John Maynard. Von Theodor Fontane (1886)
John Maynard.
Von Theodor Fontane
John Maynard!
„Wer ist John Maynard?“
„John Maynard war unser Steuermann,
Aushielt er bis er das Ufer gewann,
Er hat uns gerettet, die Liebe sein Lohn.
John Maynard.“
* * *
Die „Schwalbe“ fliegt über den Erie-See,
Gischt schäumt um den Bug wie Flocken von Schnee,
Alle Herzen aber sind frei und froh,
Und die Passagiere, mit Kindern und Frau’n
Im Dämmerlicht schon das Ufer schau’n
Und plaudernd an John Maynard heran
Der schaut nach vorn und schaut in die Rund’:
„Noch 30 Minuten … Halbe Stund’.“
Alle Herzen sind froh, alle Herzen sind frei –
Da klingt’s aus dem Schiffsraum her wie Schrei,
Ein Qualm aus Kajütt’ und Luke drang,
Ein Qualm, dann Flammen lichterloh,
Und noch 20 Minuten bis Buffalo.
Und die Passagiere, buntgemengt,
Am Bugspriet vorn ist noch Luft und Licht,
Am Steuer aber lagert sich’s dicht,
Und ein Jammern wird laut: „Wo sind wir? wo?“
Und noch 15 Minuten bis Buffalo.
Der Kapitain nach dem Steuer späht,
Er sieht nicht mehr seinen Steuermann,
Aber durchs Sprachrohr fragt er an:
„Noch da, John Maynard?“
„Auf den Strand. In die Brandung.“
„Ich halte drauf hin.“
Und das Schiffsvolk jubelt: „Halt aus. Halloh.“
Und noch 10 Minuten bis Buffalo.
Mit ersterbender Stimme: „Ja, Herr, ich halt’s.“
Und in die Brandung, was Klippe was Stein,
Jagt er die „Schwalbe“ mitten hinein,
Soll Rettung kommen, so kommt sie nur so.
* * *
Das Schiff geborsten. Das Feuer verschweelt.
Gerettet alle. Nur Einer fehlt!
* * *
Alle Glocken gehn; ihre Töne schwell’n
Himmelan aus Kirchen und Kapell’n,
Ein Dienst nur, den sie heute hat:
Zehntausend folgen oder mehr
Und kein Aug’ im Zuge, das thränenleer.
Sie lassen den Sarg in Blumen hinab,
Und mit goldner Schrift in den Marmorstein
Schreibt die Stadt ihren Dankspruch ein:
„Hier ruht John Maynard. In Qualm und Brand,
Hielt er das Steuer fest in der Hand,
Er hat uns gerettet, die Liebe sein Lohn.
John Maynard.“