Humoristisch-satyrisches Zeitungslexikon (Der Nürnberger Trichter Nr. 13)

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Titel: Humoristisch-satyrisches Zeitungslexikon
Untertitel: Fortsetzung
aus: Der Nürnberger Trichter, Nr. 13, S. 49–50
Herausgeber: Eduard Kauffer
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Erscheinungsdatum: 1848
Verlag: Friedrich Campe
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Erscheinungsort: Nürnberg
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Quelle: MDZ München, Commons
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Humoristisch-satyrisches Zeitungslexikon.

Esel, das Symbol der Geduld und des Phlegma’s, ist ein philosophischer Begriff. Seine mythische Bedeutung machte zuerst Lichtenberg klar, welcher behauptete, daß ihm der Esel vorkomme wie ein in’s Holländische übersetztes Pferd. Der Esel als Thier legt keine Eier, sondern bringt lebendige Junge zur Welt. Von einem gescheidten Esel hat man noch nie etwas gehört. Im Mittelalter feierte man Feste, bei denen ein Esel die Hauptrolle spielte. Jetzt spielt mancher Esel eine Hauptrolle, ohne daß man seinetwegen Feste feiert. Da die Thiere im Alterthum das Sprechen liebten, – ich erinnere an den Ochsen, welcher vor der Schlacht bei Cannä den Soldaten zurief: Rom, hüte dich! – so ist es auch kein Wunder, daß Bileams Eselin eine Rede zu halten versuchte. Die Buchstabengläubigen datiren von dieser Rede die allmählige Ausbreitung der Intelligenz über das Menschengeschlecht.

Flinz, ein Abgott der alten Wenden, verehrt in jener für die Diplomatie so günstigen Zeit, wo es noch kein deutsches Parlament, keine Demokraten, keine Schriftsteller und Barrikaden gab, der freien Presse nicht zu gedenken, welche jetzt manchem vornehmen Müßiggänger Thränen in die Augen preßt. Ob es Flinz oder Flynz heißen müsse, ist eben so unerörrert, als die Frage, ob es besser sei, ein junges Mädchen ohne Geld oder ein altes mit Geld zu heirathen. Viele, besonders chinesische Hofräthe und deutsche Beamte aus der Metternich’schen Schule, ziehen die Form Flynis vor, welche „schweigen“ bedeutet und, als die erste und letzte Pflicht der guten Staatsbürger bezeichnend, gerechten Anspruch hatte, göttlich verehrt zu werden.

Gnade erfleht man theils von Gott, theils von hochstehenden Personen. Seume will behaupten; daß: „Haben Sie die Gnade!“ wörtlich nichts Anderes heißt, als: „Ich verdiene zwar das Zuchthaus, allein Sie werden mir schon einen andern guten Posten geben, den ich nicht verdiene.“ Von Meyerbeer in der Oper „Robert der Teufel“ in Musik gesetzt, bringt es eine erstaunliche Wirkung hervor, besonders bei einer schlechten Sängerin, wenn man deren „Gnade für mich!“ in ein: „Gnade für das Parterre!“ verwandeln möchte.

Käse, ein auf der ganzen Welt berüchtigtes Produkt, wird hauptsächlich deswegen bereitet, um zu beweisen, daß man üblen Geruch haben und doch in gutem Geruch stehen kann. Besonders geliebt wird er von den Dresdener Caleulators-Frauen, die bei ihren Reisen nach Leipzig Käse [50] und elbflorenzische Butterbemmen im Strickbeutel führen, der Ersparnisse wegen. Daß die Milben, welche auf dem Käse leben, die beste Anlage zu Hofleuten haben, ist unzweifelhaft; denn sie säen nicht, sie ernten nicht, sie arbeiten nicht, sie taugen nichts und unser himmlischer Vater kleidet sie doch. – Käsehändler ist, grammatikalisch betrachtet, ein Mann, der mit Käse handelt. Von Seiten der Kunst darf man ihn den intimsten Freund der Schriftsteller nennen; diese schreiben Werke und jener benutzt sie.

Liebe. Dieser zarte Gegenstand ist verschieden definirt worden. Aristoteles nennt sie die Seele zweier Körper, Plato einen Wolfshunger, welcher Lämmer verschlingt, Maupertuis erblickt in ihr ein Epigramm, welches die Stärke des Geistes auf die Schwäche des Herzens ersonnen, – Sokrates einen durch Schönheit geweckten Trieb, bestimmt, das Aussterben des menschlichen Geschlechts zu verhüten. Nach Nikolas Venette ist sie ein aus dem Himmel in den Koth gefallener Morgenstern, und nach Montaigne gar eine Leidenschaft, welche den Menschen zum Thiere macht. Sylvain Maréchal nennt sie einen Januskopf aus Aether und Schlamm, und Etienne de Neufville eine Statue von Diamant mit Füßen von Thon. Am schönsten, würdigsten und deutlichsten ist sie von der Hegel’schen Schule bezeichnet worden, welche sagt: „Liebe ist die Realität der Idealität des unendlichen Seins, verbunden mit der Cupidität und Carnität zwischen Ich und Du; denn Ich und Du macht oder giebt Er.“

Maus, mus, ist das einzige Wesen, welches von der Kirche lebt und nicht dick und fett dabei wird; denn nichts ist ärmer, als eine Kirchenmaus. Bei Bäckern und Müllern befinden sich die Mäuse am besten; aber am sichersten sind sie in den Klosterbibliotheken. Die Berge kreisen und gebären eine Maus, ist ein Sprichwort, bei dessen Erinnerung die meisten Mitglieder der deutschen Nationalversammlung in Franksurt schamroth werden. Eine Abart von der Maus ist die Fledermaus, ein Mittelding zwischen Diplomat und Polizeidiener, liebt alte Gebäude, dunkle Thorwege und Kirchböden, haßt das Licht und die Aufklärung und geht nur Abends auf Raub aus.

Mensch. Was ist ein Mensch schlechthin? Hat der Eine Recht, welcher ihn ein vernünftiges Thier, das schauen, sprechen, lachen und sich um sein Bewußtsein trinken kann, oder der Andere, welcher ihn eine schlecht gerathene Daguerreotype der Gottheit nennt? Irrt der Theolog, welcher ihn für eine vom himmlischen Vater edirte Ausgabe der Erbsünde hält, oder der Philosoph, welcher es unter die Vorzüge des Menschen vor den Thieren rechnet, daß er sich selbst tödten kann? Muß man jenem Engländer beipflichten, welcher den Menschen ein Geschöpf nennt, das mit dem Dampfe fährt, mit dem Blitze spricht und mit der Sonne malt, oder soll man über Oettinger lachen, welcher in seinem confiscirten Eulenspiegel die ganze Menschheit in die zwei großen Classen der Manichäer und Nicht-Manichäer eintheilt? Was ist der Mensch? Im Postwagen ein Platz, im Gasthof eine Nummer, bei Tische ein Couvert, im Theater ein Billet, in der Kirche ein Stuhl, beim Schneider ein Maß, beim Lotteriecollecteur ein Loos, im Leihhause ein Pfandzettel, im Hospital ein Bett und auf dem Kirchhofe ein Grab.

Mond, das unglücklichste unter allen Gestirnen; denn die Hunde bellen und die Dichter singen ihn an. Das Erste wäre noch eher zu ertragen. Die nützliche Erfindung der Seife scheint er nicht zu kennen; denn er reinigt sich nie von seinen Flecken. Bei musikalischen Arbeiten beschränkt er sich auf das erste und letzte Viertel und das Schwanken hat er mit den Barometern, Betrunkenen und reaktionären Ministerien gemein. Alter: unbestimmt. Größe: 470 Meilen im Durchmesser. Beruf: alte Burgen und die Thränen der Liebenden zu bescheinen, auch schlafende Menschen zu Abendpromenaden auf die Dächer zu locken. Fundort: am Himmel, in Bürger’s Lenore und in der ganzen morgen- und abendländischen Literatur. Besondere Kennzeichen: trägt, ohne daß er es weiß, Hörner, wie gewisse Ehemänner, und nimmt ab und zu, wie die Hoffnung der deutschen Patrioten.

Mucker, nach Kalisch bei Königsberg, Elberfeld und den benachbarten Orangen- und Olivenwäldern zu Hause. Nährt sich von Gottesfurcht und süßen Redensarten, säuft Tinte und Wupperwasser und frißt die Religion mit Löffeln. Seltene Neigung zur Sanftmuth und zum weiblichen Geschlecht; zeigt mehr Vorliebe für junge Frauen als alte Männer und ist sehr tolerant gegen jede Intoleranz. Da er sich viel mit dem Teufel zu schaffen macht, ist es kein Wunder, daß er zuweilen des Teufels wird. Wenn er bei verschlossenen Thüren den sogenannten Muckertanz aufführt, wird seine Aufführung mit dem Schleier der Nacht und dem Mantel der christlichen Liebe bedeckt.