Grundgesetz über die Landständische Verfassung des Großherzogthums Sachsen-Weimar vom 5. Mai 1816

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Autor: Karl August (Sachsen-Weimar-Eisenach)
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Titel: Grundgesetz über die Landständische Verfassung des Großherzogthums Sachsen-Weimar vom 5. Mai 1816
Untertitel:
aus: Die Constitutionen der europäischen Staaten seit den letzten 25 Jahren, Band 2, S. 331–363
Herausgeber: Karl Heinrich Ludwig Pölitz
Auflage:
Entstehungsdatum: 1816
Erscheinungsdatum: 1817
Verlag: F. A. Brockhaus
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Erscheinungsort: Leipzig und Altenburg
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Eintrag in der GND: 7693423-8
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[331]
b) Grundgesetz über die Landständische Verfassung des Großherzogthums Sachsen-Weimar vom 5. Mai 1816.

Wir Karl August, von Gottes Gnaden Großherzog zu Sachsen-Weimar-Eisenach, Landgraf in Thüringen, Markgraf zu Meissen, gefürsteter Graf zu Henneberg, Herr zu Blankenhayn, Neustadt und Tautenburg.

Obgleich Wir bereits im Jahre 1809 bemüht gewesen, durch ein Gesetz, welches die in Unsern Altfürstlichen Landen herkömmliche Landständische Verfassung betraf, die zwischen Uns und Unsern getreuen Unterthanen stets unverletzt erhaltenen Bande zu bewahren; so konnten doch jene Bestimmungen in der gegenwärtigen, durch schwere Opfer und harte Prüfungen erkämpften, bessern Zeit den Landesväterlichen Gesinnungen nicht genügen, mit welchen Wir das dauerhafte Wohl Unserer Lande fest begründen wollen.

Wir haben daher, eingedenk der Vorschrift und des Sinnes des Teutschen Bundesvertrags vom 8. Junius 1815, den schicklichen Augenblick, da Uns zu Unsern Altfürstlichen Landen ein bedeutender Zuwachs zu Theil geworden, ergriffen, um die in den Besitznahmepatenten vom 15. November des vorigen, und vom 24. Januar dieses Jahres ausgesprochene Vereinigung Unserer neuen Lande mit Unsern alten, zunächst durch eine neue, dieser Gesammtheit gemeinschaftliche und angemessene Landständische Verfassung zu beurkunden.

Zu dem Ende haben Wir durch Unsere Verordnung vom 30. Januar d. J. die Landschaftlichen Deputirten Unserer [332] alten, und Abgeordnete Unserer neuen Lande berufen, um sich in Gemeinschaft mit einigen dazu beauftragten Staatsdienern, über die Bedingungen und Formen zu vereinigen, unter welchen die von Uns als nothwendig anerkannten Rechte der Landstände auszuüben sind.

Durch diese abgeordnete Berathungsversammlung ist mit Thätigkeit und einmüthigem Vaterlandssinne ein, Unsern wohlgemeinten Absichten angemessener, Entwurf einer Landständischen Verfassungsurkunde ausgearbeitet, und zu Unserer Landesfürstlichen Bestätigung eingesendet worden, und Wir nehmen keinen Anstand, solchen, nur mit wenigen – keine wesentliche Bestimmungen abändernden – Modificationen zu bestätigen.

Demnach haben Wir, unter Zustimmung der Landschaftlichen Deputirten Unserer alten Lande, und unter Beirath der berufenen Abgeordneten der Uns zugefallenen neuen Gebiete, folgende Bestimmungen, als ein Grundgesetz für Unser gesammtes Großherzogthum, festgestellt:

Erster Abschnitt.
Allgemeine Bestimmungen.

§. 1. In dem Großherzogthume Sachsen-Weimar-Eisenach besteht eine Landständische Verfassung, welche allen Theilen des Großherzogthums, als einem Ganzen, gemeinschaftlich ist.

§. 2. Drei Stände sind in dem Großherzogthume Sachsen-Weimar-Eisenach als Landstände anerkannt: der Stand der Rittergutsbesitzer, der Stand der Bürger und der Stand der Bauern.

§. 3. Diese drei Landstände, und in ihnen sämmtliche Staatsbürger, werden durch Männer vertreten, welche aus ihrer Mitte, durch freie Wahl, als Landständische Abgeordnete, hervorgehen.

§. 4. Alle den Landständen zukommende Rechte können nur diese gesetzlich erwählten Vertreter, in der Art und unter den Bedingungen, ausgeübt werden, wie solches in gegenwärtiger Verfassungsurkunde, als einem Grundgesetze des Großherzogthums Sachsen-Weimar-Eisenach, niedergeschrieben ist.

[333]
Zweiter Abschnitt.
Rechte der Landstände.

§. 5. Es stehen den Landständen zur Ausübung durch ihre Vertreter (§. 4.) folgende Rechte zu:

1) Das Recht, gemeinschaftlich mit dem Landesfürsten, und den von diesem beauftragten Behörden, die Staatsbedürfnisse, so weit dieselben aus Landschaftlichen Cassen und aus dem Vermögen der Staatsbürger zu bestreiten sind, zu prüfen und die zu ihrer Deckung erforderlichen Einnahmen und Ausgaben festzusetzen (Bestimmungen der Etats).
2) Das Recht, über jede Besteuerung und andere Belastung der Staatsbürger, so wie über jede allgemeine Anordnung, welche darauf Einfluß haben möchte, ehe sie zur Ausführung kommt, gehört zu werden. dergestalt, daß ohne dieses Gehör, und ohne ihre, der Landstände, ausdrückliche Verwilligung, weder Steuern oder andere Abgaben und Leistungen im Lande ausgeschrieben und erhoben, noch Anleihen auf die Landschaftlichen Cassen und das Vermögen der Staatsbürger gemacht, noch sonst Finanzmaasregeln ergriffen werden dürfen, welche das Landeseigenthum, oder das Eigenthum der Staatsbürger in Anspruch nehmen, oder die Gefährdung des Landständischen Interesse nach sich ziehen könnten.
3) Das Recht, die Rechnungen über bestrittene Staatsbedürfnisse, der oben erwähnten Art, zu prüfen, und sowohl über darin bemerkte Anstände Auskunft, als überhaupt über die Verwendung von Einnahmen Landschaftlicher Cassen, und aus dem Vermögen der Staatsbürger, Rechenschaft zu verlangen.
4) Das Recht, dem Fürsten Vortrag zu thun, über Mängel und Mißbräuche in der Gesetzgebung und in der Verwaltung des Landes, mit gutachtlichen Vorschlägen zu Abstellung derselben.
5) Das Recht, bei dem Fürsten Beschwerde und Klage zu erheben gegen die Minister und gegen andere Staatsbehörden, über derselben Willkühr, und über deren Eingriffe in die Freiheit, die Ehre und das Eigenthum

[334]

der Staatsbürger, so wie in die Verfassung des Landes.
6) Das Recht, an der Gesetzgebung in der Art Theil zu nehmen, daß neue Gesetze, welche entweder die Landesverfassung betreffen, oder die persönliche Freiheit, die Sicherheit und das Eigenthum der Staatsbürger in dem ganzen Lande, oder in einer ganzen Provinz, zum Gegenstand haben, und eben deßhalb das Allgemeine angehen, ohne ihren, der Landstände, vorgängigen Beirath und ihre Einwilligung nicht erlassen werden dürfen.
7) Das Recht, zur Erleichterung der Ausübung aller bisher aufgeführten Befugnisse,
a. die Landräthe zu wählen und dem Fürsten zur Bestätigung vorzustellen;
b. zwei Räthe oder Assessoren bei dem Landschaftscollegium, und zwar den einen für die erste Section in Weimar, den andern für die zweite Section in Eisenach, zu ernennen, und dem Landesfürsten zur Bestätigung vorzustellen; (§. 118. 119.)
c. in vorkommenden außerordentlichen Fällen, z. B. in Kriegszeiten, wo irgend ein Collegium oder eine besondere Commission, außer dem gewöhnlichen Geschäftsgange, Einfluß auf die Landschaftlichen Cassen gewinnen dürfte, zu verlangen, daß diesem Collegium oder dieser Commission Einer, oder Einige ihrer Vertreter zugeordnet werden;
d. den Cassier bei der Hauptlandschaftscasse zu ernennen.
Dritter Abschnitt.
Anzahl und Wahl der Volksvertreter aus den drei Landständen.

§. 6. Für das gesammte Großherzogthum werden ein und dreißig Abgeordnete, als Volksvertreter, erwählt, eilf von dem Stande der Rittergutsbesitzer, zehn von dem Stande der Bürger und zehn von dem Stande der Bauern.

Ein jeder der drei Landstände hat die seiner Wahl überlassenen Abgeordneten aus seiner Mitte zu erwählen.

[335] §. 7. Für jeden Abgeordneten muß gleichzeitig ein Stellvertreter bestimmt werden.

Was über die Eigenschaften und über die Wahl der Abgeordneten selbst gesetzlich ist, gilt auch von den Stellvertretern.

§. 8. Um das Wahlgeschäft zu erleichtern, und um, so viel als möglich, dafür zu sorgen, daß jeder durch Lage, Gewerbe oder frühere Verhältnisse sich auszeichnende Theil des Großherzogthums einen oder mehrere Vertreter in der Landständischen Vereinigung habe, welchem genaue Kenntniß von seinen Eigenthümlichkeiten beiwohnt, ist das Großherzogthum Weimar in Wahlbezirke eingetheilt worden.

§. 9. Für die Rittergutsbesitzer bestehen drei Wahlbezirke oder Provinzen. Der erste dieser Wahlbezirke begreift den Weimarischen und Jenaischen Kreis, mit Einschluß des Amtes Ilmenau und derjenigen Landestheile, welche durch das Besitzergreifungs-Patent vom 15ten November 1815 in Thüringen dazu gekommen sind.

Der zweite begreift den Eisenachischen Kreis, mit Einschluß der Aemter Dermbach und Geis, und den in dem Besitzergreifungs-Patente vom 24sten Januar 1816 angegebenen Landestheilen.

Der dritte endlich umfaßt den Ncustädtischen Kreis, wie solcher in dem Besitzergreifungs-Patente vom 15ten November 1815 bezeichnet ist.

§. 10. Aus dem ersten Wahlbezirke werden vier, aus dem zweiten drei, und aus dem dritten ebenfalls drei Abgeordnete von den Rittergutsbesitzern unmittelbar gewählt, mit der Beschränkung, daß unter den drei Abgeordneten der Rittergutsbesitzer im zweiten Bezirke regelmäßig wenigstens einer aus der vormaligen, in diesem Bezirke mit sonst Reichsunmittelbaren Gütern ansässigen, Reichsritterschaft sich befinden soll. Die Akademie Jena, als eine mit Rittergütern ausgestattete, dem ganzen Lande angehörige Anstalt, stellt den eilften Abgeordneten.

§. 11. Für den Stand der Bürger bestehen zehn Wahlbezirke. Der erste umfaßt die Residenzstadt Weimar, der zweite die Städte Jena, Bürgel und Lobeda, der dritte die Städte Allstädt, Rastenberg, Buttstädt und Buttelstädt, nebst dem Flecken Neumark; [336] der vierte die Städte Ilmenau, Blankenhayn, Krannichfeld, Remda und Berka, nebst dem Flecken Tannroda; der fünfte die Städte Apolda, Dornburg, Sulza und Magdala; der sechste die Stadt Eisenach mit Fischbach; der siebente die Städte Ostheim, Geis und Lengsfeld; der achte die Städte Vacha, Berka an der Werra und Kreuzburg; der neunte die Städte Neustadt und Triptis; der zehnte die Städte Weyda und Auma.

§. 11. Für den Stand der Bauern bestehen ebenfalls zehn Wahlbezirke. Der erste dieser Bezirke ist zusammengesetzt aus den Aemtern Weimar und Capellendorf; der zweite aus den Aemtern Bürgel, Dornburg, Tautenburg und Jena, mit den Stadtgerichts-Dörfern; der dritte aus den Aemtern Allstädt, (Oldisleben), Hardisleben, Niederroßla und den Stadtgerichts-Dörfern von Buttstädt; der vierte aus den Aemtern Blankenhayn, Ilmenau, Berka und Remda; der fünfte aus den Aemtern Rudestedt, Atzmannsdorf und Tonndorf; der sechste aus den Aemtern Kaltennordheim, Ostheim, Dermbach und Geis, nebst dem Gericht Wenigentafft; der siebente aus den Aemtern Vacha, mit der Vogtei Kreuzburg, Tiefenort mit dem Gericht Marksuhl und Frauensee, nebst den Patrimonial-Aemtern Lengsfeld und Völkershausen; der achte aus den Aemtern Gerstungen, Haußbreitenbach, Kreuzburg und Eisenach; der neunte aus dem Amte Neustadt; der zehnte aus dem Amte Weyda mit Mildenfurth. Jedes Amt wird hier mit Inbegriff der Patrimonial-Gerichtsdörfer verstanden, welche innerhalb des Amtsbezirks liegen.

§. 13. Aus jedem dieser für den Stand der Bürger, und für den Stand der Bauern, angeordneten Wahlbezirke wird ein Abgeordneter erwählt. Die Wahl geschieht durch Wahlmänner.

§. 14. In dem Stande der Rittergutsbesitzer hat derjenige das Recht, an der Wahl Antheil zu nehmen, welcher ein Rittergut entweder allein, oder mit Andern gemeinschaftlich besitzt, ohne Unterschied des Standes, der Geburt und der Religion, auch ohne Unterschied, ob das [337] Rittergut schrift- oder amtsässig ist; nur muß das Rittergut, wenn es nicht zu den ehemaligen Reichsunmittelbaren gehört, die Landstandschaft schon gehabt haben, oder künftig noch unter die Zahl dieser Rittergüter aufgenommen werden; welches auf Ansuchen des Besitzers, bis zum nächsten Landtage, von der alleinigen Bestimmung des Landesfürsten abhängen, nach dem nächsten Landtage aber, nur mit Zustimmung der Landständischen Abgeordneten, geschehen wird.

§. 15. Wie derjenige, welcher mehrere Rittergüter der gedachten Art besitzt, von jedem dieser Rittergüter Eine Stimme abgiebt; so haben hingegen mehrere, welche Besitzer Eines Gutes sind, zusammen nur Eine Stimme.

§. 16. Frauen und Unmündige üben, wenn sie ein Rittergut besitzen, ihr Stimmrecht durch ihre Ehemänner oder Vormünder, so fern letztere, die Vormünder, selbst Rittergutsbesitzer in demselben Wahlbezirke sind; außerdem durch Bevollmächtigte. Unter mehrern Vormündern hat der Lehns-Vormund den Vorzug. Bei den im Concurs befangenen Rittergütern ruht die Stimme.

§. 17. Bevollmächtige werden bei den Wahlen der Rittergutsbesitzer nicht nur in den schon angegebenen Fällen, sondern überhaupt zugelassen; nur muß der Bevollmächtigte, als Rittergutsbesitzer, eine eigene Stimme in demselben Wahlbezirke haben.

Niemand darf von mehrern, als von zwei andern Rittergutsbesitzern, die Vollmacht annehmen.

Die Vollmachten, welche nothwendig schriftlich zu geben sind, können sowohl mit Bezeichnung dessen, für welchen im Namen des Ausstellers zu stimmen ist, als im Allgemeinen abgefaßt seyn.

§. 18. Da die Wahl der Abgeordneten aus dem Stande der Bürger und Bauern nicht unmittelbar, sondern mittelbar, durch Wahlmänner geschehen soll, ist festgesetzt worden, daß jeder Ort (Stadt, Flecken oder Dorf), so viel Wahlmänner zu stellen habe, als er je 50 Wohnhäuser zählt.

Ein Ort von funfzig Wohnhäusern und darunter, stellt Einen; ein Ort von 51 bis 100 Wohnhäusern, stellt zwei Wahlmänner u. s. w. Einzeln liegende Häuser, z. B. [338] Gasthöfe und Mühlen, ingleichen einzelne Höfe, werden zu demjenigen Orte gerechnet, zu welchem dieselben bisher, bei andern Gemeinde-Angelegenheiten, gezogen worden sind, z. B. bei Einquartierungen und Spannungen.

§. 19. Ohne Unterschied der Religion, nimmt jeder Einwohner einer Stadt, eines Fleckens oder eines Dorfs, der darin ein Haus besitzt, oder daselbst das Bürger- oder Nachbarrecht erworben hat, in diesem seinem Wohnorte Theil an der Wahl des Wahlmannes, oder der Wahlmänner. Kleinhäusler auf den Dörfern sind von dieser Befugniß keineswegs ausgeschlossen; wohl aber sind es bloße Schutzbürger in den Städten.

§. 20. Frauen und Unmündige, welche sich unter den stimmenfähigen Einwohnern eines Orts befinden, üben ihr Stimmrecht durch ihre Ehemänner, Vormünder oder Bevollmächtigte aus.

§. 21. Jeder Wahlmann muß dieselben Eigenschaften haben, welche von den Wählenden überhaupt erfordert werden (§. 19.); auch muß derselbe volljährig seyn. Der Gewählte darf das Amt nicht ausschlagen.

§. 22. Die Wahlfähigkeit zu der Stelle eines Volksvertreters erfordert, außer dem Bekenntnisse zur christlichen Religion,

1) Teutsche Geburt, welches dahin genauer bestimmt wird, daß der zu Erwählende von einem Vater abstammen muß, der selbst in Teutschland gebohren war, und den wesentlichen Wohnsitz (domicilium) in Teutschland hatte,
2) eheliche Geburt,
3) christliche Geburt (Geburt von Aeltern, welche sich ebenfalls zur christlichen Religion bekannt haben),
4) dreißigjähriges Alter,
5) unbescholtenen Ruf.

§. 23. Außer diesen allgemeinen Eigenschaften, werden zu der Wahlfähigkeit in jedem Stande noch besondere Eigenschaften erfordert.

§. 24. Wer in einem Wahlbezirke der Rittergutsbesitzer zum Abgeordneten gewählt werden soll, muß mit einem ihm ganz, oder zum Theil, gehörigen Rittergute und zwar, wenn er das Gut zuerst erworben, nicht durch [339] Erbgangsrecht erhalten hat, wenigstens seit drei Jahren in dem Bezirke ansässig seyn; jedoch ist es nicht wesentlich nothwendig, daß er in dem Bezirke wohne.

§. 25. Von dem Abgeordneten der Akademie Jena wird verlangt, daß er Mitglied des akademischen Senats sey, und sich die Facultätsrechte statutenmäßig erworben habe.

§. 26. In den Städten ist nur derjenige Einwohner des Wahlbezirks wahlfähig, welcher, außer dem Besitze eines in der Stadt oder Vorstadt liegenden Wohnhauses, ein unabhängiges Einkommen nachweisen kann, und zwar muß dieses Einkommen, mit Einschluß des Ertrags von jenem Wohnhause, in den Residenzstädten Weimar und Eisenach wenigstens 500 Rthlr., in den übrigen Städten aber 300 Rthlr. jährlich betragen.

Der Ertrag desjenigen Vermögens, welches ein Ehemann, als gesetzlicher Nutznießer der Güter seiner Ehefrau, zu benutzen hat, wird mit gerechnet. Als unabhängiges Einkommen aber kann ein Diensteinkommen, es bestehe in fixer Besoldung, oder in Accidenzen, es werde vom Staate oder von Privatpersonen gezogen, nicht angesehen werden; auch gilt dasselbe von Pensionen.

§. 27. Wer im Stande der Bauern wahlfähig seyn soll, muß in dem Kreise, worin sein Wahlbezirk liegt, an Haus und Feldgütern entweder eigenthümlich, oder als gesetzlicher Nutznießer des Vermögens seiner Ehefrau einen Werth, wenigstens von 2000 Thalern, besitzen.

§. 28. Sollte Jemand in verschiedenen Ständen wahlfähig erscheinen, z. B. durch den Besitz eines Ritterguts in dem Stande der Rittergutsbesitzer, und durch den Besitz eines Bauernguts in dem Stande der Bauern; so kann er doch nur in einem Stande, und zwar in demjenigen gewählt werden, welcher nach der §. 79 bestimmten Sitzordnung vorausgeht, z. B. in dem hier angegebenen Falle, nur in dem Stande der Rittergutsbesitzer.

§. 29. Blutsverwandte, in auf- und absteigender Linie, können zu gleicher Zeit in der Landständischen Vereinigung so wenig Platz finden, als Blutsvertwandte im 2ten Grade der Seitenlinie (Brüder.)

[340] Kommt ein solches Zusammentreffen vor in einem und demselben Stande, oder in verschiedenen Ständen; so giebt die frühere Wahl und, wenn dieß nicht entscheidet, das höhere Alter einen Vorzug.

§. 30. Jeder Abgeordnete wird nur auf 6 Jahre gewählt. Im siebenten Jahre tritt er regelmäßig aus. Es muß eine neue Wahl angeordnet werden. Bei dieser Wahl ist der Ausgetretene wieder wahlfähig.

§. 31. Länger als sechs Jahre, und wenigstens zwölf Jahre, bleibt derjenige Abgeordnete in seiner Stelle als Volksvertreter, welcher zum Landmarschall gewählt worden, und in dieser Eigenschaft aus einer Landständischen Vereinigung in die andere übergegangen ist. (§. 58. §. 59.)

§. 32. Sollte ein Abgeordneter während der, sechs Jahre, auf die er gewählt ist, abgehen, welches durch den Tod, durch freiwilliges Austreten, und durch Verlust einer der oben (§. 22–27.) angegebenen Eigenschaften, in sofern solche verlierbar sind, geschehen kann; so tritt der Stellvertreter für ihn ein. Fehlt auch dieser; so muß auf die noch übrige Zeit der sechs Jahre eine neue Wahl angeordnet werden.

§. 33. Nach jeder Wahl darf der Gewählte das ihm angetragene Amt ausschlagen, weil man voraussetzen muß, daß Niemand ohne die allerwichtigsten Gründe sich einem so ehrenvollen Amte entziehen werde.

§. 34. Die oberste Leitung aller Wahlen ist den Landesregierungen zu Weimar und Eisenach, jeder in ihrem Bezirke, übertragen.

Die Anordnungen der Wahlen, durch solche, erfolgt unmittelbar von dem Fürsten; das erstemal auf den Grund der gegenwärtigen Verfaffungsurkunde, allein in künftigen Fällen auf die Anzeige des Vorstands (§. 57.), daß die Wahl nothwendig sey.

§. 35. Weder von den Landesregierungen, noch von denjenigen Behörden und Personen, welche unter jener oberen Leitung das Wahlgeschäft, in Ansehung der Abgeordneten selbst, oder der Wahlmänner zu besorgen haben, sollen einige Kosten dafür berechnet werden, einen einzigen Fall ausgenommen (§. 44.)

[341] §. 36. Die Wahl im Stande der Rittergutsbesitzer geschieht in jedem Bezirke für sich. Die Landesregierung ertheilt einem Rittergutsbesitzer des Bezirks Auftrag zur Anordnung der Wahl, und zwar regelmäßig demjenigen, welcher, nach seiner Ansässigkeit mit einem Rittergute im Bezirke, der älteste ist.

Der Beauftragte beruft sämmtliche Rittergutsbesitzer zu einer Wahlversammlung, bei welcher er den Vorsitz und den Vortrag hat. Auslösung und Reisekosten werden den Erscheinenden nicht vergütet. Als Protokollführer wird eine zu den Acten verpflichtete Person beigezogen, jedesmal besonders und auf Kosten der sämmtlichen Rittergutsbesitzer im Wahlbezirke.

§. 37. Bei der Wahlversammlung entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen; es mögen nun viele oder wenige Stimmberechtigte erscheinen, viele oder wenige Stimmen, unmittelbar, oder mittelbar durch Bevollmächtige, abgegeben worden seyn. Haben mehrere Personen gleich viel Stimmen für sich; so entscheidet das Loos. Die getroffene Wahl wird, von dem Wahldirigenten, der Landesregierung angezeigt, unter Einsendung der Protokolle.

§. 38. Vorstehende Bestimmungen über die Art der Wahl im Stande der Rittergutsbesitzer leiden einige Ausnahmen in Ansehung der reichsritterschaftlichen Abgeordneten (§. 10.) und des Abgeordneten der Akademie Jena (§. 10.).

Die ehemaligen, mit sonst Reichsunmittelbaren Gütern im Eisenachischen Kreise ansässigen, Reichsritter wählen auf Anordnung der Landesregierung zu Eisenach, unter sich, wozu ihnen jedesmal eine ausreichende Frist zu setzen ist. Erst, wenn dieselben binnen solcher Frist niemand ernannt haben, welcher das Amt eines Landständischen Abgeordneten übernehmen kann und will, wächst diese dritte Stelle den übrigen Rittergutsbesitzern des Eisenachischen Kreises zu.

Der akademische Deputirte wird, auf Anordnung der Landesregierung zu Weimar, welcher in dieser Beziehung von dem Landesfürsten besonderer Auftrag (mandatum speciale) ertheilt werden soll, von dem akademischen Senate gewählt und nach geschehener Wahl derselben Behörde angezeigt.

[342] §. 39. Das Wahlgeschäft in dem Stande der Bürger und Bauern beginnt mit Ernennung der Wahlmänner (§. 13.). Diese geschieht in den Städten von sämmtlichen dazu stimmfähigen Einwohnern der Stadt (§. 19.), unter Leitung des Stadtraths, auf den Dörfern unter sämmtlichen stimmfähigen Einwohnern des Dorfs (§. 19.), unter Leitung der Ortsvorgesetzten, Vormundschaftspersonen, Schulzen, Gerichtsschöppen u. s. w.

Steht das Dorf unter mehreren Untergerichten und hat es deshalb mehrere Schulzen; so ist demjenigen die Leitung zu überlassen, welcher überhaupt die Gemeindeangelegenheiten besorgt.

§. 40. Wenigstens zwei Drittheile der stimmfähigen Einwohner müssen bei einer solchen Wahl zugegen seyn. Es entscheidet Stimmenmehrheit und, bei gleichen Stimmen, das Loos. Der Erwählte erhält zu seiner Rechtfertigung eine Urkunde, welche nach einem gedruckten Muster von dem Stadtrathe oder den Ortsvorgesetzten zu vollziehen ist.

§. 41. Damit diese Vorschriften auch auf den Dörfern genau beobachtet werden, hat jedes Amt und jedes andere Untergericht, welchem von der Landesregierung der Befehl zur Anordnung der Wahl der Wahlmänner in seinem Bezirke zugegangen, zuvörderst die Ortsvorgesetzten (Vormundschaftspersonen, Schulzen u. s. w., welche unter seiner Aufsicht die Gemeindeangelegenheiten in den verschiedenen Ortschaften zu besorgen haben, vor sich zu bescheiden, und dieselben, jedoch ohne alle Einmischung in die Wahl selbst, von dem Zwecke und Gange des Geschäfts genau und vollständig zu unterrichten.

§. 42. Nach geschehener Ernennung der Wahlmänner haben sich die Wahlmänner eines jeden Bezirks an einem Tage, welchen die Landesregierung bestimmen und nebst dem Orte der weiteren Wahlverhandlungen in jedem Bezirke durch die Unterobrigkeiten bekannt machen lassen wird, vor einer Commission einzufinden, welche aus einem Landrathe, und aus einem Amtmann, Stadtrichter, Bürgermeister oder Gerichtsverwalter des Bezirks, nach Bestimmung der Landesregierung, bestehen soll.

[343] §. 43. Diese Commission hat sich ebenfalls in das Wahlgeschäft selbst, weder durch Vorschläge, noch auf andere Weise, einzumischen, sondern den erschienenen Wahlmännern nur die Veranlassung ihres Erscheinens nochmals vorzuhalten, und solche mit den Eigenschaften, wodurch sich jemand zu der Stelle eines Volksvertreters eignet, bekannt zu machen.

Ist dieses geschehen; so muß zuvörderst die weitere Berathung den Wahlmännern allein überlassen bleiben. Es besteht das Hauptgeschäft der Commission endlich nur darin, daß nach einiger Zeit, jedoch an demselben Tage, jeder einzelne Wahlmann darüber, wem er seine Stimme geben wolle, zu dem Protokolle vernommen, und der Erfolg des Wahlgeschäfts der Landesregierung mit Einsendung der Acten, berichtlich angezeigt werden.

§. 44. In der Regel müssen alle Wahlmänner des ganzen Bezirks bei der Wahl des Landständischen Abgeordneten anwesend seyn; doch ist die Wahl nur in dem Falle für ungültig zu halten, wenn nicht zwei Drittheile der Wahlmänner des Bezirks dabei zugegen gewesen sind. In einem solchen Falle sind die Kosten einer neu anzuordnenden Wahl von den ausgebliebenen Wahlmännern einzubringen; es wäre denn, daß ein reiner, unabwendbarer Zufall sie von dem Erscheinen abgehalten habe.

§. 45. Jeder Wahlmann stimmt aus eigener Ueberzeugung, ohne an einen Auftrag von Seiten seiner Gemeinde gebunden zu seyn. Alle Aufträge solcher Art werden im Voraus für nichtig erklärt.

§. 46. Auch bei der Wahl durch die Wahlmänner gilt die Stimmenmehrheit. Sind für zwei oder mehrere wahlfähige Personen gleichviel Stimmen vorhanden; so entscheidet das Loos.

§. 47. Nach vollendeter Wahl legen die Wahlmänner ihr Amt sogleich nieder und bleiben, als gewesene Wahlmänner, in keinem Verhältnisse zu einander.

Es müssen vor jeder neuen Wahl eines Volksvertreters neue Wahlmänner ernannt werden.

§. 48. Ueber alle Wahlen, sowohl im Stande der Bauern und Bürger, als im Stande der Rittergutsbesitzer, erstatten die Landesregierungen Bericht an den Fürsten mit [344] ihrem Gutachten darüber, ob die Wahl für gültig anzusehen sey, oder nicht.

Diese Berichte werden das erstemal einer zur Zusammenberufung des Landtags zu ernennenden Commission (§. 57.) unter Beischluß der Wahlacten mitgetheilt.

§. 49. Sind die Wahlen gültig; so erfolgt von dieser Commission, oder späterhin von dem Vorstande, die Einberufung zum Landtage. Der Erscheinende rechtfertiget sich bei dem Landtage durch das erhaltene Einladungsschreiben.

§. 50. Ist die Wahl, entweder nach dem Urtheile der Landesregierung und der zur Zusammenberufung des Landtags beauftragten Behörde, (für das erstemal der gedachten Commission, späterhin des Vorstandes) oder nach dem Urtheile dieser Behörde allein für ungültig anzusehen; so wird bei dem Fürsten, mit Anführung der vorliegenden Gründe, auf Vernichtung der geschehenen, und auf Anordnung einer neuen, Wahl angetragen.

§. 51. Jede Wahl eines Wahlmannes oder eines Abgeordneten, welche den gesetzlichen Bestimmungen über die Fähigkeit zu einer solchen Stelle, und über die Form der Wahl, nicht entspricht, ist ungültig.

§. 52. Ungültig, mit Vorbehalt der Bestrafung des dabei vorgekommenen Verbrechens, ist ferner jede Wahl, welche durch Geld oder Geldeswerth erwirkt worden ist, ingleichen jede Wahl, von welcher sich erweisen läßt, daß sie zu Folge gemachter Versprechungen von Gunst oder Vortheil irgend einer Art, oder zu Folge geschehener Bedrohungen mit Nachtheil irgend einer Art, erfolgt sey.

Vierter Abschnitt.
Landtag, Vorstand, (Landständisches Directorium), Landständischer Syndicus, Rechte der Abgeordneten, Eröffnung des Landtags, Geschäfts-Ordnung, Vertagung, Auflösung, Schluß des Landtags.

§. 53. Die Versammlung der auf verfassungsmäßige Weise erwählten Landständischen Abgeordneten bildet den Landtag.

[345] §. 54. Die Landtage theilen sich in ordentliche und außerordentliche. Zu einem ordentlichen Landtage werden die Landständischen Abgeordneten von drei zu drei Jahren, und zwar regelmäßig in der ersten Woche des Januars; zu einem außerordentlichen aber so oft zusammengerufen, als es nach dem Ermessen des Fürsten nothwendig ist.

§. 55. Der Ort, wo der Landtag gehalten werden soll, hängt von Bestimmung des Fürsten ab; doch muß derselbe nothwendig in dem Großherzogthume liegen.

In der Regel wird die Residenzstadt Weimar als Versammlungs-Ort angesehen.

§. 56. Außer den Landtagen giebt es keine ständischen Versammlungen, weder des ganzen Landes, noch der Kreise; vielmehr sind alle solche Versammlungen für gesetzwidrig, und alle Beschlüsse auf solchen Versammlungen für nichtig erklärt.

Dieses schließt jedoch nicht aus, daß in den einzelnen Kreisen die Rittergutsbesitzer oder die Städte, oder die Dorfschaften (Städte und Dorfschaften durch ihre Ortsvorsteher) mit Vorwissen und Genehmigung der Landesregierung, zusammenkommen können zur Berathung über gemeinsame Angelegenheiten.

§. 57. Zur Leitung der Landständischen Geschäfte wird durch Stimmenmehrheit unter den sämmtlichen Abgeordneten der Landstände, und zwar aus der Mitte des Standes der Rittergutsbesitzer ein Landmarschall, aus der Mitte sämmtlicher Abgeordneten aber werden zwei Gehülfen erwählt, welche drei zusammen den Vorstand (das Landständische Directorium) bilden.

§. 58. Der Landmarschall wird, wenn es dem Landtage nicht gefallen sollte, ihm die Stelle auf Lebenslang zu übertragen, das erstemal auf zwölf Jahre, für die Zukunft aber jedesmal auf sechs Jahre gewählt. Die Wahl der beiden Gehülfen besteht nur drei Jahre.

Sowohl die abgehenden Gehülfen, so lange sie in der Zahl der Landständischen Abgeordneten bleiben, als auch der abgehende Landmarschall sind wieder wählbar.

§. 59. Da, nach vorstehender Bestimmung, der Landmarschall von sechs zu sechs Jahren aus der sich auflösenden Landständischen Vereinigung in die neue übergehet; [346] so hat bei der neuen Wahl derjenige Stand und Kreis, aus dessen Mitte der Landmarschall genommen ist, eine Stelle weniger zu besetzen, als er außerdem zu besetzen haben würde.

§. 60. Niemand kann zum Landmarschall gewählt werden, welcher im Großherzogthume Sachsen-Weimar-Eisenach wirklicher Staatsdiener ist, oder aus einer Landesfürstlichen Casse eine Besoldung zieht.

§. 61. Die geschehene Wahl des Landmarschalls ist dem Fürsten zur Bestätigung vorzutragen. Die Wahl der Gehülfen wird dem Fürsten nur angezeigt.

§. 62. Als Hauptrechte und Verbindlichkeiten des Vorstandes sind folgende anzusehen:

1) Dem Vorstande liegt, wenn ein Landtag angeordnet worden, die Zusammenberufung der Landesständischen Abgeordneten ob; auch können andere Mittheilungen an jene Abgeordnete durch Umläufe, oder besondere Schreiben, nur durch ihn erfolgen.
2) Der Vorstand hat alles so vorzubereiten, daß der Landtag jedesmal sogleich mit seiner Eröffnung in volle Thätigkeit gesetzt werden kann. Zu diesem Zwecke sollen dem Vorstande bei sehr wichtigen Gegenständen, hinlängliche Zeit vor Eröffnung des Landtags, die nöthigen Mittheilungen gemacht werden; auch steht es demselben frei, in Ansehung der ihm erforderlichen Nachrichten und Aufschlüsse sich unmittelbar, sowohl vor dem Landtage, als während des Landtags, an die Landesbehörden und an das Staatsministerium zu wenden.
3) Der Vorstand hat bei allen Landtagen die Geschäfte zu leiten, und unter die einzelnen Abgeordneten auf eine zweckmäßige Art zu vertheilen.
4) Außer den Landtagen sind die Landstände fortwährend durch den Vorstand zu vertreten, und aus diesem Grunde ist derselbe verbunden:
a. auf die einstweilige Besetzung solcher Landständischen Stellen Rücksicht zu nehmen, welche bis zum nächsten Landtage nicht unbesetzt bleiben können (§. 73. 119. 122.)

[347]

b. beständig den Faden aller Landständischen Geschäfte zu behalten und darüber zu wachen, daß nichts gegen die Verfassung geschehe; wohl aber alle, von dem Landtage und von dem Fürsten gefaßten, Beschlüsse zur Ausführung kommen.
c. Dafern ihm ein, das allgemeine Beste betreffender Gegenstand, dessen Ausführung auf einem bereits vorhandenen Gesetze beruhet, so dringend scheint, daß solcher bis zum nächsten Landtage nicht wohl ausgesetzt[WS 1] werden möchte, davon sofort bei dem Regenten Anzeige zu thun.
d. Wenn sich die Anordnung eines außerordentlichen Landtags nothwendig machen sollte, mit vollständiger Aufführung aller Gründe darauf anzutragen.
e. Zur Berathung über diese Landständischen Angelegenheiten jedes Jahr wenigstens zweimal zusammenzukommen, auch, im Fall der Fürst eine solche Zusammenkunft nöthig finden sollte, sich an dem hierzu bestimmten Orte schleunigst einzufinden.
Uebrigens wird in Ansehung dieser Obliegenheiten der Vorstand sich besonders der Unterstützung des Raths, und des Gutachtens der Landräthe zu bedienen haben.

§. 63. Was das Verhältniß des Landmarschalls und der Gehülfen zu einander betrifft; so hat der erstere nicht nur den Vorsitz, sondern in der Regel auch den Vortrag bei den Landtagen.

Nur in Verhinderungsfällen geht die persönliche Leitung des Ganzen auf den ersten, und wenn dieser verhindert seyn sollte, auf den zweiten Gehülfen über.

Außerdem kann in Landständischen Angelegenheiten, sowohl während des Landtags, als außer dem Landtage, der Landmarschall nie für sich allein, sondern nur mit Zustimmung der Gehülfen handeln; auch sind die bei dem Vorstande außer den Landtagen nothwendig werdenden Umläufe und andere Ausfertigungen von dem Landmarschall und seinen Gehülfen zu zeichnen. Die Vollziehung aber erfolgt von dem Erstern allein.

§. 64. Sollte in der Zeit von einem Landtage zum andern ein Glied, oder sollten gar zwei Glieder des Vorstandes [348] versterben oder sonst austreten (§. 32.); so dauert deren Amt bis zum nächsten Landtage, und auch jeden Falls auf den nächsten Landtag, bis zur Wahl eines neuen Landmarschalls, in den Personen der Bleibenden fort; jedoch ist, wenn nur ein Glied des Vorstandes noch übrig seyn sollte, die Zusammenberufung eines Landtags möglichst zu beschleunigen.

§. 65. Der Landmarschall und seine Gehülfen ziehen ein jeder eine jährliche Besoldung aus der Haupt-Landschaftscasse.

§. 66. Alle Abgeordnete haben auf dem Landtage gleiches Stimmrecht, ohne Unterschied des persönlichen Ranges, der Kreise, oder der Bezirke.

§. 67. Jeder Abgeordnete, von welchem Stande, von welchem Kreise, von welchem Bezirke er auch sey, ist Vertreter aller Staatsbürger und hat außer den Gesetzen keine andere Richtschnur anzuerkennen, als seine Ueberzeugung und sein Gewissen. Hieraus folgt:

1) kein Abgeordneter hat besondere Verpflichtungen gegen diejenigen, welche ihn gewählt haben,
2) alle Vorschriften (Instructionen), wodurch die Stimmfreiheit eines Abgeordneten auf irgend eine Weise beschränkt werden soll, sind gesetzwidrig uns ungültig,
3) übernimmt ein Abgeordneter in seinem Kreise oder sonst, Aufträge zu Vorstellungen und Bitten bei dem Landtage, als wozu er allerdings berechtigt und verbunden ist; so versteht sich dieses unbeschadet der Freiheit seiner Meinung und Stimme.

§. 68. Niemand kann wegen seiner Aeußerungen in der ständischen Versammlung verantwortlich gemacht werden. Es versteht sich, daß allezeit der gehörige Anstand beobachtet wird, und daß jede Verunglimpfung der höchsten Person des Landesfürsten oder eine Beleidigung der Regierung, des Landtags oder Einzelner, verboten und nach den Gesetzen strafbar ist.

§. 69. Die Landständischen Abgeordneten, mit Einschlusse des Landmarschalls und seiner Gehülfen, genießen sowohl in ihrer Gesammtheit als einzeln völlige Unverletzlichkeit der Person vom Anfange des Landtags bis acht [349] Tage nach dem Schlusse desselben. Nur mit Einwilligung des Landtags, auf dem Wege Rechtens, kann, in dringenden Fällen, gegen sie verfahren werden.

§. 70. Alle Abgeordnete, auch die Mitglieder des Vorstandes, genießen für die Zeit ihres Aufenthalts auf dem Landtage, vor und mit dem Tage vor der Eröffnung, bis und mit dem Tage nach dem Schlusse des Landtags, eine tägliche Auslösung, ingleichen für jede Meile der Entfernung ihres inländischen Wohnorts oder Gutes von dem Orte des Landtags, eine Vergütung für Reise- und Zehrungskosten aus der Haupt-Landschaftscasse.

§. 71. Zur Führung des Protokolls und zur Abfassung von Schriften auf dem Landtage, ingleichen zu den Ausfertigungen in Landständischen Angelegenheiten außer dem Landtage unter Leitung des Vorstandes, erwählen sich die Abgeordneten einen Syndicus. Die Wahl ist dem Fürsten anzuzeigen.

§. 72. Der Syndicus darf kein von dem Landesfürsten unmittelbar besoldeter Diener seyn. Er muß in Weimar sich wesentlich aufhalten. Seine Verpflichtung geschieht vor der Landesregierung zu Weimar. Der Landtag hat das Recht, ihn nach Befinden zu entlassen.

§. 73. Sollte sich der Fall ereignen, daß zu einer Zeit, wo der nächste Landtag über zwei Monate noch entfernt ist, der Landständische Syndicus verstürbe, oder seine Stelle niederlegte; so hat der Vorstand einstweilen Jemand in die erledigte Stelle einzusetzen, und nachher bei dem Landtage darüber entscheiden zu lassen, ob diese Einsetzung zu bestätigen, oder eine andere Wahl zu wünschen sey.

§. 74. Der Syndicus zieht eine jährliche Besoldung aus der Landschaftscasse, und während des Landtags dieselbe Auslösung, welche den einzelnen Abgeordneten bestimmt ist.

§. 75. Während des Landtags steht dem Syndicus eben die Unverletzlichkeit der Person zu, welche den Abgeordneten zugesichert ist. (§. 69.)

§. 76. Zur Zusammenberufung des nächsten Landtags wird eine Landesfürstliche Commission niedergesetzt werden. Wenn aber künftighin ein Landtag ausgeschrieben werden [350] soll; so geht das deßhalb zu erlassende Landesfürstliche Decret an den Vorstand. Kein Abgeordneter aber hat sich in Eigenschaft an dem Orte der Landständischen Versammlung früher einzufinden, als bis er durch den Vorstand eine schriftliche Einladung dazu erhalten hat.

Wie ein Abgeordneter, in Gemäßheit eines solchen Einladungsschreibens, zum Landtage eintrifft, hat er sich bei dem Landmarschall anzumelden.

§. 77. Haben sich an dem bestimmten Tage alle Mitglieder der Ständischen Versammlung, oder haben sich wenigstens ein und zwanzig dieser Abgeordneten, und unter solchen aus jedem Kreise zwei aus verschiedenen Ständen, an dem bestimmten Orte eingefunden; so geschieht auf vorhergegangene Anzeige des Vorstandes bei dem Fürsten die Eröffnung des Landtags unter den besonders festgesetzten Förmlichkeiten, entweder von dem Fürsten selbst, der durch eine zu diesem Zwecke anzuordnende Commission.

§. 78. Die Landständische Versammlung bildet nur ein Ganzes, nicht mehrere Kammern.

§. 79. Obwohl die Volksvertreter in dieser Eigenschaft sich alle gleich sind; so beobachten sie doch unter einander folgende Sitzordnung. Es sitzen

1) obenan der Landmarschall und die beiden Gehülfen neben diesem;
2) zu beiden Seiten die Abgeordneten der Rittergutsbesitzer, und zwar
a. des Weimarischen,
b. des Eisenachischen,
c. des Neustädtischen Kreises.
3) Die Abgeordneten der Städte und
4) die Abgeordneten des Bauernstandes in derselben Folge nach den Kreisen. Die Sitzordnung der einzelnen Abgeordneten eines Standes und eines Kreises unter sich wird auf jedem Landtage von neuem durch das Loos bestimmt. Der reichsritterschaftliche Abgeordnete looset unter den Rittergutsbesitzern des Eisenachischen, der akademische Abgeordnete looset unter den Rittergutsbesitzern des Weimarischen Kreises.

§. 80. Der Landtag kann keine Sitzung halten, wenn nicht wenigstens ein und zwanzig Abgeordnete, und unter [351] diesen wenigstens zwei aus verschiedenen Ständen eines jeden Kreises, zugegen sind. Ein Beschluß, welcher mit Vernachlässigung dieses Satzes gefaßt wird, ist ungültig.

§. 81. Kommt es zur Abstimmung; so stimmt der Landmarschall zuerst und nach ihm die übrigen Abgeordneten, das erste Mal von der rechten zur linken Hand, das zweite Mal von der linken zur rechten Hand. u. s. w.

§. 82. Alle Beschlüsse werden nach der absoluten Mehrheit der Stimmen gefaßt, der Landmarschall hat keine entscheidende Stimme (votum decisivum); vielmehr ist, wenn Gleichheit der Stimmen eintritt, die Sache noch einmal in voller Sitzung zum Vortrag zu bringen.

Wird auch in dieser Sitzung die Gleichheit der Stimmen nicht gehoben; so sind die beiderseitigen Meinungen dem Landesfürsten zur Entscheidung vorzutragen.

§. 83. Die Abstimmungen geschehen einzeln, nie nach Ständen, Kreisen oder Bezirken. Jedoch bleibt es den Abgeordneten Eines Standes oder eines Kreises vorbehalten, wenn sie ihren Stand, oder ihren Kreis durch den Beschluß der Mehrheit für beschwert erachten, sich über Eine Stimme (votum separatum) zu vereinigen und solches zum Protokoll zu geben.

§. 84. Eine solche Curiat- oder Provinzialstimme hat die Kraft, daß sie die Ausführung des, von der Mehrheit gefaßten Beschlusses aufhält, in die von dem Landtage an den Landesfürsten ergehende Erklärung, neben dem Beschlusse der Mehrheit, aufgenommen werden muß, und nebst diesem der Entscheidung des Fürsten zu unterwerfen ist.

§. 85. Damit eine Separatstimme diese Kraft erlangen möge, ist Einstimmigkeit aller Abgeordneten aus dem Stande oder dem Kreise, welcher dadurch verwahrt werden soll, erforderlich. Nur die entgegengesetzte Meinung des Landmarschalls kann die Bildung einer Curiat- oder Provinzialstimme für den Stand oder den Kreis nicht hindern, aus welchem der Landmarschall als Abgeordneter hervorgegangen ist.

§. 86. Wenn die Abfassung einer Curiat- oder Provinzialstimme einige Zeit erfordert; so können diejenigen Abgeordneten, welche solche wünschen, den Antrag machen, [352] daß ihnen Zeit vergönnt werde, sich zu besprechen und über ihre Erklärung zu vereinigen. Der Vorstand bestimmt ihnen hierzu eine Frist von zwei bis drei Tagen, welche sie, bei Verluste des Rechtes auf die begehrte Curiat- oder Provinzialstimme, einhalten müssen.

§. 87. Außer dem Falle einer Curiat- oder Provinzialstimme kann ein Beschluß des Landtags, weder durch Protestation, noch durch Berufung auf höchste Entscheidung, noch auf andere Weise gehindert werden, vielmehr wird jeder Versuch dieser Art schon im Voraus für gesetzwidrig und ungültig erklärt.

Die Minderheit muß sich, jenen Fall ausgenommen, der Mehrheit unbedingt unterwerfen, wiewohl jedem Abgeordneten das Recht zusteht, seine Meinung auszuführen und entweder in dem Protokolle niederschreiben zu lassen, oder in einem eigenen Aufsatze zu den Acten zu bringen.

§. 88. Der Landesfürst läßt dem Landtage seine Anträge (Propositionen) schriftlich mittheilen, entweder auf einmal, oder nach und nach.

Sollten bei neuen Gesetzesvorschlägen, oder andern wichtigen Anträgen, mündliche Erörterungen den Gang der Geschäfte befördern können; so wird der Landesfürst Minister oder andere Staatsbeamte, als seine Commissarien, zu einzelnen Sitzungen des Landtags abordnen, welche den Gegenstand nach seinen Beweggründen zu entwickeln, jedoch der Landständischen Abstimmung und Beschlußfassung nicht beizuwohnen haben.

§. 89. Wenn der Landmarschall über einen wichtigen Gegenstand, welcher nicht schon in den Fürstlichen Anträgen enthalten ist, Vortrag thun will; so zeigt er seine Absicht der Versammlung an, und bestimmt dazu einen gewissen Tag.

§. 90. Jedem Abgeordneten steht es frei, Anträge an die Versammlung zu bringen, wenn solches der Versammlung vorher angezeigt worden ist. Auf eine solche Anzeige hat der Landmarschall ebenfalls einen gewissen Tag zu dem Vortrage fest zu setzen.

§. 91. Wo die Versammlung es dienlich findet, können Ausschüsse zur Bearbeitung einzelner Gegenstände, zur [353] Anstellung von Untersuchungen, zur Abgebung von Gutachten, zur Abfassung von Schriften niedergesetzt werden.

§. 92. Solche Ausschüsse bestehen aus drei oder fünf Personen. Der Landmarschall ernennt ein Mitglied, welches den Vorsitz führt, die übrigen wählt die Versammlung, ohne besondere Rücksicht auf Stand und Provinz.

§. 93. In der Sitzung des Ausschusses führt ein Mitglied desselben das Protokoll. Die Beschlüsse werden nach Mehrheit der Stimmen gefaßt und kommen weiter zum mündlichen oder schriftlichen Vortrage, bei dem Landtage. Bei den Erörterungen darüber hat jedes Mitglied des Ausschusses wieder seine Stimme, als Mitglied des Landtags überhaupt.

§. 94. Die Beschlüsse der Stände werden in Schriften über einzelne, oder über mehrere Gegenstände zusammen, dem Landesfürsten übergeben. In der Ausfertigung sind solche Schriften: „unterthänigste Erklärungsschrift,“ zu überschreiben und unter dem Collectivnamen: „Die getreuen Landstände des Großherzogthums Sachsen-Weimar-Eisenach“ von dem Landmarschall zu unterzeichnen. Der Landesfürst läßt seine Beschlüsse hierauf ebenfalls schriftlich „an den Landtag“ gelangen, worauf dann die versammelten Abgeordneten nach Befinden weiter antworten können.

§. 95. Die Verhandlung schließt ein Landtagsabschied, mit welchem die Versammlung von dem Fürsten entlassen wird.

§. 96. Dem Landesfürsten steht das Recht zu, durch einen solchen Abschied die Landständische Versammlung nicht nur zu vertagen, sondern auch gänzlich aufzulösen. Geschieht das letztere; so verlieren sämmtliche Abgeordnete ihre Stellen, den Landmarschall ausgenommen. Es müssen sofort und längstens binnen drei Monaten neue Wahlen verfügt werden, bei welchen die Mitglieder der aufgelösten Versammlung wieder wählbar sind.

[354] Erfolgt diese Anordnung binnen dreimonatlicher Frist nicht; so ist die vorige Vereinigung von selbst wieder hergestellt.

Fünfter Abschnitt.
Nähere Bestimmungen über die Ausübung der den Landständen zustehenden Rechte durch den Landtag.

§. 97. Alle Landschaftliche Cassen stehen unter dem Landschaftscollegium, als der obersten Steuerbehörde; diejenigen Cassen ausgenommen, für deren Verwaltung, mit Einwilligung der Stände, besondere Commissionen und Deputationen schon niedergesetzt worden sind, oder etwa noch niedergesetzt werden.

§. 98. Einige Zeit vor Eröffnung eines ordentlichen Landtags entwirft das Landschaftscollegium die Etats aller ihm untergeordneten Cassen auf die nächsten drei Jahre, wobei es sich von selbst versteht, daß sich dasselbe zu diesem Zwecke und um zugleich eine vollständige Uebersicht des Zustandes aller Landschaftlichen Cassen geben zu können, von jeder andern Behörde die erforderlichen Nachrichten erbitten darf.

§. 99. Sind die sämmtlichen Etats gefertigt und berichtigt; so sendet das Landschaftscollegium solche an den Fürsten ein, zur vorläufigen Genehmigung.

Nach erfolgter vorläufigen Genehmigung werden die Etats dem Landtage von dem Fürsten unmittelbar zugefertigt, damit derselbe sowohl über die Etats an sich, als über die Mittel, die erforderlichen Bedürfnisse aufzubringen, sich berathen und urtheilen könne.

§. 100. Die dadurch veranlaßte Beurtheilung des Etats, und die als verfassungsmäßig anerkannten Verwilligungen, gehen mittelst einer eigenen Erklärungsschrift an den Fürsten zurück, worauf von Seiten des letztern, entweder sofort die Bestätigung der, von dem Landtage geschehenen, Vorschläge erfolgt, oder eine nochmalige Prüfung und Erörterung der Sache bei solchem veranlaßt wird.

[355] §. 101. Sind der Landesfürst und der Landtag über die sämmtlichen, für die nächsten drei Rechnungsjahre, und in diesen Jahren erforderlichen, öffentlichen Abgaben, über deren Betrag, Art und Erhebungsweise einverstanden; so werden diese Abgaben, als von den Landständen verwilligte, und von dem Landesfürsten genehmigte, mittelst gewöhnlichen Patents ausgeschrieben. Der Entwurf dieses Patents gehört in den Geschäftskreis des Landschaftscollegiums; die öffentliche Bekanntmachung aber geschieht durch die Landesregierung.

§. 102. Auf die bei dem Landtage festgesetzten und von dem Fürsten anerkannten Cassenetats ist von dem Landschaftscollegium, während der Rechnungsjahre, auf das Strengste und Unverbrüchlichste zu halten, wie denn der Fürst selbst sich keine Einweisung in eine der Landschaftlichen Cassen, welche jenen Etats in irgend einem Puncte entgegenläuft, erlauben wird.

§. 103. Die vorstehenden Bestimmungen, welche zunächst die Deckung der gewöhnlichen Staatsbedürfnisse zum Gegenstande haben, gelten in ihrer Art auch von dem Falle, wo entweder auf den Bericht eines Landescollegiums, oder, ohne solchen, nach eigenem Ermessen des Fürsten, andere Finanzmaasregeln, welche auf das Landschaftliche Interesse Einfluß haben können, ergriffen, oder andere außerordentliche Leistungen und Anstrengungen der Staatsbürger erfordert werden sollen.

Der Antrag dazu geht von dem Fürsten unmittelbar an den Landtag, und erst, wenn dieser seine Einwilligung ertheilt hat, erfolgt die endliche Bestätigung und die Bekanntmachung derselben in dem gesetzlichen Wege.

§. 104. Sollten sich in der Zeit von einer der gewöhnlichen Landständischen Versammlungen zu der andern solche außerordentliche, nicht vorher zu sehen gewesene, Ereignisse zutragen, welche aus der einen oder der andern Landschaftlichen Casse eine beträchtliche Zahlung, auf die in dem Etat nicht gerechnet worden, unabwendbar erfordern, oder andere Anstrengungen und Leistungen der Unterthanen unabwendbar nothwendig machen; so [356] wird eine außerordentliche Versammlung der Landständischen Abgeordneten verfügt werden.

§. 105. Die Durchsicht, Prüfung und Abnahme aller Rechnungen, über die dem Landschaftscollegium untergeordneten Cassen, geschieht jährlich bei diesem Collegium und vor einem Ausschusse aus dem Mittel der Landständischen Abgeordneten.

Dieser Ausschuß besteht, außer dem Landmarschall und seinen beiden Gehülfen, aus sechs Ständischen Abgeordneten, nämlich zweien des Weimarischen, zweien des Eisenachischen, und zweien des Neustädtischen Kreises in der Maase, daß aus jedem Kreise ein Abgeordneter von dem Stande der Rittergutsbesitzer, und ein Abgeordneter von dem Stande der Bürger, oder von dem Stande der Bauern, dazu gewählt wird. Die Wahl geschieht auf jedem ordentlichen Landtage für die nächstfolgenden drei Jahre.

§. 106. Die Zeit, wann dieser Ausschuß in Weimar zusammenkommt, ist, die Jahre ausgenommen, welche einem ordentlichen Landtage unmittelbar vorausgehen, in welchen mithin die Rechnungsabnahme füglich bis zur Zeit des Landtags ausgesetzt bleiben kann, auf den 20sten December eines jeden Jahres bestimmt. Das Landschaftscollegium hat dem Ausschusse an diesem Tage, außer der Nachweisung, wie bisher die, von dem letzten Landtage gebilligten, Etats im Allgemeinen ausgeführt worden, die Rechnungen des vorigen Jahres, welche schon durchgesehen, monirt, und durch die Beantwortungen der dagegen aufgestellten Erinnerungen zur Abnahme vorbereitet seyn müssen, sammt allen dazu gehörigen Belegen und den gegen die Rechnungen gestellten Erinnerungen mitzutheilen. Es erfolgt eine nochmalige genaue Durchsicht und Prüfung bei dem Ausschusse, wobei dieser über gefundene Anstände und Bedenklichkeiten sofort bei dem Landschaftscollegium die nöthigen Erläuterungen verlangen darf.

§. 107. Die förmliche Abnahme der Hauptlandschaftscasserechnung geschieht durch das ganze Landschaftscollegium und den ganzen Landständischen Ausschuß, die übrigen Rechnungen aber können durch einige Glieder des [357] Landschaftscollegiums und einige Glieder des gedachten Ausschusses abgenommen werden. Die Justification der Rechnung und die Entlassung des Rechnungsführers wird von denen vollzogen, welche aus dem Mittel der Landständischen Abgeordneten und aus dem Mittel des Landschaftscollegiums an der Abnahme Theil genommen haben.

§. 108. Außer den Nachweisungen über die Ausführung der Etats und außer den Rechnungen über die dem Landschaftscollegium untergeordneten Cassen, werden dem Landständischen Ausschusse, bei seiner Anwesenheit in Weimar, alle Rechnungen vorgelegt, welche bei solchen Cassen geführt worden sind, deren obere Verwaltung besondern Commissionen und Deputationen anvertraut ist, z. B. bei den Amortisarionscassen der alten Lande.

§. 109. Soll wegen bemerkter Mißbrauche in der Gesetzgebung, oder in der Verwaltung, dem Fürsten Landständischer Seits Vorstellung gethan werden; so ist es, unbeschadet des dem Vorstande nachgelassenen Rechts (§. 62.) durchaus nothwendig, daß die Sache bei dem Landtage zum Vortrage und zur Abstimmung gekommen sey. Kein einzelner der erwählten Volksvertreter darf sich in dieser Eigenschaft unmittelbar an den Fürsten wenden; auch sind Vereinigungen mehrerer Landständischen Abgeordneten zu solchem Zwecke, sowohl während des Landtags, als zu anderer Zeit, unerlaubt.

§. 110. Wenn irgend ein Staatsbürger, welcher zwar durch den Landtag mit vertreten wird, aber nicht selbst Volksvertreter ist, ein Gebrechen, dessen Abstellung das allgemeine Wohl zu erfordern scheint, bemerkt, oder einen nach seiner Ansicht zum Besten des Landes gereichenden Vorschlag aufgefaßt hat; so bleibt es ihm unbenommen, davon den Landtag oder den Vorstand in Kenntniß zu setzen.

§. 111. Die Ausführbarkeit des fünften Landständischen Rechts (§. 5.) ist in der Großherzoglichen Verordnung, die Organisation des Staatsministeriums betreffend, vom 1. December 1815 gesichert worden, in folgender Stelle:

[358] „Alle Verordnungen, Patente, Edicte und jedwede andere Unsere Ausfertigungen in Regierungsgeschäften, die Wir eigenhändig unterschreiben müssen, je nachdem dieselben in das eine oder das andere Departement des Staatsministeriums gehören; oder, und zwar namentlich in Verhandlungen mit den Landesständen, je nachdem dieselben der gemeinschaftlichen Berathung und Besorgung sämmtlicher Mitglieder des Staatsministeriums vorbehalten bleiben, von dem Chef des Departements im Staatsministerium oder in letzterwähntem Falle von sämmtlichen Mitgliedern desselben, welche bei der Beschlußnahme gegenwärtig waren, und Sitz und Stimme hatten, in der Reinschrift der Ausfertigung zum Zeichen der Verantwortlichkeit des Ministers oder des Staatsministeriums, für die Zweckmäßigkeit und Uebereinstimmung der Verfügung mit den Gesetzen und der Verfassung des Landes, contrasignirt werden.“

§. 112. Dieses Recht kann ausgeübt werden: 1) auf dem Wege der bloßen Beschwerdeführung, 2) auf dem Wege der förmlichen Klage.

Es hat aber nur die Amtsführung des Staatsministeriums der einzelnen Staatsminister, in ihrem Geschäftskreise, und der höhern Landesbehörden, wie sie dermalen in dem Patente wegen Ordnung des Staatsdienstes vom 15. December 1815 aufgeführt worden sind, oder künftighin bestimmt werden möchten, zum Gegenstande.

Unerlaubte Handlungen, oder Versehen und Nachlässigkeiten der untern Staatsdiener, können dem Landtage nur alsdann zur Ausübung dieses Rechts die Veranlassung geben, wenn der dadurch unmittelbar Gekränkte bei der zuständigen höhern Behörde vergebens Klage geführt, oder sonst die gesetzlichen Vorschritte gethan, und eben, weil solches vergeblich gewesen, die höhere Behörde selbst der Pflichtwidrigkeit sich theilhaftig gemacht hat.

§. 113. Nur Beschwerdeführung, nicht förmliche Klage, ist zulässig, wenn die Unzweckmäßigkeit einer Verordnung, oder einer andern Maasregel, den Landtag zum Gebrauche seines Rechtes auffordert; förmliche Klage darf erhoben werden, wenn Unterschleife bei öffentlichen Cassen, Bestechlichkeit, absichtlich verweigerte oder verzögerte [359] Rechtspflege, absichtliche Verzögerung in der Verwaltung, oder andere willkührliche Eingriffe in die Verfassung oder in die gesetzliche Freiheit, die Ehre und das Eigenthum der Staatsbürger, zur Kenntniß des Landtags gekommen sind.

§. 114. Ist nur Beschwerde erhoben worden; so wird der dadurch getroffene Staatsdiener, oder die dadurch getroffene Behörde, mit einer Verantwortung, worin die angefochtene Verordnung, oder sonstige Maasregel, zu rechtfertigen ist, gehört.

Ist diese Verantwortung nicht ausreichend, sondern ist die von dem Landtage angebrachte Rüge, ganz oder zum Theil gegründet; so erfolgt Landesfürstlicherseits die Anweisung, zur Verbesserung des Fehlers, zur Abstellung des Mangels, zur Aufhebung des Mißbrauchs, vorbehältlich des dem Landesfürsten zustehenden Rechts, auch auf die bloße Beschwerdeführung, wenn sich bei weiterm Eingehen in die Sache gröbere Ungebührnisse hervorthun, die förmliche Untersuchung anzuordnen. Der Landtag soll von dem Erfolge seiner Beschwerdeführung jedesmal in Kenntniß gesetzt werden.

§. 115. Ist förmliche Klage erhoben, und auf rechtliches Verfahren der Antrag gerichtet worden; so soll diese Klage von dem Landesfürsten an das Großherzogliche und Herzoglich Sächsische gemeinschaftliche Oberappellationsgericht zu Jena abgegeben werden, welches, vorausgesetzt, daß dieselbe hinlänglich begründet, und durch Angabe der Beweismittel gehörig unterstützt ist, als ein durch gegenwärtige Verfassungsurkunde für solche Fälle zuständiges Gericht, nach den gesetzlichen Formen das Verfahren einzuleiten, das Erkenntniß mit Gründen, im Namen des Landesfürsten, zu sprechen, und auf die dagegen eingelegten Rechtsmittel dasselbe Verfahren wie in Sachen, welche durch Compromiß, in erster Instanz, an dieses Gericht gelangen, zu beobachten hat.

§. 116. Auf die von dem Landesfürsten erfolgte Benachrichtigung, daß die Abgabe der Anklage an das Appellationsgericht geschehen sey, kann der Landtag, wenn er noch versammelt ist, oder der Vorstand zu jeder andern Zeit, dem Landschaftssyndicus[WS 2] zur Verfolgung der [360] angebrachten Klage und zur Wahrnehmung des Ständischen Interesse bei dem Appellationsgerichte, Auftrag ertheilen. Kommt bei einem solchen rechtlichen Verfahren das Interesse Landschaftlicher Cassen zur Sprache; so hat der Landschaftssyndicus oder ein anderer Sachführer dieser Cassen, mit Vorwissen und Genehmigung des Landschaftscollegiums, den Civilpunct neben dem Anklagepuncte anhängig zu machen.

§. 117. Der Vorschlag zu neuen, das Allgemeine angehenden, Gesetzen kann sowohl von dem Fürsten dem Landtage, als von dem Landtage dem Fürsten, vorgelegt werden.

Versagt in dem letzten Falle der Fürst die Genehmigung; so darf der Landtag seinen Vorschlag noch auf zwei andern seiner verfassungsmäßigen Zusammenkünfte wiederhohlen.

Die Ständische Versammlung hat, wenn sie ihre Zustimmung zu einem ihr vorgelegten Gesetzesentwurfe verweigert, jedesmal die Gründe ausführlich anzugeben; der Fürst hingegen wird auf einen, von dem Landtage gethanen Gesetzesvorschlag, nur die Ertheilung, der die Vorenthaltung seiner Sanction aussprechen.

§. 118. Die Landräthe, welche sowohl in dem Landschaftscollegium, als in der Landesdirection, nach Maasgabe der Verordnung vom 15. December 1815, Sitz und Stimme haben, werden von dem Landtage, nach Stimmenmehrheit, aus den wirklichen Rittergutsbesitzern gewählt; im Nothfalle kann jedoch auf deren Söhne und Mitbelehnte Rücksicht genommen werden.

Vor der Wahl sind die Volksvertreter aus demjenigen Kreise, in welchem die Stelle erledigt ist, aufzufordern, eine oder zwei Personen dazu in Vorschlag zu bringen.

Der Erwählte, welcher übrigens dem Landesfürsten zur Bestätigung vorzustellen ist, behält die Stelle als Landrath lebenslänglich.

§. 119. Die Wahl der Landständischerseits zu ernennenden Mitglieder bei dem Landschaftscollegium geschieht auf dem nächsten ordentlichen oder außerordentlichen Landtage, welcher nach der sich ereignenden Erledigung [361] einer solchen Stelle gehalten wird. Sollte jedoch die Zeit eines Landtags von dem Tage der Erledigung so weit entfernt seyn, daß die Stelle über sechs Monate unbesetzt bleiben müßte; so hat der Vorstand die Wahl zur Wiederbesetzung der erledigten Stelle zu veranlassen.

§. 120. Nach eingegangener landesherrlicher Bestätigung der geschehenen Wahl, welche dem Landtage oder dem Vorstande mittelst Decrets bekannt gemacht wird, geschieht sogleich die wirkliche Einführung in das Landschaftscollegium. Der Eingeführte hat alle Pflichten und Rechte der übrigen Glieder des Collegiums, auch bezieht derselbe die seiner Stelle zukommende etatsmäßige Besoldung.

§. 121. Wenn eine aus Staatsdienern und Landständischen Abgeordneten bestehende, gemeinschaftliche Commission niederzusetzen ist; so werden hierzu Landständischerseits nur Landständische, zu dem Landtage erwählte Abgeordnete, oder deren Stellvertreter, bestimmt.

Dasselbe ist Regel für den Fall, wenn der Landtag in außerordentlichen Fällen, z. B. in Kriegszeiten, auf die Beziehung einer Landständischen Deputation zu den Arbeiten eines Landescollegiums angetragen hat.

§. 122. Die Wahl des Hauptlandschafts-Cassirers und die Vorstellung desselben zur Landesfürstlichen Bestätigung geschieht in der Regel auf dem nächsten Landtage, nach Erledigung der Stelle.

Sollte jedoch ein solcher Landtag bei dem Falle der Erledigung so entfernt seyn, daß die Stelle, wenn man die Wahl bis dahin aussetzen wollte, über zwei Monate unbesetzt bleiben müßte; so ist dasjenige zu beobachten, was oben (§. 119.) über eine durch den Vorstand zu veranlassende Wahl festgesetzt worden ist.

Sechster Abschnitt.
Gewähr der Verfassung.

§. 123. An diesem Grundgesetze des Großherzogthums Sachsen-Weimar-Eisenach und der durch solches gestifteten Verfassung darf in keinem Puncte, und weder mittelbar, noch unmittelbar, weder durch Aufhebung, [362] noch durch Zusätze, etwas geändert werden, ohne Uebereinstimmung des Landesfürsten und des Landtages.

§. 124. Künftig sind alle Staatsdiener, vor ihrer Anstellung, auf den Inhalt des gegenwärtigen Grundgesetzes und dessen Festhaltung mit zu verpflichten.

§. 125. Jede absichtliche Verletzung der Verfassung im Staatsdienste soll als Verbrechen angesehen und gestraft werden.

Jede Handlung eines Staatsdieners, welche in der Absicht unternommen wird, um diese Verfassung heimlich zu untergraben, oder gewaltsam aufzulösen, ist Hochverrath.

§. 126. Tritt der Fall eines Regierungswechsels ein; so soll der neue Landesfürst bei dem Antritte der Regierung sich schriftlich bei fürstlichen Worten und Ehren verbindlich machen, die Verfassung, so wie sie durch gegenwärtige Urkunde bestimmt worden, nach ihrem ganzen Inhalte während seiner Regierung zu beobachten, aufrecht zu erhalten und zu schützen.

§. 127. Um diese schriftliche Versicherung, noch vor der Huldigung, von dem Fürsten in Empfang zu nehmen, ist ein außerordentlicher Landtag zusammen zu berufen.

§. 128. Im Fall der Unmündigkeit des Regenten, oder einer andern Verhinderung des Regierungsantritts, ist dieselbe Versicherung von dem Verweser der Regierung (dem Administrator) für die Zeit seiner Verwaltung auszustellen.

§. 129. Außerdem wird die Sicherstellung dieser Verfassung dem Teutschen Bunde übertragen werden. An den Teutschen Bund sollen sich die Landstände durch ihre Vertreter auch in dem Falle wenden dürfen, wenn einem Erkenntnisse, welches das Appellationsgericht zu Jena, auf eine von dem Landtage erhobene Anklage, gesprochen hat, und wogegen kein Rechtsmittel[WS 3] weiter Statt gefunden (§. 115.), die Vollziehung verweigert würde.




Gleichwie Wir nun durch vorstehende Bestimmungen die Landständischen Rechte Unserer getreuen Unterthanen, und durch diese die Rechte der einzelnen Staatsbürger [363] dauerhaft gesichert zu haben, auch zu solchem Zwecke folgende bereits anerkannte Rechte: das Recht auf eine, auch die Verbindlichkeiten des Fiscus umfassende, in drei Instanzen geordnete, unpartheiische Rechtspflege, und das Recht auf Freiheit der Presse, hierdurch ausdrücklich anerkennen und gesetzlich begründen; also wollen Wir, im Sinne der in vorstehendem §. 124. enthaltenen Bestimmung, auch Unsere dermaligen Staatsdiener auf gegenwärtiges Grundgesetz besonders verpflichtet, und ihren uns geleisteten Diensteid auf die Beobachtung dieses Grundgesetzes, wozu Wir sie hiermit anweisen, ausdrücklich erstrecket haben.

Die bisherige Landständische Deputation Unserer alten Lande betrachten Wir, ihrer eigenen Zustimmung gemäß, mit dem Eintritte des neuen Landtags für aufgelöset, und erkennen zugleich ihre bisherige thätige und patriotische Wirksamkeit, als ein rühmliches Vorbild der künftigen Landständischen Repräsentation, mit dankbaren Gesinnungen an.

Urkundlich ist gegenwärtiges Patent von Uns eigenhändig vollzogen, mit Unserm Großherzoglichen Insiegel versehen worden, und soll durch den Druck zu Jedermans Kenntniß und Nachachtung gebracht werden.

So geschehen und gegeben Weimar, den 5. May 1816.

 (L. S.) Karl August.

 G. v. Voigt.   C. W. Frh. v. Fritsch.   v. Gersdorf.   Graf Edling.

vdt. Ackermann.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: ausgeseßt
  2. Vorlage: Landschaftssyndcius
  3. Vorlage: Rechsmittel