Grabschriften
1.
So ist dann nichts in dieser Welt,
ist nichts in deiner Eltern Thränen,
Das dich o Kind! zurücke hält?
Hilft dann kein Sehnen?
Jezt gebt die Freud und Hoffnung fort;
O Engel Kind, wie manche Zeit
hat uns dein angenehmes Lieben
Verkürzt – und uns erfreut:
Ach! unser Herz vor Jammer bricht,
Weil schon die Blum verwelket ist.
2.
Welt gute Nacht, behalt das deine,
Lass mir Jesum als das meine,
Behüt euch Gott, ihr meine Lieben,
Lasst mein’n Tod euch nicht betrüben,
Durch den mir so wohl geschieht.
Meine Leiden sind vollbracht,
Wollt ihr euch nach mir sehnen,
Ach stillet eure Thränen,
Weil meine schon gestillet sind,
Jesus wischt sie von den Wangen.
Den mir der Heiland selber band,
Und was er macht, ist gut gemacht,
Drum sag ich der Welt gutnacht.
3.
Liebe Eltern gute Nacht!
Kaum war ich zur Welt gebracht,
Hab genossen keine Freuden,
So kommt schon der Tod herein,
Führt mich ins Grab hinein.
Lasset mich mit Jesus sagen:
Nun Gottlob es ist vollbracht,
Eltern ich sag gute Nacht.
4.
Bald hab ich ausgekämpfet,
Sünd und Satan ist gedämpfet,
Frieden ist die Frucht des Sieg’s,
So ich allbereits geniese;
Frieden wie bist du so süse.
Geh schon fort, doch nicht allein,
Eltern, Schwestern, alle Brüder
Werden auch bald bei mir sein;
Weil sie wünschen, bitten, weinen,
5.
Was hilft dich, Mensch, dein kurzes Leben
und die Freud auf dieser Welt?
Denk, dass du einmahl musst sterben,
Alles vergehet und zerfällt.
Tragst ein grünen Blumenstrauss;
Morgen leut’ man dir die Glocken,
Trägt den Leib zum Hauss hinaus.[2]
- ↑ ein gewöhnlicher Ausdruck statt Puppe. (Bemerkung der Frau Pattberg.)
- ↑ Aus der eigenhändigen Niederschrift der Frau Auguste Pattberg. Die vier ersten Zeilen von Nr. 3 (Liebe Eltern – keine Freuden) und die sechs letzten von Nr. 4 (Ich, das Kleinste eurer Glieder – mag bald erscheinen) zu einem Ganzen verbunden in den „Kinderliedern“ des Wunderhorns S. 26, mit der Aufschrift: „Auf dem Grabstein eines Kindes in einem Kirchhof im Odenwald.“