Geschicht-Beschreibung der Stadt Wißbaden/Erste Zugabe

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
« Dritte Abtheilung: Das Nassauische Wißbad Gottfried Anton Schenck
Geschicht-Beschreibung der Stadt Wißbaden
Zweyte Zugabe »
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
[417]
Erste Zugabe
enthaltend
eine Beschreibung
der Natur-Seltenheiten des Wißbads.

Diese sind

1, und vornemlich das warme Gesund-Wasser, welches daselbst von undencklichen Zeiten, und vielleicht wohl gar seit der geschehenen Erschaffung der Welt her, aus der Tiefe der Erden, zu vieler Menschen Heyl und Seegen hervorquillet. Daß dieses eine Seltenheit der Natur sey, das ist eine bekannte Sache. Denn es wird dergleichen warmes Gesund-Wasser nicht überall auf dem [418] Erdboden, sondern nur in einigen Gegenden desselben, und also etwas selten angetroffen. Auch hat dasselbe solche Eigenschaften an sich, welche es in Vergleichung gegen das andere gemeine und schlechte Wasser zu einer Seltenheit machen. Solcher Eigenschaften werden bey unserm Wißbadischen warmen Wasser sonderlich zwey gefunden. Denn 1, ist dasselbe heiß. 2, ist es heilend. Was die erste Eigenschaft desselben, nemlich die Hitze betrift, so ist diß Wasser zwar überhaupt in allen seinen Bad-Quellen heiß; in einigen derselben aber, sonderlich in der grossen Haupt-Quelle, welche auf der offenen Gasse, in dem so genannten Sauerlande stehet, ist es fast im höchsten Grade, oder so heiß, daß es durch das äusserliche Küchen-Feuer nicht sonderlich heisser wird können gemacht werden; denn es scheinet würcklich kochend oder siedend zu seyn, weil es diejenigen Würckungen äussert, welche ein sied-heisses, keinesweges aber ein bloß mittel-heisses Wasser, ordentlicher weise zu äussern pfleget, z. E. es brühet das geschlachtete Vieh ab; es siedet rohe Eyer ab etc. wie man die Beweise hiervon täglich daselbst mit Augen sehen kan. Daher man auch, wenn dieses Wasser in die Bäder eingelassen ist, nicht so gleich, wegen der grossen Hitze desselben, in demselben baden kan, sondern ihm vorher eine ziemlich-lange Zeit verstatten muß, bis es hinlänglich [419] verkühlet, und zum Baden dienlich wird. Darzu kommt, daß diese Hitze, welche dieses Wasser in so hohem Grade besitzet, sich auch zu keiner Zeit verändert, sondern beständig, Jahr aus, Jahr ein, sowohl in der heissesten Sommer- als auch in der kältesten Winter-Zeit, wie man bisher genau beobachtet hat, in einem Grade bleibet. Fraget man nun, woher es komme, daß, da das Wasser des Erdbodens ordentlicher Weise kalt ist, dennoch einiges desselben, und insbesondere auch dieses Wißbadische Wasser, so sehr heiß sey, und auch beständig in einem Grade heiß bleibe? so ist zwar der kürtzeste Weg, auf diese Frage zu antworten, dieser, daß man, wie einige thun, vorgiebt, GOtt habe diese heisse Wasser gleich Anfangs der Schöpfung heiß, gleichwie die andere kalte Wasser kalt, erschaffen; Und da man keine Ursache anzeigen könne, warum diese Wasser kalt, so könne man auch keine anzeigen, warum jene heiß seyen. Allein es wird dagegen von den Natur-Verständigen billig eingewendet, daß, wenn dem so wäre, so müsten so denn diese heisse Wasser beständig, und so lange sie in ihrer natürlichen Ordnung gelassen werden, heiß bleiben, und wenn man sie durch vorsetzliche Mittel erkältet, doch wieder von selbst heiß werden; gleichwie ebenfalls die kalte Wasser beständig, und so lange man sie in ihrer natürlichen Ordnung lässet, kalt bleiben, und wenn man [420] sie durch vorsetzliche Mittel erhitzet, doch von selbsten wieder kalt werden. Da aber dieses bey den heissen Wassern sich nicht also befände, sondern dieselbe von selbst erkalteten, und wenn sie einmal erkaltet, nicht wieder von selbst heiß würden, so könne dieses Vorgeben keinen Grund haben, sondern es müste das heisse Wasser ebenfalls, wie das kalte, seinem ersten Ursprung nach, wesentlich kalt, durch diese und jene, darzwischen gekommene, zufällige Ursachen aber heiß gemacht worden seyn. Fraget man nun also weiter: welches denn wohl diese zufällige Ursachen seyn möchten, durch welche dieses heisse Wasser also heiß gemacht werde? so ist es freylich wohl an dem, das sich dieselbe unmöglich mit einer völligen Gewißheit benennen lassen. Denn wer kan die Tiefen der Erde, wo dieses Wasser erhitzet wird, durchforschen, und alle Umstände, darin sich dasselbe allda befindet, untersuchen und beurtheilen? Es lässet sich aber doch etwan eines und das andere bey dieser Sache, aus genauer Betrachtung der eigentlichen Bestand-Theilen dieses Wassers, und aller übrigen Umständen desselben, durch einige von der Vernunft- und Natur-Wissenschaft an Hand gegebene Gründe, muthmaßlich errathen. Und das ist es, was die Forscher der Natur zu leisten, bisher sich bemühet haben. Sie bringen aber nicht eine, sondern mehrere muthmaßliche Meynungen, von dem Ursprung der Hitze dieses Wassers, vor, [421] und diese sind von einander sehr unterschieden. Wir wollen die vornehmste derselben, nebst ihren Schwierigkeiten, die sie bey sich haben, wie auch der Beantwortung derselben, wo anderst einige vorhanden ist, hinlänglich (doch nur bloß historischer oder Erzehlungs-weise, und ohne daß man eine Entscheidung dieser mancherley Meynungen, und noch viel weniger eine Behauptung dieser und jener besonderen Meynung hierbey unternehmen wolle) anzeigen, und dem vernünftigen Leser das Urtheil davon überlassen. 1, Sind einige und sonderlich die Natur-Lehrer der alten Zeiten, welche meynen, die Hitze dieses Wassers komme von einem unterirdischen stäts fort-brennenden Feuer her. Sie setzen nemlich fest, daß es unterirdische Feuer gäbe, und beweisen solches mit den Feuer-speyenden Bergen, welche hier und dar auf dem Erdboden angetroffen werden. Sie setzten ferner fest, daß, wenn etwan einiges Wasser in der Erde nahe bey einem solchen Feuer vorbey liefe, solches nothwendiger weise erhitzet werden müste. Und daher komme es, (führen sie zur Verstärckung dessen an) daß in denen Gegenden, wo feuerspeyende Berge sind, z. E. in Italien, in Ißland etc. auch viele heisse Wasser-Quellen befindlich wären. Gegen diese Gründe wird nun von andern, denen diese Meynung nicht wahrscheinlich vorkommt, eingewendet, daß Feuer-speyende Berge freylich wohl [422] bewiesen, daß es hier und dar ein unterirdisches Feuer gäbe, aber sie bewiesen auch zugleich, daß solches unterirdische Feuer, gleichwie alles andere materialische Feuer, seine Nahrung haben müsse; daher diese Berge nicht allezeit brenneten und raucheten, sondern nur allein zu der Zeit, wenn sich etwan allerley Nahrungs-Materie zum Brennen gesammlet, und solche von diesen und jenen inn- oder äusserlichen Ursachen in Bewegung und Brand gebracht würde. Da nun aber ein Feuer in der Erde, welches das vorbeylaufende Wasser vor beständig erhitzen solle, auch beständig und in einem Grade fortbrennen, und also auch beständige und genugsame Nahrung haben müsse, so könne man nicht begreiffen, wo solche beständige und hinlängliche Nahrung herkommen könne? Denn daß dieselbe so schnell und in einem fort nachwachsen sollte, als schnell und beständig sie von dem Feuer an sich gezogen und verzehret werde, das sey schwerlich zu glauben. Auch sey es eben damit nicht ausgemacht, daß man weiterhin darauf zur Antwort gäbe, daß man solches nicht zu untersuchen, sondern GOtt zu überlassen habe; denn davon sey hierbey die Rede nicht, was GOtt thun könne, sondern, was uns Menschen, nach unserer gesunden Vernunft, dabey begreiflich oder nicht begreiflich sey. Dazu komme, wenden sie ferner ein, daß solche angeführte Feuer-speyende Berge [423] ebenfalls lehreten, daß ein unterirdisches Feuer auch seine Oeffnungen auf der Erde, oder seine Luft- und Rauch-Löcher (gleich allem anderen Feuer) haben müsse. Dergleichen aber könne man bey den warmen Wasser-Quellen (wenigstens bey den Wißbadischen[1] nicht) weder in der Nähe noch in der Ferne, um dieselbe herum, gewahr werden. Und was den Berstärckungs-Grund dieser Meynung anbelanget, nemlich, daß in denen Gegenden, wo Feuer-speyende Berge sind, auch viele heisse Wasser-Quellen befindlich wären, so würde derselbe, sprechen sie, von grossem Gewichte seyn, wenn die heisse Quellen nur allein in solchen Gegenden angetroffen würden, wo [424] dergleichen Feuer-speyende Berge befindlich sind. Da aber auch dieselbe, und zwar in nicht geringerer Menge, anderswo auf dem Erdboden, wo keine Feuer-speyende Berge zu hören und zu sehen sind, gefunden werden, so falle dieser Bestärckungs-Grund weg, oder könne doch hierbey zu weiter nichts dienen, als daß man etwan sagen möchte: In der Gegend, wo Feuer-speyende Berge seyen, kämen die warme Wasser-Quellen von dem Feuer derselben, in andern Gegenden aber von einer anderen Ursache her; welches alles aber diese Sache schlecht entscheide. Und wo sollte endlich, sprechen sie, das Feuer, welches z. E. das Wißbadische Wasser in der Erde erhitzen soll, befindlich seyn? Sollte es weit von der Ober-Fläche des Wißbadischen Bodens, tief in der Erde, sich befinden, so könnte das erhitzte Wasser so sied-heiß nicht, als würcklich geschicht, hervorkommen, sondern würde durch einen, nur in etwas, langen Lauf in der Erde sich wieder sehr verkühlen. Sollte es aber nahe bey der Ober-Fläche des Bodens sich befinden, so könnte dasselbe unmöglich verborgen bleiben, sondern müste in gar nachdrücklichen Würckungen sich offenbahren, und wohl die gantze Gegend daselbst herum schon längstens durchbrannt haben. Denn ein Feuer, das eine solche Menge Wassers Jahr aus, Jahr ein, in einem Grade hin, erhitzen solle, müsse kein geringes Feuer [425] seyn. 2, Sind einige und sonderlich die Natur-Lehrer der neueren Zeiten, welche davor halten, die Hitze solcher heissen Quell-Wasser, insbesondere auch des Wißbadischen Wassers, komme bloß allein von der Vereinigung des Wassers mit denen in der Erde befindlichen Mineralien her. Sie setzen nemlich fest, daß in solchen Bad-Gegenden viele Mineralien (so nennet man alles, was in der Erde an Metallen oder Ertzen, Steinen, Säfften, und besonderen Erd-Gattungen gezeuget wird) in der Erde befindlich seyen. Und solches beweisen sie, was unsere Wißbadische Gegend betrift, nicht nur durch die Feuer-Eisen- und andere Ertz-haltende Steine, welche man daselbst auf der Ober-Fläche der Erden, sonderlich in den Waldungen (wie unten mit mehrerem wird berichtet werden) in grosser Menge antrift, sondern auch vornemlich durch die gelb-rothe Eisen-Erde, welche das heisse Wasser selbst häufig bey sich führet, und in allen seinen Wasser-Gängen anleget und zurücke lässet, und welche man in Wißbaden Senner oder Sender zu nennen pfleget. Sie setzen ferner fest, daß, wenn ein unterirdisches Wasser dergleichen mineralische Erd-Lagen berühre, dasselbe die verschiedene mineralische Theile derselben (die immerzu wieder nachwüchsen) auflöse, welche so denn mit dem Wasser sich vereinigten, in und gegen einander kräftig würcketen, und gleichsam [426] mit einander stritten, und daher einen Jescht oder Erhitzung sowohl ihrer selbst, als des Wassers, verursachten. Sie beweisen solches durch verschiedene, aus der Natur selbst hergenommene, Beyspiele, da, durch Vereinigung einiger Mineralien und des Wassers, z. E. wenn man Eisen-Späne und Schwefel zusammen thut, und mit Wasser begiesset, eine Erhitzung, ja zu Zeiten, Feuer und Flamme entstehet etc. Sie beweisen solches ferner durch gar viele Bergwercke oder Mineralien-Gruben, als in welchen öfters eine gar grosse Hitze, (so daß die Berg-Leute nackend darin arbeiten müssen, und doch kaum vor Hitze bleiben und Odem holen können) und gleichwohl kein würckliches Feuer verspüret werde, folglich also gantz sicher zu vermuthen sey, daß die in denselben befindliche Mineralien, durch Zufliessung des unterirdischen Wassers, in eine Selbst-Erhitzung gerathen müsten. Wendet man gegen dieses Vorgeben ein, daß man in unserem Wißbad auch halb-heisse, ja gar kalte, Wasser-Quellen anträffe, welche eben die Mineralien, wie das gantz-heisse Wasser in sich hätten, und gleichwohl keine solche Erhitzung, als dieses, äusserten, folglich also die Vereinigung des Wassers und der Mineralien die Ursache der mehr-gemeldten Hitze desselben nicht seyn könnte; So antworten die Vertheidiger dieser Meynung hierauf, daß dergleichen Wasser die mineralischen [427] Erd-Gegenden nicht gleich starck berühre, sondern einiges mehr, einiges weniger, durch dieselbe durchlaufe, folglich also auch einiges mehr, einiges weniger, durch dieselbe erhitzet werde. So denn käme auch dergleichen in der Erde erhitztes Wasser nicht durch einerley Wege oder Gänge zu seinem Ausbruch auf der Erde, sondern einiges bräche nach einem kurtzen Lauf hervor, einiges aber müste durch weite Umwege, und durch allerley kühle Sand- und Kieß-Gänge seinen Ausbruch erst suchen und erhalten, da es denn also kein Wunder sey, wenn das erste seine überkommene Hitze behalte, das andere aber dieselbe nach und nach wieder verliere. Wendet man ferner ein, daß, wenn die Erhitzung des Wassers durch die Vereinigung desselben mit dem Mineralien geschähe, so müsten so denn in allen mineralischen Erd-Gegenden, und sonderlich bey allen Bergwercken oder Mineralien-Gruben, als woselbst Mineralien, auch öfters Wasser genug, vorhanden wären, nothwendiger weise auch heisse Wasser-Quellen angetroffen werden; So antworten sie darauf, daß würcklich bey vielen solchen mineralischen Erd-Gegenden, und sonderlich auch bey vielen Bergwercken, dergleichen heisses Wasser, wenigstens in der Erde selbst, nach dem Zeugnüß der unterirdischen Erd- und Berg-Arbeiter, gefunden werde. Daß aber solches nicht allemal heiß auf der Ober-Fläche der Erde [428] hervorbreche, das käme daher, weil es, durch das lange Herumlaufen in der Erde, wieder erkalte. Und daß nicht in allen mineralischen Erd-Gegenden, und bey allen Bergwercken dergleichen heisses Wasser angetroffen werde, das rühre daher, weil nicht bey allen die, zu solcher Erhitzung nöthige, Mineralien vorhanden wären, oder auch die Vereinigung des Wassers mit denselben nicht auf solche Art, wie es seyn sollte, geschähe. Denn nicht jedwede Mineralien, noch auch eine jede Vereinigung des Wassers mit denselben, habe die Kraft, eine solche Erhitzung zu bewürcken. Und fast eben dieses antworten sie auf die Einwendung: warum denn mineralische Wasser zu Schwalbach, Selters, Pyrmont etc. sich nicht auch erhitzeten? nemlich sie sagen, daß ihre Mineralien von einer anderen Art wären, als diejenige, welche das Wißbadische und andere dergleichen heisse Quell-Wasser bey sich führen, folglich könnten sie also keine Selbst-Erhitzung verursachen, wie diese. Und wenn endlich noch eingewendet wird, daß man einige heisse Quell-Wasser fände, welche gar keine Mineralien bey sich führeten, z. E. das Pfeffers-Bad in der Schweitz etc. folglich also die Erhitzung von den Mineralien nicht entstehen könne; So antworten sie, daß einmal dergleichen benennte Wasser eigentlich nicht heiß, sondern nur lau wären, folglich also hierbey keinen sonderlichen Einwurf [429] verursachen könnten. So denn seyen gleichwohl auch solche angeführte laue Wasser nicht gantz ohne einige Mineralien, massen sie sonst keine heilende Kraft, vor dem andern schlechten Wasser, füglich äussern könnten; es seyen aber dieser Mineralien nicht viele, auch seyen sie so subtil, zart und flüchtig, daß sie durch keine Chymische Künste könnten begriffen und heraus gesondert werden etc. Es wird aber gegen alle diese Antworten auf die angeführte Schwierigkeiten, von denjenigen, welchen diese zweyte Meynung nicht anstehet, wiederum sehr vieles erinnert und eingewendet. Absonderlich, sagen sie, bleibe hierbey immerfort noch dieser Haupt-Anstand übrig, daß die Mineralien in der Erde, welche die Hitze dieses Wassers verursachen sollen, einer zufälligen Abänderung, wegen ihres fortwährenden Abgangs, unterworffen seyen, und schwerlich in solcher Geschwindigkeit und Gleichheit immerfort anwüchsen, als sie abgiengen, die Hitze dieses Wassers aber, wenigstens des Wißbadischen, beständig, Jahr aus, Jahr ein, in einem und eben demselben Grade unverändert bliebe etc. 3, Sind einige, welche meynen, das heisse Quell-Wasser werde bloß allein durch eine starcke, äussere oder innere, Bewegung erhitzet, wie etwan ein Rad an einem Wagen, oder ein Holtz auf der Dreh–Banck etc. durch ein blosses schnelles und heftiges Herumtreiben in Hitze, ja oft in Feuer und Flamme [430] gebracht werde. Allein, was diejenige anbelanget, welche die Hitze dieses Wassers einer äusseren heftigen Bewegung zuschreiben, und also davor halten, es falle das Wasser in der Erde in seinen Hölen und Gängen so heftig und schnell herab, oder laufe so starck hin und wieder herum, daß es dadurch zu einer solchen grossen Erhitzung gebracht werde; so haben dieselbe eben noch keinen sonderlichen Beyfall bey dieser Meynung gefunden. Denn es wird dagegen eingewendet, daß, obgleich das unterirdische Wasser durch eine solche schnelle Bewegung (die ohnehin noch nicht bewiesen sey) wohl etwan zu einiger wenigen Wärme gelangen möchte, es doch nicht begreiflich sey, daß es dadurch zu einer solchen grossen Hitze, wie bey dem heissen Quell-Wasser, sonderlich dem Wißbadischen, befindlich ist, erbracht werden könne; wenigstens lasse sich dergleichen Würckungen auf der Ober-Fläche der Erden, auch bey den allerstärcksten Wasser-Fällen, oder sonstigen heftigsten Bewegungen des Wassers nicht bemercken. Was aber diejenige betrift, welche meynen, das heisse Quell-Wasser werde so starck von innen beweget, daß es dadurch zu einer solchen grossen Hitze gelange; so kommen diese mit denjenigen, welche der zweyten angeführten Meynung beypflichten, im Grunde überein. Denn weil noch eine jede Bewegung ihre Ursache haben muß, und man [431] also auch billig hierbey fraget, was denn wohl die Ursache solcher vorgegebenen inneren Bewegung bey diesem Wasser seyn möge? Und darauf keine andere angezeiget werden kan, als die innere mineralische Bestand-Theile, welche dieses Wasser bey sich führet, und welche es lediglich in eine solche starcke Bewegung brächten, so siehet man wohl gar deutlich, daß diese Meynung von der oben angeführten zweyten Meynung in der That nicht unterschieden sey. Denn eben das ist es, was in derselben ausführlich ist behauptet worden, folglich aber ist sie auch eben denjenigen Schwierigkeiten, welche dieselbe, berührter massen, bey sich führet, unterworffen. 4, Sind einige, welche meynen, es sey genug, daß man wisse, daß in dem Inwendigen der Erde hier und dar eine grosse Hitze vorhanden sey, wie diejenige, welche die Gruben und Hölen der Erde durchkrochen haben, mit einem Munde bezeugeten. Woher diese Hitze komme? das sey nicht nöthig eigentlich zu wissen. Sie komme zwar gantz vermuthlich von einer Gährung der mancherley Erd-Säften über- und unter-einander her; allein sie möge herkommen, woher sie wolle, so könnten wir dessen ohne Schaden unwissend seyn, oder es an seinem Orte beruhen lassen; genug sey es, daß diese Hitze würcklich da sey. Diejenige unterirdische Gewässer nun, welche dergleichen erhitzte Erd-Gegenden durchflössen, würden [432] erhitzet, und nähmen zugleich von denen daselbst vorhandenen Mineralien, ohne jedoch von denselben die gemeldte Hitze zu erlangen, vieles an sich; die andere Gewässer aber, welche dergleichen heisse Erd-Gegenden nicht berühreten, blieben in ihrer ursprünglichen Kälte. Diejenige, welchen diese Meynung nicht anständig ist, geben vor, daß zwar ein unterirdisches Wasser bey seinem Durch-Lauf durch die erhitzte Erd-Gegenden zu einer und der andern Hitze gelangen könne; daß es aber eine Hitze in so hohem Grade, wie sich bey dem Wißbadischen Wasser findet, dadurch überkommen, und solche auch bis zu seinem Ausbruch aus der Erde, welcher doch vermuthlich so geschwinde nicht von statten gehe, ohne eine andere mitwürckende Ursache, behalten könne, das sey schwerlich zu glauben. 5, Sind endlich auch einige, welche vorgeben, die Hitze der heissen Quell-Wasser des Erdbodens komme nicht von einerley Ursache, an allen Orten desselben, her, sondern es sey dabey ein Unterschied vorhanden. In einigen Gegenden komme sie von einem unterirdischen Feuer, in andern von den Mineralien der Erde, in noch andern von einer starcken Bewegung, und wieder in andern von was anders her. Durch diese Meynung werden die vorerwehnte Schwierigkeiten, die sich bey einer jeden besonderen Meynung finden, nicht gehoben, sondern [433] zugleich mit wiederholet, und eine jede derselben vor sich in ihrem Gewichte gelassen. Der Leser siehet aus dem, was bisher von dem muthmaßlichen Ursprung der Hitze der heissen Quell-Wasser zwar nur (wie oben schon bezeuget ist) historisch, doch umständlich und unpartheyisch, ist angeführet worden, von selbst so viel, daß es nicht wohl möglich sey, in dieser Sache, wie bereits anfänglich gemeldet worden, zu einer völligen Gewißheit zu gelangen; ja, daß es schon schwer falle, nur einige muthmaßliche Wahrscheinlichkeit bey dieser und jener Meynung, wegen der vielen entgegen stehenden Schwierigkeiten, zu erreichen; Und daß fast, wenn man die Wahrheit bekennen solle, desto mehr neue Schwierigkeiten und Zweifel sich hierbey dem menschlichen Gemüthe darstelleten, je tiefer man sich in die Untersuchung dieser Sache einlasse. Und wie kan es auch wohl anders seyn? Ist doch der Ort, wo dieses Wasser seine Hitze ursprünglich überkommt, von unsern Augen gantz entfernet, und der Weg dahin verschlossen. Müssen wir nun bey solchen Wercken der Natur, die wir völlig und täglich vor Augen haben, und umständlich genug betrachten können, gleichwohl in Untersuchung ihrer Eigenschaften, und deren Ursachen, unserer grossen Unwissenheit inne werden, und können öfters kaum nur einige wenige Wahrscheinlichkeit der Sachen dabey erreichen; [434] Ey! was ist es denn Wunder, wenn solches auch bey einem solchen Wercke der Natur geschicht, welches in der Tiefe der Erden, und also ausser unsern Augen, zu Stande gerichtet wird, und welches überhaupt ein tiefes Geheimnüß der Natur, ja ein sonderbar-grosses Wunder der Allmacht GOttes ist. Es ist also das sicherste hierbey, daß man zwar, wie überhaupt, nach der Anweisung des Geistes GOttes, Psalm 104. Röm. 1. 20 etc. alle Natur-Wercke GOttes, (zumalen dieselbe mehrentheils uns Menschen zum besten bewürcket worden) also auch insbesondere dieses Werck der Erhitzung einiger Quell-Wasser des Erdbodens aller Betrachtung und Untersuchung würdiget, und in solcher Betrachtung und Untersuchung so weit gehet, als der menschliche Verstand sich immermehr erstrecket. Allein wenn man denn auch, bey solcher Betrachtung und Untersuchung dieser Wercke GOttes, seines Unvermögens inne wird, und der vollkommene Verstand seine offenbare Gräntzen findet, daß man so denn stille stehe, sich vor dem unendlich-grossen und unbegreiflichen GOtt demüthige, seine Hand auf den Mund lege, und sage: HErr, wie sind deine Werke so groß! Psalm 92, 6. Wunderbarlich sind deine Werke! Psalm 139, 14. Unser HErr ist groß, und von grosser Kraft, und ist unbegreiflich, wie er regieret, Psalm 147, 5. Wie lieblich sind [435] alle seine Wercke, wiewohl man kaum ein Füncklein davon erkennen kan, Syr.[WS 1] 42, 23 etc. Denn alle menschliche Wissenschaften, und also auch die Natur-Wissenschaft, haben ihre gewisse und gehörige Gräntzen. Und GOtt lässet uns von seinen grossen Natur-Wercken nicht alles, sondern nur so viel einsehen, als wir zur Erkänntnüß seiner herrlichen Eigenschaften vonnöthen haben. Das übrige hat er vor sich behalten, damit zwischen dem Schöpfer und dem Geschöpfe ein billiger und nöthiger Unterschied bleiben möge. Wie Er denn überhaupt in allen seinen Wercken nicht sowohl begriffen und ausgelernet, als vielmehr ehrerbietig bewundert und angebetet seyn will. Kan man demnach also die Ursache der Erhitzung unseres heissen Wißbadischen Wassers eben nicht vollkommen, nach Wunsche, einsehen und begreiffen, so kan man doch so viel dabey ohnschwer erkennen lernen, daß derjenige, der dieses Werck würcket, ein sehr grosses, mächtiges, weises und gütiges Wesen seyn müsse, und folglich also auch würdig sey, von allen, die dieses Wunder eines stäts fort-siedenden Quell-Wassers betrachten und benutzen, ehrerbietig gelobet und hertzlich geliebet zu werden. Wohl dem, der dieses bey der Untersuchung, und noch vielmehr bey dem würcklichen Gebrauch dieses Wißbadischen warmen Wassers wahrhaftig ausübenden lernet! Sonst verdienet [436] noch hierbey mit wenigem die gar zu seltsame Meynung von dem Ursprung der heissen Erd-Wasser, welche der alte Heide und Christen-Feind Celsus, den ersten Christen, wiewohl fälschlich, zuschreibet, bemercket zu werden. Er giebt nemlich, wie der Kirchen-Lehrer Origines in seinen Büchern wider denselben, L. V. c. 7. meldet, vor, daß die Christen lehreten, die abgefallene Engel oder Teufel lägen unter der Erde in Ketten und Fesseln verschlossen, und vergössen über ihren Abfall und Verdammnüß so viel heisse Thränen, daß davon die heisse Quell-Wasser auf dem Erdboden entstünden. Es hat aber der gedachte Origines l. c. gezeiget, daß zwar einige Ketzer und Irr-Lehrer unter den Christen diese ungereimte Meynung hegeten, aber keinem rechtglaubigen Christen dergleichen Thorheit jemals in den Sinn gekommen sey. Die zweyte besondere Eigenschaft, welche wir bey unserm Wißbadischen heissen Wasser antreffen, ist die heilende und gesundmachende Kraft desselben. Und diese ist das vornehmste und angenehmste Gut, welches GOtt in dasselbe geleget, und es dadurch von vielen anderen geschaffenen Wassern gar ausnehmend unterschieden hat. Das aber dergleichen heilende Kraft sich würcklich in demselben befinde, davon zeugen so viele unzähliche, aus nahen und fernen Landen, Jahr aus, Jahr ein, nach Wißbaden kommende Menschen, welche [437] durch den äusseren und inneren Gebrauch dieses heissen Wassers von so mancherley beschwerlichen Zufällen ihres Leibes, unter dem Göttlichen Seegen, immerfort befreyet werden. Fraget man denn nun auch hierbey: woher denn diese heilende Kraft komme, oder, was denn das eigentlich in diesem Wasser sey, welches diese heilende Würckungen verursache? so lässet sich ja wohl darauf gantz sicher antworten, daß solches alles durch die innere mineralische Bestand-Theile desselben, welche es in der Erde an sich gezogen, und deren Daseyn man so bald überhaupt aus dem besonderen Geruch und Geschmack dieses Wassers abnehmen kan, wie auch durch die kräftige Erd-Wärme, welche damit verbunden ist, bewürcket werde. Fraget man nun noch weiter: was denn dieses eigentlich vor mineralische Theile seyen, welche dieses Wasser in sich hat, und worin sie bestünden? so antworten diejenigen, welche den wesentlichen inneren Gehalt dieses Wassers, nach den besten Physicalischen und Chymischen Anweisungen gründlich untersuchet haben, daß solche innere Bestand-Theile (so viel nemlich deren annoch mit dem Wasser zu Tage kommen) hauptsächlich in einem scharfen Mittel-Saltz (Sale enixo) und in wenigem Eisen bestünden. Und zwar, daß sich ein Saltz in diesem Wasser befinde, das bewähret der Geschmack desselben überflüßig. Und daß auch ein Eisen [438] darin befindlich sey, das lehret die gelb-rothe Eisen-Erde, welche es in allen seinen Gängen häufig angeleget, und aus welcher, durch das Feuer, ein würckliches Eisen heraus gebracht wird; wie denn auch diesem Eisen-Gehalte desselben zugeschrieben wird, daß diejenige Sachen, welche von diesem Wasser befeuchtet werden, eine gelb-rothe Farbe an sich nehmen. Was aber das, in diesem Wasser vorhandene fettigte Wesen, welches sich oben auf demselben, als eine zarte Haut, anzusetzen pfleget, und welches allerdings ebenfalls ein wesentlicher Bestand Theil dieses Wassers ist, anbelanget, so geben die vorgedachte Chymie-Verständige vor, daß solches, wegen seiner Zartheit und Flüchtigkeit, durch keine Chymische Kunst begriffen, und zur Absonderung gebracht werden könne, und folglich liesse sichs auch nicht wohl sagen, was dasselbe eigentlich sey, und woraus es bestünde? Doch sey es vermuthlich eine solche Fettigkeit, die von einem unterirdischen hartzigten oder ölichten Erd-Saft, welchen dieses Wasser im Vorbey-Rinnen berühre, ihren Ursprung nehme. Doch sind auch andere, welche es lieber vor einer schwefelichte Materie halten wollen. Es sind also, auf solche Art, die wesentliche Bestand Theile, welche dieses Wasser, bey seinem Ausbruch aus der Erde, und nach geschehener Ausstossung aller undienlichen Neben-Theilen, zu Tage leget, dem Anschein nach, [439] fast wenige und geringe Dinge. Und gleichwohl hat GOtt, der grösseste und bewunderns-würdigste Chymicus, in diese wenige und gering-scheinende Dinge eine gantz besondere grosse Kraft geleget, und ihnen eine sehr mannichfaltige heilende Würckung, wie schon gemeldet ist, anvertrauet. Und diese Würckung ist bey allen besonderen Quellen dieses Wassers ohnerachtet einige derselben heisser und heller Wasser haben, als die andere, dennoch durchgängig einerley. Doch es kan der Leser, wenn er Belieben hat, ein mehreres von den inneren Bestand-Theilen des Wißbadischen warmen Wassers zu wissen, genugsame Nachricht davon finden in den mancherley medicinischen Beschreibungen dieses Wassers, welche von verschiedenen geschickten Medicis und Physicis nach und nach in den Druck gegeben, und in der Vorrede dieses Buches ordentlich benennet sind. Absonderlich aber findet er die ausführlichste und gründlichste Nachricht hiervon in derjenigen Bad-Beschreibung, welche von dem weyland sehr geschickten Wißbadischen Medico und Chymico, Joh. Spethen, nach dem Bericht der bemeldten Vorrede, verfasset und in den Druck gekommen ist. Denn in derselben hat dieser Auctor die wesentliche Bestand-Theile dieses Wassers, aus Chymischen Gründen und Untersuchungen, sehr überzeugend dargethan, und zugleich bewiesen, daß derselben lange [440] keine solche grosse Anzahl sey, als die Medici der vorigen Zeiten insgemein vorgegeben hätten. Denn da dieselbe gemeiniglich fast ein gantzes Bergwerck von allerhand Mineralien, wie er redet, in dem Wißbadischen warmen Wasser vermuthet hätten, so fänden sich doch in der That, und bey angestellten Chymischen Untersuchungen, keine andere in demselben, als diejenige wenige, welche kurtz vorher benennet worden. Wir lassen solches an seinem Orte beruhen, und mercken nur diesmal bey unserem Wißbadischen heissen und heilenden Wasser noch dieses an, daß dasselbe nicht sparsam, oder nur in etlichen Quellen, sondern sehr reichlich und in vielen Quellen in unserer Stadt, aus der Tiefe der Erden, als ein rechtes starckes Grund-Wasser, hervordringe. Die Gegend, worin es vornehmlich hervorquillet, ist von keiner sonderlichen Grösse. Und gleichwohl dringen in diesem kleinen Bezirck so viele grosse und kleine Quellen aus der Erde hervor, daß davon nicht nur fünff bis sechs und zwantzig, meistens sehr grosse Bad-Häuser ihr hinlängliches Wasser zu ihren vielen Bädern überkommen, sondern auch vieles andere Wasser zu einem anderweitigen Gebrauch annoch übrig bleibet, oder gar ohne sonderliche Benutzung wegfliesset. Und, welches merckwürdig ist, so vermindert sich dieses Wasser in seinen Quellen niemals, sondern bleibet allezeit, [441] wie man bisher genau bemercket hat, auch bey der grössesten Sommer-Hitze und Dürre, da sonsten viele Brunnen des kalten Wassers gemeiniglich abzunehmen pflegen, in einem Maase. Und da diese viele heisse Quellen zugleich beständig, wie man mit Augen sehen kan, eine sehr grosse Menge gelb-rother Eisen-Erde mit dem Wasser ausstossen, und also dadurch das Inwendige der Erde, gantz vermuthlich, sehr ausgehölet wird, so muß man sich allerdings sehr wundern, daß sie noch niemalen ein Erd-Fall hierdurch bewürcket worden, sondern bisher, seit undencklicher Zeit, alles in seinem Stande geblieben ist. Abermalige grosse Beweise der, bey diesem Geheimnüß der Natur, auch in diesem Stücke, vorwaltenden Allmacht GOttes! Die vornehmste oder Haupt-Quelle dieses unseres Wißbadischen heissen Wassers findet sich in dem grossen offenen Brunnen, welcher in dem so genannten Sauerlande, auf der freyen Strasse, gleich vor dem Bad-Haus zur Glocke, stehet, und mit einer hohen Mauer ordentlich umfasset ist. Die Länge derselben beträget 24, die Breite 17, die Tiefe, nach dem umliegenden Boden zu rechnen, 3, die Höhe über demselben 5 Werckschuhe[WS 2]. Er wird insgemein von den Stadt-Einwohnern, seit langen Zeiten her, der Koch- oder Sied-Brunn genennet, weil das Wasser in demselben gleichsam kochend oder siedend aus [442] der Erde heraus dampfet. Er bestehet eigentlich aus vielen Quellen, deren einige groß sind und beständig quillen, einige aber klein sind und nur zuweilen quillen. Der inwendige Boden desselben scheinet von ferne mürbe oder brüchig zu seyn, er ist aber in der That Felsen-fest. Daher man gantz sicher grosse Leitern auf denselben setzet, und ohne alle Gefahr in denselben steiget, und ihn, wenn es nöthig ist, von seinen Auswürffen reiniget. Man hat auch vormals das heisse Wasser, welches öfters in grosse Fässer gefasset, und anderswohin verführet wird, durch Einsetzung einer Leiter, aus diesem Brunnen geschöpfet. Dermalen aber wird solches, besserer Bequemlichkeit halben, durch einen Eimer, vermittelst einer an den Brunnen fest-gemachten eisernen Rolle, aus demselben heraufgezogen. Oben auf der Mauer des Brunnens sind einige eingehauene Schriften zu sehen. Es enthalten aber solche nichts anders, als die Nahmen einiger Bad-Wirthen, welche in den vorigen Zeiten gelebet, und an diesem Brunnen Antheil gehabt haben. Daß die Kayserliche Croaten, in dem vormaligen dreyßig-jährigen Kriege, diesem Brunnen sonderlich viel Nachtheil zugefüget haben, das ist bereits oben, in Beschreibung der widrigen Schicksale, welche Wißbaden in diesem Kriege erlitten hat, berichtet worden. In dem Jahr 1722 ist ein Wißbadischer Burger, [443] welcher an einer hitzigen Kranckheit darnieder gelegen, und seines Verstandes nicht mächtig gewesen, aus seiner Behausung, ehe es seine Hausgenossen inne worden, entlaufen, und in diesen Brunnen gesprungen, da er denn, ob man ihn gleich eilends wieder heraus gezogen, so sehr verbrannt gewesen, daß er so bald Todes verfahren. Dergleichen Unglücks-Fälle haben sich mehrere, bey den kleinen Canal- oder Neben-Brunnen dieses Haupt-Brunnens, welche in den Bad-Häusern selbst befindlich sind, zu Zeiten zugetragen, indem mannichmal Kinder in dieselbe gefallen, und so verbrannt worden sind, daß sie, ohngeachtet man ihnen baldigst herausgeholfen, ihr Leben dadurch haben einbüssen müssen. Uebrigens sind der Bad-Häuser,[2] welche dermalen ihr nöthiges Wasser aus diesem Haupt-Brunnen durch Canäle oder Wasser-Leitungen (die gemeiniglich alle Jahre, wegen der vielen gelb-rothen Eisen-Erde, welche das Wasser [444] ansetzet, müssen ausgeräumet werden) überkommen, und welche nicht gar weit von demselben entfernet stehen, achte. Nemlich 1, der weisse Löwe, hieß vormals der rothe Löwe. 2, die Glocke. 3, der weisse Schwan. 4, die Blume. 5, der guldene Engel. 6, die Rose. 7, der Rinds-Fuß. 8, der schwartze Bock. Es ist auch ehemals noch ein Bad-Haus vorhanden gewesen, welches an diesem Brunnen ebenfalls Antheil gehabt, und nahe an demselben gestanden hat, nemlich der Salm. Es ist aber dasselbe, als es in den langwiehrigen Kriegs-Zeiten des 17 Jahrhundert gar sehr in Abgang gekommen, nachmals vollends abgebrochen, und, weil es dem Brunnen allzu nahe gestanden, und demselben an der nöthigen freyen Ausdampfung hinderlich gewesen, nicht wieder aufgebauet, sondern der öde Platz desselben dem Hospital überlassen worden. Auch die geniesset dieses Hospital, seit dem Jahr 1732, dasjenige Wasser aus dem grossen Haupt-Brunnen, welches sonst vormals dem gemeldten Salm zugehöret hatte, weil die, in dem gedachten Jahr, neu-errichtete Hospital-Bäder unversehens zu hoch gestellet, und also der eigene alte Hospital-Brunn etwas unbrauchbar worden ist. Es hat auch vormals nicht weit von diesem Haupt-Brunnen ein Bad-Haus gestanden, welches (L. St. f. 186) zum rothen Schild ist genennet worden. Ob das aber ein [445] Bad-Haus sey, das noch stehet, und nur das Schild abgeändert hat, oder aber, ob es gantz und gar abgängig geworden sey? das lässet sich aus solcher Nachricht nicht völlig erkennen. Nur so viel wird gemeldet, daß es gegen das Ende des 16 Jahrhundert wüst gelegen habe. Der zweyte Haupt-Brunnen des Wißbadischen heissen Wassers ist der Adler-Brunn. Dieser stehet in dem Hofe des Bad-Hauses zum schwartzen Adler, ist offen und mit einer Mauer umfasset. Er ist etwas kleiner, als der, kurtz vorher beschriebene, größte Haupt-Brunn, aber tiefer, als derselbe, weil das Wasser in diesem, wegen der hoch-liegenden Canäle, höher steiget, als in jenem. In dem Jahr 1710 hat sich das Wasser aus diesem Brunnen auf einmal und gantz unvermuthet verloren. Denn da der Bewohner eines ohnweit dem Adler stehenden Hauses eine tiefe Grube, wegen eines gewissen Vorfalls, in seiner Behausung gegraben, so ist darauf, wider alles Dencken, diese Grube und sein gantzes Haus voll heisses Wasser, der Adler-Brunn aber, dessen Wasser sich durch unterirdische Gänge dahin gezogen, davon gantz leer worden. Man hat grosse Mühe gehabt, diese in die äusserste Unordnung gerathene Quelle wieder in ihre vorige Ordnung zu bringen, und hat man daher auch, dieser Angelegenheit wegen, öffentliche Fürbitten in der Kirche thun lassen. Es ist aber doch endlich alles wieder in Ordnung und [446] in seinen vorigen Gang gekommen. Im Jahr 1722 ist eine frembde Weibs-Person, als sie Wasser aus diesem Brunnen hat schöpfen wollen, ohnversehens in denselben hinein gefallen, und ohnerachtet man sie bald wieder heraus gezogen, gleichwohl so verbrannt worden, daß sie ihr Leben dadurch verlohren hat. Sonst findet sich, nicht weit von diesem heissen Brunnen, in dem Adler-Hof auch eine kalte Wasser-Quelle, welche eben die Mineralien, oder den inneren Gehalt hat, wie die heisse Quelle. Und es ist kurtz vorher berichtet worden, daß man zu vermuthen pflege, es sey solches kalte mineralische Wasser ebenfalls, in der tiefen Erde, erhitzet gewesen, durch das lange Herumlaufen aber, vor seinem Ausbruch aus der Erde, wieder erkältet worden. Uebrigens bekommen aus dem heissen Adler-Brunnen folgende Bad-Häuser ihr Wasser: 1, der schwartze Adler 2, der Hirsch, welches Haus dermalen ein Juden-Bad-Haus ist. 3, die Crone. 4, der schwartze Bär, welches Haus so eingerichtet ist, daß es als ein Haus, und auch als zwey Häuser kan gebrauchet werden, in welchem letzteren Fall es so denn noch ein Schild, nemlich 5, den Riesen, aufzuhängen pfleget. Ausser diesen zweyen, bisher beschriebenen, grossen Haupt-Brunnen des heissen Wassers sind auch viele andere kleinere Brunnen, daraus die übrige Bad-Häuser ihr Wasser [447] bekommen, in unserm Wißbad befindlich. Sie stehen aber alle verdeckt in der Erde, und zwar hier und dar in Häusern, Höfen, Gärten und Strassen, und werden nicht eher, als bey Aufgrabung ihrer Canälen, gefunden. Einige derselben sind gemeinschaftlich, oder werden von verschiedenen Bad-Häusern zugleich benutzet. Und zwar so hat das gemeine Bad und das Schützen-Bad einen solchen verdeckt-stehenden Brunnen mit einander gemein. Das gemeine oder Burger-Bad hat den Nahmen daher, weil es ein gemeines Stadt-Bad ist, darin die Einwohner der Stadt, ohne Entgeld zu baden, die Freyheit haben. In den gantz alten Wißbadischen Schriften (z. E. im Gerichtsb. f. 20, 21, 89, 116 etc.) wird es gemeiniglich das Mane- oder Manne-Bad, das ist so viel, als Gmane oder Gemeine Bad genennet. Und von den Häusern, welche um dieses Bad herum stehen, heisset es in solchen Urkunden, nach der damaligen Art zu reden, daß sie uf dem gemeinen Bad lägen. Das Schützen-Bad oder der Schützen-Hof hat den Nahmen von den adlichen Schützen von Holtzhausen, welchen dieses Haus um den Anfang des 17 Jahrhundert zugehöret hat. Es ward auch noch vorher das Dinheimer-Bad, von den Besitzern desselben im 16 Jahrhundert, den Adlichen von Dinheim, (laut Webers Beschreibung des Wißbads) genennet. Und noch vorher in dem 15 Jahrhundert hat es (laut [448] Gerichtsb. f. 55.) einem Herren in Maintz zugehöret, welcher aber eben einer von den gemeldten Dinheimen scheinet gewesen zu seyn. Nachmals, als es um die Mitte des 17 Jahrhundert an die Gräflich-Nassauische Landes-Herrschaft gekommen, ward es das Grafen-Bad genennet. Es ist aber, dem ohngeachtet, doch der vorige Nahme Schützen-Bad wieder hervor gekommen, und ist auch noch jetzo gewöhnlich. Das Bad-Haus zum Stern, und zum goldenen Reichs-Apfel, (welches vormals der Vogel-Gesang hieß) haben auch einen gemeinschaftlichen Brunnen. Die übrige Bad-Häuser haben dermalen ein jedes seinen eigenen Brunnen, und sind folgende.: 1, das Hospital- oder Armen-Badhaus, welches aber seinen eigenen Brunnen dermalen, wie bereits oben berichtet ist, nicht benutzet. 2, der Spiegel. 3, das goldene Creutz, hieß vormals der wilde Mann. 4, das Rebhun, welches Haus dermalen ein Juden-Badhaus ist. 5, die Sonne, hieß vormals das weisse Roß. 6, die Krohe, hieß vormals der Helm. 7, die Lilie. 8, der halbe Mond, hieß vormals die Stege. 9, die zwey Böcke. Es ist auch vormals noch ein Bad-Haus in Wißbaden gewesen, welches (wie Hoernigk in seinem Wißbadischen Bad-Buch in 12 berichtet) seinen eigenen Brunnen gehabt hat, und das Neue Bad ist genennet worden. Wo aber solches gestanden [449] habe, und ob es noch, unter einem anderen Nahmen, vorhanden, oder aber gantz und gar abgängig worden sey? das lässet sich nicht entscheiden. Doch ist das letzte, verschiedener Ursachen wegen, mehr, als das erste, zu vermuthen. Ausser diesen bisher benennten Brunnen finden sich auch einige, welche zum gemeinen Gebrauch auf den öffentlichen Strassen stehen. Als da ist der so genannte Brüh-Born, darin das geschlachtete Vieh abgebrühet wird. Item zwey in dem so genannten Graben. Auch hat noch vor kurtzem ein solcher Brunn vor dem Bad-Haus zum Rebhun auf der offenen Strasse gestanden, welcher der Rebhünleins-Brunn genennet wurde. Es ist aber derselbe, bey vorgenommener Veränderung der Gebäuden und Strassen daselbst verschüttet und verbauet worden. Mehr andere dergleichen kleine Brunnen stehen noch hin und wieder in den Höfen des so genannten Sauer- oder Bad-Landes verdeckt, oder sind gar vorsetzlich, weil sie den Gebäuden einige Ungelegenheit zugezogen, und doch keine mehrere ordentliche Bad-Häuser dörffen errichtet werden, mit Erde zugeschüttet. Man giebt in Wißbaden vor gewiß vor, daß man in der so genannten Stadt, zwischen dem Uhr-Thurn und dem Stadt-Thor, hier und dar in der Erde, vor nicht gar langer Zeit, einige alte Bad-Kasten oder gemauerte Bäder angetroffen habe. Wenn dieses Vorgeben Grund [450] hat, so müssen vormals ebenfalls einige warme Quellen daselbst vorhanden gewesen, oder aber (welches wahrscheinlicher ist) das Bad-Wasser durch Canäle aus der eigentlichen Bad-Gegend unseres Wißbads bis dahin seyn geleitet worden. Uebrigens ist noch zu mercken, daß die Gewohnheit, die Bad-Häuser in Wißbaden, durch die aufgehängte Schilde von einander zu unterscheiden, nicht scheinet gar ausnehmend alt zu seyn. Denn in den Wißbadischen Schriften des 14 und 15 Jahrhundert findet man keine Spur davon, sondern jedes heisset durchgängig, wenn etwan eines oder des andern Bad-Hauses in demselben gedacht wird: das Huß im Bade, oder auch: uf dem Bade, oder: zu dem Bade, das ist: in der Bad-Gegend oder im Sauerland. Item: das Huß und Bayd oder Bad des N. Item: das Bad by des N. Huß. Item: in des N. Huse zum Bade. Item: die Hobereyd, Hobestad, zu dem Bade. Item: das Bade Huß das dem N. oder des N. ist. Item: das Bade Huß das zwischen des N. Huß und zwischen des N. Huß gelegen ist etc. welcher Weitläuftigkeit man gar nicht bedurft hätte, wenn die mancherley Bad-Häuser durch besondere Schilde von einander unterschieden gewesen wären. Es ist aber doch damals ein Bad-Haus vorhanden gewesen, welches einen besonderen Nahmen, vor den andern Bad-Häusern, gehabt hat, [451] nemlich des Kaysers-Bad. Denn so heisset es in dem alten Wißbadischen Gerichtsb. f. 58. In dem Jahr 1428 verzinseten die Nonnen von – ihr Bad und Hofstad gelegen neben dem Bad das man nennet des Kaysers Badt –. Daß dieses Bad-Haus diesen Nahmen nicht von ohngefähr und ohne Ursache überkommen habe, das lässet sich gantz sicher daraus schliessen, weil es vormals, wie eben jetzo gezeiget ist, in Wißbaden nicht üblich gewesen, daß man einem Bad-Hause einen besonderen Nahmen, und noch vielweniger einen besonderen Nahmen von ohngefähr, oder aus einem blossen willkührlichen Einfall des Besitzers, (wie wohl heut zu Tage geschicht) beygeleget habe. Auch kan diese Benennung nicht von dem Nahmen des damaligen Besitzers, der etwan Kayser könnte geheissen haben, entstanden seyn. Denn es wird diese Redens-Art: das Bad oder Badehuß das man nennet das N. Bad, von keinem eintzigen anderweitigen Bad-Haus in den alten Wißbadischen Gerichts-Büchern gebrauchet, sondern es heisset in denselben immerzu schlechthin: das Bad oder Badehuß des N. oder, das des N. ist etc. dabey denn allezeit der Vor- und Zu-Nahme des Besitzers völlig ausgedrucket ist. Es ist also gantz sicher, daß diese besondere Benennung dieses Bades durch eine besondere Veranlassung werde entstanden, und da es ein Kaysers-Bad [452] heisset, erst auch von einem würcklichen Kayser also werde benennet worden seyn; folglich derselbe solches etwan selbst erbauet und besessen, oder aber doch einige Zeit lang sich des Gesund-Wassers in demselben bedienet haben. Wie denn z. E. in der Reichs-Stadt Achen, bekanntlich, ein Bad ist, welches um deßwillen das Kaysers-Bad heisset, weil es vormals von einem Kayser, nemlich Carl dem Grossen, ist erbauet und gebrauchet worden. Welcher Kayser aber dieser gewesen sey, der zu der Benennung unseres Wißbadischen Kaysers-Bades die Veranlassung gegeben habe? das ist nicht wohl möglich zu bestimmen. Es ist zwar oben in der zweyten Abtheilung gezeiget worden, daß der Kayser Otto der Grosse vormals in Wißbaden sich eine Zeitlang aufgehalten habe. Auch ist eben daselbst gemeldet worden, daß der Kayser Carl der Grosse ebenfalls unser Wißbad, aller Vermuthung nach, werde besuchet haben. Allein es mögen wohl der Kayser noch mehrere gewesen seyn, welche etwan in den vorigen Zeiten gelegenheitlich nach Wißbaden gekommen sind, und sich daselbst aufgehalten haben, obgleich keine schriftliche Nachricht davon bis auf unsere Zeiten ist aufbehalten worden. So viel ist wohl zu vermuthen, daß dieser Nahme des Kaysers-Bades nicht von dem Kayser Adolph, aus dem Hause Nassau, welchem Wißbaden zugehöret hat, seinen [453] Ursprung genommen habe. Denn obgleich dieser Herr, in der That, Kayser gewesen, so hat er sich doch, weil er die Päbstliche Crönung nicht erhalten hat, nicht Kayser, sondern, nach Gewohnheit der damaligen Zeiten, wie bekannt, nur Römischen König genennet. Und also würde dieses Bad, wenn es von ihm den Nahmen erhalten hätte, nicht Kaysers- sondern Königes-Bad seyn genennet worden. Wie etwan z. E. vormals, bey Creutzburg an der Werra, der Ort, wo dieser Kayser Adolph mit seiner Armee über die Werra gegangen ist, zum Andencken dessen, die Königs-Furt ist genennet worden. Siehe Spangenbergs Sächsische Chronick p. 462. Es hat also das Wißbadische Kaysers-Bad allerdings von einem solchen Herren, der auch, neben Nahmen nach, Kayser gewesen, diese Benennung in den alten Zeiten überkommen. Welches Bad-Haus aber, unter den Wißbadischen Bad-Häusern, vormals das Kaysers-Bad gewesen sey? das ist dermalen unbekannt. Doch lässet sich so viel, aus den oben angeführten Worten des Gerichts-Buches, ziemlich deutlich ersehen, daß es neben einem andern Privat-Badhause, und also in der eigentlichen Bad-Gegend des Wißbads, wo mehrere dergleichen Privat-Badhäuser vorhanden sind, müsse gestanden haben. Gegen das Ende des 15 Jahrhundert ist in unserem Wißbad (wie aus U. erhellet) die [454] Gewohnheit nach und nach aufgekommen, die Bad-Häuser durch besondere Schild-Zeichen von einander zu unterscheiden. Und da hat sich dieses Kaysers-Bad auch nach dieser Gewohnheit gerichtet, und durch ein aufgehängtes Schild sich einen anderen Nahmen gegeben. Es ist zugleich damals auch noch eine andere Gewohnheit bey den Bad-Häusern in Wißbaden (wie in mehr andern dergleichen Bad- und Brunnen-Oertern, z. E. in dem benachbarten Langen-Schwalbach etc. auch geschehen ist) unter der Hand aufgekommen, nemlich diese, daß, wenn Herrschaftliche Standes-Personen in denselben sich des Bades bedienet, sie, währendem solchem ihrem Aufenthalt daselbst, ihr Wappen-Schild auswendig an denselben aufgehänget, und solches, bey ihrem Abzug, zum Andencken daselbst hinterlassen haben. Wie man denn dergleichen alte Herrschaftliche Schilde noch vor weniger Zeit an verschiedenen Bad-Häusern in ziemlicher Menge hat sehen können. Es ist aber diese unnöthige Gewohnheit nach und nach in Abgang gekommen, und wird heut zu Tage nicht mehr beobachtet.

2. Die zweyte Natur-Seltenheit des Wißbads ist der Faulborn. Dieser stehet vor dem so genannten Maintzer-Thor, und ist von einer ziemlichen Grösse, auch mit [455] Steinen eingefasset, und mit einem eisernen Gegitter verwahret. Er heisset der Faulborn, weil er ehemals, da der Grund und Boden um denselben herum annoch sehr schlammicht und faulicht gewesen, und er solchen Geschmack an sich gezogen hatte, ziemlich faulicht geschmecket hat. Nachdem aber der Boden daselbst besser ausgetrucknet, der Brunn selber aber ordentlich eingefasset und erhöhet worden, so hat er den faulichten Geschmack zwar fast völlig verlohren, den Nahmen aber eines Faulborns dennoch bis jetzo behalten. Er ist übrigens nichts anders, als ein mineralischer Brunn, und sein Wasser ist in der That, wie der Geschmack des ausweiset, ein erkaltetes und mit etwas wenigem schlechten Wasser vermischtes Bad-Wasser; hat auch fast eben die Mineralien, welche man bey dem heissen Bad-Wasser antrifft, in sich, wirft auch solche gelb-rothe Eisen-Erde aus, wie dieses. Und es ist bereits etlichemal erinnert worden, daß, wie einige vermuthen, dieses Faulborn-Wasser, und mehr andere dergleichen in Wißbaden befindliche kalte mineralische Wasser, ebenfalls vorher in der Erde erhitzet gewesen, durch das weite Herumlaufen aber in den unterirdischen Gängen, wie auch durch einige zufällige Vermischung mit anderem kalten Wasser, vor ihrem Ausbruch aus der Erde, wieder erkaltet worden. Man schreibet diesem Faulborn-Wasser auch [456] verschiedene heilsame Kräfte zu, wenigstens wird dies in mancherley Kranckheiten mit gar gutem Nutzen zum Trincken gebrauchet. Es sind nahe um Wißbaden herum noch mehr kleine mineralische Faulbrunnen (wie sie insgemein genennet werden) anzutreffen, sie sind aber nicht so gut und brauchbar, wie dieser.

3. Die dritte Natur-Seltenheit des Wißbads ist das Sol oder Saltz-Wasser, oder dasjenige Wasser, welches einen ziemlichen Gehalt von gutem Küchen-Saltze bey sich führet. Dieses quillet in und um Wißbaden hin und wieder, sonderlich aber nahe bey dem vorgemeldten Faul-Brunnen, starck hervor. Man ist daher mehrmalen auf den Vorschlag gekommen, eine ordentliche Saltz-Sode nahe bey diesem Brunnen aufzurichten. Und im Jahr 1731 hat man würcklich solches in das Werck zu richten gesuchet, auch zu dem Ende mit Grabung und Anrichtung der Saltz–Brunnen in derselben Gegend einen Anfang gemacht. Nachdem aber nicht nur der Saltz-Gehalt des Wassers allzu arm befunden worden, sondern sich auch einige Anzeigen hervorgethan, daraus man nicht undeutlich hat schließen können, es möchte vielleicht das Wißbadische warme Gesund-Wasser durch unterirdische Gänge nach solchen Saltz-Gruben sich hinziehen, und also die Bäder, als das Haupt-Kleinod der Stadt, dadurch einen [457] unersetzlichen Schaden erleiden, auch noch über das die Wißbadische Wälder durch das Saltz-sieden in den äussersten Ruin gesetzet werden; als hat man diesem Saltzbrunnen-Geschäfte wieder einen Anstand gegeben, und solches endlich, mit gutem Bedacht, völlig wieder eingestellet.

4. Die vierdte Natur-Seltenheit des Wißbads ist das so genannte Wiesen-Brünnlein. Dieses stehet vor dem so genannten Sonnenberger-Thor in einem angenehmen Wiesen-Grunde, und hat eben dieser Umstand der Gegend, darin es befindlich ist, Anlaß gegeben, daß ihm, von alten Zeiten her, der Nahme eines Wiesen-Brünnleins ist beygeleget worden. Es hat dieses Brünnlein zwar kein mineralisches oder gesaltzenes, sondern ein ordentlich schlechtes, oder, wie man zu reden pfleget, süsses, und dabey sehr frisches und kaltes Wasser. Aber eben um deßwillen ist es als eine würckliche sonderbare Seltenheit der Natur bey unserer Stadt anzusehen, weil hier die Natur in einem Grund und Boden, und zwar so nahe beysammen, ein sehr heisses gesaltzenes, und auch ein sehr kaltes süsses Wasser aus der Erde hervorsteigen lässet; wie denn der oben beschriebene heisse Sied-Brunn nicht sonderlich weit von diesem Wiesen-Brünnlein entfernt ist. Und ist das Wasser dieses Brünnleins vor die Einwohner dieser [458] Stadt ein desto angenehmere Seltenheit der Natur, weil es fast das eintzige, wenigstens das stärckste, süsse Quell-Wasser ist, welches man nahe bey der Stadt findet. Daher auch dieses Brünnlein, zumalen es auch noch dabey im Sommer denen frembden Bad-Gästen, wegen der daselbst hingepflantzten Bäumen und Alleen oder Laub-Gängen, zu einer vergnügenden Ergetzung dienet, jederzeit in gutem Stande erhalten wird, auch schon öfters, noch im Jahr 1754, ist erneuert und ausgebessert worden. Es bestehet aber dasselbe aus verschiedenen Quellen, welche nahe bey der Mauer, womit es umfasset ist, zu beyden Seiten derselben, etwas tief in der Erde sich hervor thun, und durch besondere verdeckte Röhren zusammen in einen Wasser-Kasten, welcher hinter den Spring-Röhren befindlich ist, geleitet werden. Man hat zwar mehrmalen davor halten wollen, daß die Quellen dieses Wiesen-Brünnleins ihr Wasser eigentlich von derjenigen Bach, welche nahe bey demselben vorbey fliesset, durch verborgene Löcher der Erde überkämen. Allein es ist diese Vermuthung gantz ohne Grund. Denn 1, ist das Wasser des Brünnleins von gantz anderer Art und Beschaffenheit, als das Wasser in der gemeldten Bach, wie solches die Physicalische Untersuchungen und Abwiegungen der beyderley Wasser bezeugen. Das Wasser des Brünnleins ist hart, das Wasser [459] der Bach aber ist weich. 2, ist das Wasser des Brünnleins zu aller Zeit, auch in dem heissesten Sommer, eiß-kalt, dahingegen das Wasser in der bemeldten Bach um solche Zeit etwas lau und matt zu werden pfleget. 3, fliesset das Wasser des Brünnleins beständig, auch zu solcher Zeit, wenn die Bach zuweilen abgeleitet wird, und ohne Wasser ist, in einem Maase fort. Daß aber das Wasser dieses Wiesen-Brünnleins zu Zeiten, bey entstehendem starcken Regen-Wetter, etwas trüb wird, das kommt nicht von dem trüben Wasser der Bach her, sondern von dem Regen-Wasser selber, als welches durch die Ritzen der Erde in die Quellen des Brünnleins sich einsencket, wie solches bey mehr andern dergleichen Quell-Brunnen, in solchen Fällen, bekanntlich, zuweilen zu geschehen pfleget.

5. Die fünfte Natur-Seltenheit des Wißbads ist das Frauen-Eiß, oder, wie es auch, nach dem Vorgeben einiger Natur-Lehrer (welchen jedoch andere widersprechen) genennet wird, Frauen-Glas, Sperr-Glas, Spiegel-Stein, Mond-Stein, Glacies Mariae, Selenites, Lapis lunaris etc. Dieser Stein ist in dem Wißbadischen Felde, in dem so genannten Hayn-Graben, an der lincken Seite des, durch denselben gehenden, Weges nach Erbenheim zu finden. Er ist auswendig rauh und unansehnlich, inwendig aber schön und hell [460] wie Glas, und lässet sich dabey mit dem Messer in kleine Blättlein zerlegen, durch welche man alles, als durch ein helles Glas, sehen kan. Auch werden von demselben durch die Stein-Künstler allerley seltene Sachen ausgearbeitet. Es ist zwar dieser Stein an dem gemeldten Orte, seit einiger Zeit, etwas rar worden, weil das Wasser, welches vormals durch diesen Graben geflossen, und welches vermuthlich, durch die Befeuchtung der daselbstigen Thon-Erde, vieles zu seiner Zeugung beygetragen, durch anderweitige Ableitung demselben sehr entgangen ist. Indessen wird er doch noch würcklich zu Zeiten daselbst gefunden. In dem Jahr 1700 – aber war er gar häufig daselbst anzutreffen, und sind grosse Stücke desselben von den Liebhabern der Natur-Seltenheiten damals herausgegraben und beybehalten worden. Er wird sonst in wenigen Gegenden unseres Teutschlandes gefunden.

6. Die sechste Natur-Seltenheit des Wißbads ist der Feuereisen-Stein, oder, wie er auch genennet wird, Schwefel- und Eisen-Kieß-Feuerstein, Eisen-Ertz, Pyrites, Minera Martis etc. Dieser Stein, welcher von einem starcken Eisen-Gehalt ist, (daher er auch den Nahmen hat) wird in den Wißbadischen Feldern und Wäldern, an vielen Orten, angetroffen. Und dann noch mehr [461] dergleichen Ertz-haltende Steine in dieser Gegend befindlich sind, so ist man mehrmalen in Wißbaden auf die Gedancken gerathen, ein ordentliches Berg-Gewerck zur Untersuchung und Benutzung dergleichen Ertz-Gehalten anzurichten. Es ist auch solches zu Anfang dieses 18 Jahrhundert würcklich in etwas unternommen, und in dem Walde bey Wißbaden, ohnweit der so genannten Aue, von einigen Berg-Leuten die Erde durchsuchet worden. Es haben sich aber bald solche Umstände dabey hervorgethan, daß man vor gut befunden, solches Unternehmen in Zeiten (gleichwie es bey mehr andern dergleichen in dem Wißbadischen Lande angebrachten Geld-Mehrungs-Projecten, welche bereits in dem vorhergehenden hier und dar sind bemercket worden, geschehen ist) wieder einzustellen. Indessen sind die Spuren von solcher damals unternommenen Durchsuchung der Erde annoch in der gemeldten Gegend einiger massen zu sehen. Wenn der Bericht, welcher bey dem alten Römischen Geschicht-Schreiber Tacito A. XI. c. 20. befindlich ist, in den Worten seine Richtigkeit hat, (daran jedoch einige Gelehrte zweifeln) so haben die alte Römer schon um das Jahr Christi 47 in agro Mattiaco, das ist, beyläufig in der Gegend um Wißbaden herum ebenfalls allerley Ertz- und gar Silber-Gehalte in der Erde gesuchet, allein, weil sich wenig Vortheil dabey geäussert, ebenfalls [462] bald wieder von diesem Vornehmen abgestanden.

7. Die siebente Natur-Seltenheit des Wißbads ist der selbst-gewachsene Vitriol, oder, wie er auch genennet wird, Victril, quasi parvum vitrum. Diesen hat man vormals ziemlich häufig in dem Wißbadischen Felde, sonderlich in der Gegend des gemeldten Faulbrunnens, gantz frey über der Erde gefunden. Dermalen trift man ihn daselbst etwas seltener an. Es ist aber der Vitriol, bekanntlich, ein uneigentliches Saltz, eines zusammenziehenden Geschmackes, bestehend aus einem sauern Saltz und aus einem metallischen Cörper, welcher letztere entweder Eisen ist, und so denn einen grünen Vitriol auswürcket, oder Kupfer ist, und so denn einen blauen Vitriol abgiebet. Der Wißbadische Vitriol ist, wie man ihn findet, grün von Farbe, und annoch mit vielem Schwefel verbunden, und ist also eigentlich ein Eisen-Schwefel-Kieß. Er ist aber von der Natur schon so zubereitet, daß er so gleich kan ausgelauget, und zu allerley Nutzen (davon man in der Natur- und Artzney-Lehre weitere Nachricht bekommt) kan angewendet werden.

8. Die achte Natur-Seltenheit des Wißbads ist der Kalck-Stein. Dieser wird nahe bey Wißbaden in dem Acker-Felde hier und [463] dar häufig gefunden und ausgegraben, und durch das Feuer in brauchbaren Kalck verwandelt. Es sind diese Kalck-Steine eine Natur-Seltenheit, nicht nur wegen des Kalcks, welchen sie, wie gedacht, vor andern Steinen, bey sich führen, sondern auch, wegen der vielen kleinen Schnecken-Häuser, welche in den meisten derselben, in unzählicher Menge, befindlich sind. Diese kleine Schnecken-Häuser sind eine grössere Natur-Seltenheit, als man sich anfänglich vorstellet. Denn es kan ordentlicher Weise kein Schnecken-Haus entstehen, ohne allein von einer lebendigen Schnecke, als welche solches ihr Haus selbst, wie bekannt, von ihrer zähen Leibes-Feuchtigkeit zubereitet. Hier aber trift man in einem Stein, von nicht sonderlicher Grösse, oft nicht einige, sondern viele, ja hundert und tausend solcher kleinen Schnecken-Häuser an. Wie es nun möglich seyn könne, daß auch viele, ja hundert und tausend lebendige Schnecken sich sollten darin aufgehalten, und diese Häuser zugerichtet haben? das kan der menschliche Sinn schwerlich begreifen. Es haben daher die mehreste Kenner der Natur bey dieser seltsamen Sache keinen andern Ausweg finden können, als daß sie dahin geschlossen haben, es seyen solche in den Steinen vorhandene kleine Schnecken-Häuser (dergleichen man auch anderstwo in einigen anderen Steinen findet) nicht von würcklichen [464] lebendigen Schnecken entstanden, sondern es seyen dieselbe eine blosse zufällige Würckung der zeugenden Natur, sonderlich der mancherley Stein-Säften, als durch welche dergleichen kleine Schnecken-Häuser, ohne daß man dessen eine besondere Ursache geben könnte, also seyen gebildet worden. Mel thut in seiner Physic oder Schau-Bühne der mancherley Natur-Wunder GOttes P. I. p. 102 hiervon diesen Ausspruch: Man muß sich bey dergleichen Bildungen der Natur vielmehr über die Allmacht GOttes verwundern, als daß man nach der Ursache solcher Würckungen fragen sollte. Wie der grosse Schöpfer alles nach seiner Art geschaffen, so hat er auch verschiedenen Theilen der Erde solche Gesetze oder Würckungen gegeben, die keine Vernunft ausgrüblen kan. Mit diesen Worten und mit völliger und billiger Beystimmung der darin enthaltenen Wahrheit, wird unsere Beschreibung der Wißbadischen Natur-Seltenheiten dismal beschlossen und versiegelt.




  1. Es wird zwar in einigen Wißbadischen Bad-Beschreibungen vorgegeben, daß in dem Walde bey Wißbaden hier und dar verschiedene Klüfte zu finden wären, aus welchem man einen Rauch heraus dünsten sähe, und also daraus schliessen könnte, daß entweder heisses Wasser, oder gar ein unterirdisches Feuer daselbst vorhanden sey. Allein es ist dieses Vorgeben ohne Grund, und es hat sich noch niemand gefunden, der dergleichen Rauch-Klüfte, um Wißbaden herum, mit einiger Gewißheit hätte zeigen können. Und die Dünste, die man etwan zu Zeiten in den Wißbadischen Feldern und Wäldern über der Erde wahrnimmt, sind nichts anders, als gemeine Erd-Dünste, dergleichen sich auch in andern Gegenden, wo keine warme Wasser-Quellen vorhanden sind, aus natürlichen Ursachen, zuweilen zu äussern pflegen.
  2. Der Autor verhält sich in Beschreibung des Antheils, welchen die verschiedene Bad-Häuser des Wißbads an diesem und den andern warmen Brunnen daselbst haben, bloß allein als ein Historicus, das ist, er beschreibet diese Sache schlechtweg, wie sie sich dermalen befindet; lässet aber dem Widerspruch, welchem etwan dieses oder jenes Brunnen-Recht unterworffen seyn möchte, seine Gültigkeit dadurch völlig unbenommen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Wohl Jesus Sirach.
  2. 1 Werkschuh = 12 Zoll = ungefähr 30 cm.
« Dritte Abtheilung: Das Nassauische Wißbad Gottfried Anton Schenck
Geschicht-Beschreibung der Stadt Wißbaden
Zweyte Zugabe »
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
  Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.