlangten Stiefel nicht geliefert worden seien und General Hoche nicht mehr länger auf die Erfüllung dieser Forderung warten könne, habe man zu dieser List greifen müssen.

Hierauf natürlich zunächst ungeheurer Lärm und laute Entrüstungsrufe. Aber damit änderten die Koblenzer nicht das geringste. Die Bajonette ringsum redeten eine deutliche Sprache, [218] und als die Mitglieder des Magistrats nun mit gutem Beispiel vorangingen, ihre Stiefel auszogen und – allerdings mit recht sauren Mienen – von dannen zogen, folgte bald einer nach dem anderen.

Die an den Fenstern versammelte Koblenzer holde Weiblichkeit bezeigte leider für diese demütigende Situation, in der sich ihre Väter, Ehegatten, Verlobten und Brüder befanden, recht wenig Verständnis. Erst erklang hie und da ein halb unterdrücktes Lachen, als die würdigen Herren auf Strümpfen, viele auch barfuß, dem Ausgang zustrebten und dabei ängstlich die spitzen Steine des Pflasters zu vermeiden suchten, was ihrem Gange etwas ungemein Komisches gab; dann wurde diese Fröhlichkeit stärker und stärker, bis der ganze Markt von einem nicht endenwollenden Gelächter widerhallte.

Begleitet von diesen Heiterkeitsausbrüchen schlichen die armen geprellten Männer wutschnaubend davon.

General Hoche ließ dann am nächsten Morgen eine neue Bekanntmachung austrommeln, worin er den Koblenzern höflichst dankte, daß sie ihm so schön in die Falle gegangen seien und ihm das Einziehen der Stiefelkontribution so wesentlich vereinfacht hätten.

W. K.