In Flammen steh’n die Zinnen Rom’s

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Textdaten
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Autor: Marie Eugenie Delle Grazie
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Titel: In Flammen steh’n die Zinnen Rom’s
Untertitel:
aus: Italische Vignetten,
S. 58-62
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Breitkopf und Härtel
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Aus dem Zyklus „Rom“.
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[58]

 2.

In Flammen steh’n die Zinnen Rom’s, in Flammen
Die Tempel, Kapitol und Palatin –
Die Angst schaart sich zum letzten Kampf zusammen,
Doch unbarmherzig würgt der Tod sie hin;

5
Zerstampft von wüthenden Barbarenhorden

Das einst so stolze Rom – geknechtet, siech,
Zur Dirne roher Plünderer geworden,
Im Schreckensbann des wilden Alarich!
Wie rast und tobt und pfaucht durch alle Straßen

10
Die Sieges blinde, todesbrünst’ge Wuth –

Der Römer Leichen thürmen sich zu Massen,
In heißen Purpurlachen dampft das Blut;
Nicht schont der Fuß des Kriegers mehr die Todten:
Zur Brücke werden sie, darüber hin

15
Wie toll der jauchzende Triumph der Gothen

Sich wälzt, zerstörungslüstern Faust und Sinn!
Hier eine Feuersbrunst und dort Ruinen, –
Erstürmter Pforten splitterndes Gekrach
Längs ihres Bentezug’s und hinter ihnen

20
Der Hingemetzelten ersterbend Ach!

Wie rasend schwelgt ihr Haß in blindem Morden,
Doch auch ihr Glaube übt sich wuthentbrannt,
Hinsinkt, zerstampft von den getauften Horden
Manch’ schimmernd Götterbild aus Künstlerhand!

25
So wälzt der grause Strom sich immer weiter,

Verheerend, unaufhaltsam, blutig, wild –
In teilnahmsloser Bläue lächelt heiter
Der Himmel über diesem Schreckensbild....
[59] Noch fern’ den Gräueln aber, wo verlassen

30
Und preisgegeben die Subura winkt,

Durchdröhnt ein hohler Ton die öden Straßen,
Deß’ Echo seltsam aus der Tiefe dringt.
Wer blieb hier dreist zurück und – tollkühn Wagen!
Weß' Übermuth verräth noch, daß er’s that,

35
Nun Mord und Brand um Rom zusammenschlagen

Und heulend, wahllos die Vernichtung naht?
Und dennoch – sieh! Im letzten, kleinsten Hause
Des öden Stadttheils, das in sich gekehrt
Und feierlich wie eines Siedlers Klause

40
Gemeiner Schaulust keusch den Eintritt wehrt;

Im sonn’gen Peristyl, deß’ Marmorschimmer
Noch fern’ dem Graus der Flammen, silber-weiß
Wetteifert mit des Mosaik’s Geflimmer –
Kniet hochgeschürzt ein düst’rer Römer-Greis.

45
Zu seinen Füßen hat in Grabesweite

Die Tiefe schauerlich sich ausgethan;
Zerspellter Marmor häuft sich ihm zur Seite,
Doch unermüdlich schafft sein Arm sich Bahn;
Sein Antlitz glüht, die Schwärmeraugen lodern

50
Und keuchend ringt die greise Brust nach Luft –

Wahnwitz’ger – willst du selbst darin vermodern?
Für wessen Leichnam öffnest du die Gruft?
Ha – und was birgst du unter jener Hülle,
Die purpurn dort den Mosaik bedeckt?

55
Ist's eines Märchenschatzes gold’ne Fülle?

Ein Mensch? Ein Feind, den du dahingestreckt?
Da hält er ein: „Vollendet!“ tönt es bebend
Von seinen Lippen, tief neigt er den Leib,
Und facht die goldbefranste Decke hebend

60
Entschleiert er ein marmorn Götterweib!


[60] „Du bist’s, die schönheitsfroh einst der Hellene
Erträumt – der Rom Altäre ausgebaut –
O Lichtbild – Göttin – Anadyomene –
Ambrosiadustend und nektarbethaut –

65
Noch einmal, eh’ ich dich dem Schooß der Erde

Vertraue, lächle mir dein süßer Mund,
Die Anmuth deiner himmlischen Geberde,
Die heit’re Stirn, des Kinn’s entzückend Rund,
Des lilienreinen Busens weiche Fülle,

70
Der Eros und die Grazien genährt,

Der Form Mysterium uns ohne Hülle
Gezeigt, und bis zur Göttlichkeit verklärt!
O sieh, dein letzter Tempel ist gesunken
Mit Hellas gold’ner, Rom’s gewalt’ger Zeit;

75
Im neuen Gotteshaus wird Blut getrunken

Und murmelnd fleht man dort zur Häßlichkeit,
Die krampf- und schmerzverzerrt die nackten Glieder
Am rauhen Marterholz des Kreuzes reckt:
Ein Sklavengott! Und doch, er warf uns nieder,

80
Sein finst’rer Schatten hat sich ausgestreckt

Und hält nun grauenhaft das Licht gefangen,
Sein Bild, sein Dulderantlitz hier und dort,
Allüb’rall seiner Leiden grausig Prangen,
Sein düst’res Priesterthum an jedem Ort!

85
In seinem Zeichen siegt des Feindes Tücke,

In seinem Namen naht was roh und wild,
Seit jener Cäsar an der milv’schen Brücke
Zum ersten Mal sein blutig Kreuz enthüllt
Und wider euch geführt, ihr lichten Götter –

90
An jenem Tag gab euer Zorn uns preis,

Vergeblich schmachtet Rom jetzt nach dem Retter:
Erniedrigt – in den Staub getreten.... sei’s!
Du aber, Botin makelloser Schöne,
Der frühe schon der Jüngling sich ergab,

95
[61] Und nun der Greis, als letzter deiner Söhne

Zum Tempel dir erschlossen dieses Grab
Im Angesicht des nah’nden Todes – grolle,
O groll’ ihm nicht, du Bild olymp’scher Lust,
Wenn statt der Myrth’ er heut’ die harte Scholle

100
Dir wirft an die entblößte Götterbrust!

Nicht soll der Fuß der Plünd’rer dich zertreten,
Noch dich verdammen ihrer Priester Spruch –
An’s Mutterherz der Erd’ will ich dich betten,
Dort ruh’ mit dir des letzten Römers Fluch,

105
Um siegreich einst mit dir zu auferstehen,

Denn kommen wird – ich ahn’s voll Seligkeit –
Die Stunde des Triumphes, da in Wehen
Das Menschenthum nach eurem Zauber schreit,
Ihr einst verlass’nen Zeugen höchster Schöne,

110
Verklärte Sonnenkinder der Natur –

Im Staube wird der Undank eurer Söhne
Noch suchen nach dem Golde eurer Spur!
Und dann – ersteht! heraus aus euren Grüften
Olympier, mit siegender Gewalt,

115
Geküßt vom Licht, umschmeichelt von den Lüften

Italia’s die blühende Gestalt;
Mit heit’rer Stirn und unverhüllter Lende,
So keusch und frei wie jene, die euch schuf:
Natur, der ich auch dich jetzt wiedersende,

120
Bis euch befreit der Menschheit Sehnsuchtsruf!

Dann wird man prächt’ge Tempel euch erbauen
Und zu euch wallen wie in alter Zeit;
Und ihr – ihr werdet lächelnd niederschauen
Wie einst! Aufblüht dann wieder wahnbefreit

125
Des Daseins Lust in Formen und Gestalten,

Und wenn auch nicht im Gotteshaus – im Reich
Des Schönen wird das alte Hellas walten,
Und bilden wird der Mensch nur, was euch gleich –
[62] Dein Lächeln, Göttin, nehm’ ich d’rauf zum Pfande!

130
Und jetzt – hinab! –

                              Verzeih’ o herrlich Weib,
Daß meine flieh’nde Kraft dich nun in Bande
Gelegt, um unversehrt den heil’gen Leib
In dieses Grabes Tiefe zu versenken....

135
Es ist vollbracht! Da horch – o horch! welch’ Schrei’n?

Schon muß der Feind hieher die Schritte lenken!
Darum – vergieb es! füg’ ich Stein an Stein
Und Platt’ an Platte jetzt, wie sie gelegen,
Und wölbe dir die Gruft zur Nische ein –

140
Leb’ wohl.... nein, nimm noch diesen Blüthensegen

Ins dunkle Grab: er hat Rom’s Sonnenschein
Und meinen Thränenthau in sich getrunken!
Und nun die letzte Platte zu! Verwischt
Die letzte Spur – – – ha, seh’ ich Rosen? Funken?

145
Wo bin ich? Hellas – Rom?“

                                        Sein Aug’ erlischt....

Es lacht ihr Bild mit heit’ren Grübchenwangen
In Rom noch heut’ dir seinen Zaubergruß,
Darunter kündet gold’ner Lettern Prangen:

150
„Benedictus. Papa. Pontifex. Maximus.“ –