Geschichte eines Algierer-Sklaven

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Autor: August Franz von Haxthausen
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Titel: Geschichte eines Algierer-Sklaven
Untertitel:
aus: Wünschelruthe – Ein Zeitblatt. Nr. 11-15 (5.-19. Februar 1818) Erschienen in Fortsetzungen.
Herausgeber: A: Straube und Dr. J.P v. Hornthal
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1818
Verlag: Vandenhoek und Ruprecht
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Erscheinungsort: Göttingen
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Originaltitel:
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Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung: Erzählung nach einer wahren Begebenheit
Die Geschichte diente Annette von Droste-Hülshoff als Vorlage für Die Judenbuche
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[41]
Geschichte eines Algierer-Sklaven[1].
Von A. Freiherrn Haxthausen.




Der Bauernvogt von Ovenhausen hatte im Herbst 1782 einen Knecht Hermann Winkelhannes, mit dem er, weil es ein tüchtiger frischer Bursche, wohl zufrieden war. Dieser hatte bei dem Schutzjuden Pinnes in Vörden Tuch zum Foerhemd (Camisol) ausgenommen, und als er wohl schon einige Zeit damit umhergegagen und der Jude ihn nun an die Bezahlung mahnt, so läugnet er, verdrießlich, das schon etwas abgetragene, und auch nicht einmal gut ausgefallene Tuch noch theuer bezahlen zu müssen, jenem keck ab, so hoch mit ihm übereingekommen zu seyn, vielmehr habe er die Elle zwei gute Groschen wohlfeiler accordirt, und nach manchem Hin- und Herreden sagt er zulezt: „du verflogte Schinnerteven von Jauden, du wust mi man bedreigen, eh ek di den halven Daler in den Rachen smite, well ek mi leiver den kleinen Finger med den Tännen afbiten, un wann de mi noch mal kümmst, so schla ik di de Jacken so vull, dat du de Dage dines Levens an mi gedenken fast.“ Dem Juden bleibt also nichts anders übrig, als ihn beim H..schen Gericht, der Gutsherrschaft Hermanns, zu verklagen. In der Zwischenzeit bis zum Gerichtstag hat sich dieser mit mehreren besprochen, und ist ihm von den Bauern, da es gegen einen Juden ging, gerathen worden, es darauf ankommen zu lassen; wie denn sein eigener Brodherr sich später ein Gewissen daraus gemacht hat, daß er ihm damals gesagt habe: „Ei wat wust du denn dat bethalen, eck schlöge ja leiver den Jauden vörm Kopp, dat hei den Himmel vor’n Dudelsack anseihe, et is ja man ’n Jaude!“

Aber am Morgen des Gerichtstages beschwor der Jude sein Annotirbuch, und da er außerdem unbescholten war, ward ihm der volle Preiß zugesprochen; da wollen Leute, die die Treppe herauf gingen, als Hermann von der Gerichtsstube herunter kam, gehört haben, daß er gesagt: „Töf, ek will di kalt maken!“ von welchen Worten ihnen das Verständniß erst nach dem Morde geworden.

Es war Abend geworden, als der Förster Schmidts quer übers Feld auf’s Dorf zugehend, den Hermann an der Ricke herauf nach dem Heilgen Geist Holz zugehen sieht, und, glaubend jener wolle noch spät Holz stehlen, ihm behutsam auf dem Fuß nachfolgt. Als er ihn aber nur einen Knüppel sich abschneiden sieht, und die Zackäste davon abschlagen, so sagt er halb ärgerlich bei sich: „I wenn du wieder nix wult häddest, ase dat, so häddest du mi auk nich bruken dahenup to jagen“; und die Flinte, die er auf den schlimmsten Fall zu schneller Bereitschaft unter den Arm genommen, wieder auf die Schulter hockend, geht er langsam die Schlucht herunter nach dem Dorf zu. Nahe davor zwischen den Gärten begegnet ihm der Jude Pinnes und bittet für seine Pfeife um etwas Feuer, welches man auch keinem Juden abschlagen darf, und weil der Zunder nicht gleich fangen will, so reden sie vom Handel, und ob der Jud seine Fuchsfelle haben wolle, der aber: er könne jetzt nicht wieder umkehren und sie besehen, er müsse nach Hause; „ja“, sagte der Förster ihm das Feuer auf die Pfeife legend, „wenn du noch na Huse wust, so mak dat du vor der Dunkelheit dörch ’t Holt kümmst, de Nacht meint et nich gut med den Minschen“.

Zwei Tage drauf des Nachmittags kommt die Frau des Schutzjuden Pinnes den Höxterschen Weg herunter ins Dorf, schreiend und heulend: ihr Mann läge oben erschlagen im [42] Heilgen Geist Holze; und während die Leute zusammenstehn und es besprechen und einige den Weg heraufgehen, dem Holze zu, giebt sie es bei dem Gerichte an, und erzählt unter Schluchzen, als vorgestern ihr Mann nicht gekommen, gestern nicht, und auch heute Morgen nicht, habe sie sich aufgemacht, um hier im Dorf zu fragen welchen Weg er genommen, und als sie durchs Holz gekommen, sei auf einem Fleck viel Blut gelegen, und eine Spur davon habe ins nahe Gebüsch gewiesen, da sei sie neugierig gefolgt, meinend ein todwundes Wild sei da vielleicht hineingekrochen, da sei es ein Mensch gewesen, und ihr Mann, und todt!

Man bringt ihn auf einer Tragbahre ins Dorf. Er hatte siebzehn sichtbare Schläge mit einem Knüppel erhalten, aber keiner von sechsen, auf den Hirnschädel gefallenen, hatte diesen zersprengt, ohngeachtet sie so vollwichtig gewesen, daß die Haut jedesmal abgequetscht war. Nur einer ins Genick und ein Paar in die Rippen waren ihm tödtlich geworden. Die Haut in beiden Händen war abgeschält; (er hatte, wie sich später erwieß, mehrmals krampfhaft den zackichten Prügel ergriffen, der Mörder ihm aber denselben mit aller Gewalt durch die Hände gerissen daß die Haut daran geblieben).

Der Förster Schmidts war mit unter denen gewesen, die hinauf gegangen, und fand kaum 100 Schritt vor der Leiche auf dem Wege nach Ovenhausen rechts am Graben den blutigen Knüppel der seine Gedanken auf Hermann leitete; dann kam beim Gericht die Erinnerung an den Prozeß, und bald die Aussage jener die gehört, daß Hermann unten an der Treppe gesagt: ek will di kalt maken.

Da gab das Gericht Befehl ihn zu arretiren, und weil man hörte, er sei seit ein paar Tagen nicht mehr beim Voigt in Ovenhausen, sondern bei seinem Vater in Bellersen, so setzte sich der Drost Freiherr H..n selbst mit einem Reitknechte zu Pferde, und ritt von der einen Seite ins Dorf, während von der andern Seite die Gerichtsdiener auf das Haus des alten Winkelhannes zukamen. Der aber erzählte, als man niemanden fand, sein Sohn sei schon seit voriger Nacht fort, er wisse nicht wohin. Das war aber unwahr, denn Hermann erzählte später selbst: er habe die Gerichtsdiener aufs Haus zukommen sehen, da sei er durchs Fenster in den Garten gesprungen und habe sich in die Vicebohnen versteckt, und habe das Suchen alles gehört, wie es dann still geworden, dann ein Paar am Gartenzaun sich begegnet, und der eine gesagt: da häwwet se en! worauf der andere: ach wat willt se’n häwwen, de is längest öwer alle Berge! wo sull he denn wal hen lopen sin? Ach war weit eck, na Ueßen, na Prüßen, na Duderstat hen!

Der Jude lag indeß auf der Todtenbahre und seine Wunden öffneten sich nicht mehr, um bei Vorführung des Mörders zu bluten. Da kamen die Verwandten und Glaubensgenossen, ihn zum ehrlichen Begräbniß abzuholen, und während der Rabbiner ihn in den Sarg legen und auf den Wagen laden läßt, stehen der Bruder und ein paar andre Juden beim Drosten H..n und bitten ihn nach einiger Einleitung, „se hatten ’ne grause Bitte an er Gnoden.“ Nun und worin besteht die? wendete der Drost ein. „Er Gnoden müssen’s uns aber nich vor übel nehmen, da is der Baum wo unser Bruder bei erschlagen, da wöllten mer se bitten, ob se uns erlauben wollten in den Baum unsre Zeichen ’nein zu schneiden, mir wollens gerne bezohlen, fordern er Gnoden nur was se da vor haben wollen“. – „O das thut in Gottesnahmen soviel ihr nur wollt!“ – „Nu mer wollen allen Schaden ersetzen, verkaufen se uns den Baum“ – „Ach was, schreibt daran was ihr Lust habt, das thut dem Baum weiter nichts. Aber was wollt ihr denn drein schneiden, dürft ihr das nicht sagen?“ frägt der Drost zurück. „Ach wenn er Gnoden es nich vor übel nehmen wollten, da ist unser Rabbiner der soll da unsere Hebräischen Zeichen nein schneiden, daß der Mörder, den unser Gott finden werd, keines rechten Daudes sterben soll“. [46] Nach fast 6 Jahren, im Frühiahr 1788, wird dem Fürstbischof von Paderborn, während gerade in der Zeit des Landtags Mehrere von der Ritterschaft worunter auch der Drost H..n, bei ihm an der Mittagstafel sitzen, ein Brief gebracht, welchen er, nachdem er ihn gelesen, dem Drosten giebt, „das betreffe jemand aus einem seiner Dörfer und wie sich das verhalte, ob man etwas dafür thun solle?“ Der Drost, nach aufmerksamer Lesung, giebt ihn dem Fürsten zurück: „Er überlasse das der Einsicht ihrer Fürstlichen Gnaden, der Mensch sei übrigens im stärksten Verdacht eines begangenen Mordes, und man würde ihn dort nur befreien, um ihn hier den Händen der Gerechtigkeit zu überliefern“. –

Der Brief aber lautet wörtlich so:

     Ihro Hochfürstlich Gnaden durchleichtigster Printz. Mein allergnädigster Herr herr etc.

Ich armer bitte Unterthänigst. zu vergeben daß ich mein Schreiben. an ihro durchleichtigsten Printzen Ergehen laße. in deme ich nach Gott Einzig und allein meine Zuflucht zu ihro Gnaden meinen allergnädigsten Landesherren suche, hoffe meine Bitte erhöret zu werden.

Ich Johannes Winkelhannes von den Paderpormschen auß Pelersen deß fürstenthum von Neuhaus gebürtig, von der Dioces Churfürstenthum Cöllen. Mein Vatter hermanns und meine Muetter Maria Elisabetta Abgentz, deßen Ehlich Erzeigte Sohn stunde in spanischen Dienste untter dem löbl. Regiment Provante geriethe Sklavische Gefangenschaft worinnen ich schon über zwei Jahre lang in diesem so erbermlichen Leben bin, Wenn man sollte sprechen das Ellend der Christen unde wie sie von diessen Barbaren dractieret werden, ist mir unmöglich zu schreiben, und die teglichen Nahrung bei so schwerer Arbeit miserable Kleidung sollte ein steinernes Herze zum Mitleiden bewegen. Doch meiner seits Gott sei Dank habe ich einen guetten Patron bekhomen, welcher der erste Minister nach dem Bei ist, und wird Casnätzi genannt, wo ich an Unterhalt undt Kleidung keinen Mangel leidte doch in bedenkung ein Sklave den Christenthum Entzogen, und meiner Schuldigkeit als ein Christ nit nachkommen kann. Keinen Trost. Undt zuflucht bei keinen Menschen mich dieses Jemerlichen Standes zu entziehen, so setze ich nun mein Vertrauen und Zuflucht zu ihro hochfürstliche gnaden Kniefehlich mit bitteren Thränen bittend durch das bittere Leidten und Sterben Jesu Christi sich meine zu erbarmen, mich dieses Ellenden Sclaven-Stande Loß zu machen und mir wiederum in mein liebes Vatterlandt zu verhelfen es ist in Wahrheit es ist Villes Gelt nachendt bei Dreihundert Ducaten, doch wird solches Gott der Allmechtige solches an ihrer hoch fürstliche Gnaden reichlich vergelten bittend anbey dieses mein Schreiben an meine libe Eltern und befreunde wissen zu thun, so sie annoch bei Leben seyen mochten laße [47] sie ebenfalls freundlich grüssen und bitten, sie mochten ebenfalls bei ihro hochfürstlichen Landesherren vor mich bitten und in ihren Gebett bei Gott vor meine Guet Detter und Erlöser dieses Elendes ingedenk sein. Schliesse mit bitteren Thränen und verharre an ihro Hchfürstliche Gnaden

Ein aller unterthänigster Unterthan und Diener
Johannes Winkelhannes Sclav de Minister Casnaczi in Algier

So ein Schreiben an mich überschickt werden sollte, ist solches an Monsieur Walther Consul de Schvede zu attressiren und muß solches bis nach Marseilo frangierent werden.

Signt. Algier in Barbaria den 8ten November an. 1787.

Im April 1807 wird dem Drosten H…n in dem Augenblick, als er auf der Haustreppe steht, um in den Wagen zu steigen, der ihn nach Paderborn bringen soll, von dem Felddiener und Gerichtsboten Malchus die Anzeige gemacht: in Bellersen sei vor einigen Tagen der Hermann Winkelhannes, der seit 25 Jahren verschollen, und damals des Mordes beschuldigt, eingetroffen, ob man da vielleicht von Gerichtswegen ihn arretiren oder sonst verfahren solle. Worauf der Drost in den Gedanken der Abreise durch plötzliche Verwunderung über die seltsame Nachricht gestört, und die Schwere der Worte nicht gleich erwägend, zum Gerichtsdiener gesagt: allerdings, er müße gleich arretirt werden; aber eingestiegen und kaum vom Hof gefahren läßt er halten, und ruft den Gerichtsdiener an den Kutschenschlag, ihm befehlend: er solle noch mit der ganzen Sache ruhen, und schweigen, er wolle erst in Paderborn anfragen, die Sache sei so lange her, die Zeugen meist todt oder fort, die ganze Untersuchung also schwer und unklar, auch schon längst Gras darüber gewachsen.

Dort angekommen geht er nach dem noch von Preußischer Seite angestellten Regierungspräsidenten von Coninx, und frägt ihn um Rath, der aber sagt gleich, er möge den Hermann W. ganz ungekränkt lassen, 24 jährige Sklaverei wäre nach dem Gesetze dem Tode gleich gesetzt. Und so fährt er wieder nach Haus und läßt dem Hermann W. sagen, daß er ganz frei und unbestraft leben dürfe, und er möge bei Gelegenheit einmal zu ihm kommen.

Da meldet einen Nachmittag, als die Familie beim Kaffee sitzt, der Bediente: der Algierer sei da und wolle gern den gnädigen Herrn sprechen. Auf den Befehl, er solle ihn nur herein weisen, tritt ein kleiner krüpplicht bucklichter Kerl herein, ganz kümmerlich aussehend, der auf die Frage, ob er der Hermann Winkelhanns sey und wie es ihm ergangen, dieß erst nach mehrmaliger Wiederholung versteht, und dann in einer Sprache antwortet, deren Zusammenhang wieder niemand im Zimmer versteht, und die ein Gemisch scheint von wenig Deutsch und Holländisch, mehr Französisch und Italiänisch und Türkisch, wie sie die Sclaven in der Barbarei unter einander sprechen. [59] Als zwei Tage darauf der Domherr Carl H..n früh auf die Jagd ging, kommt er über die Stoppeln an dem Pflüger Kerkhoff aus Bellersen vorbei, der ihm erzählt, sie hätten vor einer Stunde den Algierer im Kiel an einem Baum hangen gefunden. Da hat der Drost die Gemeindevorsteher zu sich kommen lassen und sie gebeten, dem Menschen, über dem ein ungeheueres Unglück am Himmel gestanden, nun auch ein ehrliches Begräbniß zu geben, und ihn nicht wie sonst Selbstmördern geschieht in der Dachtraufe oder hinter der Kirchhofs-Mauer einzuscharren, welches sie auch versprochen und gehalten haben.

Erst nach 8 Tagen führten die einzelnen Fäden über seine letzte Geschichte und seinen Tod zu einem Knoten, der [60] wie sein Schicksal selbst, das ihn überall an den unsichtbaren Fäden hielt, in seinem Tod gelöst ward.

Spät Abends an dem Tage als er von dem Droste jene abschlägige Antwort erhalten, pocht er in Holzhausen, 2 Stunden weiter, heftig an die Thüre des ersten Hauses am Wege rechts, und als ihm aufgemacht und er gefragt wird, was er wolle, stürzt er leichenblaß und in furchtbarer Angst ins Haus, und bittet um Gottes und aller Heiligen Willen, ihn die Nacht bei sich zu behalten; und auf die Frage, was ihm denn in aller Welt wiederfahren, erzählt er, wie er übers Holz gekommen habe ihn eine große lange Frau eingeholt und ihn gezwungen ein schweres Bund Dörner zu tragen und ihn angetrieben wenn er still gestanden, da hätten sich die Dörner ihm alle ins Fleisch gedrückt, und er hätte an zu laufen gefangen, und sei so keuchend in großer Angst vor’s Dorf gekommen, da sei die Frau fort gewesen, und sie möchten ihn nur die Nacht behalten, er wolle den andern Tag wieder nach Hause. Früh fortgegangen, ist er gegen Mittag auf die Glaserhütte zur Emde gekommen, wo er oft Almosen erhalten, und hat um ein Glas Branntewein gebeten, und als er getrunken, um noch eins, da ist ihm auch das dritte gegeben worden, worauf er gesagt, nun wolle er nach Hause. Wie er aber an den Kiel gekommen, nicht weit von der Stelle, wo er vor 24 Jahren die Schuhe zur Wallfahrt ausgezogen, da hat er eine Leine von einem nahen Pflug genommen, und sich damit an einen Baum gehenkt und zwar so niedrig, daß er mit den Füßen das Herbstlaub unter sich weggescharret hat.

Als ihm einst der Drost die Geschichte mit dem Baum und den Zeichen die die Juden darein geschnitten erzählt, und wie sie bedeuteten, daß er keines rechten Todes sterben solle, hat er geantwortet: O dat sull ek doch nich denken, ek häwwe doch so lange davör Buße daen un häwwe vaste an minen Gloven halen, asse se meck överreen wullen, en abtoschwören.

So hat der Mensch 17 Jahre ungebeugt und ohne Verzweifelung die härteste Sklaverei des Leibes und Geistes ertragen, aber die Freiheit und volle Straflosigkeit hat er nicht ertragen dürfen. Er mußte sein Schicksal erfüllen, und weil Blut für Blut, Leben für Leben eingesetzt ist, ihn aber menschliches Gesetz nicht mehr erreichte, hat er, nachdem er lange Jahre fern umher geschweift, wieder durch des Geschicks geheimnißvolle Gewalt zu dem Kreis, Ort und Boden des Verbrechens zurückgebannt, dort sich selbst Gerechtigkeit geübt.

Zwei Jahre nach seinem Tode ist jener Baum, worein die Juden ihre dunklen Zeichen geschnitten, umgehauen worden. Die Rinde aber hatte diese in den langen Jahren herausgewachsen, daß man ihre Form und Gestalt nicht mehr erkennen konnte.


  1. Die hier niedergeschriebene Geschichte ist wörtlich wahr; viele hundert Leute in der Gegend, wo der Unglückliche lebte, können das bezeugen.