Heißes Eis

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Titel: Heißes Eis
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aus: Die Gartenlaube, Heft 27, S. 456
Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1881
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[456] Heißes Eis. Man erzählt von einem russischen Baron von Münchhausen, daß er fabelhafte Dinge zu berichten wußte, wenn man ihn auf den harten Winter von Anno so und soviel brachte. Da hatte man nämlich in Moskau mächtige Kanonen aus Eis gegossen und schoß mit glühenden Stückkugeln aus Eis daraus, und in einem ganz aus Eisquadern ausgebauten Hause stand ein eisener (nicht eiserner) Kachelofen, der nicht schmolz, obgleich man ihn bis zur dunklen Rothgluth heizte. So kalt war es damals. An diese Geschichte wird man unwillkürlich erinnert, wenn man erfährt, daß der englische Physiker Thomas Carnelley vor Kurzem Eis auf 100, ja auf 180 Grad erhitzt hat, ohne daß es geschmolzen ist; es verdampfte nur sichtbarlich und schwand, ohne zu schmelzen, dahin. Wie der geneigte Leser weiß, beziehen sich die bekannten Siedepunkte des Wassers (100 Grad), des Alkohols (78 Grad), des Aethers (40 Grad) und der anderen Flüssigkeiten immer auf den mittleren Luftdruck von 760 Millimeter Quecksilbersäule, und auf hohen Bergen kochen Wasser und alle Flüssigkeiten um mehrere Grade früher, ja in stark luftverdünnten Behältern genügt schon die Handwärme, um das Wasser zum lebhaftesten Kochen zu bringen. Aehnlich wie mit dem Sieden verhält ’es sich nun aber auch mit dem Schmelzen der Körper, und manche Stoffe, wie z. B. Arsenmetall, kann man überhaupt nur bei verstärktem Luftdruck schmelzen, weil sie bei gewöhnlichem Luftdruck sich in der Hitze verflüchtigen, ohne zu schmelzen. Aus hiermit in Verbindung stehenden Betrachtungen schloß nun Carnelley, daß, wenn man Eis in einem Raum erhitzte, dessen Druck stets unterhalb der Spannung des Wasserdampfs bei 0 Grad, das heißt unterhalb 4,6 Millimeter Quecksilberdruck erhalten würde, das Eis bei Temperaturen, die den Schmelzpunkt weit übersteigen, nur verdampfen, nicht aber schmelzen würde. Er hat diesen Versuch auch mit bestem Erfolge in einem Apparate ausgeführt, dessen Eigentümlichkeit darin besteht, daß die Wassrdämpfe, die sich von dem in dem Apparate befindlichen Eise entwickeln, beständig in einem mit einer energischen Kältemischung umgebenen Recipienten verdichtet und so aus dem luftverdünnten Raume beständig entfernt werden. Der Versuch bewies seine Voraussetzungen; denn obgleich eine Anzahl voll Gasflammen auf die weite Glasröhre, welche das Eis umschloß, gerichtet wurden, und obwohl ein darin befindliches Thermometer auf 120, ja 180 Grad stieg, schmolz das Eis nicht, sondern verdampfte nur langsam.