Der Nachlaß eines Junggesellen
[456] Der Nachlaß eines Junggesellen. (Illustration S. 448 und 449.) Unser Künstler führt uns in eine ziemlich bunt zusammengewürfelte Gesellschaft, die offenbar zum größten Theil den mittleren und unteren Ständen angehört, wie wir sie in Auctionen vorzugsweise vertreten finden. Es ist einerlei, oh wir uns in den verehrten Anwesenden die Erben des seligen Junggesellen vorstellen oder die landesüblichen Auctionsbesucher, welche diesmal eine ganz besonders berechtigte Neugierde, vielleicht auch eine erhöhete Kauflust hier zusammengetrieben hat.
Nur eine einzige Gruppe, scheint es, ist von einem andern Gefühl als dem der Neugierde oder der Kunst beseelt; in ihr bildet augenscheinlich der Erblasser den Gegenstand der Unterhaltung: wir meinen die Gruppe linker Hand; denn dort, wo die alte Haushälterin des Dahingeschiedenen den zwei jüngeren Damen ihr bekümmertes Herz ausschüttet, sehen wir die einzigen Gesichter, aus welchen eine sehr leise Spur von Theilnahme sich bemerklich macht. Die Damen sind wohl zwei Schwestern; die eine blickt voll Gläubigkeit zur Erzählerin auf, während unter den Brauen der anderen doch der Zweifel hervorlauert, indeß ihre Linke den wahrscheinlich ebenfalls nachgelassenen Pudel vertraulich hinterm Ohre krabbelt.
Als die zur Leitung der Erbtheilung oder Besorgung der Auction berufenen Personen erscheinen der alte Herr am Tisch vor seinem Schreibmaterial und der dienende Mann, der, auf dem Stuhle stehend, soeben ein Ding wie einen stark mitgenommenen Schlafrock zur Schau ausbietet, ohne jedoch mehr als etwa drei oder vier Augenpaare auf sich zu lenken. Dagegen gebührt der Gruppe am Tische des alten Schreibers unsere besondere Aufmerksamkeit; denn hier ist dem Künstler ein Cabinetsstückchen von Darstellung prüfender Neugierde gelungen. Wahrscheinlich ist’s ein Schmuckgegenstand, ein Juwel, das als etwas Geheimnisvolles so grossen Untersuchungseifer anregt und mit der Loupe geschäftseifrigst betrachtet wird. Diese Gruppe bildet den Mittelgrund des Bildes. Die übrige Gesellschaft bedarf keines Commentars. Werfen wir daher lieber auf die todten Gegenstände des Gemäldes, auf den Nachlaß, einen Blick! Wir erkennen sofort, daß in diesen Räumen ein Mann gehaust hat, der als Naturforscher und Reisender gelebt hat und schwerlich an langer Weile gestorben ist. Hier spricht jeder einzelne Gegenstand, am deutlichsten der vielgewanderte Reisekoffer rechter Hand, der zugleich die Zeugen der gemächlichen Stunden daheim trägt: die Studirlampe, die Thee- und Kaffeemaschine, das Bierseidel und die sich an ihm anlehnenden Tabakspfeifen. Der hohe Haufen von Matratzen, Decken und Teppichen verräth uns ebenso wie die Spiegel und die Bilder, daß der Besitzer in nichts weniger als in Armuth lebte, und die orientalischen Waffen, die Gefäße, die ebenfalls von weither zu sein scheinen, beweisen, daß der Mann die Welt gesehen. Und was nun so wild durch einander am Boden liegt, die Bücher und die Gläser mit allerlei Gethier und die ausgestopften Vögel nebst dem stattlichen Globus – wie war wohl dies Alles einst dem Einsamen an das Herz gewachsen, und – da Junggesellen meistens Menschen von peinlichster Ordnungsliebe zu sein pflegen – wie hat gewiß jedes Stück einst seinen bestimmten Platz gehabt, die Bücherbretter und Simse gefüllt, die Möbeln und die Wände geziert! Im Grabe drehte er sich um, sähe er jetzt das abscheuliche Durcheinander seiner sonst so ängstlich gepflegten Herrlichkeiten.
So ergeht es den Hagestolzen nach ihrem Ende. Hätte der Mann Weib und Kinder hinterlassen, so lebten Trauernde, die seinen Nachlaß ehrten und die auch sein Grab mit Blumen schmückten, noch lange, lange. Das hast du nun davon, du alter Junggeselle: weil du für dich allein gelebt hast, so bist du nun auch für dich allein gestorben.