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Indianische Räuber

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Textdaten
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Autor:
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Titel: Indianische Räuber
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 40, S. 568–570
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1858
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[568]
Indianische Räuber.

Seit die Weißen in Amerika die rothen Bewohner des Landes von dem Boden ihrer Väter zu verdrängen begannen, haben zahllose blutige Kämpfe zwischen den beiden Racen stattgefunden. Die Indianer übten überall und bei jeder Gelegenheit durch Rauben und Morden und Sengen die gräßlichste Wiedervergeltung an ihren weißen Gegnern, die ihnen auch nicht eine Wohlthat gebracht hatten, wohl aber neue Laster, neue Krankheiten und das Gift des verlockenden „Feuerwassers.“ Haarsträubende Scenen dieses vier Jahrhunderte alten Kampfes sind in Reisebeschreibungen, Romanen und andern Schriften zu Tausenden geschildert worden, bis man endlich, des Einerlei des Gräßlichen müde, schon seit vielen Jahren fast aufgehört hat, von neuen blutigen Thaten solcher Art zu erzählen. Das große Publicum, dem die Lage der Dinge in Amerika nicht so genau bekannt sein kann, glaubt nun, es gäbe gar keine Feindseligkeiten mehr zwischen Indianern und Weißen. Die Rothhäute sind freilich aus vielen Gegenden des Landes lange und gänzlich verdrängt, aber im „fernen Westen“, an den Grenzen der Ansiedlungen der Weißen, in Minnesota, in Iowa, in Californien, in Texas,

[569]

Indianischer Raubzug.

[570] in Oregon, in Utah u. s. w. hausen die Indianer heute noch zu Tausenden und da setzen sich auch die Kämpfe ganz so fort, wie sie gleich nach der Ankunft der Europäer begannen. Ein bekannter amerikanischer Maler hat eine dieser Scenen in einem großen Gemälde verewigt, das auf den Ausstellungen der Hauptstädte durch seine Wahrheit und durch den traurigen Vorfall, der dem Künstler das Sujet lieferte, allgemeines Aufsehen erregte. Unsere heutige Abbildung gibt eine sehr gelungene Copie dieses Gemäldes.

In Texas mußten vor einigen Jahren ein paar Indianerstämme ihre Jagdgründe verlassen und weiter ziehen, weil die Weißen das Land mehr und mehr überflutheten. Eine Anzahl der Rothhäute hatte ihr Lager an einem Flusse, und sie erfreuten sich zum letzten Mal da an der Jagd auf heimischem Boden, von dem sie nach wenigen Tagen scheiden sollten. Ein etwa fünfzehnjähriger Bursch, der längst schon behaglich nach den Feuerwaffen der Weißen gesehen, hatte eine günstige Gelegenheit erlauscht, in ein Blockhaus zu schleichen und da ein Jagdgewehr zu stehlen. Aber ehe er mit seiner Beute entkommen konnte, erschienen drei der Ansiedler, die ihn ergriffen, ihm das Gewehr abnahmen und ihn mit grünen, schmiegsamen, fingerdicken Ruthen blutig schlugen. Hätten sie ihn auf der Stelle niedergeschossen, so wäre es vergeben und vergessen worden, aber durch die Züchtigung, die der stolze Indianer ohne einen Schmerzenslaut ertrug, hatte man den ganzen Stamm beleidigt, und sie dachten an nichts als an Rache. Zu befriedigen freilich war sie nicht sogleich. Der Stamm wanderte aus, Jahre vergingen, und viele Meilen lagen zwischen den verhaßten Feinden, aber die Erinnerung an die erlittene Schmach blieb lebendig und schürte fortwährend das Feuer der Rache. Der Bursch war herangewachsen, und ein angesehener Krieger geworden. Aber Freude kannte er nicht, so lange der einst erlittene Schimpf nicht im Blute der Weißen getilgt wurde. Er schlich mehr als einmal in die Nähe der Stätte, die seine Schmach gesehen, theils um seine Rachlust zu reizen, theils um zu sehen und zu hören, wie er sie für ihn am freudigsten, für die Gegner am schmerzlichsten befriedige. Er fand es, denn er erfuhr, daß einer der Männer, die ihn gezüchtigt hatten, eine schöne Tochter habe, die der Stolz und die Freude seines Lebens sei, seit er seine Frau, die Mutter der schönen „Blume der Prairie“, verloren. Darauf bauete er seinen Plan, den er den Kriegern seines Stammes mittheilte. Mit feurigen Worten stellte er ihnen vor, die Stunde sei gekommen, die Schmach abzuwaschen, die er wie der Stamm so lange getragen, und er forderte sie auf, mit ihm auszuziehen, Rache zu üben und Beute zu machen.

Neunzehn junge Krieger, die muthigsten und blutgierigsten, schlossen sich ihm an und auf ihren halbwilden Pferden zogen die wilden Krieger aus. Hundert Meilen weit ritten sie, wohl bedacht von Niemandem gesehen zu werden, durch das Land, in dem bereits wenigstens dreitausend Weiße wohnten, bis sie in die Nähe der Ansiedelungen kamen, die einst die Schande des Indianers gesehen hatten und nun Zeuge der Rache desselben sein sollten. Die Rothhäute verbargen sich in der Nacht in der Nähe und als der Morgen graute, schlichen sie vorsichtig aus ihrem Verstecke hervor. Die drei Besitzer der drei Blockhäuser standen eben beisammen, vielleicht um sich wegen einer gemeinschaftlichen Arbeit zu berathen, ohne im Mindesten zu ahnen, welche Gefahr sie bedrohe und wie nahe sie sei. Zwei der Männer wurden erschossen, als sie nach ihren Wohnungen zugingen, der Dritte aber, an welchem das Hauptstück der Rache geübt werden sollte, ergriffen und an einen Baum in der Nähe festgebunden. Dann theilten sich die Indianer in drei Haufen, drangen in die schutzlosen Blockhäuser ein und erschlugen da mit kaltem Blute die Bewohner, alle, mit Ausnahme der schönen Tochter dessen, der an den Baum gebunden die Seinigen morden, die Lieblingstochter aber einem schrecklicheren Schicksale als dem Tode zuführen sehen mußte. Diese nahm der Führer des Raubzuges auf sein Pferd, um sie mit sich zu nehmen zu den Seinigen und sie zu seinem Weibe zu machen. Das beste Vieh wurde dann zusammengetrieben, um mit hinweggeschleppt zu werden. Das Mädchen schrie in den Armen ihres Räubers vergeblich um Hülfe, und sie rief in verzweifelter Angst den Vater an, der die Fesseln nicht zerreißen konnte, welche ihn fest und fern hielten von der geliebten Tochter.

Jubelnd zogen die Rothhäute mit der Beute in rasender Eile von dannen, so daß ein Weißer, der zufällig in diesem Augenblicke erschien, ihnen nur aus weiter Ferne eine Kugel nachsenden konnte, die nicht traf. Aber er vermochte wenigstens den Vater des geraubten Mädchens zu befreien, der, heiser vor Zorn und Angst, ihn anrief. Aber was sollte der Mann beginnen? Sollte er die Räuber seiner Tochter verfolgen? Er hatte kein Pferd und – drinnen im Hause lagen alle seine andern Kinder todt und im Sterben. Er beschwor den Fremden, nach der nächsten Farm zu reiten, zu erzählen, was er gesehen, die Leute aufzufordern, ihm ein Pferd zu bringen und, nachdem er seine Kinder mit eigener Hand begraben, sich ihm anzuschließen, die Räuber zu suchen und die Tochter ihnen zu entreißen.

Alle Ansiedler in meilenweitem Umkreise, die der immer drohenden Gefahr gegenüber gleichsam eine Familie ausmachen, fanden sich am nächsten Tage wohlberitten und wohlbewaffnet bei dem unglücklichen Vater ein und stellten sich ihm zur Verfügung. Sie suchten die Spur der Indianer, sie fanden dieselbe auch, aber die Rothhäute hatten einen zu großen Vorsprung und waren, wie es sich ergab, in das Gebirge entkommen. Die Weißen mußten unverrichteter Sache umkehren.

Der beraubte Vater hat seitdem keine Mühe und keine Kosten gespart, wenigstens zu erfahren, ob seine Tochter noch lebe. Es ist ihm bis heute nicht gelungen und so weiß er nicht, ob seine „Blume der Prairie“ die Frau des rothen Mannes geworden ist, der sie geraubt, oder ob sie den Mißhandlungen, dem Grame und der Sehnsucht erlegen.