Geschichte der Stadt Basel. Erster Band/4. Der Kampf mit Oesterreich/3. König Sigmund und Herzog Friedrich

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Der Isteiner Krieg Geschichte der Stadt Basel. Erster Band/4. Der Kampf mit Oesterreich
von Rudolf Wackernagel
Die Eidgenossen
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Drittes Kapitel.
König Sigmund und Herzog Friedrich.




In derselben Zeit, da Basel unter schweren inneren Kämpfen die bisherigen Machthaber beseitigte und mit Einsetzung des Ammeisters ein neues Regierungssystem anwendete, vollzog sich auch in den großen Geschicken der Welt der mächtigste Wechsel.

Das Konzil zu Pisa wählte am 17. Mai 1410 den Papst Johann XXIII., während die vor Jahresfrist durch eben dieses Konzil als abgesetzt erklärten Benedikt XIII. und Gregor XII. keineswegs ihren Rücktritt genommen hatten, noch auch die großen Bereiche ihrer Obedienzen eingebüßt hatten.

Und diese „verfluchte Dreiheit“ wiederholte sich nun in der Besetzung des deutschen Königstrones. Am Tage nach der Wahl Papst Johanns war König Ruprecht gestorben; als seinen Nachfolger wählten die einen Kurfürsten am 20. September 1410 den König Sigmund von Ungarn, die andern am 1. Oktober den Markgraf Jost von Mähren, Sigmunds Vetter; diesen Beiden entgegen stand der alte König Wenzel, Sigmunds Bruder, den Ruprecht 1400 verdrängt hatte, der aber noch in einem Teile des Reiches als Herrscher angesehen wurde.

So waren drei Päpste und drei Könige zu gleicher Zeit. Aber nicht für lange. Denn Jost starb schon im Januar 1411, und da Wenzel tatsächlich wenig mehr zu bedeuten hatte, konnte nur Sigmund noch als König gelten. Seine Persönlichkeit, sein Wille, sein Herrschergefühl waren in jeder Beziehung stärker als bei seinen Vorgängern, dabei die Verhältnisse des Papsttums so geschwächt, daß dem König seine Aufgabe wesentlich leichter fiel. Das ganze Gefühl der in den langen Kämpfen des Schisma erschöpften, nach Erlösung aus dieser schweren Bedrängnis und Verwirrung der Gewissen verlangenden Christenheit kam ihm entgegen, begrüßte ihn als Schirmherrn der Kirche, erwartete von ihm allein die notwendige Rettung. „Unser Herr der König hat in seiner Hand Himmel und Hölle, kann das [394] Schlimmste und das Beste tun, bei ihm liegt nächst Gott alle Seligkeit der Christenheit.“

Die Entwickelung dieser Dinge haben wir hier nicht zu betrachten. Sigmund verweilte während der ersten Jahre seiner Regierung zumeist in Ungarn. Erst im Sommer 1413 kam er näher, und um diese Zeit begannen auch seine direkten Beziehungen zu Basel.

Von Venezien her, über Bozen und Meran, war er im August 1413 in Chur eingetroffen. Hier hielt er sich einige Wochen lang auf, einen Zug nach Italien vorbereitend, mit den Eidgenossen über Teilnahme an diesem Zuge verhandelnd. Unter den städtischen Gesandtschaften, die hieran seinem Hofe aus- und eingingen, sah man auch diejenigen von Basel und Straßburg.

Basels Boten waren Günther Marschalk und Claus Murer. Es handelte sich für sie um die Privilegien der Stadt, deren Bestätigung man sich von jedem neugewählten König geben zu lassen gewöhnt war; doch war die Frage nicht, ob Sigmund diese Bestätigung geben wolle, sondern nur darüber hatte man zu verhandeln, wie viel ihm und seinen Schreibern zu zahlen sei. „Mit großer Mühe haben wir es nicht näher bringen können, als die von Straßburg auf zweitausendzweihundert und wir auf elfhundert Dukaten“, schreiben die Gesandten dem Rate. „Doch sind wir noch allezeit in einem Treiben und Werben. Die Eidgenossen haben ihre Hilfe zum Zug in Lamparten abgeschlagen, worüber der König sehr unwillig ist, und wir fürchten, dies entgelten zu müssen. Auch begreifen wir wohl, daß Ihr uns heim begehrt, der Kosten wegen; aber es ist nicht anders, wir müssen den Sachen nachgehen.“ Vom 28. August 1413 sind die beiden großen Instrumente datiert, durch die Sigmund der Stadt Basel ihre Gnaden, Rechte, guten Gewohnheiten und Privilegien im allgemeinen bestätigt und überdies noch den Freiheitsbrief König Ruprechts von 1401 sowie das spezielle Privileg König Wenzels von 1379 über die Freiheit von auswärtigen Gerichten erneuert.

Ob Basel bei dieser Gelegenheit, wie seinerzeit von Ruprecht, sich vom Dienst über Berg losgekauft habe, ist nicht zu ersehen; am 14. September erging von Chur aus die königliche Aufforderung an die Stadt, binnen drei Wochen ihre Reisigen zu ihm nach Feldkirch zu schicken; aber es zeigt sich keine Spur davon, daß Basel diesem Aufgebote gefolgt sei.

Dagegen treten schon jetzt Beziehungen Sigmunds zu Einzelnen unserer Stadt und des Gebietes hervor. Den Grafen Walraf von Tierstein belehnte er mit dem Tale Schanfigg. Als Rat Sigmunds erscheint [395] Freiherr Thüring von Ramstein; zur Belohnung seiner guten Dienste in den Verhandlungen mit König Karl von Frankreich (zu dem er auch im folgenden Jahre wieder mit wichtigen geheimen Aufträgen Sigmunds ging) verschrieb er ihm die Steuer zu Frankfurt. Insbesondere aber ist an Henman Offenburg zu erinnern, den Sigmund von Chur aus zu seinem Familiaren seinem Diener ernannte; Basel erlangte damit eine Vertretung seiner Interessen bei Hofe, die ihm jahrzehntelang von allerhöchstem Nutzen sein sollte.

Ende Septembers zog der König über den Lukmanier nach Süden. Man hört dann in Basel durch gelegentliche Berichte, was er in Oberitalien unternimmt: sein Verhandeln mit Filippo Maria Visconti von Mailand und vor allem sein Verhandeln mit Papst Johann über das künftige Konzil. Von Cremona aus gibt er der Stadt Basel als Schirmer ihres privilegierten Gerichtsstandes den Markgrafen Rudolf von Hochberg, bestätigt er den Brüdern Johann und Peter Reich ihre Lehen zu Augst, Kirchen, Eimeldingen, Efringen. Aber neben solchen Kleinigkeiten vernimmt man nun immer mehr von den Dingen, die alle Welt angehen; bei Como ist Sigmund mit den Gesandten des Papstes Johann, dann in Lodi mit dem Papste selbst zusammengesessen und hat sich endlich mit ihm dahin geeinigt, daß das[WS 1] Konzil in Konstanz stattfinden solle. Auch Kempten war als Konzilsstadt in Vorschlag gebracht worden, insbesondere aber von Straßburg und von Basel die Rede gewesen.

Der Basler Rat mochte froh sein, daß die Häupter der Christenheit von seiner Stadt absahen. Er hatte unterdessen Eigenes zur Genüge zu erledigen. Vor allem das Zerwürfnis mit den Edeln und Achtburgern, die aus der Stadt wichen. Auch eine schwere Influenzaseuche regierte. Aber endlich war dieses böse Frühjahr zu Ende, die Lage wurde ruhiger, und mit dem Sommer kam auch die Nachricht, daß König Sigmund wieder gen Norden sich gewendet habe und Basel besuchen werde.

Im Juni war er über den Großen St. Bernhard gezogen, am 3. Juli in Bern eingeritten und herzlich empfangen worden. Beim Anblick der fünfhundert Knaben, die mit des Reiches Banner und Adlern geschmückt ihm entgegengezogen waren, hatte er freudig ausgerufen: da wächst uns ein neue Welt!

Am 7. Juli kam der König nach Basel; er selbst mit seinem nächsten Gefolge nahm Quartier im Hofe des Domherrn Schürin auf dem Münsterplatz (dem heutigen untern Gymnasium), über dessen Tor der Schild des Reiches aufgehängt wurde; der übrige Troß, mit mehr als achthundert Pferden, ward in den Herbergen untergebracht. Die Stadt war Gastgeberin [396] für Alle; zur Mücke war großer Ball; fünfundvierzig Saum Wein, sechsunddreißig Zentner Fleisch, daneben eine Menge Fische, Hühner, Gänse gingen auf die Bewirtung des königlichen Hofhaltes. Daß Sigmund, der in diesen Basler Tagen keineswegs müßig war, dem Bischof Humbert die Regalien verlieh, dem Markgrafen von Hochberg, dem Kloster St. Blasien, dem Hüglin von Laufen allerhand Privilegien und Briefe erteilte, auch mit dem Rate Manches zu besprechen hatte, liegt auf der Hand; so erfahren wir, daß er von ihm verlangte, Dienst wider den Herzog von Mailand zu leisten; der Rat wich in seiner Antwort behutsam aus und stellte auf den Beschluß des bevorstehenden Reichstages zu Speier ab. Dorthin begab sich jetzt Sigmund. Er verließ Basel am 10. Juli zu Schiffe.

Politisch hatte dieser Besuch wenig bedeutet. Wichtiger war die persönliche Wirkung gewesen. Zum ersten Mal hatten die Basler diesen Herrn kennen gelernt und ihn überrascht betrachtet, den schönen gewandten Mann, von freiester Leutseligkeit im Reichtum seiner erstaunlichen Begabung übersprudelnd, regsam, lebenslustig, in keiner Weise wählerisch und abgeschlossen. Und hiezu nun noch das erhöhte Gefühl des glücklichen Momentes, das ihn trug und bewegte: er kam aus Italien und konnte von Erfolgen reden; wie war er dem Papst gegenüber gestanden als der wahre Schirmherr und Erretter der Kirche; er hatte seinen Willen durchgesetzt und das Konzil auf die Nordseite der Alpen verlegt; jetzt war er auf dem Wege, sein deutsches Reich anzutreten, in Aachen die Krone zu empfangen.


Am Weihnachtstag 1414 traf Sigmund in Konstanz ein, wo seit einigen Wochen das Konzil versammelt und auch Papst Johann anwesend war.

Noch immer strömten die Teilnehmer herbei, von allen Seiten, aus allen, auch den entlegensten Ländern. Das Ganze ein Schauspiel ohne Gleichen.

In Basel sah man Konzilsleute um Konzilsleute durchreisen im Dezember 1414 empfing man feierlich den die Stadt passierenden Erzbischof von Besançon; schon spürte man auch in allgemeiner Verteuerung der Lebensmittel die Wirkung des gewaltigen Kongresses: der Bischof, zahlreiche Geistliche hohen und niedern Ranges, Edle und Bürger zogen von Basel zum Konzil, kehrten wieder heim und erzählten, mag sie in Konstanz gesehen und erlebt hatten.

Das Konzil war nicht Kirchenversammlung allein. Die Anwesenheit [397] des Königs gab ihm eine über das Kirchliche hinausgreifende Bedeutung. Reichstage wurden in Konstanz abgehalten; und so zeigten sich zwischen all den Klerikern auch die zahlreichen Botschafter der Städte, die Fürsten und Herren, die nur Weltliches im Sinne hatten, nur den König suchten und in seiner Nähe ihrer Geschäfte warten wollten.

Auch die Stadt Basel war in Konstanz vertreten. Sie hatte gleich zu Beginn des Konzils dort ein Quartier gemietet und den Schild mit der Stadt Wappen daran befestigt. Die Miete war geschehen im Einverständnis mit den Straßburgern, deren Herberge nahe bei derjenigen Basels gelegen war.

Als Vertreter Basels in Konstanz begegnen uns Burchard zu Rhein, Cunzman von Ramstein, Claus Murer, Johannes Wiler. Aber jeweilen nur für kurze Zeit. Eine dauernde Vertretung besaß Basel an Henman Offenburg, der in eigenen Angelegenheiten sich in Konstanz aufhielt.

Er hatte hier gleich zu Beginn des Konzils eine Bank aufgetan, in gleicher Weise wie die großen Florentiner Wechsler, und besorgte entweder persönlich oder durch seinen Angestellten Peter Gatz Fürsten und Herren ihre Geldgeschäfte. Vor allein auch dem allezeit geldbedürftigen König. Nicht umsonst natürlich; auch nicht auf Verzinsung und Rückzahlung. Wohl aber erhielt auch Offenburg, so gut wie andere Kreditoren, für seine Vorschüsse Anweisungen, Pfandverschreibungen, Lehen aller Art: den Bannwein zu Mülhausen, das Schultheißenamt daselbst, die Steuer daselbst, die Fischenz in der Sisselen u. a. m. Doch verblieb es hiebei sticht. Sigmund brauchte Offenburg nicht allein als Geschäftsmann; er schätzte ihn auch als den klugen, gewandten, angenehmen Rat und Gesellschafter. Seit geraumer Zeit hieß er sein Diener; jetzt nahm er ihn und all seine Habe und Kaufmannschaft ausdrücklich in des Reiches Schutz auf; er liebte es, ungehemmt und vertraulich mit ihm zu verkehren. Noch im hohen Alter erinnerte sich Offenburg daran, daß er in Konstanz wohl einen Monat lang des Königs Zimmergenosse gewesen war, nachts vor dessen Bette geschlafen hatte.

Aber zu Hause war Offenburg Oberstzunftmeister, eines der Häupter der Stadt, und es erhellt ohne weiteres, wie große Dienste er jetzt in Konstanz, so nahe dem König, seinem Gemeinwesen leisten konnte.


Am 21. März 1415 in der Frühe verbreitete sich durch die Konzilsstadt die erstaunliche Kunde, daß während der Nacht Papst Johann sich heimlich davon gemacht habe. Er war vor der Opposition, die sich immer feindlicher gegen ihn erhoben hatte, gewichen; auch dem König wollte er [398] sich entziehen; seine Absicht war, auf französischem Boden gegen das Konzil aufzutreten. So flüchtete er denn, durch Herzog Friedrich von Oesterreich gefördert, zunächst nach Schaffhausen. Hier sammelten sich Kardinäle und Hofleute um ihn. Schreiben aller Art ließ er hier ausgehen, seiner Stellung als Papst noch völlig bewußt und sicher. Bis die Kunde kam, daß sein Helfer Herzog Friedrich vom König geächtet worden sei; da stob sein Hof auseinander. Von Wenigen begleitet floh er am Karfreitag, 29. März, „durch Regen, Wind und Schnee“ nach Waldshut; am Tage darauf gelangte er bis Laufenburg und rastete hier einige Tage. Aber die Steckbriefe Sigmunds gingen hinter ihm her; er flüchtete aufs neue, ins Gebirge; endlich am 9. April kam er nach Freiburg und nahm hier Wohnung bei den Dominikanern. Wieder versuchte er, sich als Alles vermögender Papst zu benehmen; er erließ Urkunden und Schreiben, gewährte Gunstbezeugungen, hielt Hof mit den Bischöfen und Beamten, die sich allmählich wieder bei ihm einfanden. Auch an Straßburg und Basel gingen Briefe von ihm; er verlangte ihre Gesandten bei sich zu haben. Was erwartete er von ihnen? Obedienz und Unterstützung? Doch wohl eher ihre Vermittlung zu einem annehmbaren Frieden. Denn mit Herzog Friedrich war er schon so gut als entzweit, und es war auch eine große Gesandschaft des Konzils auf dem Wege nach Freiburg, die den Papst zur Abdankung bringen sollte.

Dieser vermochte jedoch nicht Stand zu halten; er entwich wiederum nach Breisach, und als ihm die Gesandten hierhin gefolgt waren, ja ihn hier zu einer Besprechung genötigt hatten, trieben ihn Angst und Unruhe aufs neue hinweg. Er floh rheinaufwärts; da wurde in Neuenburg plötzlich um ihn her das Gerücht laut, daß die Basler bewaffnet im Anzuge seien, um ihn festzunehmen. Es war ein falscher Lärm; aber er nahm dem Papste den letzten Rest von Mut. Er kehrte zurück nach Breisach; am 27. April lieferte ihn Herzog Friedrich, der ihn nun völlig preisgab, nach Freiburg und in die Gewalt des Königs.

Basel hatte seiner Zeit die vom Papste erbetene Gesandtschaft in der Tat abgeordnet; Claus Murer und Henman Offenburg gehörten ihr an. Zusammen mit den Straßburgern und mit Markgraf Rudolf waren die Basler erst in Freiburg beim Papste und bei Herzog Friedrich, dann in Konstanz beim König und dem Konzil tätig. Wir nehmen an, für eine Vermittlung, bei der sie aber nichts erreichten. Denn mit Papst Johann ging es nun rasch zu Ende. Er kam nach Radolfzell in Haft; am 29. Mai entsetzte ihn die Synode zu Konstanz [399] feierlich seiner Würde, und er hieß nun wieder Balthasar Cossa, wie vordem. Als solcher wurde er zunächst in den Turm zu Gottlieben, dann in ein Schloß des Pfalzgrafen bei Mannheim gebracht.

Aber Basel bekam den merkwürdigen Mann doch noch zu sehen. Im Frühjahr 1419 wurde er aus seiner Gefangenschaft entlassen und sollte jetzt in Basel den Vertretern seines Nachfolgers im Papsttum, Martin V., zur Weiterreise nach Italien übergeben werden. So geschah es. Und nicht ohne Glanz. Balthasar Cossa traf Ende Aprils 1419 im Geleite Straßburgischer Bewaffneter und verschiedener Herren, von Eberstein, von Lichtenberg, von Hatstat, von Rathsamhausen u. A. in Basel ein. Der Rat beschenkte den „alten bobst“ und seine Begleiter mit Salmen und Wein; mehrere Tage lang hielt sich Cossa hier auf; der Graf von Tettnang, Gesandte der Städte Lindau, Ueberlingen, Konstanz und Schaffhausen trafen ein, den alten Bekannten zu grüßen; auch der Bischof von Basel, der Johannitermeister, der Propst von Schönenwerd u. A. waren zur Stelle. Dann verritt er, bis Waldenburg durch die ganze Schar begleitet, die hiebei von Basel freigehalten wurde.

Wir kehren zu den Ereignissen des Frühjahrs 1415 zurück.

Die Flucht Johanns XXIII. vom Konzil war durch Herzog Friedrich von Oesterreich tätig unterstützt worden; er hatte sich dem Papste als Begleiter angeschlossen und machte dessen Sache zu seiner eigenen.

Der König lud ihn sofort zur Verantwortung nach Konstanz. Alte Streitigkeiten, die er mit Herzog Friedrich hatte, wirkten mit dem gerechten Unwillen über dieses neueste Vergehen zusammen und trieben Sigmund zur Leidenschaftlichkeit und Verbitterung. Als der Herzog der Vorladung nicht folgte, wurde am 30. März über ihn und sein Land die Reichsacht verhängt. Ueberall hin ergingen die Aufgebote gegen den Geächteten, und ringsum fielen Fürsten, Herren und Städte über seine Gebiete her; in wenigen Wochen ging der größte Teil der Vorlande, vom Sundgau bis zum Tirol, dem Hause Oesterreich verloren; nur der Schwarzwald und der Breisgau blieben dem Herzoge getreu.

Aber Sigmund hatte in seiner Hast, den Gegner zu strafen und zu schädigen, die Verhängung der Reichsacht nicht einmal abgewartet — schon am 23. März hatte er Bern, schon am 24. März die Elsässer Städte zum Einschreiten gegen Friedrich aufgerufen. Ohne Zögern, mit imposanter Macht, rückte Bern ins Feld und gewann in drei Wochen den schönsten Teil des Aargaus; die Luzerner und die Zürcher folgten und nahmen die ihnen dienlichen Gebiete ein; auch die übrigen Orte schlugen los, und im [400] Mai fiel das letzte und stärkste Bollwerk österreichischer Macht, die Feste Baden, in die Hände der Eidgenossen. Zur gleichen Zeit erfüllten sich die Geschicke Friedrichs auch im Elsaß: der Pfalzgraf und die Städte bezwangen Heiligkreuz, Thann, Ensisheim, Masmünster, u. a. m.

Basel war von Anbeginn über Alles genau unterrichtet. Papst Johann hatte sofort von Schaffhausen aus eine Gesandschaft an die Stadt abgehen lassen, von Freiburg aus ihr geschrieben; aber der Rat verhandelte zur gleichen Zeit auch in Konstanz mit dem Könige. In eben diesen Tagen trafen sich die Boten zahlreicher Städte (Worms, Frankfurt, Gelnhausen, Friedberg, Hagenau, Schlettstadt, Colmar, Ehnheim) in Basel; wir wissen nicht, was in dieser Zusammenkunft verhandelt wurde, aber jedenfalls war von dem Erstaunlichen, das sich soeben zugetragen, übergenug zu reden, und Basel konnte den guten Rat von Freunden brauchen. In diesem Zerwürfnis von König und Papst, vorab der damit verbundenen Angelegenheit des österreichischen Herzogs wegen, die richtige Stellung zu finden war nicht leicht. Der Rat entschied sich für Sigmund und sagte ihm seine Hilfe für alle Maßregeln zu, die er von Reichs wegen gegen Friedrich treffen werde. In Erwiderung hierauf bekräftigte Sigmund durch Diplom vom 3. April neuerdings alle Rechte und Gewohnheiten der Stadt, unter ausdrücklicher Zusage, daß die Hilfe, die sie dem Reich gegen Herzog Friedrich leisten würde, ihren Freiheiten unschädlich sein sollte. Tags darauf erteilte er Basel Vollmacht, mit Herzog Friedrichs Städten und Amtleuten zu verhandeln und sie zu des Reiches Handen zu ziehen; der Herzogin Katharina und den Gebieten Herzog Friedrichs gab er hievon gleichzeitig Kenntnis mit der Weisung, denen von Basel willig zu sein. Basel wußte sehr wohl, daß mit dem „teydingen“ und Verhandeln, von dem Sigmund redete, nichts zu erzielen sein werde. Es rüstete sich zum Kriege. Der Rat war rastlos tätig; Boten gingen nach allen Seiten, in die baselischen Aemter, nach Belfort und Ensisheim, nach Straßburg, nach Zürich und Bern. Aber auch mit dem Papste, der jetzt in Laufenburg saß, verhandelte der Rat noch immer. Burchard zu Rhein und Henman Offenburg waren unterdessen beim König in Konstanz; am 9. April sandte dieser die dringliche Aufforderung, zum Heere des Pfalzgrafen Ludwig von Ensisheim zu ziehen; auch befahl er genaue Bewachung aller Straßen, damit der Papst nicht etwa aus deutschen Landen entwische.

Basel konnte an drei Stellen gegen Herzog Friedrich Vorgehen: im Sundgau, in den Waldstädten, endlich in den Herrschaften Wartenberg, Münchenstein und Pratteln.

[401] In Bezug auf die letztgenannten Gebiete tat Basel gar keine Schritte; dagegen griff es sowohl im Sundgau als rheinaufwärts ein.

Wir erfahren freilich mehr von seinen Vorbereitungen zum Kriege, als von den Taten selbst. Das Rechnungsbuch nennt alle die zahllosen Ausgaben für Verstärkung der Befestigung Kleinbasels durch einen Graben, für Beschaffung der Munition, Ausrüstung, Löhnung, Fuhrwesen. Olten erhielt, der eidgenössischen Züge im Aargau wegen, vermehrte Besatzung unter den Hauptleuten Konrad Sinz und Herterich; die dem Hüglin von Laufen gehörende Burg Thierstein wurde mit besonderer Sorgfalt behütet. Aus dem Delsbergertal kamen Zuzüger und wurden bewirtet; eine Freischar bildete sich mit eigenem Banner, und als Feldzeichen des ganzen Auszuges wurde ein Banner mit dem Reichsadler angefertigt. Denn der Zug geschah ja von des Königs und des Reiches wegen.

Der Aufbruch erfolgte Ende Aprils. Zuerst rheinaufwärts. Die Basler legten sich vor Säckingen; aber als die Nachricht kam, daß die treu zum Herzog haltenden Schwarzwälder Bauern sich im Gebirge sammelten und über das Heer herzufallen beabsichtigten, brach dieses die Belagerung ab und zog nach Hause.

Dann ging der Marsch ins Sundgau. Fünfzehnhundert Mann stark, wie gemeldet wird, stießen die Basler zu dem Heere des Pfalzgrafen und nahmen an der Belagerung von Thann und Ensisheim teil.

Am 8. Mai war Alles zu Ende; hundertdreiundsechzig Männer, welche die Züge mitgemacht, wurden an diesem Tage zu Bürgern Basels aufgenommen. Der Schloßchronist von Röteln aber buchte diese Kriegstaten folgendermaßen: „Da zugent die von Basel gen Seckingen mit macht und lagent davor einen tag und ein nacht und furent wider heim, das sy nüt schuffent; und zugent ouch gen Ensensheim zu hertzog Ludewigen, da schuffent sy ouch nüt.“

Basel gewann in der Tat durch seine Leistungen nichts. Es ist schwierig, diese auffallende Tatsache gerecht zu beurteilen.

Man ist der Meinung, daß die Hetze, die von allen Seiten gegen Herzog Friedrich losging, und vor allem der glänzende Erfolg der Eidgenossen im Aargau die Basler zur höchsten Energie hätte antreiben sollen; die Gunst Sigmunds und seine Verpflichtungen gegen die Basler Kapitalisten hätten den Rat über die Folgen auch eines sehr gewalttätigen Vorgehens beruhigen können.

Dennoch wurde rein nichts erzielt, wie denn auch die Basler Kriegsführung selbst eine überaus vorsichtige war.

[402] Zur Erklärung, vielleicht auch zur Entschuldigung kann dienen, wenn wir folgendes annehmen:


Zunächst eine sehr große Gewissenhaftigkeit. Man erinnere sich an die Skrupel, die Zürich anfangs am Einschreiten gegen Friedrich hinderten und die dann insbesondere Uri auf Mitgenuß an den eroberten Gebieten verzichten ließen; Zürich hatte Bedenken wegen des kaum erst mit Oesterreich vereinbarten Friedens; und Uri enthielt sich, weil es nur von Reiches wegen ins Feld gezogen sei. Basel, das seit 1412 mit Friedrich verbündet war, mochte ähnlich denken. Aber es war doch allzu korrekt und zugleich dem König gegenüber allzu willfährig. Als Freistadt war es in der Lage, seine Hilfe einfach verweigern zu können; aber es gewährte sie dennoch und ließ die Fiktion gelten, der Krieg geschehe „um Sache die heilige Christenheit antreffend“ und das Aufgebot gehe aus vom König „als einem Vogt und Schirmer der heiligen Kirche, dem sie als Christenleute zu folgen gehalten seien.“ Für diesen heiligen Krieg stellte es dem König keine Bedingungen, wie die Eidgenossen taten; es ließ sich nur Gewalt geben, die Lande Friedrichs zum Reiche zu ziehen, und weiter nichts garantieren als seine alten Rechte und die in diesen Landen gelegenen Zinsen, Schulden und Kaufmannswaren.


Außerdem aber ist an Umtriebe und Verhandlungen zu denken, die das Vorgehen Basels lähmten. Wie war doch die Gesellschaft beschaffen, die das öffentliche Wesen in Händen hatte! Wie stark die Parteiung, und wie einflußreich die mannigfaltigen Beziehungen aus Lehen, Geldschuld, Verwandtschaft! Die rücksichtslose Kraft der ersten Ammeisterjahre, die im Isteiner- und zumal im Neuensteinerkrieg sich wirksam erwiesen hatte, war schon vorbei; die alte Partei schickte sich schon wieder an, das Ruder des Staates zu übernehmen. Daher denn, neben dem Verkehr mit Sigmund, die immerwährenden Verhandlungen mit Herzog Friedrich, dessen Boten in Basel selbst mit dem Rate zu tun hatten, jene nicht recht verständliche Gesandschaft nach Freiburg und nach Konstanz. Man kann sich des Gefühles nicht erwehren, daß es Basel mit seinen Kriegszügen gegen Friedrich gar nicht recht Ernst gewesen sei. Schon Wurstisen schrieb, die Basler seien ausgezogen, „dem König (als man achtet) die Augen zu erfüllen, dann sie nicht hart an den Herzog setzten.“ Und so soll auch der Zug des Pfalzgrafen im Sundgau im Grunde nicht gegen den Herzog, sondern gegen Burgund und zum Schirme Oesterreichs unternommen worden sein.

Was diesen Sundgauerzug anbelangt, so scheint auf den ersten Blick [403] allerdings, daß die Sachlage hier eine für Basel besonders günstige gewesen sei.

Herzogin Katharina erscheint nach dem Tode ihres Gemahls Leopold als Herrin der Herrschaften im Sundgau. Als solche verbündet sie sich im Dezember 1412 mit Basel, als solche gerät sie in Streitigkeiten mit dem Bischof von Basel, mit Herrn Thüring von Ramstein, insbesondere aber mit dem Pfalzgrafen Ludwig und mit Graf Hans von Lupfen. Die letzterwähnte Fehde war im Grunde eine Angelegenheit des Smasman von Rappoltstein und ihr Gegenstand die Herrschaften Hohenack und Landsburg sowie die Stadt Bergheim. Aber die nahen Beziehungen Katharinas zu Smasman bewirkten, daß auch sie in diesen Krieg eintrat, der nun das ganze Oberelsaß bewegte. Durch die Jahre 1411, 1412, 1413 zogen sich die Unruhen hin; ihr Mittelpunkt war stets dieser Smasman von Rappoltstein, ein kleiner Dynast, der seine Macht um jeden Preis zu vermehren strebte.

Er war der Sohn jenes Bruno, der schon dem König Karl VI. von Frankreich wie auch dem burgundischen Herzog gedient hatte; er selbst wurde am Pariser Hof erzogen; später finden wir ihn als Mundschenk des Herzogs Philipp, als Kämmerling des Herzogs Johann von Burgund. Jetzt verlangte er von Burgund Auszahlung der Summen, die ihm aus dem Dienstvertrag seines Vaters noch zukämen. Außerdem machte er die Dienste geltend, die er selbst dem Herzog Johann und der Herzogin Katharina geleistet habe, und begehrte Ersatz des ihm hiebei erwachsenen Schadens. Er ritt wiederholt an den Hof nach Dijon, aber erhielt nur Versprechungen; Katharina selbst verwandte sich für ihn bei Bruder und Schwägerin; auch sie erlangte nur Mahnungen zur Geduld.

Diese Verhältnisse, zusammen mit der Lage der elsässischen Dinge selbst, scheinen Smasman völlig mit Katharina verbunden zu haben. Er wollte sich an ihr und ihrer Herrschaft schadlos halten, mit ihr zusammen ein Territorium begründen. So kam es zur Eheberedung zwischen Smasman und der sechsunddreißigjährigen Katharina; im Herbst 1414 wurde hievon zum ersten Mal im Lande gesprochen, und da und dort entstanden Befürchtungen.

Wessen hatte man sich nun von Herzog Johann zu versehen? Besorgt schrieb Straßburg an Basel, es habe geheime Botschaft erhalten, daß der burgundische Herzog mit großer Macht an den Rhein heraus zu ziehen gewillt sei; Basel schickte seine Kundschafter aus und erfuhr von diesen, sowie von französischen Herren, die zum Konzil durchritten, daß die Rüstungen des Burgunders dem Herzog von Orleans galten. [404] In der Tat regte sich nichts von dieser Seite her; wohl aber brach nun Krieg des Herzogs Friedrich von Oesterreich gegen Smasman und Katharina los. Schon nach Herzog Leopolds Tode waren zwischen der Witwe und ihrem Schwager Friedrich Streitigkeiten über die Verlassenschaft ausgebrochen; hiezu trat nun die Verbindung Katharinas mit Smasman, die den Unwillen Friedrichs erregte. Zahlreiche Absagebriefe, vom Herzog selbst, seinem Landvogt Mansperg, seinem Hofmeister Wolkenstein, von Edeln Süddeutschlands und Oesterreichs, von den Städten Freiburg, Breisach, Neuenburg, Rheinfelden usw. liefen im Dezember bei Smasman ein. Katharina, die sich nach Belfort gezogen hatte, gebot ihrerseits den Vögten, Räten, Städten und Untertanen ihres Landes, allen Anordnungen Smasmans in diesem Kriege zu folgen. Herzog Friedrich aber war in die Lande eingebrochen und hatte sich in Ensisheim festgesetzt. Da brachte Basel im Januar 1415 einen Waffenstillstand zuwege, der bis 24. Juni dauern sollte, und nun scheinen die Unterhandlungen begonnen, scheint namentlich auch Herzog Johann ein Wort zu dieser Sache geredet und eine Erklärung von Friedrichs Vorgehen verlangt zu haben. Friedrich rechtfertigte sich am 15. Februar damit, daß die Ehe Katharinas mit Smasman fürchten lasse, ihr Land möchte in fremde Hände übergehen; um dem vorzubeugen, habe er ihre Schlösser eingenommen.

Wenige Wochen später erfolgte die Katastrophe Friedrichs, seine Aechtung, die Einnahme seiner Gebiete von Reiches wegen. Noch ehe der Pfalzgraf und die Städte dies im obern Elsaß getan hatten, gab Katharina am 17. April vom Schlosse Belfort aus ihrem Smasman die Vollmacht, die ihr durch Friedrich entrissenen Schlösser und Gebiete, sofern der König diese in des Reiches Hand bringen werde und ihr wieder einräumen wolle, statt ihrer zu übernehmen.

So lagen die Dinge, und bei näherem Zusehen erweist sich nun allerdings, daß für Basel hier kaum etwas zu gewinnen war. Zu viele Interessen trafen sich auf dem einen Punkte: Katharina, Smasman, Burgund, Oesterreich, und im Hintergrunde der Pfalzgraf. Und zudem ruhte ja das ganze Herrschaftsverhältnis der Katharina auf einer eherechtlichen Verbriefung, die mit ihrem Tode erlosch und Alles in das ursprüngliche österreichische Wesen zurückkehren ließ. Aus allen diesen Gründen war hier Eingreifen untunlich für Jemanden, der Bedenken hatte und bei jedem Schritt alle möglichen Folgen überschlug.

Bei den Waldstädten wäre die Gelegenheit eine unvergleichlich bessere gewesen, und in der Tat ließ Basel durch Henman Offenburg beim König Schritte tun, um Rheinfelden, Laufenburg und Säckingen zu Handen zu [405] bringen. Die Verhandlungen über diesen Antrag zogen sich nun freilich hinaus; wie sie dann im Frühjahr 1418 zum Ende kamen, aber für Basel wiederum nichts ergaben, wird später zu erwähnen sein. Der Versuch scheiterte entweder an einer Opposition im Rate selbst oder an einer von Bern ausgehenden Gegenwirkung.

Daß endlich Basel in Bezug auf die ebenfalls fridericianischen Herrschaften Münchenstein, Muttenz und Pratteln gar nichts tat, so wichtig es doch gewesen wäre, in diesen trennenden Gebieten auf irgend eine Weise Fuß zu fassen, geschah jeden falls aus Rücksichten auf die mit ihnen belehnten Familien der Münch und Eptingen.

Alles dies, die Skrupel, die Rücksichten, das Hören und Achtgeben auf den Willen Anderer floß aus der Behutsamkeit, die als höchste Staatsweisheit galt. Die Stadt ging aus diesen Verwickelungen, die einen Schicksalsmoment ohne Gleichen bildeten, allerdings tadellos, aber auch völlig unverändert hervor; sie war mit den Ereignissen in keiner Weise gewachsen.


Der Rat konnte sich hierüber mit König Sigmund unterhalten, als dieser wenige Monate später, im Juli 1415, rasch in Basel einkehrte. Sigmund empfing hier auch die Boten der Eidgenossen; er verhandelte mit diesen über ihre Taten und Erfolge, und hier auch, am 22. Juli, überließ er Zürich gegen Erlegung von viertausendfünfhundert Gulden und mit der Erlaubnis, die andern Orte in diese Pfandschaft aufzunehmen, die von ihnen gewonnenen Lande und Städte des Aargaus. Basel konnte zusehen, wie seine Freunde jenseits des Gebirges die Frucht ihrer Entschlossenheit gewannen; es selbst hatte mit der Beherbergung des Königs zu tun und mit dem Ceremoniell, das diesmal schwieriger war, weil Sigmund sich von seiner Gemahlin begleiten ließ. Am 23. Juli verreiste er; in Arberg trennte er sich von der Gemahlin, um über Bern die große Reise nach Frankreich und England anzutreten; Königin Barbara kehrte durch Basel in ihre Länder zurück.

Am 27. Januar 1417 traf Sigmund, von seiner Reise zurückkehrend, wieder in Konstanz ein, und die Beziehungen zu Basel treten von da an immer mehr hervor. Die Stadt hatte sich ihm in rascher Besorgung von Briefen nach Calais dienstlich erwiesen; durch Beköstigung seines Hofhaltes war sie auch seine Gläubigerin für achttausend Gulden geworden. Aber weitergehenden Forderungen des Königs gegenüber verhielt sie sich ablehnend. Herzog Friedrich von Oesterreich war, nachdem er sich dem König zur Haft gestellt, wieder aus Konstanz entwichen und sodann, auch seiner [406] Gewalttaten gegen den Bischof von Trient wegen, im Frühjahr 1417 durch das Konzil mit dem Banne, durch den König mit der Acht belegt worden. Aufs neue erging der Ruf zum Kriege gegen ihn. Auch an die Eidgenossen und auch an Basel. Aber Jene, mit Wallis und dem Eschental beschäftigt, waren diesmal nicht zu haben, obwohl Sigmund persönlich Zürich, die drei Länder und Luzern besuchte; Basel dagegen machte die schwere Schädigung geltend, die es vor kurzem durch Brand erlitten, und Henman Offenburg, der den König nach Luzern begleitet hatte, vermochte hier zu erwirken, daß die Stadt deswegen aus der Dienstpflicht entlassen wurde und auch keine Loskaufssumme zu entrichten hatte.

Im Frühjahr des folgenden Jahres 1418 sodann kam die Angelegenheit von Basels Erwerbung der Herrschaften Rheinfelden, Laufenburg, Säckingen neuerdings zur Sprache, wegen deren die Stadt schon 1415, gleichfalls durch Offenburg, sich beim König gemeldet hatte. Sigmund war geneigt, auf einen solchen Handel einzugehen; Basel sollte um achttausend Gulden (seiner Forderung für Beherbergungskosten entsprechend) die Herrschaften verschrieben erhalten und eine weitere Summe (der von Sigmund an den großen Brandschaden zu leistenden Beisteuer entsprechend) auf die Pfandschaft geschlagen werden. Die Gesandtschaft des Königs, mit dem Hofrichter Graf Günther von Schwarzburg an der Spitze, war schon in Basel eingetroffen, und man rüstete sich zum Abschluß des Vertrages. Da in letzter Stunde erhob sich inmitten des Rates selbst Opposition und brachte das ganze Projekt zu Falle; die Verpfändung kam nicht zustande; die Gesandten konnten unverrichteter Dinge nach Konstanz zurückreiten. Diejenige Partei im Rate, die seinerzeit durch Offenburg sich an den König gewendet hatte, unterlag der inzwischen mächtiger gewordenen Gegenpartei, die nun Offenburgs Vorgehen als ein eigenmächtiges darstellte und desavouierte; vielleicht haben wir hierin die Hand des in den Rat wieder neu eingetretenen Hans Ludman von Rotberg zu erkennen. Inwiefern hiebei lediglich Privatinteressen spielten, österreichische Gesinnung maßgebend war, Rücksichten aus Bern mitwirkten, ist unmöglich zu entscheiden. Aber auch diese Gelegenheit, die Konstellation von 1415 auszunützen, war durch die Basler versäumt; „daz inen hernoch gar leit waz“, schrieb der Chronist des königlichen Hofes, Eberhard Windecke. Freilich kam Basel später nochmals auf die Sache zurück, aber auch da ohne Erfolg. Im Oktober 1424 instruierte der Rat den Henman Offenburg zu erneuten Verhandlungen mit dem König, um die Feste Rheinfelden, die als Reichspfand im Besitze der Brüder Hans und Frischhans von Bodman war, in die Gewalt der [407] der Stadt zu bringen; der Rat war gewillt, bis auf siebentausend Gulden zu gehen, und beauftragte den Offenburg, dahin zu wirken, daß Sigmund auch noch drei- bis viertausend Gulden darauf schlage als Entschädigung für die 1415 geleistete Hilfe, sowie tausend Gulden zum Verbauen an dem bresthaften Schlosse. Und was der Rat hiebei im Sinne hatte, stand mit allgemeinen Plänen im Zusammenhange. Dies ergibt sich aus den in demselben Oktober 1424 mit dem Ratsherrn Burchard Zibol getroffenen Abreden: Zibol war willens, den Schwarzwald mit der Feste Hauenstein von Oesterreich in Pfand zu nehmen, und der Rat beschloß, sofern Zibol hiezu den Mut habe, so sei dies auch des Rates guter Wille und er werde dem Zibol in allen Dingen, die ihm aus solcher Pfandschaft entstehen möchten, beraten und beholfen sein. Aber alle diese Beschlüsse führten zu nichts.

Neben den Beziehungen Sigmunds zur Stadt verdienen auch die Geschäfte Beachtung, die er mit einzelnen ihrer Bürger hatte.

Von Henman Offenburg war in dieser Richtung schon die Rede. Ihn empfahlen alle guten Eigenschaften des klugen, welterfahrenen Mannes, nicht zum mindesten jedenfalls die Tätigkeit, am Hof und in der nächsten Nähe der Majestät ohne Anstoß zu verkehren. So wurde er Familiar, Tisch- und Schlafkammergenosse des Königs und für diesen, der allezeit Finanzkünste zu treiben genötigt war, so unentbehrlich als fachmännischer Berater und Helfer wie der vielgenannte Konrad von Weinsberg. Die zahlreichen Gunsterweisungen und Zuwendungen, die dabei Offenburg vom Könige zuteil wurden, waren eine natürliche Folge dieses Verhältnisses. Aber eben nur eine Folge; das Verhältnis selbst ist durch sie nicht repräsentiert. Wir würden der Natur dieser auf ganz bestimmten Fähigkeiten, auf Achtung, offener Zuneigung, Treue ruhenden Beziehungen und dem persönlichen Werte der beiden Männer zu nahe treten, wenn wir nichts Anderes zwischen ihnen sehen wollten als Geschäft, als Leistung, Nutzen und Entgelt.

Dieses letztere Element finden wir umso reichlicher da, wo andere Basler mit Sigmund zu tun bekamen. Wir nennen in dieser Beziehung den Freiherrn Thüring von Ramstein, der dem König dreitausend Gulden lieh und dafür Burg, Stadt und Amt Dattenriet verpfändet erhielt. Sodann sind es zwei Gruppen oder Gesellschaften von Basler Geschäftsmännern, die sich den König durch große Darleihen verpflichteten. Die eine war gebildet durch Oswald Wartenberg, Hans von Waltenheim und Claus von Moos; die von ihnen kreditierte Summe betrug siebentausend Gulden, und [408] Sigmund stellte ihnen für deren Rückzahlung die vornehmsten Bürgen: den Markgrafen Friedrich von Brandenburg, die Grafen Günther von Schwarzburg, Eberhard von Nellenburg, Konrad von Freiburg, Friedrich von Toggenburg, Hans von Lupfen u. A. m. Aber so erlaucht diese Bürgen auch waren, so ungelegen war auch ihnen die Zahlung des Geldes, und die Verhandlungen über diese Schuldsache, mit wiederholten Bitten der Bürgen beim Basler Rate, die Gläubiger zur Geduld zu mahnen, und mit stets neu variierten Verschreibungen und Anweisungen des Königs auf die königlichen Münzen zu Frankfurt und Nördlingen, auf die Reichssteuer zu Frankfurt, auf den Zoll in Freiburg, zogen sich jahrelang hin.

In der andern Gruppe finden wir die Basler Bürger Heinrich von Biel und Dietrich von der Ziel als Gläubiger Sigmunds für achttausend Gulden, gleichfalls unter Bürgschaft des Brandenburger Markgrafen u. A. Gottschalk von der Abenteur, ebenfalls Bürger Basels, verkaufte dem König Kleinodien für tausend Gulden und sollte die Zahlung dieser Summe durch den Juden Kölner erhalten.

Was außerdem auf diesem Gebiete geschah, zeigt sich uns nur zufällig und vereinzelt. Die Legitimierung der Bastarde des Bankiers Heinzman Zscheckenbürlin, die Verleihung von Wappen an die Brüder Oswald und Erhard Wartenberg, die Aufnahme des Veronesen Georg, Apothekers zu Basel, unter die königlichen Familiaren, – alles dies deutet auf geschäftliche Beziehungen und Verbindlichkeiten Sigmunds. Und als im Mai 1418 der König sich von Konstanz verabschiedete und seine hier gemachten Schulden summierte, da stand in der langen Reihe der Gläubiger auch Peter Gatz von Basel. Als Geschäftsführer des Henman Offenburg, als Vertreter Basels, aber auch für eigene Rechnung hatte er beträchtliche Summen für Sigmund ausgelegt und außerdem an rückständigen Jahrlöhnen, Entschädigungen usw. für den Dienst des Königs dreihundert Gulden zu fordern. Auch er konnte jetzt für diese Ansprachen auf die von Sigmund zurückgelassenen unnützen Pfänder, die Teppiche und goldenen Tücher greifen, wenn er mochte. Zahlung erhielt er so wenig wie die Andern.

Den Schluß der Beziehungen des Königs zu Basel bildete für einstweilen der prächtige Fürstentag, der im Frühsommer 1418 hier stattfand.

Am Martinstag 1417 war zu Konstanz Papst Martin V. gewählt worden, und die Synode hatte ihre Aufgabe erfüllt. Mitte Mai 1418 verreiste der Papst und fuhr, ohne Basel zu berühren, über Schaffhausen, Lenzburg, Bern dem Süden zu. Das Konzil ging nach allen Seiten auseinander. Basel erlebte nun das Zurückfluten derselben Massen, die vor [409] wenigen Jahren nach Konstanz geströmt waren; von all den Prälaten, die jetzt durchritten, mag hier nur der Kardinal Giordano Orsini genannt werden; auf seiner Reise nach Frankreich als päpstlicher Legat besuchte er Basel in den ersten Apriltagen 1418, wurde vom Rate in üblicher Weise beschenkt, und auf seine Fürbitte erhielt der Kleinbasler Ulman Brand Gnade, der wegen unerhört böser Flüche zu Halseisen, Schwemmung und Ausreißen der Zunge verurteilt worden war.

Aus der Auflösung des Konzils, da rings Buden abgebrochen, Kammern gelüftet, Geschäfte und Schulden verrechnet wurden, machte sich kurz nach dem Weggange des Papstes auch König Sigmund davon. In der Pfingstwoche traf er zu Mömpelgard mit dem Herzog Johann von Burgund zusammen, und am 29. Mai finden wir ihn in Basel. Hier an der alten historischen Wegscheide sammelte sich um ihn eine zahlreiche und glänzende Gesellschaft, so die Herzoge Otto und Hans von Baiern, Herzog Hans von Münsterberg, der Neuvermählte Herzog Ludwig von Brieg, die Grafen Philipp von Nassau, Hans von Tierstein, Hans von Lupfen, und, als wäre nie Feindschaft gewesen, neben Herrn Smasman von Rappoltstein Herzog Friedrich von Oesterreich, der nun auch mit dem König seinen Frieden machte. Weiterhin der nirgends fehlende Markgraf von Röteln und, von den Städtern ungern gesehen, der gewaltige Markgraf Bernhard von Nieder-Baden. Dann die pompöse Gruppe des Herzogs Johann von Burgund mit seinem Gefolge aus Wälschland, auch die Herren von Chalon, Walther von Sey, Beyer von Boppard u. A. Endlich das dichte Gedränge der oberrheinischen Edeln. Auch Damen waren anwesend, wie die Gemahlin des Pfalzgrafen Ludwig, die Gräfin von Lupfen, die Frau von Bemont; und in Menge machten sich die Städte herbei, vor allem diejenigen in Basels Nähe, die wie Freiburg, Breisach, Neuenburg, Kenzingen jetzt wieder in Herzog Friedrichs Gewalt zurückgegeben wurden; aber auch aus Köln und den Hansestädten erschienen hier Gesandtschaften vor Sigmund.

Es waren arbeitsreiche und glänzende Tage für Basel. Der König samt seinem Gesinde wohnte wiederum im Hofe Meister Josts auf dem Münsterplatz; aus den Badstuben hatten Betten für die Ausrüstung dieses Quartiers geholt werden müssen. Zur Mücke war Bankett und Tanz; in stattlichen Geschenken an Wein, Salmen, Hafer erwies die Stadt König und Fürsten ihre Gastfreundschaft und ihren Reichtum. Die Zünfte waren abwechselnd zur Versehung der Wachten aufgeboten.

Von Verhandlungen Sigmunds mit Basel verlautet jetzt freilich nichts; nur die Handelssperre gegen Venedig kam zwischen ihnen zur Sprache. [410] Im übrigen waren es die Angelegenheiten des Reiches, die in diesen Tagen, bevor Alles auseinanderging, unter den Großen besprochen wurden, so der Feldzug gegen Frankreich, die Ausrottung der Ketzer in Böhmen, die Sache des Balthasar Cossa weiland Papst Johanns XXIII. Daß auch Engländer hier sich zeigten, einige Bischöfe z. B. und der Londoner Kaufmann Johann Grysley, erinnerte an Sigmunds Bündnis mit König Heinrich V.

Die Staatsmänner von Basel fanden sich mitten in diesem Treiben, in der großen Welt, im Glanz, und horchten eifrig auf Alles, was in Hof und Kanzlei vorging und vielleicht ihrem eigenen Handeln die Richtung geben konnte.

Eine Woche etwa hatte die Zusammenkunft der Fürsten gewährt; dann verreiste der König nach Norden. Alles verzog sich, es ward stille, und Basel war für geraume Zeit wieder der Besorgung der eigenen und beschränkteren Angelegenheiten allein überlassen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: daß daß