Geschichte der Stadt Basel. Erster Band/2. Die rudolfinische Zeit/1. König Rudolf

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Geschichte der Stadt Basel. Erster Band/2. Die rudolfinische Zeit
von Rudolf Wackernagel
Das Stadtbild
{{{ANMERKUNG}}}
  Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

[39] 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000

Erstes Kapitel.
König Rudolf.




Mit der Wahl Rudolfs nahm vor den Toren Basels eine neue Zeit ihren Anfang. Kurz nach der Krönung erließ der König ein Schreiben an die Stadt Basel, worin er erklärte, aller Groll sei vergessen, er wolle der Stadt gnädig sein und alle ihre Rechte und Freiheiten bestätigen. Die Gemeinde antwortete mit einem begeisterten Huldigungsbrief.

Von da an hat eine unwandelbare Freundschaft den König Rudolf und seine getreue Stadt Basel verbunden, und noch heute ist hier seine Gestalt eine dem Volke vertraute.

Nach einer langen schrecklichen Zeit des Haders und der Rechtlosigkeit war in seiner Person der Friede wiedergekehrt und dem Reiche ein mächtiger Führer, ein Wahrer der Ordnung wieder erstanden. Und weil nach seinem Tode sofort neue Zwietracht entstand, war mit seinem Andenken die Erinnerung an eine friedevolle Zeit unlöslich verbunden. „Solche Friede war auf Erden nie gesehen noch erlebt worden“, schreibt Gottfried von Ensmingen. „In seinem Anschauen ruhte ganz Deutschland, und vor seinem Antlitze scheute sich jedermann.“ Aber der hier als Friedefürst gepriesen wird, der erhielt auch das Lob eines tapfern und klugen Kriegers, eines meisterlichen Heerführers.

Daneben das Bild seiner eigensten Persönlichkeit, des Mannes von hohem Wuchs und schlanken Gliedern, mit ernstem bleichem Antlitz und einer langen Nase, der in Speise und Trank mäßig war und von äußerster Schlichtheit der Kleidung, und der auch mit dem gemeinen Manne zu reden und zu scherzen verstand.

In diesen Zügen lebt das Andenken des großen Königs Rudolf noch heute in Basel weiter. Jedes Kind kennt die Geschichte seiner Bewirtung beim Basler Gerber, und jeder gute Basler ist im Stillen stolz darauf, daß Rudolf, gerade da er mit Belagerung unserer Stadt beschäftigt war, zum deutschen König erhoben wurde. Wer das alte Steinbild im Seidenhof [40] anschaut, das uns den König Rudolf zeigt mit Szepter und Reichsapfel, in Krone und Mantel auf seinem Stuhle sitzend, der erblickt darin ein Denkmal vertrauter Beziehungen des Königs zu Basel; weiter schreitend findet er im Chore des Münsters das feierlich schöne Grabmal, darin Rudolfs Gemahlin Jahrhunderte lang geruht hat. Die Erinnerung an mannigfaches tätiges Eingreifen des Königs in die Geschichte der Stadt, an Verleihung wichtiger Gnaden und Freiheiten durch ihn ist nicht erloschen. König Rudolf von Habsburg ist der heute am besten gekannte der alten Herrscher und neben dem guten Kaiser Heinrich beinahe zum Patrone der Stadt geworden.


Wenige Wochen nach Uebernahme der Krone bestätigte Rudolf der Kirche Basel die Rechte, die sie von seinen Vorfahren am Reich, insbesondere von Friedrich II. erhalten habe. Damit war also auch der Ulmer Spruch von 1218 über den Rat der Stadt bestätigt. Aber eine tatsächliche Wirkung kam dem doch nicht zu. Die Urkunde will nichts sein als Zeugnis der Huld für den frühern Gegner. Ueberdies war Rudolf zu Beginn seiner Herrschaft gewillt, sich den Städten förderlich zu erzeigen, wo nötig auch auf Kosten des Episkopats.

So brachte denn schon das erste Regierungsjahr Rudolfs auch für die Stadt Basel zwei Privilegien. Das eine, vom 17. Juni 1274, gewährte den Basler Bürgern, daß sie weder wegen ihres Bischofs noch wegen seiner oder eines Andern Schulden von irgend jemand gepfändet werden könnten; wer einen Anspruch an sie habe, solle sie vor dem König belangen. Es wurde damit anerkannt, daß für die Stadt Basel als Korporation der Gerichtsstand vor dem König sei; dorthin gewiesen wurden alle Anforderungen, die an die Gemeinde, an die Gesamtheit der Bürger erhoben wurden. Eine Ergänzung hiezu war dann das kurz nachher, am 20. September 1274, erlassene Reichsgesetz, das Forderungen an einzelne Bürger vor das Gericht der Stadt selbst wies. Beide Verfügungen zusammen bedeuteten eine Ordnung des Rechtszustandes, die nach den langen Zeiten des Streites und der Unsicherheit hochwillkommen sein mußte. In den gleichen Tagen, 15. Juni 1274, erneuerte Rudolf den Baslern das Privileg König Heinrichs von 1227, das sie lehnsfähig erklärte.

Am 13. September 1274 war Bischof Heinrich gramvoll gestorben; sein Letztes war die feierliche Urkunde gewesen, in der er die Steuerlast der Kleinbasler Bürger ermäßigte.

[41] Sein Tod bezeichnet deutlich die Grenze zweier Zeiten. Er war der letzte Basler Bischof mit einer Politik großer Art; sein Versuch, das Hochstift zu einem bedeutenden Territorialfürstentum auszubauen, war mißlungen und wurde von keinem seiner Nachfolger mehr aufgenommen. Mit ihm ging aber auch eine denkwürdige Periode der Stadtgeschichte zu Ende. Als er starb, hinterließ er beide Städte Basel mit Verfassungen ausgestattet und die lange Reihe der Zünfte organisiert. Im Besitze dieses Rechtes, dessen eigenartige, durch Heinrich ihm gegebene Formulierung nicht mehr preisgegeben wurde, gewann sich Basel sofort, als dieser letzte Bischof der alten Zeit nicht mehr war, eine neue Stellung zu Reich und Stadtherr.

Heinrich von Neuenburg erhielt sein Grab in der Marienkapelle neben dem alten Turm des Münsters, die er selbst gebaut hatte. Und zu seinem Nachfolger wählte das Domkapitel den Archidiakon Peter Reich. Aber der Papst versagte diesem die Bestätigung und erhob statt seiner, ohne Zweifel auf Antreiben König Rudolfs, zum Basler Bischof den Bruder Heinrich von Isny, Lesemeister im Barfüßerkloster zu Mainz.

Dieser Heinrich, der elf Jahre später in gleicher Weise über die Hoffnungen und Ansprüche desselben Peter Reich hinweg, der dazumal Dompropst von Mainz war, zum Haupte dieses gewaltigen Erzbistums erhoben wurde, nimmt in der Reihe der Basler Kirchenfürsten eine eigentümliche Stellung ein. Er erwarb sich große Verdienste als Lenker seiner Diözese und als Herr des Territoriums; aber diese Leistungen werden hell überstrahlt durch seine Taten als eines der ersten Staatsmänner des Reiches. „Er hatte größere Liebe zu den Rittern als zu den Geistlichen“, sagt der Chronist, und ein eifersüchtiger Predigermönch weiß von ihm dem Minoriten zu erzählen, daß er dreimal seinen Orden verleugnet habe. Seine Neigung für die Dinge weltlicher Herrschaft, für das Kriegerische und Glänzende, sein hohes Geschick für die Geschäfte des Diplomaten waren den Zeitgenossen an diesem Sohn eines Handwerkers, an diesem Bettelmönch erstaunlich. Er erschien in allem als ein ungewöhnlicher Mensch, der sich auch nicht scheute, ganz auf seine Weise zu leben. Wunderliches wurde über ihn berichtet: daß er an einem Weihnachtsfeste, obwohl es auf einen Freitag fiel, Fleisch aß; daß er zu Kolmar im Jahre 1282, als er in der Barfüßerkirche Weihen erteilte, einen weißgekleideten Mohren und einen Zwerg in seinem Gefolge hatte. Der ganze Gang seines Lebens wurde mit der Einwirkungg eheimnisvoller Kräfte und Wesen in Verbindung gebracht, seine wunderbare Erhöhung als das Werk böser Geister angesehen, denen er sich übergeben habe.

[42] Dieser merkwürdige Mann ist von den Tagen der Wahl Rudolfs an bis zu seinem eigenen Tode unermüdlich für König und Reich wirksam gewesen. Stets in den bedeutendsten Stellungen und mit den wichtigsten Obliegenheiten. Keine Gesandtschaft ist von Rudolf an den Papst abgegangen, an der Heinrich von Isny nicht teilgenommen hat; die Unterhandlungen wegen der Kaiserkrone sind durch ihn geführt, die Abrede der Vermählung von Rudolfs Sohn Hartmann mit der englischen Königstochter Johanna ist durch ihn als Brautwerber in London zu Stande gebracht worden; ihm übertrug der König die Ordnung der Reichsangelegenheiten in der Lombardei. In den bedeutungsvollsten Momenten von König Rudolfs Regierung begegnen wir ihm, in Lausanne, in Wien, auf dem Schlachtfelde von Dürnkrut, als Friedensvermittler in Böhmen und bei den rheinischen Kurfürsten. Und wie lobt ihn Rudolf! Er hat dem König in der äußersten Not seines Lebens, da er für sein Leben und die Ehre des Reiches focht, herrlich geholfen; seine reine Treue und seine glühende Ergebenheit für den König und das heilige Reich strahlen wie ein Helles Licht. Alle Geheimnisse des königlichen Herzens sind ihm bekannt; er ist dem König der Vertraute seines Innersten, sein anderes Ich und seine rechte Hand.

Dieser Mann war Bischof von Basel, und es ist daher natürlich, daß das Verhältnis Rudolfs zum Hochstift und zur Stadt ein besonders wohlgeneigtes geworden ist, abgesehen von persönlichen Empfindungen, die den König mit diesem Ort mögen verbunden und ihn dazu bewogen haben, Denjenigen, die er einst mit Feuer und Schwert heimgesucht hatte, nun um so mehr seine Gunst zuzuwenden.

Seit er vor Basel die Königswürde empfangen, ist er oft wieder hier eingekehrt. Im Glanze als ein Gekrönter zuerst im Januar 1274, da er hier einzog, die Edeln der Sternpartei glorreich wieder in ihre Heimat einführte. Ein ähnlicher Einritt voll Pracht und Würde muß jener vom 18. November 1275 gewesen sein, da Rudolf mit seiner Gemahlin von Lausanne, von der Konferenz mit Papst Gregor herkam; er führte mit sich den neugewählten Heinrich von Isny, der an diesem Tage von seinem Bistum Besitz nahm und im Münster seine erste Messe las. Und so noch viele Male hat Rudolf in Basel geweilt. Sein Hofgericht ist hier abgehalten worden. Auch seine Gesandten und Räte wie die Legaten des Papstes haben oft die so wohlgelegene, von überall her zugängliche Stadt besucht. Das öffentliche Leben Basels stand mitten in den Bewegungen, die von den großen Ereignissen des Reiches, von den allgemeinen Angelegenheiten [43] der Zeit ausgingen; eine ganze Welt von Interessen, neuen und mächtigen Anschauungen wurde hineingetragen in den engen Gedankenkreis der Bewohner, Nachrichten von allen Seiten strömten zu, fremdartige Gestalten zeigten sich, der Glanz des Königshofes und der Fürsten konnte bestaunt und genossen werden. Herrlich war das große Ritterfest, das Graf Diebold von Pfirt am 31. Mai 1276, mitten in den Vorbereitungen zum Heerzuge nach Böhmen, hier dem Königspaare gab, herrlich die Feste, die Rudolf hier im Sommer 1284 beging; da vereinigte ein Hoftag Bischöfe und Fürsten, Ritter und Herren in Menge, und prunkvoll wurde die Hochzeit von Rudolfs natürlichem Sohne Graf Albrecht von Löwenstein mit Luccard von Bolanden gefeiert.

So nahm Basel Teil am Leben des Königs; in gleicher Weise ward ihm auch die Ehre, die Toten des königlichen Hauses bei sich aufzunehmen. Schon das im Februar 1274 zu Rheinfelden geborene Söhnlein Karl, das im selben Jahre starb, wurde im Chore des Basler Münsters beigesetzt. Hier erwählte auch die Königin Anna selbst, im Jahre 1281, ihr Grab. Als sie zu Wien erkrankte, gab sie ihren Willen kund, im Münster zu Basel bestattet zu werden, zur Sühne des Schadens, der einst durch Rudolf dem Basler Hochstift sei zugefügt worden. In einem höchst feierlichen Zuge ward die Leiche durch alle die winterlichen Lande bis nach Basel geführt und hier vom Bischof, den zwölfhundert Geistliche, brennende Kerzen tragend, begleiteten, würdig empfangen. Dann folgte die Beisetzung im Münster, in der Nähe des Hochaltars. Wenige Monate später erhielt nahe dabei auch Rudolfs Sohn Hartmann, der im Rheine ertrunken, sein Grab. So ruhten hier an heiliger Stätte beisammen Gemahlin und Söhne Rudolfs, und in schöner Einfachheit schreiben die Annalen des schwäbischen Klosters Sindelfingen von der Königin nur die wenigen Worte: dormit in Basilea, sie schläft in Basel.


Die Wahl Rudolfs und der Tod Heinrichs von Neuenburg hatten für die Stadt Basel die wichtige Folge, daß sie ihrer Zugehörigkeit zum Reiche wieder bewußt werden konnte. Was sie im Kampfe für Friedrich II. eingebüßt hatte, das wurde ihr jetzt, da dem Reiche wieder ein Haupt gegeben war, um so rascher und entschiedener zu Teil, als dieser König von Anbeginn die Wiederherstellung des Reichsgutes, überhaupt die Kräftigung der Machtgrundlagen des Königtums als seine Aufgabe erfaßte.

Deutlichen Ausdruck fand diese Tendenz in Basel dadurch, daß König Rudolf die Vogtei an das Reich zog.

[44] Ein Ueberblick über die bisherige Geschichte der Vogtei ist hier einzufügen.


Wie die Vorsteher anderer alter Bistümer, so hat einst auch der Basler Bischof vom König die Grafenrechte über seine Stadt erhalten. Ein bestimmt lautendes Zeugnis, wann und durch welchen König dies geschehen ist, besitzen wir freilich nicht. Aber die Vermutung ist sehr begründet, daß Kaiser Heinrich II., der gefeierte Wohltäter und Erneuerer des Hochstifts Basel, ihm die Gerichtsbarkeit verliehen habe.

Nicht in der Stadt allein. Der spätere „Zwing und Bann“ Basels scheint den Bezirk zu bezeichnen, der durch Heinrich II. der Jurisdiktion des Bischofs unterworfen wurde: ein Gebiet, das im Großen und Ganzen dem heutigen Großbasler Bann mit den Bännen Binningen und Bottmingen gleichkam.

Aber der Bischof war als Geistlicher nicht in der Lage, die Gerichtsbarkeit selbst zu handhaben; für deren Ausübung war ein weltlicher Beamter erforderlich, und es ergab sich für den Bischof ohne weiteres, dabei auf denselben Herrn zu greifen, der schon bisher im Immunitätsgebiete des Bischofs die staatlichen Rechte vertreten und die Immunitätsgerichtsbarkeit geübt hatte, auf den Vogt.

Zu Basel nun finden wir die bischöfliche Vogtei schon frühe in den Händen der Grafen von Honberg. Sie besaßen wahrscheinlich bis dahin die Gaugrafschaft sowie die Immunitätsvogtei, und ihre Ernennung zu Vögten des Bistums war die einfachste Maßregel. Sie begegnen uns als Vögte bis ans Ende des zwölften Jahrhunderts. Dann folgen ihnen, nur während kurzer Zeit noch, die ihnen verwandten Grafen von Tierstein.

Dieser Basler Vogt empfing zwar seinen Bann vom König, aber er war Beamter des Bischofs, wurde von diesem ernannt. Er war nicht Reichsvogt, sondern Bischofsvogt.

Um uns die Verhältnisse klar zu machen, haben wir zu beachten, daß im Bistum mehrere Vögte neben einander bestanden. Als solche erscheinen z. B. die Usenberger im Breisgau; die Grafen von Habsburg waren vielleicht Basler Vögte im Sundgau. Bei Bartenheim, gleichfalls im Sundgau, begegnet aber 1190 auch ein Graf Hermann von Froburg als Vogt, 1186 wird ein Heinrich Vogt von Hasenburg genannt; auch an die Vögte der Immunität von St. Alban ist zu erinnern. Dieser Vielheit von advocati gegenüber steht nun der „Großvogt“, der Domvogt, der major advocatus, der summus ecclesiae et civitatis advocatus. [45] Und zwar ist Domvogt und Stadtvogt dieselbe Person; der Graf von Honberg heißt bald Vogt der Kirche, bald Vogt der Stadt. In der letztern Eigenschaft hat er, da die Kompetenz der Stelle eine ausgedehnte ist, seine Stellvertreter, seine Untervögte; als ein solcher erscheint in den Jahren 1187 und 1202 Hugo Münch.

Aber wie anderwärts, so werden auch in Basel im zwölften Jahrhundert Klagen über die Vögte laut. Die Erblichkeit ihres Amtes machte sie in einer dem Herrn immer lästiger werdenden Weise unabhängig; sie suchten ihre Befugnisse zu erweitern, mißbrauchten ihre Gewalt, maßten sich Rechte an. In höchst belehrender Weise gibt eine Urkunde des Basler Domkapitels von 1190 Aufschluß; worüber hier vornehmlich geklagt wird, das ist Verletzung der Freiheit von beneficia claustralia, der libertas curie durch einzelne Herren, die sich als Vögte aufdrängen, eigene Vogteien über solche Güter ausdehnen wollen.

Mit dem obersten Vogt und Stadtvogt geriet aber auch der Bischof selbst in Zwist, namentlich darüber, daß der Bischof das Recht beanspruchte, jede zur Erledigung kommende Vogtei an sich zu ziehen und je nach seinem Gutdünken zu behalten oder wieder weiter zu geben. Der Stadtvogt widersprach dem. Die Sache kam vor den Kaiser Friedrich, und dieser entschied in Gelnhausen, April 1180, zu Gunsten des Bischofs. Ein zweiter ebendort ergangener Spruch bestimmte, daß Niemand ohne des Bischofs Gunst eine Befestigung, eine sog. Wicborc, in der Stadt Basel haben dürfe, und dieser Spruch traf jedenfalls auch wieder den Vogt. Wir kennen den Verlauf des Streites im einzelnen nicht; aber wenige Jahre später ist von einem abgesetzten Vogt die Rede, und die Vogtei erscheint dann nicht mehrbei den Honbergern, sondern bei den Tiersteinern.

Die Regelung der Verhältnisse, die Bischof Heinrich von Horburg mit dem ersten Vogt aus dem neuen Hause vornahm, ist in einer Schiedsurkunde aus dem Ende der 1180er Jahre enthalten. Sie bildet die Grundlage des von da an geltenden Vogteirechtes. Wir bemerken vorweg, daß in ihr dem neuen Vogt beträchtliche Geldzahlungen an den Bischof und an den städtischen Rat überbunden werden; vielleicht ist dabei an eine Abfindungssumme zu denken, die dem abgesetzten Vogt zu leisten war, vielleicht an Rückstände aus der Vogtei, bei der Zahlung an den Rat wohl an Erstattung eines von diesem gemachten Darleihens. Wichtiger ist, daß der Bischof jetzt eine Reihe von Gebieten aus der Vogteigewalt löste, wobei wohl hauptsächlich an Land zunächst der Stadt zu denken ist. Er verfuhr hiebei lediglich dem durch die Gelnhausener Sentenz ihm zuerkannten Rechte gemäß.

[46] Unter Bischof Lütold wird Graf Rudolf von Tierstein als Vogt genannt; er schuldet dem Hochstift 67 Mark für die Basler Vogtei d. h. wohl rückständige Bußgelder. Auch sonst erscheint dieser Rudolf noch in Urkunden Lütolds, während die Honberger überhaupt nicht mehr genannt werden. Unter Bischof Heinrich von Thun aber kam es zu einer gründlichen Umgestaltung der Verhältnisse.

Von der eingreifenden, die Folgen früherer schlechter Wirtschaft energisch bekämpfenden Art dieses Fürsten war schon die Rede. Sie zeigt sich auch hier. Zwar gelang es ihm nicht, die Vogtei zu erwerben, wie damals mancherorts in Deutschland durch die Bischöfe geschah. Wohl aber minderte er ihre Macht. Er nahm sie den Grafen von Tierstein und gab sie in die Hand eines seiner Ministerialen.

Diese Beseitigung der mächtigen Barone konnte nicht wohl durch den Bischof allein geschehen. Er bedurfte der Zustimmung des Königs. Wir gehen nicht irre, wenn wir an einen Zusammenhang mit dem schon geschilderten Einschreiten gegen den Rat der Stadt denken. Hier wie dort galt es die Stärkung der gefährdeten bischöflichen Macht.

So ist zu vermuten, daß auch die Abmachung mit dem König über die Vogteisache in das Jahr 1218 fiel. Der Bischof erhielt von Friedrich den Consens zur Übertragung der Vogtei an einen Dienstmann, und im Anschlusse hieran wurde die Verteilung der Gerichtsbußen sowie des Gewerfes neu geregelt. Bei jenen scheint die bisherige Teilung zu 2/3 und 1/3 durch eine Halbteilung zwischen Bischof und Vogt ersetzt worden zu sein; beim Gewerf trat die Neuerung ein, daß es nicht mehr in der alten Weise zu 1/3 und 2/3 zwischen Vogt und Bischof, sondern zu gleichen Teilen zwischen König und Bischof geteilt werden sollte. Daß Friedrich den Steueranteil des Vogtes an sich ziehen und ihn überdies auf die Hälfte des Ganzen erhöhen konnte, war nicht nur eine Gegenleistung des Bischofs für das Entgegenkommen des Königs in der Stadt- und in der Vogteisache, sondern entsprach auch der Änderung in der Stellung des Vogtes; der Letztere wurde für den Ausfall entschädigt durch die Erhöhung seines Bußenanteils; der Bischof verlor Geld, aber gewann unmittelbaren Einfluß auf die Vogtei.

Die Absichten, denen der Bischof bei diesem Verfahren diente, zeigen sich auch sonst. Schon im Jahre 1213 hatte Lütold die Vogtei Metzerlen an sich gezogen; jetzt führte Heinrich den stärkeren Schlag, indem er dem Grafen Werner von Honberg, dem Letzten dieses Geschlechtes, der nach dem Verlust der Stadtvogtei noch immer erbsweise, von der Verleihung [47] Bischof Burchards her, Vogt von St. Alban war und als solcher die Gerichtsbarkeit beanspruchte, diese auf Klage des Priors im Jahre 1221 absprach.

Von da an finden wir Ministerialen des Basler Hochstifts im Besitze der Stadtvogtei, aus den Geschlechtern Kraft, von Straßburg, Schaler, Reich, Münch, von Eptingen, Vitztum.

Noch ist Wesen und Inhalt des Amtes zu bezeichnen. Zeugnisse hierüber sind der Schied Heinrichs von Horburg und das Bischofsrecht Heinrichs von Neuenburg.

Twinch und alle gerichte sint des bischoffes und der die si von im hant. Der Vogt ist Beamter des Bischofs, nicht Reichsvogt, wenn er auch unter Königsbann dingt. Er präsidiert an Stelle des Königs, wird aber durch den Bischof bestellt.

In die Kompetenz des Vogtsgerichtes fallen die Immobiliarprozesse. Vor allem aber die hohe Gerichtsbarkeit, das Richten über tiubde und vrevel, furtum et temeritas. Nur für die kleinen Übertretungen ist der Schulheiß zuständig. Und zwar kann auch der Bischof das Gericht präsidieren; die Zeit gestattete dies jetzt auch einem geistlichen Herrn. Alle Sachen, die der Vogt richtet, kann auch der Bischof richten; doch wenn es an die blutige Hand des Henkers geht, entfernt sich der Bischof und heißt den Vogt richten; denn nur dieser hat den Königsbann.

Von den Bußen kommen nach altem Recht dem Vogt 1/3, dem Bischof 2/3 zu. Doch scheint durch das Abkommen Heinrichs von Thun mit König Friedrich auch hier wie beim Gewerf Halbteilung eingeführt worden zu sein.

Der Ort des Vogtsgerichtes lag wahrscheinlich außerhalb des bischöflichen castrum, unten neben der freien Königsstraße. Der „heiße Stein“ auf dem Marktplatz darf vielleicht als die beim Gerichtsplatz gelegene ursprüngliche Stätte der Exekutionen gelten.


Auf diese Vogtei nun griff Rudolf von Habsburg. Es sollte gezeigt werden, daß Basel unmittelbar ans Reich gehöre; in solcher Absicht schuf der König eine Reichsvogtei zu Basel; er nahm die Wahl des obersten Richters aus den Händen des Bischofs und machte sie zu einer Sache des Reiches. Er verfuhr in Basel, wie er in Chur und in Augsburg verfuhr. Wie die dortigen Vogteien durch ihn zu Reichsvogteien gemacht wurden, so tritt jetzt in Basel an die Stelle der Herren aus dem Stadtadel ein Reichsbeamter. Dies war der Aargauer Hartmann von Baldegg, ein in den Geschäften König Rudolfs vielbewährter Mann, durch machtvolle Größe [48] der Gestalt ausgezeichnet. Neben der Basler Vogtei trug er die Ämter eines Rheinfelder Burggrafen und eines Pflegers des gesamten habsburgischen Hausgutes in den obern Landen, später auch eines Landvogtes in Burgund.

Für die Stadt war diese Veränderung deswegen von Belang, weil damit ein wichtiger Teil des öffentlichen Rechtes der direkten Einwirkung des Bischofs entzogen wurde; die Bürger schwuren von nun an der Vogtei wegen dem Könige. Andrerseits waren aber auch Gefahren für sie damit verbunden; denn das Reichsoberhaupt konnte frei über die Rechtsame verfügen, und die Stadt hatte ihm gegenüber weniger Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Interessen, als dem Bischof gegenüber. In der Tat ist im vierzehnten Jahrhundert die Vogtei vom Kaiser dem größten Feinde der Stadt übergeben worden.

Vorerst aber bedeutete Rudolfs Vorgehen eine willkommene Bezeugung der Reichszugehörigkeit. Durch diese Maßregel und im Anschluß an sie durch das ganze Walten Rudolfs gewann Basel den Charakter einer Stadt des Reiches.

Tätig nahm sie nun Teil an den allgemeinen Angelegenheiten. Im Juni 1278 sandte sie ihre Vertreter nach Hagenau, mit Fürsten und Städten des Rheingebietes sich zur Wahrung des Friedens zu verbinden; im September 1281 hatte sie dem König, der von Konstanz herangezogen kam und sich überall durch Edle und Bürger den Landfrieden beschwören ließ, diesen Schwur zu tun. Reichsdienste leistend finden wir ihre Bürger vor allem auf dem Zuge König Rudolfs gegen Ottokar von Böhmen 1278, wo sich am großen Schlachttage von Dürnkrut nicht nur Bischof Heinrich und der Ritter Rudolf zu Rhein, sondern auch Vivian und Heinrich Schörlin von Basel auszeichneten.

Auch in den Kämpfen der Bischöfe Heinrich und Peter mit dem Grafen von Mömpelgard, seit 1283, an denen König Rudolf von Reiches wegen sich beteiligte, erwies die Basler Bürgerschaft ihre Kriegstüchtigkeit; als bei einem dieser Treffen, 1287, Graf Egen von Freiburg mit seinen dem Bischof zugeführten Hilfstruppen vom Schlachtfelde floh, hielten die Basler vom Fliehen nichts wissend und dem guten Ruf ihrer Tapferkeit getreu dem Feinde Stand und büßten nach heißem Streit zahlreiche Tote und Gefangene ein. Die Kämpfe dauerten fort und erweiterten sich zu einem großen Reichskriege gegen den Pfalzgrafen Otto von Burgund. Im Juli 1289 sammelte sich Rudolfs gewaltiges Heer in Basel; es zählte über 2000 schwergerüstete Reiter mit verdeckten Rossen, etwa 4—5000 leichte [49] Reiter und berittene Bogenschützen, zahlreiches Fußvolk und Troß. Durch die Grafschaft Pfirt zog diese Heeresmacht vor Besançon; aber hier entschied rasch ein Handstreich der unter Rudolf dienenden Schwyzer den ganzen Krieg zu Gunsten des Königs. Friedensunterhandlungen wurden eingeleitet; als Rudolf nach Basel zurückgekehrt war und hier Hof hielt, erschienen Pfalzgraf Otto und die andern Reichsvasallen von Burgund und leisteten am 20. September feierliche Huldigung.

Dies war Rudolfs letztes bedeutendes Walten in den obern Landen. Noch einmal, in seinem Todesjahre, kam er herauf und feierte in Basel Ostern. Die junge Königin Elisabeth, die er vor wenigen Jahren gefreit, führte er nach Rheinfelden, wo sie auf dem Schloß im Rheine Wohnung nahm; dort wurden auch die Kleinodien des Reiches verwahrt. Er selbst zog nach Norden. Am 15. Juli 1291 starb er zu Speyer und ward im Dome bestattet.