Geschichte der Stadt Basel. Erster Band/4. Der Kampf mit Oesterreich/4. Die Eidgenossen

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König Sigmund und Herzog Friedrich Geschichte der Stadt Basel. Erster Band/4. Der Kampf mit Oesterreich
von Rudolf Wackernagel
Der Ellikurter Krieg
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Viertes Kapitel.
Die Eidgenossen.



Aus dem Kriegszuge gegen Herzog Friedrich 1415 hatten die Basler nichts gewonnen, um so größern Erfolg die Eidgenossen sich zu erringen gewußt. Der Aargau, das alte Stammgebiet der österreichischen Herrschaft, war dieser entrissen und hierdurch eine unmittelbare territoriale Berührung Basels mit den Eidgenossen geschaffen.

Dieses letztere Faktum ist von der höchsten Bedeutung. Von der Umklammerung durch bischöfliche und österreichische Territorien, in der wir bis dahin das Gebiet Basels stecken sahen, war diese Seite nun gelöst, , und Basel grenzte an bundesgenössischen Boden, zwar nur auf einem einzigen Punkte, aber wichtig genug gerade an der Stelle, durch die der große Weg zum Gotthard führte. In erhöhtem Maße konnte sich jetzt Basel darüber freuen, die sisgauischen Herrschaften und die Brückenstadt Olten an sich gezogen zu haben.

Diese Wichtigkeit der geschehenen Territorialveränderung bestand freilich mehr nur in der Vorstellung und darin, daß mögliche Schädigungen nun ausgeschlossen und Vorteile möglich gemacht waren. Die tatsächliche und spürbare Wirkung war vorerst keine erhebliche.

Das Verhältnis Basels zu den Eidgenossen blieb, was es gewesen war, dasjenige einer ruhigen Freundschaft, ohne weitere Verbindlichkeiten. Man erkannte gegenseitig, was verwandte Art war, und sah sich, soweit dieses Verwandtsein reichte, gerne aufeinander angewiesen. In bedenklichen Zeiten gab man einander guten Rat; man stand sich bei, wenn es Konferenzen mit Fürsten und Herren gab; man half bereitwillig Streitigkeiten vermitteln, weil das Wichtigste der gemeinsamen Interessen die Ruhe im Lande war. So finden wir den Basler Rat als Vermittler tätig 1403 im Zugerhandel, 1410 zwischen Luzern und Murbach, 1419 zwischen Bern und dem Wallis, 1426 zwischen den Eidgenossen und dem Herzog von [412] Mailand usw. Auch besondere Erwägungen und Verhältnisse kamen zur Geltung. Als 1418 einige Luzerner durch den Grafen von Nassau bei Metz gefangen genommen wurden, bat Luzern die Basler, sich für Freilassung der Seinen zu verwenden, „wan üch in Niderland kund ist“; und daß 1425 die Schwyzer und die Luzerner dem Basler Rat genaue Nachricht gaben von Fortgang und Erfolg ihres Kriegszuges über den Gotthard, erklärt sich aus der Bedeutung der Mailänderstraße für Basel.

Ueber allgemeine und ziemlich lockere Beziehungen ging alles dies nicht hinaus. Im Grunde war man hüben und drüben vom Hauenstein doch verschieden geartet: Basel als Handelsstadt auch in seinem politischen Leben durch Interessen dieser Art und überdies durch Rücksichten auf den Bischof, den Adel, die Herrschaft Oesterreich notwendigerweise bestimmt, während die Eidgenossen nur an sich, ihre Freiheit und Macht dachten und Rücksichten nicht kannten.

Ein Verhältnis besonderer Art band Basel an Bern und Solothurn. Seit dem 23. Januar 1400 war es mit diesen Städten verbündet, für zwanzig Jahre; die Beschirmung des Landes und gegenseitige Hilfeleistung, namentlich gegenüber Oesterreich, waren die Hauptpunkte der Abrede.

Aber Natur und Wert dieses Bündnisses zeigt sich deutlich im Vergleich mit dem zur gleichen Zeit bestehenden Bunde Basels und Straßburgs. Daß sich dieser als wirksamer erwies, geschah, weil die beiden Städte ähnlich geartet waren und nicht unmittelbar aneinander grenzten. Wie verschieden von Basel aber an Temperament, politischer Auffassung, Handlungsweise waren Bern und Solothurn, und die Folgen dieser Verschiedenheit zeigten sich täglich um so spürbarer, je benachbarter man sich war. Es ist zu begreifen, wie Basel dazu kam, schon bald nach Abschluß des Bundes den beiden Verbündeten eine Ergänzung des Vertrages vorzuschlagen durch Bestimmungen über gegenseitige Annahme von Bürgern, über den Entscheid von Streitigkeiten zwischen Angehörigen und über die Erledigung von Streitigkeiten zwischen den Städten selbst. Man ersieht deutlich, daß solche Konflikte nicht blos als möglich gedacht wurden, sondern tatsächlich vorkamen. In dieser Hinsicht war es namentlich das Verhältnis zu Solothurn, das wie die folgenden Jahrhunderte hindurch so schon damals dem Basler Rate unaufhörlich zu tun gab. Von Bern ist dabei kaum je die Rede; und doch wird man kaum verkennen dürfen, daß hinter dem zänkischen und zudringlichen Gebahren des kleinen und näher gelegenen Solothurn sehr oft der ruhige Wille des mächtigen Bern stand und wirkte.

[413] Solothurn hatte vielleicht den Erwerb Oltens durch Basel als eine Unbequemlichkeit empfunden; auch die Art und Weise, wie einzelne Basler durch ihr Geld sich im Buchsgau einzunisten und Herrschaftsrechte an sich zu ziehen verstanden, dann auch die Herrschaft Tierstein erwarben, mochte ihm ungelegen sein, als Gefährdung eigener Absichten. Es blieb aber auch seinerseits nicht müßig und trat Basel an verschiedenen Punkten entgegen.

Zunächst im Buchsgau, wo Solothurn, mit der Sicherheit und Ruhe eines wohlerwogenen Planes die gute Gelegenheit benützend, eine Herrschaft um die andere aus den schwachgewordenen Händen der bisherigen Besitzer an sich zog. Von Hans von Blauenstein erwarb es 1402 Neu-Falkenstein, von Hans von Falkenstein 1420 Alt-Falkenstein über der Klus, von Margaretha von Landenberg geb. von Ifenthal 1416 die alte Bechburg mit dem Geleit zu Onolzwiler. Mit diesen Erwerbungen im Zusammenhange stand die Aufnahme der Falkensteiner in die Burgrechte von Bern und Solothurn, die Erwerbung der kiburgischen Herrschaften Bipp, Wietlisbach, Erlinsburg usw. ebenfalls durch diese beiden Städte. Bis zur Nordmarche des Buchsgaus, zur Wasserscheide auf dem Berggrat erweiterten sie ihr Gebiet. Daher fiel auch die Neu-Bechburg aus dem Pfandbesitz des Baslers Konrad von Laufen 1416 an Bern, später an Solothurn.

Ein Andrer von Laufen, der mächtige Hüglin, war seit 1406 Pfandherr von Tierstein und demzufolge Schirmvogt des Klosters Beinwil. Auch dies ließ Solothurn keine Ruhe; aber da den Tiersteinern zur Zeit noch nicht beizukommen war, griff es auf das Verhältnis zum Kloster. Dessen Interessen waren völlig Basel zugewendet. Neben der Kastvogtei des Hüglin von Laufen kamen die Darleihen in Betracht, die Basler Kapitalisten dem Kloster gemacht hatten, und wenn auch diese Beziehungen wohl kaum durch die Basler Politik inspiriert worden waren, so wurden sie doch durch sie benützt und zwar wie es zunächst schien mit Erfolg. Am 8. Februar 1417 übergaben Abt und Kapitel von Beinwil alle Güter, Gefälle und Gerichte des Klosters in Gewalt des Rates von Basel, damit dieser aus den Erträgnissen die Gläubiger des Klosters befriedige; und zur gleichen Zeit erklärten sie dem Rate von Solothurn ihren Rücktritt aus dem vor Zeiten erworbenen ewigen Burgrechte daselbst. Den Solothurnern kam diese Erklärung ungelegen; das Beinwiler Burgrecht war ihnen vor allem der Gotteshausleute wegen, die darin inbegriffen waren, von Wert und sie verweigerten die Entlassung, obwohl Beinwil nach Sage des Burgrechtsbriefes die bei Aufgebung des Verhältnisses fällig werdenden hundert Gulden zu zahlen bereit war. Solothurn ersah sofort, daß hinter [414] den Beinwilermönchen der Rat von Basel stand, und machte diesem die heftigsten Vorwürfe. Sein Zorn stieg, als der Abt die Sache vor das Konzil zu Konstanz brachte und hier Solothurn verklagte, daß es unbilligerweise die Entlassung aus dem Burgrecht verweigere, und als der Basler Stadtschreiber den Abt nach Konstanz begleitete. „Wir vernehmen, daß die Sache euer Getat sei, daß die Euern den Abt und Konvent aufgewiset haben“ zischte Solothurn. Mit der Bundesfreundschaft war es sofort zu Ende. Einige Basler wurden in der Nähe Laufens überfallen und beraubt, Einer erstochen; Basel suchte die Schuldigen dieser Tat in Solothurn und führte Klage bei den Eidgenossen; auch andre Beschwerden brachte es nun vor: wegen Tiersteiner Eigenleuten, die dem Hüglin von Laufen zugehörten, aber durch Solothurn in Eid genommen wurden; wegen der Bezahlung der seinen Bürgern auf Bipp, Wietlisbach usw. zustehenden Forderungen durch die neuen Herren Bern und Solothurn usw. Die Spannung stieg, bis sich Bern ins Mittel legte und die Streitenden dazu brachte, sich seinem Entscheid der Sache zu unterwerfen. Am 17. Januar 1418 fällte es den Spruch, durch den Basel Recht erhielt: das Kloster Beinwil und seine Eigenleute wurden des Solothurner Burgrechtes ledig erklärt und die Parteien angewiesen, wieder Freundschaft, Handel und Verkehr eintreten zu lassen, wie vordem gewesen sei.

Erfolgreicher war Solothurn mit seinen Versuchen, im Sisgau selbst, neben und zum Teil in den baselischen Herrschaften Fuß zu fassen; auch hier wieder als Rechtsnachfolger der Falkensteiner. Es erwarb das Geleit zu Onolzwil 1416, das Zubehör der Herrschaft Alt-Bechburg war, und 1420 ließ es sich mit Bern durch den Falkensteiner die Feste Farnsburg zum Burggesäß verschreiben als Ersatz für Alt-Falkenstein bei der Klus, das bis dahin den Städten ein offenes Haus gewesen war und nun kaufsweise an Solothurn fiel.

Dies Eindringen Solothurns in den Sisgau, dann das Burgrecht der Falkensteiner in Bern und Solothurn, die Befehdung Basels durch den Solothurner Heinrich Neuenburg, die Bestrebungen Solothurns, Leute aus den Basler Herrschaften in ihr Burgrecht zu ziehen, — alles dies erklärt und bezeugt die eingetretene Entfremdung. Auf Lichtmeß 1420 lief der Bund Basels mit Bern und Solothurn aus und wurde, sehr bezeichnenderweise, nicht wieder erneuert; im Dezember des gleichen Jahres sah sich der Basler Rat bewogen, seinen Vögten zu Waldenburg und Honberg sowie dem Liestaler Schultheiß in höchstem Geheimnis mitzuteilen, er sei gewarnt worden, daß die von Solothurn auf Schädigung der Leute und Lande [415] Basels sännen und einen Schlag vorbereiteten; er befahl den Beamten, auf der Hut zu sein und Alles gut zu verwahren. Es fiel freilich nichts vor. Aber seitdem ist wiederholt von Reibereien zwischen Basel und Solothurn die Rede, namentlich in Angelegenheiten der Eigenleute.

1426 ging auch die Landgrafschaft im Buchsgau an die Städte Bern und Solothurn über; im gleichen Jahre kündete Bischof Johann der Stadt Basel die Pfandschaft Olten und gab sie an Solothurn. Dies war der letzte und deutlichste Vorfall, und für die solothurnische Territorialpolitik bedeutet diese Erwerbung einen eigentlichen Sieg.

Basel hatte vielleicht Grund, den Besitz von Olten leicht zu nehmen; diese Herrschaft war einer weiteren Entwicklung in der Tat kaum mehr fähig, und die nachbarlichen Verhältnisse mochten gerade hier die unerquicklichsten sein. Jedenfalls bezeugte dieser Uebergang Oltens von Basel an Solothurn, daß man beiderseits den Hauenstein als die gegebene Grenze ansah.