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König Heinrich VII. und die lombardischen Städte in den Jahren 1310–1312

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Autor: Gustav Sommerfeldt
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Titel: König Heinrich VII. und die lombardischen Städte in den Jahren 1310–1312
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aus: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Bd. 2 (1889), S. 97–155.
Herausgeber: Ludwig Quidde
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Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Akademische Verlagsbuchhandlung J. C. B. Mohr
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Erscheinungsort: Freiburg i. Br
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[97]
König Heinrich VII. und die lombardischen Städte in den Jahren 1310–1312.
Von
Gustav Sommerfeldt.


I.

Als Heinrich VII. im Jahre 1310 an die Ausführung seines lange geplanten und sorgsam vorbereiteten Unternehmens des Römerzuges ging, war die Lage der Verhältnisse in Oberitalien für ihn so günstig, als sie es zu jenen Zeiten der geschwächten Kaisermacht irgend sein konnte[1]. Die lombardischen Städte empfingen Heinrich mit grosser und, was wichtig war, mit ungeheuchelter Freude. Sie hofften von dem Könige, der mit so grossen Verheissungen ihr Land betrat, das Beste für sich und strebten mit allen Mitteln danach, sich sein Wohlwollen zu erringen. Heinrich’s Marsch von Susa bis Mailand glich daher in Wahrheit einem einzigen Triumphzuge.

Wer nun die Dinge nur nach ihrer Aussenseite betrachtete, musste glauben, dass bei der offenbaren Willfährigkeit aller Italiener Heinrich’s Herrschaft durch die blossen Acte der Besitzergreifung, die er in den einzelnen Städten vornahm, genügend gefestigt sei. Es bedurfte eines tieferen politischen Verständnisses, als es miterlebenden Zeitgenossen eigen zu sein pflegt, dazu, um die weite, unausfüllbare Kluft zu erkennen, welche die auf ihre [98] nationale Selbständigkeit so eifersüchtigen Italiener von dem Vertreter der Idee des Universalreichs, Heinrich VII., trennte. Es konnte sich nur darum handeln, wie lange es dauern würde, bis der Zauber, welcher die Gestalt des Königs in den Augen der Italiener umgab, verflogen sein würde. Dieser Moment trat bald genug ein.

In einer der kürzlich erst befriedeten Städte, Piacenza, missbrauchten die heimkehrenden Guelfen schon im Januar 1311 ihre Macht, um den alten Capitan Alberto Scotto mit einem Theile seines Anhangs zu verjagen[2]. Aber der Anstoss zu allgemeinen Unruhen ging von Mailand aus. Die Ursache war wie so oft bei derartigen Gelegenheiten eine ganz geringfügige: Der König pflegte, wenn er in einer Stadt durch Aussöhnung beider Parteien den Frieden hergestellt hatte, sich eine Summe Geldes als Entschädigung für die gehabte Mühe auszahlen zu lassen. Dies that er auch in Mailand, doch überliess er es hier den Bürgern, die Höhe der Dotation festzusetzen[3]. Die Forderung wird Ende December 1310 oder Anfang Januar 1311 gestellt sein[4]. Sie kam im engeren Rathe der Stadt und zwar im [99] Beisein eines königlichen Commissars zur Verhandlung. Die Ansichten gingen beträchtlich auseinander; endlich beschloss man die Normirung der Summe Guillelmo di Pusterla, einem der angesehensten mailändischen Edlen, zu überlassen. Dieser zögerte anfangs, nannte aber dann die Summe von 50,000 Goldflorin. Damit wäre die Sache abgethan gewesen, allein Matteo Visconti, der Führer der zurückgekehrten Ghibellinen, beantragte plötzlich, man möge ausserdem noch der Königin ein Geschenk von 10,000 Goldflorin machen. Der mailändische Capitan Guido della Torre gerieth darüber in Entrüstung und schlug, um den Visconti zu übertrumpfen, vor, dann doch gleich im Ganzen 100,000 Goldflorin zu schenken[5]. Diese letztere Summe liess der Commissar, [100] gleich als sei sie die beschlossene, notiren. Das Verfahren der Deutschen grenzt, wie wir sehen, bei dieser Gelegenheit nahe an Erpressung, doch stand die Höhe der Summe nur im Verhältnis zu den Zahlungen, welche auch von anderen Städten damals geleistet wurden[6], und es lässt sich wohl annehmen, dass die Mailänder bei einigem guten Willen leicht im Stande gewesen wären, die geforderte Summe zu zahlen. Zudem wurde nur die eine Hälfte durch directe Umlage unter den Bürgern aufgebracht, die andere durch zeitweilige Verpachtung der Einkünfte der Stadt. Gleichwohl kam es bei Eintreibung des Geldes, wie Augenzeugen berichten, zu Widersetzlichkeiten und heftigen Auftritten, was ganz erklärlich ist, denn die Erbitterung der Mailänder darüber, dass sie, denen die Anwesenheit des Königs schon Kosten genug verursachte, nun auch noch zu Geldzahlungen herangezogen wurden, war durchaus gerechtfertigt.

Der königliche Vicar Jean de Chaux zeigte sich unter so schwierigen Verhältnissen seiner Stellung nicht gewachsen. Er wurde seines Amtes enthoben und durch den energischen Vicar von Asti, Nicolò de’ Buonsignori, ersetzt[7]. Aber die Energie [101] dieses Vicars und die Rücksichtslosigkeit, mit welcher er bei verschiedenen Gelegenheiten durchgriff, verdarb alles. Dazu kam, dass Heinrich in Folge seines Geldmangels mit immer neuen Forderungen hervorzutreten genöthigt war. Allein schon für den Unterhalt des Generalvicars und seiner Truppen musste Mailand vierteljährlich 7440 Goldflorin zahlen.

In Folge aller dieser Umstände trat in den breiteren Massen des Mailänder Volkes eine Gährung ein, welche leicht gefährliche Dimensionen annehmen konnte und durch welche – das war das Schlimmste – sich die mit der Neuordnung der Dinge unzufriedenen Elemente zu Umtrieben gegen die deutsche Herrschaft ermuthigt fühlten. Zu den Unzufriedenen gehörte aber vor allen Guido della Torre. Es hatte eine Zeit lang geschienen, als wolle sich der Mailänder Gebieter mit Ruhe in die veränderten Verhältnisse schicken. Indessen kam vielen schon sein Verhalten bei der Berathung über die dem Könige zu gewährende Dotation verdächtig vor[8], und es kann wohl als zweifellos gelten, dass jener bei Festsetzung der hohen Summe von 100 000 Goldflorin weniger darauf ausging, sich beim Könige beliebt zu machen, als vielmehr bei den Mailändern Erbitterung gegen die Deutschen hervorzurufen.

Als dann die Ernennung des Sienesen zum Vicar Mailands erfolgte, erkannte Guido klar, dass von dem parteiischen Regiment dieses Mannes für das Guelfenthum nichts zu hoffen sei, und der Entschluss stand bei ihm fest, sich gewaltsam wieder zum Herrn der Situation zu machen. Desshalb hielt er sich vom Hofe mehr und mehr fern und trat schon damals in geheime Verbindung mit Florenz und den anderen Städten der Tuscischen Liga. Trotzdem wäre er wohl noch nicht zum Aeussersten geschritten, wenn nicht ein Umstand hinzugetreten wäre, der ihm die Nothwendigkeit raschen und energischen Handelns klar machte. Der König wünschte möglichst schnell nach Rom zu gelangen, doch wollte er eine sichere Gewähr dafür haben, dass die Städte Oberitaliens auch in seiner Abwesenheit den Frieden bewahrten. Das einstimmige Urtheil aller Italiener [102] lautete bei dieser Gelegenheit dahin, Heinrich möge als Bürgschaft für Erhaltung des Friedens aus jeder der Städte einige der angesehensten Führer beider Parteien nach Rom mitnehmen. Der König, dem die Zweckmässigkeit dieser Massregel einleuchtete, traf sofort Anordnungen betreffs der zu leistenden Gefolgschaft und setzte am 9. Februar als Termin des Aufbruchs von Mailand den 14. fest[9]. Die Stadt Mailand sollte 50 ihrer Bürger zu dem Gefolge stellen. Es wurde gewählt; die Guelfen nannten 25 Ghibellinen, darunter den Matteo Visconti und seinen Sohn Galeazzo, die Ghibellinen hingegen 25 Guelfen, darunter den Guido della Torre und den einen seiner beiden Söhne. Bald indessen zeigten sich die letzteren unzufrieden; sie klagten, dass sie bei diesem Wahlmodus den Ghibellinen gegenüber im Nachtheil blieben. Daher wurden neue Wahlen nach einem anderen Princip aufgenommen und nun nicht 50, sondern 100 Mailänder ernannt[10]. Doch die guelfische Opposition ruhte nicht, sie suchte die Sache zum Scheitern zu bringen, indem sie den Geldpunkt betonte. Es war ja selbstverständlich, dass die Kosten für die Ausrüstung und den Unterhalt der Gefolgschaft der Stadt zufielen; aber der Mailänder Rath, in dem die Guelfen das Uebergewicht hatten, weigerte sich, die Summe zu bewilligen, obwohl Nicolò de’ Buonsignori alle Mittel der Einschüchterung in Anwendung brachte[11]. Der Rath erklärte, das Volk sei durch die früheren Geldforderungen zu sehr belastet, man dürfe ihm keine neuen Opfer zumuthen.

Dass der eigentliche Grund der Weigerung tiefer lag, dass Intriguen der zur Gefolgschaft bestimmten Guelfen dahinter steckten, merkte Heinrich sehr wohl. Auch musste ihm bald klar werden, dass die Opposition namentlich von den della Torre ausging, denn Guido’s Anhänger hielten sich demonstrativ von der Oeffentlichkeit fern; dieser selbst liess gar sagen, er sei [103] krank und könne den Zug nach Rom nicht mitmachen[12]. Guido litt an der Gicht und war, wie wir sehen werden, wirklich bettlägerig krank, indessen war auch des Königs Argwohn durchaus gerechtfertigt. Es lag ja in der Natur der Sache, dass die della Torre in Mailand zurückzubleiben wünschten, weil sie fürchteten, es würden sich anderenfalls die Ghibellinen mit Hilfe des ihnen günstig gesinnten Vicars in den Vollbesitz der Gewalt setzen. Ausserdem aber hatten sich die della Torre auch in eine gegen die deutsche Herrschaft gerichtete Verschwörung eingelassen, eine Verschwörung mit den Visconti. Es war ein offenkundiges und durchaus nicht unbegründetes Gerede, dass Guido’s Sohn Franceschino della Torre mit Galeazzo Visconti auf einer ausserhalb der Stadt, vor der Porta Ticinese gelegenen Wiese eine längere Besprechung gehabt und bei der Rückkehr von dort sehr verdächtige Aeusserungen hatte fallen lassen[13].

Dass die della Torre allen Ernstes an Empörung dachten, kann danach keinem Zweifel mehr unterliegen. Was aber bezweckten die Visconti? Welchen Grund konnten sie haben, die Deutschen, deren Ankunft sie so sehnlich gewünscht hatten, zu verjagen? Wenn wir erwägen, wie Matteo Visconti gleich nach seiner Ankunft zu Asti gegen Guido della Torre conspirirt hatte, wie sein ganzes Streben darauf gerichtet war, mit Hilfe der Deutschen die Herrschaft in Mailand zu erlangen, wenn wir ferner bedenken, dass die Visconti ihr Spiel verloren geben mussten, wenn Guido della Torre in Mailand zurückblieb, während sie selbst den König nach Rom zu begleiten gezwungen waren, so werden wir nothwendig zu der Annahme gedrängt, dass die Visconti es bei jener Verschwörung nicht ehrlich meinten, sondern es auf Ueberlistung ihrer Gegner, der della Torre, abgesehen hatten. Der Plan war: die della Torre sollten zum Aufruhr verleitet werden, die Deutschen sie besiegen und sie ein für allemal unschädlich machen. Wir haben es demnach mit einem sehr fein angelegten Complott zu thun, welches [104] allerdings für den Anstifter Matteo selbst leicht verhängnissvoll werden konnte.

Als Tag für die Ausführung war der 12. Februar verabredet worden[14]. Die Deutschen wussten wohl, dass ihnen Gefahr drohte, nur darüber, wie die Verschworenen das Complott ausführen würden, waren sie im Ungewissen. Zufällig machte nun Herzog Leopold von Oesterreich in der Frühe des 12. Februar mit mehreren Begleitern einen Spazierritt vor die Thore der Stadt. Als er zurückkehrte, musste er das Stadtviertel der [105] della Torre passiren. Zu seinem nicht geringen Erstaunen fand er hier alles in kriegerischer Bewegung, sah kampfbereite Schaaren dastehen und hörte die aufgezäumten Rosse wiehern[15]. Sofort eilte er zum Palaste des Königs, theilte diesem das Gesehene mit und erreichte, dass sofort an alle Truppen, innerhalb wie ausserhalb der Stadt, der Befehl erging, sich kampfbereit zu halten. Zugleich sicherte man den königlichen Palast durch eine starke Besatzung, bemächtigte sich, ohne Aufsehen zu erregen, des Broglio[16], des grossen Hauptplatzes, in den die Mehrzahl der Verkehrsstrassen ausmündete, und liess durch eine berittene Schaar auskundschaften, in welchem Theile der Stadt die verdächtigen Truppenrüstungen stattfänden. Ihrem Auftrag gemäss begab sich diese Schaar zum Palaste der Visconti, fand aber hier nichts Verdächtiges vor. Matteo hatte allerdings Rüstungen vorgenommen[17] – sein Verwandter Ludovico Visconti stand für alle Fälle mit einer ansehnlichen Schaar mailändischer [106] Ghibellinen zum Ausrücken bereit – aber er erhielt rechtzeitig genug von dem Herannahen der deutschen Reiter Kunde, um die zum Kampfe Gerüsteten im Innern des Hauses zu verbergen. So ritten denn die deutschen Späher in der Meinung, dass hier alles wohl in Ordnung sei, nach kurzem Aufenthalt zu den Vasta Torriana weiter. Hier sah es freilich ganz anders aus, und alsbald erhob sich ein heftiges Kampfesgetümmel. Die della Torre, obwohl mit den Rüstungen noch lange nicht fertig, denn es war früh am Tage, warfen sich mit Ungestüm auf die deutschen Reiter und schlugen diese, da die Schaar ja nur klein war, in die Flucht[18]. Dann liessen sie eiligst die Porta Comana schliessen, wodurch sie die draussen befindlichen Truppen Herzog Leopold’s von Oesterreich absperrten, und riefen die Bürger zu den Waffen. „Tod den Deutschen“, hallte es bald auf den Strassen und öffentlichen Plätzen wieder. Zahlreiche Parteigänger der della Torre riefen, man habe sich geeinigt, Galeazzo Visconti und Franceschino della Torre ständen in dem Torrianischen Stadtviertel bereit, um in gemeinsamem Kampfe die Deutschen aus der Stadt zu treiben. Wilde Aufregung bemächtigte sich in Folge dessen der Bürgerschaft und jeder eilte zu den Waffen. Dennoch rührte sich die Mehrzahl der Bürger nicht aus ihren Stadtvierteln heraus, denn besonders die Ghibellinen fühlten sich dadurch befremdet, dass der ganze Lärm allein von den Guelfen ausging und Angehörige der viscontischen Partei nirgends unter den Schreiern zu erblicken waren[19].

Der ganze Aufstand beschränkte sich daher sehr bald auf die Vasta Torriana. Hier fiel auch die Entscheidung: der Generalvicar Graf Amadeus, welcher vom Könige mit der Leitung des Kampfes betraut war, hatte nämlich nicht sobald von dem [107] Unglück, das die vorausgesandte Reiterschaar erlitten, gehört, als er grössere Truppenmassen gegen die Aufständischen entsandte. In eiligem Ritte sprengten deutsche Reiter, geführt von dem Marschall Heinrich von Flandern und dem ehemaligen Vicar Jean de Chaux, quer durch die Stadt. Bei der Kirche des heiligen Benedikt traf man auf die immer noch ungeordnete Menge der Aufständischen. Einige Pfeilschüsse genügten, dieselbe aus ihrer ungedeckten Stellung hinter der Kirche zurückzutreiben, ein leichter Flankenangriff bewirkte ihre völlige Flucht. Nun begann ein grausiges Morden; nur wenigen Guelfen gelang es, mit Franceschino und Simone della Torre durch die Pusterla di San Marco nach Norden zu entkommen.

Guido della Torre lag unterdessen von der Gicht geplagt krank und hilflos in seinem Hause darnieder[20]. Jeden Augenblick musste er das Hereinbrechen der Feinde erwarten; da erschien noch zur rechten Zeit ein heldenmüthiger Jüngling, Rizzardo da Pietrasanta. Unter eigener Lebensgefahr war es ihm gelungen, sich noch bis zum Hause der della Torre durchzuschlagen. Jetzt riss er den von allen Vergessenen schnell aus dem Bette, trug ihn über die angrenzende Gartenmauer hinweg in das Kloster Maria von Orona und liess ihn von hier in das Haus des Rittermönches Jacopo di Beccaloe bringen, wo Guido wirklich allen Nachforschungen seiner Feinde entging[21].

Durch ein überaus schlaues Verfahren hatte, während das Schicksal der della Torre sich in wenigen Augenblicken entschied, Matteo Visconti sich vor dem Könige zu rechtfertigen und von dem Verdachte der Mitschuld zu befreien gewusst. Es hätte Matteo ja genügen können, dass ihn die deutschen Reiter am Morgen dieses verhängnissvollen Tages friedlich in seiner Behausung vorgefunden hatten. Indessen, er wollte sich noch mehr [108] sichern. Desshalb ertheilte er, als der Tumult wirklich losbrach, dem Galeazzo den Befehl, im Palaste zu bleiben und keinesfalls zu den Waffen zu greifen. Dann eilte er, so schnell er konnte, zum Hause des Hofkanzlers Bischof Heinrich von Trient[22]. Das Zeugniss des Hofkanzlers musste ihn, sagte er sich, gegenüber allen Verdächtigungen hinreichend decken. Zufällig war, während Matteo ankam, im Hause des Hofkanzlers auch der Predigermönch Nicolaus, nachmaliger Bischof von Butrinto[23], unser Berichterstatter, zugegen, und es traf sich günstig, dass dieser sich bald darauf zum Könige begab. Wie nun unser Nicolaus das königliche Gemach betrat, hörte er den König eben den Befehl ertheilen, dass Matteo sammt seinen Söhnen als Aufrührer verhaftet werden sollte. Natürlich setzte Nicolaus den König sofort in Kenntniss, dass Matteo ruhig im Hause des Hofkanzlers weile und bewirkte dadurch, dass der Verhaftungsbefehl zurückgenommen wurde, Nicolaus selbst den Auftrag erhielt, den Matteo herbeizuholen.

Galeazzo Visconti hatte inzwischen dem Verbote des Vaters zuwider doch zu den Waffen gegriffen. Ohne an die misslichen Folgen zu denken, welche dies Verhalten für ihn und den Vater haben konnte, ritt er zum Platze della Piscina. Vielleicht besorgte er, es möchten die Deutschen im Kampfe mit den della [109] Torre unterliegen, vielleicht trieb ihn nur innerer Thatendrang, kurz er sammelte die in jener Gegend ansässigen Ghibellinen um sich und eilte den nördlichen Stadtvierteln zu. Eine Schaar Deutscher, welche gleichfalls noch nicht in den Kampf eingegriffen hatte, schloss sich, als sie merkte, dass sie hier befreundete Ghibellinen vor sich hatte, ihm an[24]. Bei Ponte vecchio angekommen, merkte Galeazzo jedoch, dass der Kampf schon entschieden war, denn er traf auf Reste der von den Deutschen geschlagenen und zersprengten guelfischen Schaaren. Er unterliess es daher auch, sofort zu den Vasta Torriana zu eilen, sondern liess vorerst die Porta Comana öffnen und die österreichischen Truppen in die Stadt eintreten. Dann erst ging es zu den Vasta. Als man hier ankam, war in der That schon alles vorüber, die Deutschen waren nur noch damit beschäftigt, die Häuser der besiegten Feinde, aber auch diejenigen ganz unschuldiger Mitbürger auszuplündern. Galeazzo bemühte sich nach Kräften dem Treiben Einhalt zu thun, doch hatte er wenig Erfolg, die Zerstörungswuth der Deutschen kannte keine Grenzen. Erst ein königliches Edict stellte nach Verlauf mehrerer Tage die Rechtssicherheit wieder einigermassen her[25].

Dieses war in den Hauptzügen der Verlauf des für Heinrich’s Unternehmen so folgenschweren Ereignisses[26]. Dass dasselbe in Guelfenkreisen überall die grösste Erregung hervorrufen [110] würde, war vorauszusehen, um so mehr musste der König darauf bedacht sein, durch genaue Untersuchung des Sachverhalts die Wahrheit an den Tag zu bringen. Matteo Visconti war, während noch der Kampf tobte, durch Nicolaus von Butrinto zum Könige geführt worden. Heinrich fuhr ihn hart an, fragte, warum er so spät komme, erkundigte sich nach dem Aufenthalt seines Sohnes Galeazzo und beschuldigte ihn geradezu des Aufruhrs und geheimen Einverständnisses mit den della Torre[27]. Matteo entschuldigte sich, wie er dies vorher bedacht hatte, damit, dass er beim Ausbruche des Tumultes zum Hofkanzler gegangen sei. Er habe diesen gebeten, ihn zum königlichen Palaste zu geleiten, denn wäre er allein gegangen, so hätte er befürchten müssen, unterwegs von deutschen Kriegsschaaren angefallen zu werden.

Da der Hofkanzler alle diese Angaben Matteo’s bestätigte, so gab sich Heinrich schliesslich zufrieden und beliess den Matteo ungehindert auf freiem Fuss[28]. Nach Niederwerfung des Aufruhrs wurde jedoch gegen die Visconti ein Verfahren angestrengt, welches denn doch den Nachweis geliefert haben muss, dass die Visconti bei dem Complott ihre Hände mit im Spiele gehabt hatten, denn Matteo wurde nach Asti, Galeazzo nach Treviso in die Verbannung geschickt[29].

[111] Härtere Strafe sollte die offenbaren Empörer, die della Torre, treffen. Sie wurden geladen, sich binnen acht Tagen in Mailand zur Verantwortung zu stellen. Sie erschienen nicht, vielmehr verliess Guido eben jetzt das Mailändische, wo er sich so lange verborgen gehalten hatte[30], und floh nach Cremona. Guido’s Söhne wehrten sich in der Feste Monteorfano; – dorthin hatten sie sich nach dem Misslingen des Aufruhrs geflüchtet – aufs verzweifelste. Auch eine zweite Ladung erwies sich als nutzlos. Nun hatten sich die ehemaligen Guelfengebieter von Pavia, Vercelli, Novara und Lodi gleich nach Niederwerfung des Aufstandes für ihren Parteigenossen Guido beim Könige verwandt. Ihrem Wunsche gemäss beschloss dieser jetzt, es bei Guido mit Milde zu versuchen, ein Beschluss, zu dem er freilich nicht minder auch durch die gerade in diesen Tagen eintreffende Nachricht vom Abfall Cremonas und anderer Städte gedrängt sein wird. Er erliess am 27. Februar an die della Torre die Aufforderung nach Mailand zurückzukehren und sicherte ihnen Verzeihung, ja sogar Rückerstattung ihres Besitzes zu, wenn sie Monteorfano auslieferten und in die Verbannung gingen, wo er sie hinschicken würde. Er erklärte auch, die abtrünnigen Städte in Gnaden wieder annehmen zu wollen, nur müssten sie bis zu einem bestimmten Termin Abbitte thun und sich unterwerfen. Die erwähnten vier Guelfenführer selbst wurden beauftragt, die Verhandlungen mit den Aufständischen zu führen, doch mussten sie vorher versprechen, wenn die Rebellen trotz dieser so annehmbaren Bedingungen im Widerstande verharrten, sich von diesen völlig lossagen und gegen sie als ihre Feinde auftreten zu [112] wollen[31]. Dieser Schritt des Königs war äusserst klug, denn durch jenes Versprechen legten alle Anhänger des gemässigten Guelfenthums gewissermassen das Gelöbniss ab, auch ferner trotz der Mailänder Vorgänge eine Stütze für die Friedenspolitik des Königs bilden zu wollen. Ausserdem aber wurde die Kluft innerhalb der guelfischen Partei noch mehr als bisher erweitert.

Dieses war denn auch der einzige wirkliche Erfolg, den das entgegenkommende Verhalten des Königs hatte. Denn als Antonio di Fissiraga, der ehemalige Gebieter von Lodi, der, wie wir annehmen müssen, von den drei anderen Guelfenführern mit der Ausführung des Vermittlergeschäftes betraut war, die Aufständischen zum Gehorsam gegen den König und zur Annahme der gestellten Bedingungen aufforderte, richtete er nirgends etwas aus. Guido erklärte, lieber umkommen als um die Gnade des Königs betteln zu wollen, und in den aufrührerischen Städten hatte man für Heinrich’s Anträge nur Hohn und Spott, man legte seine Milde wohl gar als Schwäche oder als Hinterlist aus. Die Folge war, dass zunächst die della Torre als Hochverräther geächtet und ihres Besitzes, soviel noch von der Plünderung verschont geblieben war, beraubt wurden. Das feste Monteorfano gelang es bald darauf zu erstürmen, doch hatten Franceschino und Simone della Torre Zeit gefunden, nach Cremona zu entkommen.


II.

Sehen wir nun zu, in welcher Weise die aufständischen Bewegungen verliefen, welche in Folge des Mailänder Aufruhrs in so [113] vielen anderen Städten Oberitaliens zum Ausbruch kamen. Zuerst, wahrscheinlich schon am 18. Februar[32], erhoben sich Crema und Cremona. Die Ghibellinen sammt den königlichen Vicaren beider Städte wurden verjagt[33]. Nach Cremona waren ja schon die della Torre und die anderen aus Mailand vertriebenen Guelfen geflohen. Jetzt stand der ultraguelfische Markgraf Guilelmo di Cavalcabò an der Spitze der Bewegung. Cremona wurde das eigentliche Centrum, in dem sich alle mit der neuen Ordnung der Dinge unzufriedenen Elemente sammelten. Nun erschien, vermuthlich Anfang März, Antonio di Fissiraga in der Stadt mit den erwähnten Anträgen des Königs, die Cremonesen aber wollten von Rückkehr zum Gehorsam nichts wissen, sie erklärten, sich dem Despoten, der es auf die Vernichtung des Guelfenthums abgesehen habe, nie unterwerfen zu wollen, auch wären sie ausser Stande die ihnen auferlegten schweren Geldlasten zu tragen[34]. In ähnlicher Weise antwortete auch Crema; daher sprach Heinrich am 5. März, d. h. wohl nachdem Antonio di Fissiraga nach Mailand zurückgekehrt war, über Crema und Cremona die Reichsacht aus und beraubte beide Städte aller ihnen vom Reich verliehenen Schenkungen und Privilegien[35].

Etwas später empörte sich Brescia[36]. In dieser Ghibellinenstadt war erst kürzlich die Rückführung der Guelfen erfolgt. Maffeo de’ Maggi, der Signore der Stadt, ein Bruder des schon im Jahre 1308 verstorbenen Berardo de’ Maggi, war durch den königlichen Vicar Alberto di Rovoglione da Castelbarco, einen [114] gemässigten Ghibellinen, ersetzt worden. Der gestiftete Friede war aber nur von kurzer Dauer. Auf die Kunde von den Vorgängen zu Mailand, Crema und Cremona empörte sich auch hier die guelfische Partei; ein heftiger Strassenkampf entbrannte, schliesslich mussten die Ghibellinen die Stadt räumen und zogen sich in das Castell Orci zurück[37]. Nichtsdestoweniger liessen sich die siegreichen Guelfen die Herrschaft des königlichen Vicars auch ferner gefallen und versprachen, allen ihren Verpflichtungen gegen den König nachzukommen, wenn dieser in die dauernde Ausschliessung der Ghibellinen willige. Was die Brescianer dem Könige zumutheten, war der völlige Verzicht auf die bisher von ihm so consequent verfolgte Versöhnungspolitik. Dieses Ansinnen aber wies Heinrich voll Entrüstung zurück. Auch hier vermochte daher Antonio di Fissiraga nichts auszurichten[38], und es war eigentlich selbstverständlich, dass die Brescianer jetzt die nothwendige Consequenz zogen, indem sie den königlichen Vicar auswiesen und den energischen Guelfen Tebaldo Brusato an ihre Spitze stellten.

Aehnlich ging es in Lodi zu; auch hier richtete sich die Bewegung anfänglich nur gegen die Ghibellinen, der Vicar Jacopo di Borcesello führte nach der Vertreibung derselben die Regierung noch eine Zeit lang weiter[39]. Antonio di Fissiraga fand, [115] als er die Aufträge des Königs ausführte, auch Lodi, seine Heimathstadt, schon in voller Rebellion. Er versuchte zu Gunsten des Königs zu sprechen, fand jedoch kein Gehör. Er kehrte nun nach Mailand zurück und erstattete dem König Bericht. Aber die Liebe zu seiner Heimathstadt und der Wunsch, sich mit seinen Mitbürgern eins zu wissen, war in ihm stärker als die Zuneigung zu Heinrich. Er erbat und erhielt die Erlaubniss aufs neue nach Lodi zu gehen[40]. Hier angelangt, übernahm er sofort die Leitung des Aufruhrs, vertrieb den Vicar und bewirkte, dass sich Lodi mit den anderen aufständischen Städten aufs engste verbündete.

Auch in Como und Bergamo kam es zu unruhigen Bewegungen[41]; in viel schärferer Weise aber äusserten sich die Parteileidenschaften in den Städten des Ostens, wo ja überhaupt die deutsche Herrschaft auf recht unsicheren Grundlagen stand. In Parma empörten sich die guelfischen de’ Rossi schon am 25. Februar, unterlagen aber und wurden aus der Stadt getrieben[42]. Glücklicher waren die Guelfen zu Reggio, welche am 26. (oder 27.) Februar die ghibellinische Partei der di Sesso sammt dem königlichen Vicar Spineta, Markgrafen von Malaspina, verjagten[43]. Dieses Beispiel wollten auch die Guelfen von Modena nachahmen, doch wurde von dem dortigen Vicar Guidaloste de’ Vercellesi die Empörung im Keime erstickt[44].

Seine Wirkungen äusserte der Mailänder Aufruhr endlich auch – freilich in völlig entgegengesetzter Richtung – auf Mantua. Hier beschlossen die ghibellinischen de’ Buonacossi, als die Kunde eintraf, wie gut es den Visconti geglückt war, sich ihrer [116] Gegner zu entledigen, ein gleiches Verfahren auch den Guelfen ihrer eigenen Stadt gegenüber anzuwenden. Sie liessen zu dem Zweck in der Stadt durch ihre Anhänger einen Tumult erregen, zugleich aber das Gerücht aussprengen, die Guelfen hätten verrätherischerweise zu den Waffen gegriffen. Als nun aus dem Tumult sich ein harter Kampf entwickelte, blieben die de’ Buonacossi, da sie ja alles gut vorbereitet hatten[45], Sieger. Nun aber hüteten sie sich wohl ihre besiegten Gegner aus der Stadt zu vertreiben, sondern wandten sich vermittelst des ihnen günstig gesinnten Vicars Lappo di Farinata an den König und verlangten die Ausweisung der Guelfen.

So machten sich wiederum überall die Parteigegensätze ganz mit derselben Schärfe geltend wie vorher, ehe Heinrich nach Italien kam. Der Grund dafür war wesentlich in der verkehrten, allzu idealistischen Politik des Königs zu suchen. Indessen bedurfte es noch weiterer Erfahrungen für Heinrich, um ihn zum Aufgeben dieser Politik zu bewegen.

Zunächst beschäftigten ihn die Mailänder Verhältnisse. Mailand musste schon am 20. Februar aufs neue den Fidelitätseid leisten[46], aber erst am 20. März erhielt es die ihm von früheren Königen und Kaisern gemachten Schenkungen bestätigt[47]. Cremona und die anderen rebellischen Städte hoffte Heinrich leicht zum Gehorsam zurückzuführen. Er befahl dem Generalvicar Amedeus von Savoyen, das Gebiet dieser Städte zu verwüsten[48]. Aber der [117] Einschüchterungsversuch schlug fehl; das Einzige, was Amedeus erreichte, war ein Vertrag mit den Brescianern, welcher, wie es scheint, die Auswechslung der beiderseitigen Gefangenen betraf[49].

Was die Aufständischen in ihrem Widerstand bestärkte, war einmal der Umstand, dass sie wussten, Heinrich wolle zum Pfingstfeste in Rom sein, sodann die Hoffnung, es werde dem Könige viel mehr daran liegen, Florenz und die anderen Städte der tuscischen Liga zur Botmässigkeit zu zwingen[50], als noch weiter seine Kraft den lombardischen Angelegenheiten zuzuwenden. Heinrich aber dachte anders; er hielt es für nothwendig, ehe er nach Rom aufbrach, die Rebellen zu demüthigen und seine königliche Autorität in Lombardien dauernd zu befestigen. Daher forderte er durch Sendschreiben vom 12. April alle treu gebliebenen Städte auf, zunächst zum Kampfe gegen Cremona Truppencontingente nach Treviglio, einer kleinen Grenzfeste des mailändischen Gebiets, zu entsenden[51], und setzte zugleich im Einverständniss mit dem Papste einen späteren Termin für die Kaiserkrönung fest, den 15. August[52].

Dieses energische Auftreten des Königs wirkte: Lodi und Crema schickten Gesandte, um ihre Unterwerfung anzukündigen. Am 17. April, wie es scheint, trafen die Gesandten ein[53]. [118] Heinrich empfing sie sehr ungnädig, doch liess er sich nach langem Bitten zur Milde stimmen und sicherte beiden Städten seine Verzeihung zu[54]. Der Marschall Heinrich von Flandern ging gleich am nächsten Tage nach Lodi und Crema und ergriff, nicht ohne Schwierigkeiten[55], von beiden Städten für den König Besitz. Dieser selbst folgte am 19. April nach[56] und stellte dort den Zustand, wie er vor dem Aufruhr geherrscht hatte, wieder her[57]. Antonio di Fissiraga und eine Anzahl anderer vornehmer Lodesen bildeten auf dem weiteren Marsche [119] des Königs ständiges Geleite[58]. Nach Lodi kamen in diesen Tagen Gesandte Cremonas, welche auch für ihre Stadt um die Gnade des Königs baten[59]. In Cremona hatte nämlich, als Heinrich so plötzlich anrückte und die Hilfe des tuscischen Bundes ausblieb[60], die friedliebende Partei der degli Amati die Oberhand erhalten, so dass Guillielmo di Cavalcabò mit seinem Anhang fliehen musste.

Die einfachste Klugheit (so könnte es scheinen), hätte erfordert, dass Heinrich sich den Cremonesen, welche ja nur dasselbe gethan hatten wie die Bürger von Crema und Lodi, günstig zeigte. Aber so sehr sich auch die Bewohner dieser Stadt demüthigten, und so augenfällige Beweise tiefgehender Reue sie an den Tag legten, Heinrich blieb dabei, diesmal Strenge walten zu lassen, entweder weil er meinte, so am besten neuen Rebellionen vorzubeugen, oder weil er gegen Cremona, als die widerspenstigste aller Städte des Lombardenbundes, von ganz besonderem Hasse erfüllt war. Nach kurzem Aufenthalt zu Crema[61] zog er am 26. April über Soresina gegen Cremona heran, welches ihm willig die Thore öffnete, da es die Hoffnung auf eine schliessliche Sinnesänderung des Königs nicht ganz aufgegeben hatte. Bei der Ankunft zogen ihm Sovramonte degli Amati und sechzig andere edle Cremonesen entgegen. Heinrich liess sie ergreifen und in den Schlössern der Umgegend gefangen setzen. Er bedachte nicht, dass ja gerade diese Männer die Wendung zum Besseren in Cremona bewirkt und sich so grosse Verdienste um die königliche Sache erworben hatten. Ueber Cremona erging am 29. April ein entsetzlich hartes Strafgericht[62]. Die Thore und Mauern der Stadt wurden geschleift, ebenso alle Thürme, mit Ausnahme des Turriazzo auf dem Marktplatz. [120] Dieser kunstvolle und durch sein Alter ehrwürdige Bau blieb auf Bitten der Königin verschont. Ausserdem ging Cremona aller seiner Privilegien für immer verlustig, wurde Reichskammergut, musste auf seinen Landbezirk verzichten und 100 000 Goldflorin zahlen[63]. Die entflohenen Rädelsführer endlich verfielen als Reichsfeinde dem Banne, wurden von allen gesetzlichen Acten ausgeschlossen, ihr Vermögen confiscirt und ihre Häuser niedergerissen[64].

Dieses Edict, zumal es mit grosser Strenge zur Duchführung gebracht wurde, bedeutet einen völligen Umschwung in der Politik des Königs. Bisher hatte er seinen Ruhm darin gesucht, als der segenspendende Friedensstifter zu erscheinen, dem das Wohl aller in gleicher Weise am Herzen liegt; jetzt dagegen begann er straffere Saiten aufzuziehen, weil er sah, dass mit der einfachen Versöhnungspolitik nicht zum Ziel zu kommen sei, und weil er meinte, dass er es bei seiner nunmehr gefestigten Stellung wagen dürfe, die Widerspenstigen seinen Zorn fühlen zu lassen.

Dieser Wechsel in Heinrich’s Politik zeigte sich damals auch in anderer Hinsicht sehr deutlich. Heinrich hatte bald nach Beginn des Römerzuges die Vermittlung des Papstes angerufen, um König Robert zur Herausgabe Alessandrias und der anderen von ihm occupirten Städte Piemonts zu bewegen[65]. Clemens V., der völlig unter französischem Einfluss stand, hatte zu Gunsten Robert’s entschieden[66], daher schickte Heinrich gegen das Ende des Mailänder Aufenthalts eine Gesandtschaft nach Avignon, welche gegen diese Entscheidung Protest einlegen und [121] vom Papste eine thatkräftigere Unterstützung der Bestrebungen Heinrich’s verlangen sollte[67].

Eine nicht minder energische Behandlung fanden jetzt auch die Angelegenheiten der östlicheren Gebiete. Anfang April sandte Heinrich dorthin seinen vertrauten Rathgeber Bischof Aimo von Genf[68]. Hier handelte es sich in erster Linie um Padua[69]. Gesandte dieser wichtigen Guelfenstadt hatten schon der Krönungsfeierlichkeit vom 6. Januar beigewohnt, dann hatten die Paduaner auch schon über die Bedingungen verhandelt, unter welchen die Herrschaft über ihre Stadt an den König übergehen sollte. Heinrich hatte sich damals zu sehr weitgehenden Concessionen verstanden: bei der Auswahl des für Padua zu ernennenden Vicars sollte den Paduanern ein gewisses Mitbestimmungsrecht zustehen und dieser Vicar nur ein halbes Jahr im Amte bleiben. Ferner sollte Padua auch im ungestörten Besitze Vicenzas belassen werden, nur sei die Entrichtung einer Contribution von 100 000 Goldflorin erforderlich.

Die Verhandlungen waren durch paduanische Bevollmächtigte in Mailand geführt worden. Als diese nun Ende Februar oder Anfang März heimkehrten, hatte soeben der Abfall Cremonas und so vieler anderer Städte stattgefunden. Unter diesen veränderten Verhältnissen hatten die Paduaner, welche im Geiste schon eine allgemeine Erhebung Italiens voraussahen, keine Lust, auf den Pact einzugehen, und brachen die Beziehungen zum Könige ab. Nun war aber die Herrschaft Paduas bei der Stadt Vicenza sehr unbeliebt[70] und für Heinrich mithin die [122] Möglichkeit gegeben, sich, wenn er wollte, an den Paduanern für ihr zweideutiges Verhalten aufs empfindlichste zu rächen. Hiermit zögerte er denn auch nicht, und Bischof Aimo, kaum erst in Verona angekommen, vollführte mit Hilfe der della Scala am 15. April[71] die Befreiung Vicenzas von der Herrschaft der Paduaner. Vicenza durfte sich als freie Commune constituiren und wurde einem Vicar, dem Pisaner Giovanni Zeno, welcher bisher das Vicariat von Verona bekleidet hatte, unterstellt.

In Mantua stellte Bischof Aimo die Ordnung her, indem er, den Wünschen der de’ Buonacossi entsprechend, die Guelfen, weil sie an dem Aufruhr schuldig gewesen wären, aus der Stadt verbannte. Auch in Parma und Modena, wo die Guelfen ja schon vertrieben waren, wurde das Regiment der Ghibellinen sanctionirt und Reggio kehrte eben damals wieder zur Herrschaft des Königs zurück[72]. Selbst nach Venedig und Treviso ging der Genfer Bischof und hatte sich hier des ehrendsten Empfangs zu erfreuen[73]. Beide Communen standen treu zu der Sache des Königs[74].

Um sich der Treue der Ghibellinen in jenen östlichen [123] Gegenden zu versichern und zugleich auf Padua einen Druck auszuüben, ging Heinrich zu eben dieser Zeit in der Begünstigung der Ghibellinen noch einen Schritt weiter. Er ernannte die Brüder Alboino und Cangrande della Scala zu lebenslänglichen Reichsvicaren für Verona, den Passerino de’ Buonacossi zum Reichsvicar für Mantua und dem Rizzardo da Cammino übertrug er dasselbe Amt in Treviso[75]. Diese Ernennungen bedeuten den endgültigen Bruch mit der bisherigen Vermittlungspolitik. Heinrich stellte sich auf den Standpunkt des Parteimannes und begann, dem Zwange der Verhältnisse folgend, das Parteiinteresse der Ghibellinen über dasjenige der Gesammtheit zu stellen oder doch dem der Guelfen weit vorzuziehen.

Aus diesem Zusammenhange heraus erklärt sich uns auch jenes harte und scheinbar so ungerechtfertigte Vorgehen Heinrich’s gegen Cremona. Dasselbe war nicht der Act eitler Rachsucht, als welchen ihn unsere Quellen und mit ihnen die neueren Bearbeiter hinzustellen lieben, sondern entsprang der Ueberzeugung, dass völlig neue Grundlagen geschaffen werden mussten, wenn die Pacificirung Reichsitaliens dauernd gelingen sollte. Verliert daher von jetzt ab die Politik Heinrich’s den romantischen Charakter, welcher ihr bis dahin angehaftet hatte, so war seine Lage darum nicht ungünstiger geworden; denn jenes über Cremona verhängte Strafgericht übte in der That auf die beiden allein noch im Widerstande beharrenden Städte Brescia und Padua einstweilen den heilsamsten Einfluss aus.

Padua hatte, als die Kunde von der Eroberung Vicenzas durch die Deutschen und Veroneser eintraf, zuerst versucht, diese [124] Stadt wiederzugewinnen, dann aber dieses Unternehmen als aussichtslos aufgegeben. Dagegen arbeitete man um so eifriger daran, Padua selbst in Vertheidigungszustand zu setzen[76]. Man war entschlossen, sich bis aufs äusserste zu wehren, und schickte auch Gesandte nach Florenz, um die Aufnahme Paduas in den Verband der tuscischen Guelfenliga zu bewirken[77]. Diese kriegerische Stimmung schlug freilich schnell um, als in rascher Aufeinanderfolge die Nachrichten von der Ergebung Lodis, Cremas und Cremonas und dem harten Schicksal, welches die letztere Stadt betroffen, anlangten.

Jetzt fürchteten die Paduaner, der König werde sogleich gegen ihre eigene Stadt heranziehen. Um dieses abzuwenden, entschlossen sie sich zum Gehorsam. Am 8. Mai wurde eine aus den angesehensten Männern der Stadt zusammengesetzte Gesandtschaft beauftragt, sich in das Lager zum Könige zu begeben und die Bedingungen festzustellen, unter welchen die Uebergabe der Stadt zu erfolgen hätte[78].

Auch die Bresciaten zeigten sich damals zu einer Verständigung bereit; sie schickten auf die Kunde von der schweren Bestrafung Cremonas zwei Gesandte und erboten sich aufs neue, ihre Stadt dem Könige auszuliefern, wenn dieser auf die Rückführung der Ghibellinen verzichte[79]. Hätte Heinrich den Vorschlag angenommen, und wäre er, wie es ihm so viele einsichtige Männer anriethen[80], damals schnell nach Tuscien geeilt, so würde er in der That dem Ziele, welches er sich gesteckt hatte, der Wiedergewinnung Reichsitaliens für die deutsche Herrschaft, bis zu einem beträchtlichen Grade nahe gekommen sein. Indessen Heinrich wies die Anträge der Bresciaten zurück. Vielleicht meinte er, dieselben würden sich noch weiter einschüchtern [125] lassen und so ohne Kampf, wie es ja Cremona gethan, ihre Stadt bedingungslos übergeben. Sicher aber war ein anderes Moment auf die Entschliessungen des Königs von viel grösserem Einfluss: Brescia war eine der Städte des Ghibellinenbundes. In Folge der neuesten Wendung seiner Politik sah Heinrich sich mehr und mehr auf die Unterstützung durch die Ghibellinen angewiesen und daher auch zu Concessionen gegen diese Partei genöthigt. Konnte er aber auf die Treue der Ghibellinen rechnen, wenn in der alten Ghibellinenstadt Brescia die Guelfen triumphirten? Musste er nicht mit Aufbietung selbst der äussersten Mittel versuchen, den Maffeo de’ Maggi und dessen Partei nach Brescia zurückzuführen? Um dem Könige gerecht zu werden, wird man sich endlich auch vergegenwärtigen müssen, dass derselbe schwerlich im Stande war, sich von der Widerstandsfähigkeit, welche Brescia in Wirklichkeit besass, die richtige Vorstellung zu machen[81], und nicht im Voraus wissen konnte, dass sich die Belagerung dieser Stadt so sehr in die Länge ziehen werde.

Bereits am 8. Mai hatte Heinrich Ausschreiben an die Städte Oberitaliens erlassen, in welchen er zur Stellung von Truppen für den Kampf gegen Brescia auffordert[82]; am 10. Mai leisteten die Cremonesen aufs neue den Treueid[83]; am 15. Mai erfolgte der Aufbruch von Cremona[84], und am 19. Mai auf dem Wege über Quinzano d’Oglio und Pompiano die Ankunft vor Brescia[85]. Hier aber fand man es anders, als man gedacht hatte. Die Brescianer sahen an dem Beispiel Cremonas, welches harte Schicksal sie erwartete, wenn sie jetzt ihre Stadt auslieferten, und beschlossen, lieber das Aergste zu erdulden, als [126] dem Unterdrücker ihrer Freiheit die Thore zu öffnen. In der That leisteten sie während der nunmehr folgenden viermonatlichen Belagerung den heldenmüthigsten Widerstand[86]. Ihr Führer, Tebaldo Brusato, wurde am 14. Juni von den Deutschen gefangen genommen und, da er sich nicht zum Verrathe an seiner Vaterstadt brauchen liess[87], hingerichtet. Die Brescianer übertrugen an seiner Statt die Leitung der städtischen Angelegenheiten einem Collegium von vier Männern und setzten den Kampf mit grösster Erbitterung fort.

Die Belagerungsmaschinen der Angreifer vermochten wenig gegen die festen Mauern der Stadt auszurichten. Des Königs Bruder Walram fiel bei einem Ausfall, den die Belagerten am 27. Juli unternahmen[88]. Damals liess sich der König den Termin für seine Kaiserkrönung durch den Papst auf unbestimmte Zeit hinausschieben[89]. Clemens V. selbst legte am 4. Juli beim Könige Fürbitte für die Brescianer ein[90], da viele derselben nur aus Unbedachtsamkeit gefehlt hätten. Sehr erwünscht war unter diesen Umständen das Eintreffen der Cardinäle, welche Clemens beauftragt hatte, die Krönungsfeierlichkeit in Rom zu [127] vollziehen[91]. Als die ersten langten Arnald de Frangeriis, Cardinalbischof von Sabina, und Leonard de Guercino, Cardinalbischof von Albano, am 7. August vor Brescia an; der erstere war zugleich bestimmt, als „legatus a latere“ zu dienen, und dieserhalb mit weitgehenden Vollmachten ausgestattet. Wenig später kamen Nicolaus de Prato, Cardinalbischof von Ostia, und Lucas Fieschi, Cardinaldiakon von St. Maria in via lata, nach. Ein fünfter, Franciscus de Campofloris, Cardinaldiakon von St. Lucia in Silice, weilte in Rom und bereitete hier alles für die bevorstehende Krönung vor[92].

Die vier im Lager vor Brescia anwesenden Cardinäle begaben sich nun nach Verlauf von acht Tagen, also wohl etwa am 15. August, in die Stadt, hielten den Brescianern, wie es Papst Clemens befohlen hatte, ihr Unrecht vor und forderten dieselben auf, zum Gehorsam gegen die Curie zurückzukehren. Natürlich richteten sie nichts aus, denn die Brescianer erklärten zwar der Kirche und dem Papste gerne dienen zu wollen, nie aber einem so tyrannischen und parteiischen Könige wie Heinrich VII.[93]. Die Cardinäle erstatteten dem Könige über diesen Misserfolg Bericht und zogen sich dann, um nicht die Greuel des Krieges mit ansehen zu müssen, Arnold nach Soncino, die anderen drei nach Cremona zurück.

Nachdem am 20. August noch ein grosser Sturm, welcher mit Aufbietung aller vorhandenen Streitkräfte unternommen wurde, fehlgeschlagen war, gab Heinrich, zumal er von den Cardinälen erfahren, dass die Brescianer noch gut verproviantirt waren, die [128] Hoffnung auf schnellen Erfolg auf. Er beschloss Lombardien zu verlassen und nach Rom zu eilen. Der Generalvicar Amedeus von Savoyen sollte zurückbleiben und die Belagerung zu Ende führen. Er sollte zu diesem Zweck ausser den 1500 Mann, welche ihm ohnehin zu Gebote standen, noch 13 000 Mann Fussvolk und 2000 Mann zur Bedienung der Schleudermaschinen erhalten[94]. Das Heer begrüsste den Plan mit hellem Jubel[95]. Doch kam derselbe nicht zur Ausführung. Eine furchtbare Seuche, verursacht durch die glühende Sonnenhitze und die Verpestung der Luft durch die Leichname der Gefallenen wüthete schon seit Mitte August entsetzlich in den Reihen der Belagerer. Anfang September griff dieselbe auch in die Stadt über und richtete hier bald noch grauenvollere Verheerungen an[96]. Die Wirkungen machten sich bald geltend: die Armee der tapferen Vertheidiger begann zu erlahmen. Soeben noch hatten die Brescianer in Briefen an die Florentiner der Hoffnung Ausdruck gegeben, dass das königliche Heer mit Spott und Schande abziehen werde[97]. Jetzt halfen keine Ermahnungen, keine Geldsendungen der Florentiner mehr[98]. Als Cardinal Lucas Fieschi am 5. September abermals in der Stadt erschien, nahmen die Brescianer [129] seine Vermittlung an[99]. Ueber den Verlauf der nun folgenden Verhandlungen sind nur verworrene Nachrichten auf uns gekommen[100]. Das Resultat war, dass sich Brescia am 19. September dem Könige auf Gnade und Ungnade ergab[101]. Dass die Uebergabe eine völlig bedingungslose war, zeigt schon die Form, in welcher sie sich vollzog. Vornehme Brescianer zogen im Büssergewande, mit Stricken um den Hals, genau wie es einst die Cremonesen gethan, dem Könige entgegen und erflehten dessen Gnade. Heinrich willfahrte ihren Bitten insoweit, dass er Leben und Eigenthum der Bürger schonte. Sonst aber legte er der Stadt recht harte Strafen auf. Die erlassene Strafsentenz liegt uns in doppelter Fassung, einer längeren und einer kürzeren, vor, doch ist vielleicht keine derselben in Wirklichkeit die massgebende gewesen[102]. Es wurden im Wesentlichen dieselben Bestimmungen wie bei Cremona getroffen. Die Mauern, die Thürme, überhaupt alle Befestigungswerke wurden geschleift, die Gräben verschüttet, die Stadtthore ausgehoben, um nach Rom [130] mitgeführt zu werden[103], ferner sollte Brescia ewig unbewehrt bleiben, verliert seinen Landbezirk, wird Gut der Reichskammer, büsst alle Privilegien und Freiheiten ein und muss 70 000 Goldflorin zahlen, doch so, dass die Summe von den Guelfen und Ghibellinen gemeinsam aufgebracht wird. Einige der Hauptschuldigen wurden in die Verbannung geschickt, die Ghibellinen wieder in ihren Besitz eingesetzt und mit den Guelfen ausgesöhnt[104], die Bürgerschaft vereidigt und Markgraf Galeotto von Malaspina mit dem Vicariat betraut.

Heinrich hatte, was er wollte, erreicht: auch die letzte der rebellischen Städte fügte sich seiner Herrschaft, er war jetzt unbedingter Herr Oberitaliens. Aber welche Opfer waren auch gebracht! Zwei Drittel des deutschen Heeres waren vor Brescia theils im Kampfe, theils durch Krankheit umgekommen, viel kostbare Zeit war verloren, eine der blühendsten und hoffnungsvollsten Städte Italiens, wenn nicht vernichtet, so doch auf Jahrzehnte hinaus ihres Wohlstandes und ihrer besten Lebenskraft beraubt. Und etwas Dauerndes war dennoch nicht einmal gewonnen, denn die Opposition, d. h. das Guelfenthum, war höchstens für den Augenblick unterdrückt, neue schwere Unruhen mussten entstehen, sobald Heinrich der Lombardei den Rücken kehrte.


III.

Heinrich’s VII. erste Erfolge in Italien waren wesentlich durch die Sympathien bedingt gewesen, welche die grosse Masse des italienischen Volkes diesem Unternehmen entgegenbrachte. Die Begeisterung war schnell abgekühlt, als sich herausstellte, dass Heinrich nicht im Stande war, die an ihn gestellten Erwartungen zu erfüllen und bittere Enttäuschung trat ein, als Heinrich selbst, die Undurchführbarkeit seiner idealen Versöhnungspolitik erkennend, an die Spitze der Ghibellinenpartei trat und mit deren Hilfe sich in der gewonnenen Stellung zu behaupten strebte. Hätte er sich von Anfang an mit Anerkennung seiner Herrschaft durch die an der Gewalt befindlichen theils guelfischen, theils [131] ghibellinischen Parteien begnügt und wäre dann auf dieser Grundlage fussend schrittweise mit wohlüberlegten Reformen vorgegangen, so hätten sich vielleicht Institutionen herausgebildet, die von einigem Bestand gewesen wären. Die Begünstigung aber, welche er im Gegensatz zu seinen ursprünglichen Bestrebungen jetzt den Ghibellinen zu Theil werden liess, konnte nur nachtheilig wirken. Die Massen, denen die wahren Beweggründe für die Politik des Königs unbekannt blieben, mussten meinen, dass Heinrich die della Scala, de’ Buonacossi und da Cammino nur aus Hass gegen die Guelfen, und nur weil sich ihm auf diesem Wege neue Einnahmsquellen darboten, zu Reichsvicaren ernannte.

Von der allgemeinen Unzufriedenheit legten die unruhigen Bewegungen Zeugniss ab, welche, schon während der König Brescia belagerte, bald hier, bald dort zum Ausbruch kamen. Nur ein schwacher Erfolg war es, dass Padua Anfang Juni huldigte[105] und sich der deutschen Herrschaft fügte. Die Vorrechte, welche Heinrich dieser mächtigen Guelfenrepublik vor den anderen Communen Oberitaliens einräumen musste[106], waren ausserordentlich hoch. Heinrich überliess den Paduanern in der bei den früheren Verhandlungen verabredeten Weise die Wahl ihres Vicars, erlaubte ihnen, nach ihrem eigenen Gesetz und Recht zu leben, legte ihnen dafür freilich auch die Zahlung von jährlich 20 000 Mark auf. Von Rückgabe Vicenzas war aber natürlich keine Rede, vielmehr wurden Bestimmungen getroffen, wonach beide Communen sich völlig gleichberechtigt gegenüberstehen sollten. Als einmalige Contribution versprachen die paduanischen Gesandten schliesslich am 10. Juni die Zahlung von 10 000 Goldflorin[107]. Daraufhin erfolgte am 20. Juni die Uebergabe der Stadt an Bischof Aimo von Genf, den Bevollmächtigten des Königs, welcher aufs neue mit der Ordnung der paduanischen Angelegenheiten beauftragt war[108]. Auf dieser Grundlage nun [132] hätte sich vielleicht ein gesunder Rechtszustand entwickelt, wenn auf beiden Seiten der gute Wille geherrscht hätte, die eingegangenen Verpflichtungen pünktlich zu erfüllen. Indessen die Paduaner hatten ja überhaupt nur dem Zwange nachgegeben, indem sie sich zur Unterthänigkeit verstanden. Jeder Schritt, den der König zu Gunsten der Ghibellinen that, wurde von den Paduanern aufs ängstlichste überwacht, dazu gesellten sich noch Streitigkeiten zwischen Padua und Vicenza, und schon bei der Einsetzung des ersten Vicars, des Parmesen Gerardo de Enzola, kam es am 28. September zu Auftritten, welche zeigten, dass die königliche Herrschaft hier auf ganz unsicherem Boden stand[109].

In Pavia hatten schon im Juni ernstere Ruhestörungen stattgefunden, bei welchen die Ghibellinen schliesslich den kürzeren zogen und aus der Stadt weichen mussten[110]. Heinrich VII. sandte seine Rathgeber Isnard, Erzbischof von Theben[111], und den königlichen Hofrichter Johann Jacobi dorthin. Sie stellten den friedlichen Zustand wieder her, indem sie die am meisten schuldigen ghibellinischen Geschlechter der di Beccaria und der di Curte auf ihre Villen verbannten und ihnen das Betreten der Stadt untersagten[112]. Auch in Novara und Como kam es um diese Zeit zu Kämpfen[113], leider wissen wir aber nichts Genaueres über die Art derselben. Asti befand sich in einer sehr üblen Lage: hatte es gehofft, in Heinrich VII. und dessen königlicher Autorität einen Rückhalt gegenüber den Annexionsgelüsten der benachbarten Barone und Fürsten zu erhalten, so [133] sah es sich in dieser Erwartung bitter getäuscht. Heinrich liess dem Grafen Philipp von Savoyen freie Hand, sich wie früher in die Angelegenheiten Astis nach Belieben einzumischen, und Philipp liess sich denn auch in seinen Plänen nicht im Geringsten stören; er hatte sogar die Keckheit, am 8. April mit den ghibellinischen di Castello ein enges Bündniss einzugehen und Verabredungen zu treffen, welche zunächst auf die Vertreibung der guelfischen di Solario abzielten[114]. Auf geheime Machinationen des Savoyers gehen wahrscheinlich auch die Unruhen zurück, welche im Spätsommer zu Vercelli stattfanden[115]. Die streitenden Parteien nahmen hier schliesslich die Hilfe Philipp’s von Savoyen selbst in Anspruch und versöhnten sich am 18. September über die vorgefallenen Feindseligkeiten[116]. Im Keime erdrückt wurde endlich auch eine aufständische Bewegung der Guelfen zu Bergamo. Heinrich’s damals noch am Leben befindlicher Bruder Walram liess 22 der Haupträdelsführer ergreifen und ins Lager vor Brescia bringen[117].

Unter diesen Umständen kann es nicht Wunder nehmen, dass Heinrich fortfuhr, mehr und mehr seine ausschliessliche Gunst den Ghibellinen zuzuwenden. Es war nur eine Consequenz der vorausgegangenen Ereignisse, dass er am 13. Juli den Matteo Visconti zum lebenslänglichen Vicar für Mailand ernannte[118] und [134] so den Ghibellinen auch in den Städten des ehemaligen Lombardenbundes zum Siege verhalf. Es war ganz erklärlich, dass er den Giberto da Corriggia, welcher an der Spitze der parmesischen Truppenmacht vor Brescia gedient hatte, bald darauf zum Vicar Reggios ernannte und ihn, um sich seiner Treue desto mehr zu versichern, mit Guastalla beschenkte[119]. Es war beinahe selbstverständlich, dass er auch Cangrande della Scala für seine vor Brescia geleisteten Dienste belohnte und ihm im Februar des folgenden Jahres zu seinem Vicariat über Verona noch das über Vicenza hinzufügte[120]. Heinrich hoffte nicht mit Unrecht, dass es diesen Männern, welche so gewissermassen zu der Stellung kleiner Dynasten emporstiegen, gelingen würde, sich gegen den Ansturm der Guelfen zu behaupten, und dass sie den nothwendigen Rückhalt für eine kräftige Reichspolitik geben würden.

Am 2. October erfolgte der Aufbruch von Brescia[121], vorher aber erliess Heinrich Einladungen an die Städte Oberitaliens, Abgeordnete zu einem Städtetag nach Pavia zu senden[122]. Der Marsch ging in grosser Eile von statten. Am 3. October passirte man Soncino, welche Stadt damals das Recht der Reichsunmittelbarkeit erhielt[123]. Die nächsten zwei Tage brachte Heinrich [135] in Cremona zu[124], wo er endlich den Befehl zur Freilassung der unschuldig gefangen gehaltenen cremonesischen Edlen von der Partei der degli Amati gab. Auch erliess er am 5. October Sendschreiben, durch welche er alle Städte Oberitaliens aufforderte, zum Tage seiner Ankunft in Genua, dem 21. October, angesehene Bürger in diese Stadt zu schicken, welche das Krönungsgefolge bilden könnten[125]. Kurz war auch der Aufenthalt zu Piacenza. Hier hatte Alberto Scotto, wie es scheint, wiederum einigen Einfluss gewonnen, doch war die Mehrzahl der Piacentiner der Herrschaft desselben abgeneigt. Heinrich hielt es daher nicht für rathsam, den Alberto zum Vicar zu ernennen, sondern betraute mit diesem Amte den Veroneser Pietro di Mesa[126].

In Pavia fanden sich bereits einige der hierher entbotenen städtischen Abgeordneten vor[127] und nach Verlauf einiger Tage wurde das Parlament eröffnet. Die Italiener scheinen grosse Hoffnungen auf diesen Städtetag gesetzt zu haben. Diese verwirklichten sich jedoch in keiner Weise, denn das angewandte Verfahren war ein sehr summarisches. Der Hofrichter Giovanni de’ Cancellarii hielt eine Einleitungsrede des Inhalts, dass der König bis jetzt erst zum kleinsten Theile den Parteizwist zu beseitigen vermocht habe, Heinrich müsse jetzt nach Rom, werde aber nach erfolgter Kaiserkrönung es sich angelegen sein lassen, das Friedenswerk zu Ende zu führen. Die Abgeordneten wurden aufgefordert, alle Wünsche und Beschwerden, welche sie etwa vorzubringen hätten, schriftlich aufzusetzen und beim Hofkanzler einzureichen. Dies geschah; nach acht Tagen fand eine Schlusssitzung statt, und Heinrich zog weiter. Vorher traf er noch eine sehr wichtige Entscheidung: er setzte den Grafen Philipp von [136] Savoyen unter ähnlichen Bedingungen, als sie früher den della Scala, Visconti etc. gewährt waren, zum lebenslänglichen Vicar für die Städte Pavia, Vercelli und Novara ein[128]. Was diese Ernennung bedeutete, war klar. Es war eine Fortsetzung jener Politik, einheimische Grosse für die Aufrechterhaltung der Ruhe in jenen Gegenden verantwortlich zu machen, es war eine Stärkung des savoyischen Einflusses und endlich eine Concession an alle die Theile der guelfischen Partei, welche noch nicht die Treue gebrochen hatten. Die Savoyer Grafen galten ja in den lombardischen Städten als Guelfen, und Philipp war der specielle Vertrauensmann aller jener guelfischen Parteiführer, welche sich im Gegensatz gegen Guido della Torre beim Beginn des Römerzuges dem Könige freundlich gesinnt gezeigt hatten. Zudem hatte Philipp, wie oben erzählt, soeben in Vercelli einen Frieden gestiftet. Heinrich VII. glaubte also durch die Berufung des Savoyers zum Reichsvicar jene Elemente mit seiner neuen Politik auszusöhnen und sie fester als bisher an sich heranzuziehen. Es war dies aber ein neuer schwerer Irrthum: jene Guelfenführer konnten nur dann versöhnt werden, wenn sie die Gewalt, welche sie vor dem Erscheinen Heinrich’s besessen hatten, zurück erhielten und sie selbst in den von ihnen einst beherrschten Städten zu Vicaren bestellt wurden. Filippone di Langosco zeigte sich daher schon während des Königs Aufenthalt zu Pavia sehr unbotmässig[129], und es war leicht vorauszusehen, dass er [137] nach dem Weggange des Königs alsbald das verhasste Joch abschütteln werde.

Der Aufbruch von Pavia war, wie es scheint, am Nachmittage des 15. October erfolgt[130]. Heinrich gelangte über Voghera nach Tortona, passirte dann Serravalle, Gavi und Ponte Decimo und traf zur festgesetzten Zeit, am 21. October, in Genua ein[131]. Die Genuesen bereiteten ihm einen überaus glänzenden Empfang und baten ihn um längeres Verweilen, damit er die Angelegenheiten ihrer Stadt ordne. Auch hier also herrschte, wie wir sehen, das Gefühl der Unsicherheit vor. Man sagte sich, dass die friedlichen Zustände, deren sich die Stadt augenblicklich erfreute, nur dann von Dauer sein würden, wenn eine höhere Autorität den Ausschreitungen der Parteien einen festen Damm entgegensetzte.

So bereitwillig sich nun aber die Genuesen auch im Allgemeinen zeigten, so waren die Ansichten im Einzelnen doch sehr getheilt, ja es wird glaubwürdig versichert, dass die Bemühungen des Königs um eine zweckmässige Regelung der städtischen Verhältnisse fruchtlos geblieben wären, wenn nicht der Generalvicar Amedeus von Savoyen und der Cardinal Nicolaus da Prato ihren Eifer daran gesetzt hätten, die vorhandenen Schwierigkeiten zu beseitigen. Der vertriebene Obizzino Spinola hatte sich schon in Asti beim Könige eingefunden; er durfte jetzt in Genua einziehen. Den Treueid hatte die Commune Genua schon zu Beginn des Jahres 1311, am 28. Januar, geleistet[132]; jetzt erfolgte die Erneuerung desselben[133]. Die weiteren Acte geschahen am 22. November. Zunächst hob Heinrich alle Verträge, [138] welche Genua jemals mit König Karl II. von Neapel eingegangen war, auf[134]; dann liess er sich durch besonderen Volksbeschluss die unbeschränkte Regierungsgewalt für die nächsten zwanzig Jahre übertragen[135], bestätigte aber zugleich auch den Genuesen alle ihnen von früheren Kaisern und Königen verliehenen Freiheiten und Privilegien. Dazu gehörte namentlich, dass sie nur auf der Strecke von Arles bis zu St. Angelo in Sicilien und hier auch nur zwei Tagereisen landeinwärts zur Heeresfolge verpflichtet waren[136]. Die bisherigen Beamten wurden abgesetzt und die alten Aemter beseitigt, mit Ausnahme des Vorstehers des Volkes (abbate del popolo). Auch dies Amt hätte Heinrich gerne beseitigt, aber er stiess bei der Bürgerschaft auf so entschiedenen Widerstand, dass er es vorzog, diese Würde bestehen zu lassen[137]. Die Contribution, welche Genua zu zahlen hatte, war verhältnissmässig gering, sie betrug 60 000 Goldflorin. Die lebhaftesten Erörterungen rief die Neuvertheilung der Aemter hervor; sie erfolgte schliesslich in der Weise, dass die Familien der Doria und Spinola den hauptsächlichsten Antheil an der Stadtverwaltung erhielten. Doch gingen auch die guelfischen Geschlechter keineswegs leer aus.

Während so Heinrich immer noch mit der Sorge für die Angelegenheiten Oberitaliens beschäftigt war[138], hatten Truppen der tuscischen Liga die von Genua nach Süden führenden Pässe besetzt, um das weitere Vorrücken der Deutschen auf dem Landwege zu hindern[139]. Truppen Robert’s von Neapel unter dem Befehle des [139] Marschall Diego de la Rat nahmen schon am 2. November in Lucca Stellung und bildeten so die Reserve der weiter nördlich vorgeschobenen Bundesarmee. Das Spiel Robert’s bei dieser Gelegenheit war ein unglaublich hinterhaltiges und treuloses. Ende November befahl er dem Diego de la Rat, um des Erfolges desto sicherer zu sein, von Lucca aus in die Lunigiana vorzurücken, ertheilte ihm auch Verhaltungsmassregeln, falls Heinrich VII. wider Erwarten zur See nach Pisa ginge. Zugleich wies er seinen Vicar in der Romagna, Giliberto de’ Santinelli, an, mit 200 Reitern im Bedarfsfalle dem Diego de la Rat zu Hilfe zu eilen[140], und schickte endlich seinen eigenen Bruder Johann, Fürsten von Achaia, nach Rom mit dem Befehle, die Stadt zu besetzen und unter allen Umständen dem Könige streitig zu machen[141]. Und trotz aller dieser offenbar feindseligen Massregeln liess Robert dem Luxemburger gegenüber die Maske immer noch nicht fallen, sondern schickte gerade damals seinen Seneschall Rizzardo Gambatesa sammt dem Archidiakon von Anagni an den Hof des Königs, um trügerische Verhandlungen über eine Familienverbindung der Häuser Anjou und Luxemburg zu führen[142]. Unsere Berichte sind hier sehr mangelhaft und weisen, theils bewusst, theils unbewusst die Tendenz auf, den deutschen König dem Anjou gegenüber argloser erscheinen zu lassen, als er es in Wirklichkeit gewesen sein dürfte[143]. Es steht aber fest, [140] dass Heinrich VII. Aufklärungen über das Einrücken neapolitanischer Truppen in Tuscien verlangte. Dieselben legten im Verein mit der Armee der tuscischen Liga der Romfahrt ernste Hindernisse in den Weg. Der König verlangte daher die sofortige Entfernung der Truppen. Die Gesandten aber erklärten, in diesem Punkte keine Zusicherungen machen zu können, denn davon stände nichts in ihren Instructionen. So waren die Verhandlungen über die Vorstadien noch nicht hinausgediehen, als plötzlich die Nachricht eintraf, Robert’s Bruder Johann sei in Rom eingerückt und bekämpfe im Verein mit den königsfeindlichen Orsini die ghibellinische Partei der Colonna. Die Gesandten Robert’s gingen auf die Kunde hiervon bei Nacht und Nebel davon, sie hielten es nicht einmal für nöthig, sich vom Könige zu verabschieden.

Robert’s Verrath lag klar zu Tage, der letzte Zweifel des Königs schwand, als Stephan Colonna bald darauf persönlich in Genua erschien und die volle Wahrheit des Gemeldeten bestätigte. Dennoch begnügte sich Heinrich VII. Robert gegenüber mit brieflichen Vorstellungen. Diese fruchteten natürlich wenig, denn Robert, sein verstecktes Spiel immer weiter treibend, antwortete, die Entsendung von Truppen nach Tuscien habe gar nicht die Bedeutung einer feindseligen Massregel, es sei damit gerade bezweckt, die Macht des tuscischen Bundes lahm zu legen. Und Prinz Johann habe sich nicht nach Rom begeben, um der Krönung Schwierigkeiten zu bereiten, auch nicht, um in die Streitigkeiten der Römer untereinander einzugreifen, sondern um durch seine persönliche Anwesenheit bei der Kaiserkrönung den Vasallenpflichten, die Neapel gegen das Reich habe, zu genügen[144]. So sehr die Nichtigkeit dieser Ausflüchte auf der Hand lag, so that Heinrich doch, als sei er durch die Erklärungen zufrieden gestellt, denn aus Rücksicht auf den Papst wünschte er den Bruch mit Robert, so lange es irgend anging, zu vermeiden[145]. Florenz [141] dagegen wurde am 24. December mit dem Reichsbanne belegt[146].

Inzwischen stellte sich immer mehr heraus, dass, um nach Pisa zu gelangen, nur noch der Seeweg übrig blieb. Die Rüstungen hierzu wurden mit um so grösserem Eifer betrieben, da die Genuesen selbst schon ungeduldig zu werden begannen und sich weigerten, weitere Zahlungen zu leisten. Schon fehlte es in der Stadt nicht an Stimmen, welche meinten, es sei voreilig gewesen, dem abenteuernden Könige, welcher nicht einmal seinen eigenen Gläubigern gerecht zu werden vermöge, die Herrschaft über Genua zu übertragen. Die Aufregung stieg aber aufs höchste, als sich herausstellte, dass die pestartige Seuche, welche vor Brescia so grosse Verheerungen angerichtet hatte, durch das Heer nach Genua eingeschleppt sei[147]. Am 14. December[148] erlag dieser Krankheit die Königin. Heinrich verlor in ihr nicht nur die treue Gattin, sondern auch die kluge Beratherin, deren Beistand ihm bei Erledigung der schwierigen politischen Geschäfte oft von Nutzen gewesen war.

Und doch häuften sich für den König noch die Leiden: aus Lombardien traf eine Unglücksbotschaft nach der andern ein, alle Bande der Ordnung schienen sich hier gelöst zu haben, die während eines fast anderthalbjährigen Ringens aufgewandte Mühe schien verschwendet. Zuerst hatte sich das [142] dem Filippone di Langosco seiner Zeit geschenkte Casale von der königlichen Herrschaft losgerissen und eine neapolitanische Besatzung aufgenommen. Seinem Beispiele folgte bald darauf auch Asti[149]. Als nämlich Philipp von Savoyen zum Reichsvicar über Pavia, Vercelli und Novara ernannt war, sahen die Guelfischen di Solario klar, was sie von diesem ihrem erbitterten Gegner zu erwarten hatten. Um nicht überrascht zu werden, empörten sie sich, vertrieben die di Castello und überlieferten Asti an Hugo de Baux, den in Alessandria befindlichen Seneschall und Vicar König Robert’s.

In Pavia hielt Philipp von Savoyen nur mit Mühe seine Herrschaft noch aufrecht. Filippone di Langosco gebärdete sich hier wieder völlig als Herr der Stadt. Dass er den Abfall plante, war klar; denn zu eben dieser Zeit trat Filippone nicht nur in engere Beziehungen zu den verbannten della Torre, sondern machte auch sonst aus seinen reichsfeindlichen Gesinnungen kein Hehl. Philipp musste ihn gewähren lassen, er hätte sonst die sofortige Empörung der Pavesen zu gewärtigen gehabt. Filippone aber fühlte sich durch die gegen ihn geübte Nachsicht zu immer keckeren Schritten ermuthigt. Als Heinrich VII. Tortona passirte, hatte sich Antonio de Fissiraga, der ehemalige Gebieter Lodis, heimlich vom Heere entfernt, um in seine Heimathstadt zurückzukehren und neue Umtriebe anzuzetteln. Schon zu Voghera fiel derselbe jedoch Anhängern des aus Pavia verbannten Manfredo di Beccaria in die Hände[150] und wurde von diesen dem Mailänder Vicar Matteo Visconti ausgeliefert. Dafür beschloss Filippone di Langosco an dem Beccaria Rache zu nehmen, liess denselben überfallen und mit Zustimmung des Savoyers, wie es scheint, in sicheren Gewahrsam bringen[151].

Diese That, welche Philipp geschehen liess, weil er sie nicht zu hindern vermochte, trug ihm den wüthenden Hass der Ghibellinen ein. Diese waren seitdem seine erbittertsten Gegner und thaten alles, um ihn zu stürzen. Namentlich suchten sie durch geheime Einflüsterungen seine Treue beim Könige zu verdächtigen. [143] Natürlich waren es nur Verleumdungen, an der Treue Philipp’s war nicht zu zweifeln; dieser verfolgte eben dynastische Interessen, und diese liessen sich nach der Lage der Dinge nur verwirklichen, indem er sich mit ganzer Kraft in den Dienst der königlichen Sache stellte[152].

Zu Unruhen kam es auch in Vercelli, wo trotz der Anwesenheit von Philipp’s Untervicar Aimo von Aspromonte die alten Parteiungen wieder aufloderten[153]. Philipp hat sowohl hier als in Novara den Frieden in einer für das Reich vortheilhaften Weise herzustellen gewusst.

Am schlimmsten aber stand es in den östlicheren Gegenden. Giberto da Corrigia war durch die Verleihung des Vicariats über Reggio durchaus nicht befriedigt. Er hatte sich auch auf die Herrschaft über Parma und Modena Hoffnung gemacht und gedachte, dies Ziel durch Abfall von dem Könige, dessen Popularität im Schwinden begriffen war, zu erreichen. Desshalb versicherte er sich der Treue der ihm ergebenen Parteien zu Parma und Reggio, trat mit den aus Modena vertriebenen Guelfen, ferner auch mit Guido della Torre, der sich zu Bologna aufhielt, und den geächteten cremonesischen Flüchtlingen in Verbindung und schloss sich sammt allen diesen Alliirten dem tuscischen Bund an. Auf einer Tagsatzung zu Bologna wurde das neue Bündniss am 1. November bekräftigt. In schmutziger Geldgier erklärte Giberto daselbst, den Abfall der Städte Parma und Reggio sowie ihre Einverleibung in den tuscischen Bund bewerkstelligen zu wollen, wenn man ihm 30 000 Goldflorin zahlte. Natürlich gaben die anwesenden Bevollmächtigten dies Versprechen ohne Zaudern[154].

[144] Die Wirkungen der neuen Conföderation zeigten sich bald überall an dem zuversichtlicheren Auftreten der Guelfen. Die guelfischen Markgrafen de Cavalcabò bedrängten von Casalmaggiore aus Cremona aufs heftigste. Giovanni da Castiglione, welcher zu Cremona neben dem dortigen Vicar eine Stellung als Procurator des Reichsfiscus einnahm, schrieb in Folge dessen am 16. November an den Vicar von Brescia und forderte ihn auf, schleunigst Hilfe zu senden[155]. Verstärkungen, welche schnell aus Brescia, Mailand und andern Ghibellinenstädten herbeieilten, retteten für diesmal noch Cremona, dagegen brachte Giberto da Corrigia, nachdem er das versprochene Geld erhalten hatte, das in Bologna Geplante zur Ausführung, zunächst am 4. December in Parma[156], einige Tage darauf in Reggio und dem benachbarten San Donnino[157]. Alle drei Städte verleibte er, nachdem er die königlichen Vicare und die Anhänger des Königs verjagt hatte, dem tuscischen Bunde ein.

Auf die Kunde hiervon erhob sich auch die guelfische Partei zu Brescia. Diese war trotz des harten Druckes, welchen die de’ Maggi auf sie ausübten, wieder zu Kräften gekommen, sie wusste sogar den Vicar Moroello, Markgraf von Malaspina, für sich zu gewinnen. Dieser nahm in der Nacht des 14. December viele der angesehensten Ghibellinen, darunter Bertolo de’ Maggi, gefangen[158]; dann, am 16. December, erfolgte der eigentliche Aufruhr. Die Guelfen, geschmückt mit den Farben der Brusati, erregten einen wilden Tumult, besetzten die festen Punkte der Stadt, verbrannten den bischöflichen Palast und vertrieben die Ghibellinen. Diesen gelang es nur, in einigen der äussersten [145] Stadtviertel sich noch zu behaupten[159]. Nach einigen Tagen endlich eilte Bailardino da Nogarola, der Vicar Bergamos, herbei[160] und unterdrückte den Aufruhr, indem er die Rädelsführer gefangen nehmen und hinrichten liess, die andern Guelfen meist verjagte. Er hatte nur desshalb so leichtes Spiel, weil die Guelfen nicht Zeit gehabt hatten, die zerstörten Festungswerke Brescias neu aufzurichten.

Inzwischen verloren auch die Verbündeten keine Zeit, sondern bedrängten Cremona mit immer neuen Angriffen. Der nie rastende Guido della Torre hatte eigens zu dem Zweck der Eroberung Cremonas 100 Bewaffnete zugetheilt erhalten[161]. Dennoch gelang es Galeazzo Visconti, welcher die Vertheidigung der Stadt leitete, alle Angriffe glücklich abzuschlagen. Durch seine Erfolge kühn gemacht, wagte dieser es sogar, als die Kunde von der Erhebung Brescias eintraf, einen Theil seiner Truppen dorthin zu entsenden. Das aber benutzten die Angreifer: Guilelmo de’ Cavalcabò drang am 13. Januar an der Spitze der vertriebenen Guelfen in die Stadt ein[162], überwältigte die wenigen zur Vertheidigung entschlossenen Ghibellinen und verjagte den königlichen Vicar Goffredo de’ Vercellesi. Galeazzo musste froh sein, dass es ihm nach hartem Kampfe gelang, mit seiner kleinen Schaar aus der Stadt zu entkommen.

Alle diese Vorgänge überzeugten den König davon, wie nothwendig die Concentration aller Kräfte zum Schutze der so mühsam hergestellten Ordnung in jenen Gegenden sei. Bisher hatte in der Person des Grafen Amedeus von Savoyen ein Diplomat den Posten des Statthalters von Oberitalien bekleidet, fortan bedurfte es dazu eines Kriegsmannes, dem Rücksichten [146] irgend welcher Art fremd waren, und der mit unbarmherziger Strenge die Ungehorsamen zu bestrafen Willens war. Heinrich ernannte daher am 13. Februar einen seiner treuesten Begleiter auf der Romfahrt, den Grafen Wernher von Homberg, zum Feldhauptmann für Oberitalien, beauftragte ihn mit der Organisation eines Bundes aller „Reichsgetreuen“ und machte es ihm zur Pflicht, gegen die, welche sich diesem Bunde nicht anschliessen würden, gewaffnet vorzugehen[163]. Diese Ernennung, welche militärisch und politisch die nothwendige Consequenz der vorausgegangenen Ereignisse war, schaffte endlich Klarheit. Dass hier unter „Reichsgetreuen“ nur die Ghibellinen verstanden waren, dass der zu stiftende Bund die Ausrottung der Guelfen und damit zugleich des Princips der nationalen Unabhängigkeit Italiens bezweckte, lag auf der Hand. Es kam Heinrich nur noch darauf an, sich mit Hilfe der Ghibellinen, gleichviel auf welche Weise, den Besitz der Herrschaft zu sichern.

Wenige Tage nach der Einsetzung des neuen Statthalters verliess Heinrich Genua[164], wo er seinen Verwandten Guibert von Aspromonte als Vicar zurückliess[165]. Nach gefahrvoller Seefahrt erreichte er am 6. März Pisa, um in neue, noch schwierigere Verhältnisse einzutreten und auch hier die Undurchführbarkeit seiner allzu kühnen Ideen zu erkennen.

Die von ihm in Oberitalien geschaffene Ordnung ging bald völlig in die Brüche, denn bei seinem Aufbruch von Genua traten auch Padua, Piacenza, Pavia, Tortona und andere Städte, welche bisher noch geschwankt hatten, zur Partei seiner Gegner [147] über. Die Ghibellinen blieben in der Minorität, sie schienen in dem Kampfe gegen die Uebermacht ihrer Gegner erliegen zu sollen. Dass dies gleichwohl nicht geschah, hatten sie weniger ihrer eigenen Tüchtigkeit zuzuschreiben, als vielmehr dem Umstande, dass die im Siegen begriffene guelfische Partei sich im entscheidenden Moment plötzlich aller Führer beraubt sah; denn Guido della Torre wurde noch im Jahre 1311 durch eine plötzliche Krankheit hinweggerafft, Guilelmo de’ Calvalcabò fiel im Kampfe, Filippone di Langosco gerieth in die Gefangenschaft und Giberto da Corrigia warf sich, unfähig, die Leitung der guelfischen Partei zu übernehmen, blindlings in die Arme Robert’s von Neapel.

So hing also die definitive Gestaltung auch der lombardischen Verhältnisse von dem Ausfall des grossen Entscheidungskampfes ab, dem alles mehr und mehr zudrängte. Die Frage, ob der deutsche oder der neapolitanische Einfluss in Italien der massgebende sein sollte, schien allein noch von Wichtigkeit.

Bekanntlich ist es Heinrich nicht vergönnt gewesen, diesen Kampf auszufechten; auch wäre die Entscheidung schwerlich in dem Sinne, wie Heinrich es wünschte, erfolgt. Die Idee des universalen Kaiserthums, die sich so oft schon als ein Phantom erwiesen, hatte aufgehört die Völker zu begeistern. Erfolge, welche in dieser Richtung errungen wurden, konnten kaum noch eine ephemere Bedeutung haben. Wo die realen Machtgrundlagen fehlten, war an ein Gelingen so hochfliegender Pläne, wie sie Heinrich beseelten, nicht ernstlich zu denken.

War demnach dieser Römerzug ein verfehltes und von vornherein aussichtsloses Unternehmen, welches nur dazu diente, die vorhandenen Gegensätze noch heftiger aufflammen zu lassen, so darf man andererseits doch auch nicht verkennen, dass Heinrich’s Romzug, im weltgeschichtlichen Zusammenhange betrachtet, keineswegs bedeutungslos, theilweise vielmehr von sehr weittragenden Folgen begleitet gewesen ist. Dem Eingreifen des Luxemburgers vor Allem verdankten es die Savoyer, dass sie der Uebermacht des Hauses Anjou nicht erlagen, sondern im Laufe der Zeiten zu der Grossmachtsstellung emporsteigen konnten, welche es ihnen ermöglichte, das von andern so vielfach vergebens erstrebte Ziel, die Einigung Italiens, ins Auge zu fassen und glücklich zu vollbringen. Ebenso haben auch die Geschlechter der [148] Visconti, della Scala u. s. w. erst in Folge der ihnen durch Heinrich VII. gewährten thatkräftigen Unterstützung sich zu dem herausbilden können, was sie später in den Zeiten der Neugestaltung aller Lebensformen geworden sind. Den Boden zu ebnen, auf dem die zarten Keime der beginnenden Renaissance sich entwickeln konnten, hat Heinrich’s Romfahrt eine mächtige Beihilfe geleistet.




Beilage.

Philipp, Graf von Savoyen, ordnet auf Grund der ihm von den Vercellensern übertragenen Vollmachten einen Frieden zwischen den in dieser Stadt streitenden Parteien an. Vercelli 1311, Sept. 28.

Urkunde des Archivio Municipale zu Vercelli, Biscioni IV, fol. 183. Herr Avv. Marrochino zu Vercelli hatte die grosse Güte, diese bisher unedirte Urkunde für mich abschreiben zu lassen.

Pax pronuntiata per Dominum Principem inter Tizones et Advocatos.

In nomine Domini Amen. Anno a nativitate eiusdem millesimo trecentesimo undecimo, indicione nona die decimo octavo Septembris, in presencia subscriptorum testium. Cum inter nobiles viros de Advocatis de civitate Vercellarum et districtu et eorum partem et sequaces et coadiutores ipsorum ex una parte et nobiles viros de Tizionibus de ipsa civitate et districtu ac sequaces et coadiutores ipsorum ex altera orta esset materia questionum pretestu iniuriarum offensarum et contumeliarum inter ipsas partes illatarum et speciales personas ipsarum partium in personis et rebus et pretestu guerre interposite et ventilate inter utramque partium et personarum singularum earundem et homicidiorum ferutarum et incendiorum vastorum et dampnorum datorum et perpetratorum hinc vel inde.

Volentes et cupientes infrascripti nobiles de partibus suprascriptis eorum nominibus et nomine et vice eorum partis coadiutorum et sequacium earundem de predictis omnibus ad pacis amabilitatem et ad concordiam pervenire, desiderantes eciam et volentes discrimina, que propterea possent contingere, evitare, pacis dilectionis atque concordie levitatem predictis nominibus eligentes, deliberato conscilio et consulto subscripta forma sponte et ex conscientia super dictis controversiis questionibus litibus et rancuris guerris inimicitiis contumeliis homicidiis dampnis et iniuriis datis et perpetratis et super [149] omnibus aliis et singulis que quocumque modo verti poterant inter predictas partes compromiserunt et plenum compromissum fecerunt in virum magnificum et illustrem dominum Philipum de Sabaudia, Principem Achaye, licet absentem tamquam in arbitrum et arbitratorem et amicabilem compositorem, die predicta in civitate Vercellarum in ecclesia Sancti Juliani in presencia et testimonio domini Guillelmi de Rippis iuris professoris et Guillelmi de Guialardis canonici ecclesie Vercellarum testium ad hoc specialiter vocatorum. Dominus Richardus de Tizionibus, dominus Bonifacius de Guidalardis, dns. Jacobus de Bulgaro, dns. Petrus de Arborio, Raynerius de Sonomonte, Francexius de Ast, Vercellinus de Ripis, Lucius de Sonomonte, Jacobus dictus Berlofa de Tizionibus, Obertus de Bondonnis, Jonselinus de Castellengo, Johannes de la Muta, Henricus de Tizionibus, Gencellus Carengus, Obertinus de Tizionibus, Petrus de Albano, omnes de Tizionibus vel de ipsorum parte, tam eorum nominibus propriis quam nomine et vice omnium et singulorum de eorum parte, de civitate Vercellarum et districtu, sequacium et coadiutorum; promittentes se curaturos et facturos toto posse, quod ceteri de parte ipsorum sequaces et coadiutores ipsorum de dicta civitate et districtu presens compromissum ratum firmum atque gratum habebunt et tenebunt et cum debita sollempnitate aprobabunt, dederunt et compromiserunt, prout melius potuerint, dicto dno. principi plenam potestatem et generalem auctoritatem et facultatem liberam atque bayliam omnimodam, quantumcumque plenior et liberior potest aliqua commissione concedi, super predictis discordiis controversiis litibus questionibus et rancuris et super omnibus guerris homicidiis ferutis contumeliis dampnis iniuriis et offensionibus factis datis illatis et perpetratis quocumque modo et qualitercumque in ipsos superius nominatos et alios de eorum parte sequaces et coadiutores aut aliquam singularem personam de eorum parte per predictos de Advocatis aut per aliquam aliam personam de eorum parte super omnibus aliis et singulis, que quocumque modo et qualitercumque et quacumque ratione vel causa verti poterant inter dictas partes et singulas personas de dictis partibus, dicendi pronuntiandi sententiam declarandi diffiniendi interpretandi et arbitrandi de concordia vel de iure, servato vel non servato iuris ordine in predictis quocumque modo, stando vel sedendo die feriata vel non feriata et quocumque loco, presentibus partibus vel absentibus citatis vel non citatis alta et bassa in scriptis vel sine, prout dicto domino principi videbitur expedire. Promittentes nomine antedicto mihi subscripto notario ut publice persone stipulanti nomine et vice sacre regie magestatis ac dicti dni. principis ac dictorum Advocatorum et partis ipsorum et [150] cuiuscumque singularis persone, cuius interest vel interesse possit, attendere et observare cum effectu laudum arbitrium sentenciam declarationem interpretationem diffinitionem ipsius dni. principis sub pena mille marcharum boni et puri argenti in singulis capitulis pronuntiationis eiusdem dni. principis committenda, cuius pene, si eam committi contingerit, solvatur dno. Imperatori pro dimidia seu dicto dno. principi nomine ipsius et alia dimidia parti Advocatorum observanti pronuntiationem predictam michi notario ut supra recipienti sollempniter stipulata et promissa, et pena soluta vel non soluta pronuntiata nichilominus in sua permaneant firmitate; obligantes michi notario recipienti ut supra et nomine quo supra pro hiis omnibus et singulis attendendis inplendis et observandis pignori omnia eorum bona cum refectione dampnorum expensis et interesse. Renunciando expresse omni exceptioni et iure canonico vel civili sive municipali, quibus mediantibus contra predicta vel aliquod predictorum possit in aliquo contrafacere vel venire tam ratione rerum quam ratione personarum in ipso compromisso contentarum; salvis semper in predictis mandato et precepto dni. Imperatoris et salva et reservata sentencia lata inter cives Vercellenses per dictum dnm. Imperatorem, de qua sentencia constat per instrumentum publicum factum manu Bernardi de Meyna notarii publici Bellicensis dioecesis anno domini millesimo trecentesimo decimo et continetur.

Item anno, inditione et die quibus supra in dicta civitate Vercellarum in domo comunis prope palacium in presencia et testimonio Symonis de Canalibus clerici et familiaris dni. principis, Bergadani Sardonis de Vigono domicelli sui et Andree de Gappo testium ad hoc specialiter vocatorum. Nobiles viri dns. Symon Advocatus de Colobiano, dns. Petrus de Arborio, Jacobus de Arborio de Gatinaria, Martinus de Montonario, Thixius de Arborio, Ubertus Pectinatus, Raynerius de Vassallo, Fredericus Cocorella, Franciscus de Colobiano, Franciscus de Raymundo, Provaxius de Verale, Riccardus de Vassallo, Franciscus Cocorella, Nicolaus de Arborio de Gatinaria, Obertinus Cocorella, Jacobus de Queregna, Sadinus de Turineto, Symon Advocatus de Balzola, Ardicio Pectenatus, Jorius Freapanus, dns. prepositus de Moxo, magister Pectenatus, Ardicio de Monteformosso, Symon de Arborio, Raynerius de Calvis, Buzinus de Queregna, Bertholinus de Arborio, Johannes Cocorella, Gothofredus de Cerridono, Franciscus Arzonenga, omnes et singuli de parte Advocatorum de dicta civitate Vercellarum eorum nominibus propriis et nomine et vice omnium et singularium de eorum parte coadiutorum et sequacium ipsorum de dicta civitate et districtu, promittentes se facturos et curaturos [etc. wie oben S. 149, Zeile 17 bis zum Schluss des Alineas].

[151] Anno eodem quo supra et inditione, vigesimo octavo Septembris in dicta civitate Vercellarum in domo illorum de Crivolis. In presencia et testimonio dni. Andree Rivorii militis, dominorum Guillelmi Portrandi, Francisci Burgni et Francisci Cargnani iurium peritorum et plurium aliorum testium, vocatorum ad honorem sancte et individue trinitatis, patris et filii et spiritus sancti et beatissime virginis Marie, sancti Eusebii et sancti Andree ac eciam ad honorem et laudem omnium sanctorum et sanctarum Dei et ad honorem gloriam et augmentum excellentissimi dni. Henrici Dei gratia Romanorum regis semper augusti, et ad reformationem prosperam et tranquillam et pacifficum statum civitatis et districtus Vercellarum et omnium amicorum. Nos Philippus de Sabaudia, princeps Achaye, arbiter et arbitrator et amicabilis compositor electus a dictis partibus de Advocatis et Tizionibus de Vercellis super guerris controversiis iniuriis contumeliis dampnis datis questionibus et rancoribus, prout superius in precedenti latius est expressum.

Volentes in dubio indiciorum anfractus effugere tediossos et discrimina, que possent contingere, evitare, desiderantes et volentes in quolibet bonum pacis ac eciam desiderantes statum ipsius civitatis ac civium eiusdem effici pacifficum et tranquillum, deliberato proposito et consulto ex forma et potestate dicti compromissi nobis a partibus, ut premittitur attributa viam pacis et concordie totaliter eligentes habita supra premissis deliberatione sollempni, presentibus infrascriptis personis de partibus supradictis et de dicta civitate et districtu et Dei nomine invocato, dicimus pronuntiamus declaramus sentenciamus et arbitramur prout in sequentibus continetur.

In primis pronuntiamus ex arbitraria potestate nobis ut superius continetur atributa, quod pax et forma pacis et omnia et singula capitula pacis inite et facte in civitate Vercellarum per serenissimum dnm. Henricum Dei gratia Romanorum regem semper augustum de mense Decembris proximi preteriti, prout in dicta forma pacis plenius continetur, inviolabiliter observentur per omnes et singulos, inter quos dicta pronunciatio fuit facta et maxime inter nobiles de Tizionibus et partem ipsorum ex una parte et nobiles de Advocatis et eorum partem ex altera et inter sequaces et coadiutores utriusque partis. Et si alique iniurie offensiones contumelie personales sive dampna aliqua facte vel facta fuerint sive aliter illata vel perpetrata quomodocumque et qualitercumque personaliter[WS 1] inter partes predictas aut inter aliquas singulares personas dictarum partium vel inter coadiutores, undecumque sint et cuiuscumque conditionis existant, a tempore siquidem predicte pacis prolate per dictum dnm. serenissimum Regem usque ad presentem pronunciationem, hinc inde sint [152] et esse debeant remisse et totaliter quietate et pro remissis et quietatis perpetuo habeantur tam auctoritate huius pronunciationis quam omni modo et forma, quibus melius exprimi et fieri potest; ita quod de ipsorum iniuriis et offensis seu dampnis datis et illatis in personis, ut superius est expressum, inter dictas partes aut singulares personas dictarum partium et coadiutorum et sequacium eorundem nulla possit ulterius querimonia vel ranchura per aliquem coram aliquo magistratu vel iudice promoveri vel aliter susitari nec eciam propterea fieri possit aut debeat modo aliquo revendicatio vel vindicta.

Item dicimus et pronunciamus ob tranquillum statum et quietum in ipsa civitate et districtu, Deo duce, futuris temporibus conservandum, quod omnes et singuli in dicta civitate et districtu, qui sunt banniti vel exulti sive condapnati de dicta civitate a tempore dicte pronuntiationis facte per Regiam magestatem usque ad presentem pronuntiationem de aliquo maleficio ex aliqua causa, excepto de furto robaria et strata violata, sint penitus absoluta a predictis condampnationibus sive bannis, prius tamen prestita cautione ydonea de parendo nostris mandatis et nostre curie et quod stabunt pacifice et quiete et servabunt pacem et concordiam pronunciatam ut superius in precedenti est expressum, qua quidem prestita cautione, possit libere et secure venire stare et redire et residenciam facere in civitate Vercellarum et districtu ipsius civitatis. Et huiusmodi banniti et condapnati, si voluerint gaudere gratia et beneficio supradictis teneantur se presentare et comparere coram nobis aut nostro vicario Vercellensi infra decem dies a die presentis pronuntiationis numerandos et cautione ydonea prout superius.

Item dicimus et pronuntiamus, quod infrascripti et omnes et singuli, qui sunt de civitate Vercellarum et districtu, tam de partibus predictis quam de comunalibus ipsius civitatis et districtus, prestent pobis et prestare debeant iuxta nostrum beneplacitum et mandatum, sufficientem et idoneam cautionem, quod ipsi stabunt legales et fideles Imperii atque nobis nomine et vice regie magestatis et vicariis et nuntiis nostris, qui pro tempore fuerint in civitate predicta et districtu ad conservationem status et honoris et augmenti predicte magestatis et nostri et nuntiorum nostrorum, et quod conservabunt et manutenebunt statum pacifficum et tranquillum ipsius civitatis et districtus et parebunt fideliter mandatis et imperio serenissime magestatis et mandatis et imperio nostri et nuntiorum nostrorum, quecumque autem per nos et nuntios nostros iuste precepta et decreta fuerint, servabunt sine deffectu fideliter et constanter.

Item quod infrascripti de partibus Tizionorum et Advocatorum [153] sibi invicem teneantur remitere absolvere quitare omnes et singulas iniurias offensiones iacturas contumelias et querimomias personales hinc vel modo aliquo perpetratas vel illatas qualitercumque a dicto tempore citra tam nominibus eorundem quam nomine coadiutorum ipsorum et predicta implere et facere teneantur usque ad quindecim dies a die presentis pronuntiationis numerandos.

Nomina sunt hec de parte Advocatorum: dns. Symon Advocatus de Colobiano, dns. Thyssius de Arborio…

Isti sunt de parte Tizionorum: dns. Richardus de Tizionibus, Raynerius de Sonomonte…

Item infrascripti dicuntur comunales de dicta civitate et districtu: dns. Petrus Alzatus…

Item pronuntiamus et dicimus, quod si contingerit, quod aliquis clericus aut religiosus vel persona ecclesiastica contra fecerit presenti pronuntiationi aut contra pacem prefatam duxerit temerarie veniendum seu contra fecerit ad aliqua de predictis proximior agnatus ipsius seu proximiores agnati, si plures fuerint, teneatur et teneantur ad penas in presenti compromisso et pronuntiatione et restitutiones et emendas faciendas proinde ac si agnati predicti fecissent contra sentenciam supradictam, eandem penam incurrant quam posset et deberet incurrere dictus clericus vel ecclesiastica persona, si esset secularis; et si proximiores agnati non essent solvendi ad alios proximiores in eo casu recurrant et teneantur ad penas ut superius est expressum.

Et predicta omnia et singula suprascripta dicimus pronuntiamus, attendi et observari per partes predictas et per quamcumque singularem personam dictarum partium sub pena in dicto compromisso contenta.

Reservamus tamen nobis ex forma et vigore compromissi omnimodam potestatem ac universalem et generalem bayliam auctoritatem et facultatem iterum semel secundo tercio et pluries pronunciandi dicendi arbitrandi et interpretandi inter ipsas partes et quaslibet personas singulares dictarum partium et coadiutorum, potissime super questionibus controversiis litibus et rancuris vertentibus seu verti sperantibus inter ipsos superius nominatos occaxione alicuius dampni dati seu offensionis illate aut iniurie in bonis et rebus eorundem sive occaxione alicuius robarie aut captionis facte de aliquo homine civitatis Vercellarum aut districtus sive eciam occaxione alicuius redemptionis habite per aliquam specialem personam sive alia quacumque de causa; retinentes insuper expresse nobis omnem bayliam et potestatem faciendi pacem inter singulares personas, ipsius civitatis et districtus de guerris vel iniuriis inimiciciis, que singulariter vel specialiter inter aliquas singulares personas reperirentur intervenisse verbo vel facto modo aliquo tempore supradicto.

[154] Nomina illorum, qui fuerunt presentes dicte sentencie et pronuntiationi et dictam sentenciam aprobaverunt et ratifficaverunt per ipsos et quemlibet infrascriptornm iuramento interposito corporali sunt hec: dns. Symon de Colobiano, dns. Martinus de Montonario, Thedixius de Arborio, Nicolaus de Margaria, Jacobus de Quaregna, Jorius de Gualdengo, Ricardus Advocatus de Colobiano, Guillelmus de Balzola, prepositus de Moxo, Karolus de Arborio, qui sunt de parte Advocatorum; item dns. Jacobus Berlofa de Tizionibus, Franciscus Cagnolius, Henricus de Tizionibus, Franciscus de Ast, Jacobus de Bulgaro, Mapheus de la Muta, Raynerius de Sonomonte, Nicolonus de Auxiliano, Nicolinus de la Muta, Vercellinus de Rippis, Ubertinus de Tizionibus, Jacobus Freapanus, qui omnes sunt de parte Tizionorum; item Jacobus de Rippis, Thomas de Bertholo, Petruscho de Rodobio, Henriotus de Maxino, Franciscus de Ranzo, Henricus de Turriono, Raynerius de Lomello, Bertholinus Alzatus, Johannes de Montenario, Leonardus Ghigelotus, Germanus Freapanus, Paxius de Cremona, Franciscus de Verato, Jacobus Mina de Rodobio, Milianus de Alice, Galiardonus de Cassali rubeo.

Item infrascripti iuraverunt, interposito per eosdem prout infra sequitur, aprobaverunt confirmaverunt et rattifficaverunt dictam sentenciam et pronunciationem factam per dictum dnm. Principem et prout dicta sentencia continet, servare. In primis Rufus de Cassanova et bonus Johannes de Cassanova et Gualinus de Tizionibus die XXVIII. Septembris presentibus testibus ad hoc vocatis et rogatis Drayone de Paucapalea et Jordano Gavay.

Item Nicolinus de Benivolis die eodem presente dno. Vercellino de Rippis et Sorcello de Cavrono.

Item die XXIX. Septembris dns. Camossa et dns. Jacobus de Ast fratres presentibus Ruffino de Miralda et Obertino Mala.

Item die eodem Nicolinus filius dni. Thome de Meleto suo nomine et procuratorio nomine dicti Thome, de cuius procura est instrumentum factum per Jacobum Cerexiam notarium anno eodem et die presentibus Franciscus Burgionus et Guillelmus de Provana.

Item eodem die et eodem modo presentibus dictis testibus Franciscus de Quinto. Item eodem die presentibus dno. Petro de Mandello et Vaschapino testibus vocatis dns. Bonifacius Guidalardus.

Item dns. Henricus de Quinto presentibus Francisco Turrini et Nicolino de Meleto eodem die.

Item Lafranchus Guidalardi presentibus Jacobo Freapani et Bertholino de Meleto die eodem.

Item dns. Jacobus de Arborio de Gatinaria presentibus dno. Guillelmo Provana et dno. Francisco Burgensi.

[155] Item eodem die dns. Franciscus de Colobiano et Franciscus corcicer de Centorio presentibus supradictis.

Item Johannes Cocorella eo die presentibus suprascriptis.

Eo die penultimo dicti mensis Gualinus de Tizionibus, Roglerius de Bondonnis et Petrus de Albano presentibus Hueto de Marzaro et Petro de Mandello.

Item die ultimo Septembris presentibus Paporella de Carpagnato dns. Petrus de Bondonnis et Jonselinus de Castellengo.

Item dns. Dalphinus Tizonus eodem die presentibus Jacobo de Ast et Vercellino de Rippis.

Item dns. Jacobus de Sancto Germano presentibus dno. Martino de Montonario et Jacobo Surtario eodem die.

Et ego Johannes dictus Rubeus de Mahoneriis de Pinarolio publicus imperiali auctoritate notarius scribaque dicti dni. Principis predictis omnibus et singulis vocatus interfui et hoc presens instrumentum tradidi et scribi feci de prothocollo meo et nichilominus me subscripsi et signum meum subscripsi.



Anmerkungen

  1. Vgl. darüber meine Dissertation „Die Romfahrt Kaiser Heinrich’s VII.“ (1310–1313), Theil I, Königsberg, Gräfe u. Unzer 1888, besonders S. 32 ff. Ich bemerke, dass der gegenwärtige Aufsatz an die Dissertation unmittelbar anknüpft und die Fortsetzung der dort gegebenen Darstellung bildet.
  2. Chron. Placentinum, bei Muratori Script. rer. Ital. XVI, p. 487.
  3. Alb. Mussato, bei Muratori Script. X, p. 341.
  4. Jedenfalls vor dem 6. Januar. Der Augenzeuge Guil. Ventura (Monum. histor. patriae edita jussu Caroli Alberti V p. 778) sagt: „et concessa est baylia Mediolani generalis et sic (d. h. in Folge der Uebertragung der baylia) dictus Henricus voluit habere florenos centum millia auri et eidem dederant eos inviti. Post haec dictus Henricus et ejus uxor acceperunt coronam ferream“. Bisher glaubte man in Folge der theils irrigen, theils tendenziös beeinflussten Angaben anderer Quellen, dass diese ganze Angelegenheit erst in die Zeit nach dem 6. Januar zu verlegen sei und wir es hier mit einer Kronsteuer zu thun hätten, die mit dem Krönungsact vom 6. Januar verknüpft gewesen sei. Vergl. z. B. A. Dominicus, Baldewin von Lützelburg (Koblenz 1862), p. 106; G. Giulini, memorie spettanti alla storia etc. di Milano IV², 872; Fr. Lanzani, storia dei communi Italiani delle origine al 1313 (in Vallardi’s „Italia“, Milano 1882, p. 796). Gleichwohl lässt auch der Ausdruck des Nicolaus von Butrinto (Böhmer, Fontes rer. Germ. I), p. 78 (quod aliqua curialitas fieret regi), nicht die Deutung zu, dass es sich hier um eine Kronsteuer gehandelt habe. Ganz abzuweisen ist die durch Joh. de Cermenate (Murat. IX, 1239; vergl. D. König, Kritische Erörterungen zu einigen italienischen Quellen für die Geschichte des Römerzuges Kaiser Heinrich’s VII. [Diss.], Göttingen 1874, p. 42) vertretene Auffassung, welche in dem Sienesen Nicolò de’ Buonsignori den Veranstalter dieses ganzen Manövers sieht. Nicolò wurde nachweislich erst Mitte Januar Vicar Mailands.
  5. So erzählt Joh. de Cermenate 1239–40. Indessen ist es schwerlich ein Zufall, dass Matteo zusammen gerade 60 000 Goldflorin fordert. Es handelt sich hier wohl um Ausführung jenes (geheimen?) Vertrages, durch den er sich am 22. December beim Aufbruch von Novara zur Zahlung von 60 000 Goldflorin verpflichtete. (Bonaini, acta Heinrici I, 107–108.) Anders freilich würde sich die Sache stellen, wenn hier nicht Joh. de Cermenate sondern Nicolaus von Butrinto die richtige Zahl böte. Letzterer berichtet nämlich, dass Guillelmo di Pusterla nur 40 000 vorgeschlagen und Matteo 10 000 hinzugefügt, mithin nur 50 000 gefordert habe. Es liegt aber, was hier nicht näher bewiesen zu werden braucht, bei Nicolaus von Butrinto durchweg die Tendenz vor, die Zahlen zu verkleinern oder zu vergrössern, je nachdem dies für die Sache des von ihm vertheidigten Königs vortheilhaft ist. Gar keinen Glauben verdient Joh. de Cermenate, wenn er berichtet, dass Guido den Vorschlag, 100 000 Goldflorin zu schenken, nicht ernsthaft gemeint habe, sondern nur ironisch gerufen habe: „Warum nicht gar 100 000? Das wäre ja eine runde Summe.“ Cermenate hat bei dieser Gelegenheit dem ihm verhassten Guido ein völlig albernes Benehmen andichten wollen. Als zweites Motiv wirkte freilich bei Cermenate auch mit, dass er die Habsucht der „deutschen Barbaren“ im denkbar grellsten Lichte erscheinen lassen wollte. (Vergl. über diesen Punkt Dönniges, Kritik der Quellen etc., p. 94.) Die Schilderung, welche Nicolaus von Butrinto 78–79 von dem Verlauf der Berathung gibt, und der auch ich in obiger Darstellung gefolgt bin, wird demnach in diesem Fall die richtigere sein. Hierbei mag übrigens nicht verschwiegen bleiben, dass der neuerdings von E. Heyck, Nicolai episcopi Botrontinensis relatio de Heinrici VII. imperatoris itinere Italico (Innsbruck 1888), p. XL ff., gemachte Versuch, den Nicolaus von Butrinto von den schweren durch O. Lorenz und K. Mahrenholtz gegen ihn ausgesprochenen Beschuldigungen zu reinigen, nur sehr unvollkommen gelungen ist und es ganz anderer Gründe als der von Heyck vorgebrachten allgemeinen Erwägungen bedarf, um die Schrift dieses Bischofs als die „wahrheitsbeflissene Zeugenaussage eines Mannes, der… eben keinerlei Scheu trägt, sowohl in der Hauptsache wie in Nebendingen seine volle Individualität zu offenbaren“, erscheinen zu lassen. Wir werden im Verlaufe der Untersuchung wiederholt Gelegenheit haben zu sehen, dass Detailangaben der Relation bisweilen mit raffinirtester Schlauheit darauf angelegt sind, uns über den Verlauf der Ereignisse falsche Auffassungen beizubringen.
  6. Dieses hat Felsberg, Beiträge zur Geschichte des Römerzuges Heinrich’s VII., Theil I, Leipzig 1886, p. 44 ff. u. 62 ff. überzeugend nachgewiesen, obwohl sich die Zahlenzusammenstellungen leicht noch hätten erweitern lassen.
  7. Am 20. Januar finden wir Nicolò schon als Vicar Mailands. (Bonaini I, 135; vergl. Joh. de Cermenate 1337–38). Giulini, IV², 863, gibt als Tag der Ernennung den 12. Januar an; ob mit Recht, weiss ich nicht. Nachfolger des Nicolò in Asti wurde Tomasino da Enzola von Parma. (Urk. 18. Januar, Bonaini I, 147.) Im Uebrigen ist die Annahme D. König’s, Kritische Erörterungen, p. 42, dass Nicolò de’ Buonsignori in Asti „unmöglich geworden war“, völlig willkürlich, im Gegentheil beweist das Vertrauen, welches der König demselben schenkte, indem er ihn auf den ungleich schwierigeren Posten nach Mailand berief, dass er sich in Asti gut bewährt haben muss.
  8. Nicolaus von Butrinto 79.
  9. Dönniges, acta Henrici I, 38.
  10. Nicolaus von Butrinto 81. Vergl. Joh. de Cermenate 1240.
  11. Joh. de Cermenate 1241. Die Angabe, dass Nicolò de’ Buonsignori bei dieser Gelegenheit dem Könige vorgeschlagen habe, den ganzen Rath gefangen zu setzen, dürfte aber auf Erfindung beruhen und in dem grimmigen Hass, welcher unseren Cermenate, wie auch andere mailändische Patrioten gegen den tyrannischen Vicar erfüllte, ihre ausreichende Erklärung finden.
  12. Nicolaus von Butrinto 81.
  13. Vergl. Joh. de Cermenate 1240–42. Es geht aus seinem Bericht mit genügender Sicherheit hervor, dass die Palastbedienten der della Torre, welche bei der geheimen Unterredung zugegen waren, das Geheimniss ausplauderten.
  14. Joh. de Cermenate 1242 führt an, dass die della Torre „non eam diem, sed posteram, ut dicitur, ordinaverant ad tumultum“. Ich halte dies für ein in der Stadt nach Bewältigung des Aufruhrs entstandenes leeres Gerede, dem kein Glauben beizumessen ist, weil anderenfalls nicht einzusehen wäre, wesshalb sich die Verschworenen schon am 12. Februar in Kampfbereitschaft setzten. Uebrigens ist das Datum des 12. Februar für den Mailänder Aufruhr durchaus nicht so sehr über jeden Zweifel erhaben, als die bisherigen Darsteller zu glauben scheinen. Nur die Monzaer Chronik des Bonincontro Morigia (Murat. XII, p. 1099) und die Ann. Mediolanenses (Murat. XVI, p. 692) nennen den 12. Februar. Das sonst recht zuverlässige Chron. Regiense (Murat. XVIII, 21) und der Notar von Novara, Petrus Azarius (Murat. XVI, p. 304), hingegen geben den 21. Februar an – das „die XXI Januarii“ des letzteren dürfte wohl einfach ein Versehen in der Monatsangabe sein. – Da sich nun kaum wird bestreiten lassen, dass Morigia, der doch im übrigen nur den Cermenate ausschreibt, dieses bei Cermenate nicht vorkommende Datum alten Mailänder Annalen entlehnt hat, da ferner es mehr als wahrscheinlich ist, dass diese nämlichen alten Mailänder Annalen in den uns vorliegenden Annales Mediolanenses verarbeitet sind, so würde bei Annahme eines Versehens oder einer Textverderbniss in jenen alten Mailander Annalen die Entscheidung zu Gunsten der Chroniken von Reggio und Novara ausfallen. Gleichwohl halte ich an dem 12. Februar fest aus folgenden Gründen: Erstens hat der Abfall Cremonas, der doch erst eine Folge des Mailänder Aufruhrs war, schon am 18. Februar stattgefunden; zweitens hatte Heinrich, wie oben erzählt, als Termin für den Aufbruch von Mailand den 14. Februar festgesetzt, die Verschworenen mussten also vor diesem Tage zur Ausführung ihres Planes schreiten; drittens steht es urkundlich fest, dass Heinrich am 20. Februar die Mailänder einen neuen Fidelitätseid schwören liess und am selben Tage den Bürgern das Eingehen jeder Verbindung untereinander verbot, beide Massregeln hatten aber nur dann einen Sinn, wenn sich Mailand vorher in der Treue wankend gezeigt hatte. Vergl. Dönniges I, 39–41. Viertens endlich sagt Joh. de Cermenate 1242, der Aufstand sei erfolgt „priusquam ipsius hebdomadae foret finis“. Dies passt offenbar besser auf Freitag den 12. Februar, als auf Sonntag den 21. Februar.
  15. Gesta Baldewini (ed. Wyttenbach und Müller: Gesta Trevirorum II, p. 214–215). Wir haben um so weniger Grund daran zu zweifeln, dass die Entdeckung der Verschwörung wirklich durch Herzog Leopold von Oesterreich erfolgte, da auch Joh. de Cermenate 1246 berichtet, dass Leopold „paulo ante tumultus initium paucis comitatus alumnis“ sich zum Palaste des Königs begab und bei der Rückkehr von dort durch eine zufällig (?) geschleuderte Lanze fast ums Leben gekommen wäre. Im Uebrigen hat W. Friedensburg (Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit, Lief. 67, p. 474, Anm. 1) den schlagenden Beweis geführt, dass bei Cermenate 1242 eine Lücke vorliegt, welche uns über die letzten Vorbereitungen zum Aufstand und den Ausbruch desselben im Unklaren lässt.
  16. Joh. de Cermenate 1242 berichtet, die Besetzung des Broglio sei unter dem Vorwande erfolgt, dass man einen „armen Sünder“ dem Feuertode überliefern wollte. Dazu stimmt auch Matth. von Neuenburg (Böhmer, Fontes IV, p. 182), nur verdreht dieser (resp. sein Gewährsmann Albrecht von Hohenberg) den Sachverhalt, indem er erzählt, die Verschworenen hätten vielmehr beschlossen, einen zum Tode verurtheilten Sodomiten aus der Stadt herauszuführen, um ihn zu verbrennen, so die schaulustigen Deutschen mit herauszulocken und inzwischen den König in der Stadt zu ermorden (?).
  17. Das erzählt Joh. de Cermenate a. a. O., welcher in Folge seiner nahen Beziehungen zu dem Hause der Visconti wohl im Stande war, sich darüber Gewissheit zu verschaffen. Uebrigens war es sehr schlau von Matteo, dass er an die Spitze dieser Bewaffneten den Ludovico und nicht seinen Sohn Galeazzo stellte, da letzterer sich durch seine Verhandlungen mit den della Torre compromittirt hatte.
  18. Diese Notiz entnehme ich aus Ferreto v. Vicenza (Murat. IX, 1061). Derselbe bringt über den Mailänder Aufruhr originale und durchaus nicht in allen Punkten unglaubwürdige Nachrichten. Vergl. W. Friedensburg (Forschungen zur deutschen Geschichte XXIII, p. 59). Das Factum scheint mir auch durch Alb. Mussato 343 seine Bestätigung zu finden. Dass die deutsche Reiterschaar nicht sofort zum König zurückkehrte, ist überdies schon desshalb wahrscheinlich, weil dieser anderenfalls wohl nicht den Haftbefehl gegen Matteo Visconti erlassen hätte.
  19. Dies geht aus dem eingehenden Bericht des Joh. de Cermenate 1243–44 aufs klarste hervor.
  20. Es ist freilich sehr auffallend, dass die Guelfen, während ihr Führer Guido schwer krank war, zum Aufruhr schritten, indessen wäre es verfehlt, aus diesem Umstande, wie ältere Forscher wohl gethan, folgern zu wollen, dass sie gar nicht ernstlich eine Empörung beabsichtigt hätten. Ein strafbares Vergehen war es überhaupt schon, dass die della Torre sich bewaffneten, denn nach Nicolaus von Butrinto p. 82 war den Mailändern jedes Waffentragen durch den König aufs strengste verboten.
  21. Vergl. jedoch Joh. de Cermenate 1247–48, wo erzählt wird, wie Guido selbst hier von seinem Todfeinde Matteo Visconti fast entdeckt worden wäre.
  22. Dass Matteo dies sofort beim ersten Tumult that, scheint mir aus Nicolaus von Butrinto 82 unzweifelhaft hervorzugehen. Böhmer, Regesta Henrici, p. 285–86, und seit ihm alle neueren Darsteller stellen es als zweifelhaft hin, ob Matteo die della Torre zum Aufruhr verleitete, damit dieselben von den Deutschen vernichtet würden, oder ob er vielmehr die Vertreibung der Deutschen wünschte und die Absicht hatte, die della Torre zu unterstützen, falls diese Sieger blieben. Vergl. hierüber auch besonders die gelehrten Ausführungen von A. Ceruti (Arch. stor. Lomb. I, 148 ff.). Auch Lanzani a. a. O. p. 797 sagt nur: „Probabilmente i Torriani furono vittima d’una insidia infernale de’ loro avversarii.“ Gleichwohl glaube ich, dass jene Stelle des Nicolaus von Butrinto die Auffassung, dass Matteo den Verlauf der Dinge abwarten wollte, unmöglich macht. Zudem würde Matteo’s ganzes Verhalten ein völlig anderes gewesen sein, wenn er es mit den della Torre ehrlich gemeint hätte und sie nicht nur hätte ins Verderben locken wollen.
  23. Er wurde erst am 23. Mai 1311 durch päpstliche Provision zum Bischof von Butrinto ernannt. (Reg. Clem. Nr. 6851.) Heyck a. a. O. hat diese Bulle noch nicht gekannt, aber dass die Ernennung ungefähr in diese Zeit fallen müsste, bereits vermuthet.
  24. Freilich P. Scheffer-Boichorst, Florentiner Studien (Leipzig 1874), p. 177, denkt sich den Hergang ganz anders. Er sagt: „Es ist kein Zweifel, dass eine Verbindung Galeazzo Visconti’s mit Franceschino della Torre die Revolte veranlasst hat. Zunächst kämpfen beide für die Freiheit ihrer Vaterstadt. Erst als die della Torre das Weite gesucht, macht Galeazzo mit den Deutschen gemeinsame Sache.“ Diese Auffassung findet indessen in den Quellen durchaus keine Begründung, vielmehr muss man nach dem Berichte des Cermenate nothwendig annehmen, dass Galeazzo, während der Entscheidungskampf erfolgte, daheim im Palaste seines Vaters war.
  25. Alb. Mussato 344.
  26. Bei der obigen Darstellung ist im Wesentlichen Joh. de Cermenate zu Grunde gelegt. Sein Bericht ist genau, beruht auf Autopsie und eingehenden Erkundigungen und findet auch durch Nicolaus von Butrinto 82 ff. die vollste Bestätigung. Zu dem absprechenden Urtheil, welches hier Dönniges, Kritik etc., p. 91–92, über Cermenate fällt, liegt kein Grund vor.
  27. Dieses Benehmen des Königs lehrt aufs klarste, dass die Angabe des Ferreto von Vicenza 1061, Matteo habe kurz vor Ausbruch des Aufruhrs den König von dem Vorhaben der della Torre in Kenntniss gesetzt, unrichtig ist und nur als eine breit ausgesponnene Fabel betrachtet werden darf. Vergl. auch Dönniges, Kritik etc., p. 84–85.
  28. Dass die Visconti es in der That einzig und allein darauf abgesehen hatten, die della Torre zum Aufruhr zu verleiten, ist von mir schon oben aus einer Stelle des Nicolaus von Butrinto geschlossen worden; auch entscheidet sich die Mehrzahl der massgeblichen italienischen Chronisten in diesem Sinne. Vergl. K. Mahrenholtz, Ueber die Relation des Nicolaus von Butrinto (Diss.), Halle 1872, p. 12. Wenn wir erwägen, wie Matteo in Asti sofort gegen Guido intriguirte (vergl. S. 43 meiner Dissertation), wie er sich nur eben mit Hilfe der Deutschen in Mailand zu behaupten hoffen durfte, so werden wir es für unmöglich halten, dass er mit den della Torre ein ehrliches Spiel vorhatte. Die ganze Verschwörung war nur eine Falle, in der sich die della Torre fangen sollten. Hätte sonst Matteo den Ludovico Visconti und dessen Genossen sich zum Kampfe rüsten lassen? Hätte er sich sonst zwecklos in die Gewalt der Deutschen begeben? Hätte er nicht wenigstens abgewartet, welche Entscheidung der Kampf im Viertel der della Torre bringen werde?
  29. Alb. Mussato 343 lässt die Untersuchung „drei oder vier Tage nach dem Aufstand“ erfolgen, Joh. de Cermenate sagt: „post paucos dies“. Den Grund der Verbannung dürfte nicht das Verhalten Galeazzo’s während des Aufruhrs gebildet haben, sondern vielmehr seine früheren Unterhandlungen mit Franceschino della Torre. Wenn Cermenate diese Verbannung als die Folge von Verleumdungen der auf Matteo neidischen (?) mailändischen Grossen hinstellt, so wird dies nicht allzu wörtlich zu nehmen sein und sich darin wohl nur die Entrüstung Cermenate’s widerspiegeln darüber, dass auch Ghibellinen sich dazu brauchen liessen, Zeugniss gegen Matteo abzulegen.
  30. Der Name des mailändischen Ortes, an welchem Guido sich versteckt hatte, bleibt uns in Folge einer Lücke im Text des Ferreto von Vicenza 1062 unbekannt.
  31. Ueber alles dies liegt ein wichtiges Protocoll vor bei Dönniges II, 3–4. Vergl. auch Alb. Mussato 349. Wie hohen Werth Heinrich VII. auf die Freundschaft und Treue der Guelfenführer legte, geht auch daraus hervor, dass er dieselben damals auf jede Weise auszeichnete. So bestätigte er dem Filippone di Langosco nicht nur mancherlei Privilegien (Winkelmann, acta imperii inedita II, 251–52), sondern beschenkte ihn auch mit der Stadt Casale (Nicolaus von Butrinto 83, Alb. Mussato 333), schlug ihn endlich am Osterfeste (11. April) zum Ritter. Dem Simone da Colobiano von Vercelli verlieh er die erbliche Grafenwürde, begabte ihn mit 1000 Reichspfund aus den Einkünften zu Vercelli und zeichnete ihn gleichfalls durch Privilegbestätigungen aus. Vergl. die Urkunden bei Capellina, i Tizzoni e gli Avogadri (Torino 1842), p. 98 ff., und Nicolaus von Butrinto 83.
  32. Chron. Mutinense, Murat. XV, p. 569. Zwar ist hier der Zusatz „die Sabbati“ falsch, der 18. Februar war vielmehr ein Donnerstag, indessen lässt sich nachweisen, dass derartige falsche Tagesbezeichnungen auch sonst in dieser Chronik vorkommen, ohne dass die Daten darum falsch wären. Ueber Crema vergl. Chron. Mutin., Murat. IX, p. 98. Abweichende Daten geben Villani, ed. Dragomanni, Collezione di storici e cronisti Italiani, Vol. II, 153 und Chron. Regiense 21.
  33. Sehr ansprechend ist die neuerdings von G. Weber, Weltgeschichte VII², 83, aufgestellte Vermuthung, dass der Abfall Cremonas direct veranlasst sei durch die Ankunft Guido’s della Torre in dieser Stadt.
  34. Alb. Mussato 349–50. Nicolaus von Butrinto 83.
  35. Bonaini I, 170–71.
  36. Vielleicht am 23. Februar. Vergl. F. Odorici, storie Bresciane (Brescia 1856) VI, 287. Lanzani p. 798. Ueber die gerade in Brescia besonders trostlosen Parteiverhältnisse berichtet Joh. de Cermenate 1238.
  37. Diese Ereignisse sind übrigens nicht recht durchsichtig. Villani 153–54 und Alb. Mussato 345 berichten im Gegensatz zu den anderen Quellen, dass die de’ Maggi mit den Feindseligkeiten den ersten Anfang gemacht hätten. Die von Odorici VI, 287–88, gegebene Schilderung des Kampfes ist unbrauchbar, da sie ganz auf Dino Compagni und Jacopo Malvezzo beruht, die nicht ohne Weiteres als Geschichtsquellen benutzt werden können. Bezüglich Malvezzo’s vergl. D. König, Kritische Erörterungen p. 58 ff.
  38. Nicolaus von Butrinto 83, der auch Quelle für die Vorgänge zu Lodi ist. Dass Antonio’s Wirksamkeit nirgends Erfolg hatte, war, wie wir sahen, in den Verhältnissen begründet und, um uns sein späteres Verhalten zu erklären, bedarf es gar nicht der Annahme, dass er damals schon sich mit Abfallsgedanken getragen habe.
  39. Das Vicariat Jacopos ist noch für den 20. Februar bezeugt. Vergl. C. Vignati, Codice diplomatico Laudense IV, 478. Das genauere Datum der Rebellion ist überhaupt unbekannt, denn die von Ferreto von Vicenza 1063 gegebene Zeitbestimmung: eadem die, qua Guido repulsus abcessit, Antonius Laudensis, de se metuens, regem abnegat, ist falsch, weil Antonio noch Anfang März Crema, Cremona etc. im Auftrage des Königs bereiste.
  40. Der König gab diese Erlaubniss nur widerwillig und erst nachdem sich Antonio verpflichtet hatte, bis zu einem bestimmten Termin zurückzukehren, auch seine Parteigenossen Filippone di Langosco und Simone da Colobiano für ihn Bürgschaft geleistet hatten. Nicolaus von Butrinto 84. Der augenscheinlich weniger gut unterrichtete Joh. de Cermenate 1249 spricht irrthümlich von einer Flucht des Antonio aus dem königlichen Lager.
  41. Alb. Mussato 357. Nicolaus von Butrinto 85.
  42. Alb. Mussato 347. Chr. Regiense 22. Chr. Estense, Murat. XV, 372. Chron. Mutinense, Murat. XV, p. 570. Istoria di Parma, Murat. XII, p. 731.
  43. Alb. Mussato 354. Chron. Regiense 22. Chron. Mutinense 570.
  44. Chron. Mutinense, Murat. XI, p. 98.
  45. Alb. Mussato 358 und Ferreto von Vicenza 1063 ff. Nach letzterer Quelle wurden die Guelfen im Kampfe sogleich vertrieben, Mussato hingegen erwähnt von dem Kampfe nichts, lässt vielmehr das Weggehen der Guelfen in friedlichster Weise geschehen, indem sie einem Befehle des Vicars und des Bischofs Aimo von Genf gehorchen. Ich glaubte Ferreto’s Bericht nicht ganz verwerfen zu sollen, weil derselbe gut unterrichtet sein konnte und es andererseits nicht ganz unwahrscheinlich sein dürfte, dass der an diesen Vorgängen persönlich interessirte Mussato hier absichtlich den wahren Sachverhalt verschleiert.
  46. Dönniges I, 39–41.
  47. Dumont, Corps diplomatique I, 363.
  48. Da Amedeus am 17. April schon wieder zu Mailand urkundet (Dönniges II, 6), so wird ihm der Auftrag zu jenem Plünderungszuge vielleicht schon Ende März ertheilt sein. Dass auch Walram, des Königs Bruder, an diesem Zuge Theil genommen habe, berichtet Ferreto von Vicenza 1067. Diese Nachricht scheint auch durch Nicolaus von Butrinto 86 ihre Bestätigung zu finden.
  49. Vergl. hierüber auch Urk. 8. Mai 1311: Giulini, memorie IV², 886.
  50. In der That würde, wenn Heinrich damals gegen Florenz gezogen wäre, sich diese wichtigste aller Guelfenstädte ihm gutwillig gefügt haben, denn die Rüstungen, welche der Bund veranstaltet hatte, waren ungenügend, die Versprechungen König Robert’s boten wenig Sicherheit, und Clemens V. wies eben damals in nachdrücklichster Weise die Florentiner an, den Wünschen des deutschen Königs in allen Punkten zu willfahren. Vergl. R. Pöhlmann, Der Römerzug Kaiser Heinrich’s VII. und die Politik der Curie, des Hauses Anjou und der Welfenliga (Nürnberg 1875), p. 30–31.
  51. Alb. Mussato 358. Dönniges II, 142–44. Als Termin wird hier der 18. April festgesetzt.
  52. Urk. 17. April: Dönniges II, 6–7. Bonaini I, 174–76. Ein päpstliches Schreiben vom 28. Februar, das hierauf Bezug hat, bei Bonaini I, 168–70. (Vergl. auch Reg. Clem. Nr. 7499.) Heinrich muss nach Bonaini I, 288 das Schreiben schon am 14. März erhalten haben. Ueber die aufständischen Bewegungen in der Lombardei scheint Heinrich den Papst gleich anfangs genau informirt zu haben, wenigstens finden wir einen Gesandten desselben, „Antonius condominus Bargiarum“, am 26. Februar 1311 in Avignon anwesend. Urk. Reg. Clem. Nr. 6594.
  53. Auf dieses Datum würde wenigstens die Angabe des Nicolaus von Butrinto 84: „die, quo vestri nuntii… publicarent gratiam, quam regi faciebatis super commissione sue coronationis“ führen.
  54. Der Zorn des Königs wurde ganz besonders durch den Umstand erhöht, dass der treulose Antonio di Fissiraga einer der Gesandten Lodis war. Es bedurfte erst der Fürsprache der Königin und des Grafen Amedeus, um den König zu besänftigen. Auch Erzbischof Balduin von Trier wird sich zu Gunsten der Bittenden verwandt haben, denn er erhielt ungefähr um diese Zeit von der Commune Lodi 100 Goldflorin geschenkt. Dies geht aus einem von Balduin eigenhändig verfassten Einnahmeverzeichniss (Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft I, 450) hervor.
  55. Joh. de Cermenate 1250–52 schildert wenigstens, wie die Stimmung zu Lodi beim Eintreffen Heinrich’s von Flandern immer noch sehr kriegerisch war und die Bürger die Thore erst öffneten, als man drohte, die als Geisseln zurückbehaltenen lodischen Gesandten zu tödten.
  56. Heinrich urkundet am 19. April – das Osterfest hatte er in Pavia gefeiert – noch zu Mailand (Urkunde hrsg. von E. Winkelmann in Forschungen z. dt. Gesch. XVIII, 480), am selben Tage aber auch schon zu Lodi. (Böhmer, Reg. Henr. Nr. 386. Bonaini I, 174–76 und Böhmer, Reg. Henr. Nr. 388.) – Eine höchst fabulose Geschichte von der Untreue eines königlichen Unterkanzlers, welcher während des Mailänder Aufenthalts einen Anschlag zur Ermordung des Königs und seines ganzen Heeres entworfen haben sollte, erzählen die Gesta Baldewini 216–17. Schon Dominicus, Baldewin von Lützelburg p. 107, Anm. 4, und Dönniges, Kritik etc., p. 104–105, haben das Ganze – und mit Recht – für ein schlecht erfundenes Märchen erklärt. Trotzdem sucht Irmer, Die Romfahrt König Heinrich’s VII. im Bildercyklus des Codex Balduini Treverensis (Berlin 1881), die Geschichte zu retten durch Heranziehung einer Stelle der Bologneser Chronik des Matteo de’ Griffoni, Muratori XVIII, p. 137. Bei Vergleichung mit der Historia miscella Bononiensis, Muratori XVIII, p. 322, hätte Irmer aber leicht merken können, dass es sich an jener Stelle des Matteo de’ Griffoni nicht um einen Unterkanzler Heinrich’s VII. handelt, sondern um einen Bologneser Notar, der auf Befehl des Podestà von Bologna hingerichtet wird, und der mit Heinrich VII. nicht das Mindeste zu thun hat.
  57. Bonaini I, 176–77.
  58. Joh. de Cermenate 1252–53.
  59. Alb. Mussato 364. Ferreto von Vicenza 1067–68. Nicolaus von Butrinto 85.
  60. Die Florentiner hatten in der That eine Schaar ausgerüstet, um sie den Cremonesen zu Hilfe zu senden, doch war dieselbe noch nicht abgegangen, als die Nachricht von der Ergebung Cremonas eintraf. Vergl. Bonaini II, 25–26, 28–30.
  61. Hier finden wir ihn am 25. April. Bonaini I, 289.
  62. Vergl. Joh. de Cermenate 1245–55. Ferreto von Vicenza 1068. Alb. Mussato 364. Chronici Cremonensis fragmentum, Mon. Germ. SS. XVIII, p. 808.
  63. Nicolaus von Butrinto 92 gibt nur 60 000 Goldflorin an. Er setzt die Summe herunter, denn es kommt ihm darauf an, den König weniger schuldig erscheinen zu lassen.
  64. Ueber letzteres vergl. Urk. 10. Mai. Dönniges II, 148–51.
  65. Vergl. S. 41 meiner Dissertation.
  66. Pöhlmann, p. 44. Heinrich hatte auf eine für ihn günstige Entscheidung des Papstes fest gerechnet, da dieser bei Beginn des Römerzuges im Herbst 1310 an Alba und Alessandria je ein Schreiben gerichtet hatte mit der Aufforderung, dem ankommenden deutschen Könige den Treueid zu leisten. Reg. Clem. Nr. 6336. Vergl. auch Dönniges II, 114 und Nicolaus von Butrinto 71. Damals hatte also Clemens die Städte Alba und Alessandria noch als zum Verbande des Reiches gehörig betrachtet.
  67. Dies ergibt sich aus der wichtigen Gesandtschaftsinstruction, Dönniges II, 219 ff. Sie lehrt, dass Heinrich’s Verhältniss zum Papste damals noch nicht getrübt war, aber die Ereignisse unaufhaltsam einem Conflict zudrängten.
  68. Dieser fungirt in Urk. 31. März (Giulini VII², 204) noch zu Mailand als Zeuge.
  69. Genauer haben über das Verhältniss Paduas zu Heinrich VII. gehandelt: Toews, Albertinus Mussatus und Heinrich VII. (Diss.), Greifswald 1874. Wychgram, Albertino Mussato (Diss.), Leipzig 1880. Friedensburg (Forschungen zur deutschen Geschichte XXIII, 1 ff.).
  70. In Vicenza bestand eine förmliche Verschwörung gegen die Paduaner; Heinrich VII. war davon in Kenntniss gesetzt durch den vertriebenen Vicentiner Sigonfredo Ganzera. Vergl. Ferreto von Vicenza 1055 ff.
  71. Dieses Datum ergibt sich am sichersten aus Urk. 9. Juni bei Alb. Mussato 372. Vergl. auch Friedensburg (Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit, Lief. 67, p. 398, Anm. 2.).
  72. Bonaini II, 28, vergl. 31–32.
  73. Alb. Mussato 376–77.
  74. Gesandte Venedigs waren schon am 5. November 1310 an Heinrich geschickt worden. Vergl. H. Simonsfeld, Der Fondaco dei Tedeschi in Venedig und die Deutsch-Venezianischen Handelsbeziehungen (Stuttgart 1887) I, 12, und Mon. Germ. LL. II, 509. Eine zweite Gesandtschaft war in Mailand bei der Krönung zugegen. Eine dritte begab sich am 20. Januar an den königlichen Hof. (Mon. Germ. LL. II, 509–510.) Diese letztere richtete an den König die Bitte, er möge für Venedig, welches unter dem auf ihm lastenden Interdict – vergl. S. 13 meiner Dissertation – schwer zu leiden hatte, Fürsprache beim Papst einlegen. Heinrich that dies bereitwillig (Winkelmann, Acta II, 257) und hatte auch den Erfolg, dass Clemens V. das Interdict aufhob. Lünig, Codex Italiae dipl. IV, 1611–20. Romanin, Storia documentata III, 23 ff. Uebrigens möge es gestattet sein, einen Fehler zu berichtigen, der an jener Stelle meiner Dissertation stehen geblieben ist. Die gegen Venedig gerichtete Interdictionsbulle ist am 20. März 1309, und nicht, wie dort fälschlich angegeben ist, am 27. März erlassen.
  75. Für die Uebertragung dieser lebenslänglichen Vicariate (vergl. auch Felsberg, Beitrr. p. 28 ff.) wurden sehr bedeutende Summen gezahlt; so zahlte Rizzardo da Cammino 16 000 Goldflorin (Verci V, 138), Passerino de’ Buonacossi sogar 20 000 Goldflorin. (Vergl. Bonaini I, 200.) Die Ernennung des Rizzardo zum Vicar Trevisos erfolgte am 10. Mai (Verci V, 138), die der Vicare von Mantua und Verona etwas früher (Alb. Mussato 358), doch sind die genaueren Daten unbekannt. Panvinius, Antiquitates Veronenses (Patavii 1668) p. 206 sagt zwar, dass die della Scala am 7. März (die dominico, nonis Martii) zu Reichsvicaren ernannt seien, indessen sagt er nicht, welcher Quelle er dieses Datum entnommen hat. Dasselbe dürfte zudem falsch sein, denn als Aimo von Genf Anfang April in Verona eintraf, hatte der bisherige Vicar Veronas, der Pisaner Giovanni Zeno, soeben erst sein Amt zu Gunsten der della Scala niedergelegt. Vergl. Ferreto v. Vicenza 1069.
  76. Verci V, 135–37.
  77. Diese Gesandten finden wir auch wirklich am 30. April in Florenz anwesend. (Bonaini II, 36.)
  78. In Urk. Dönniges II, 147–48 wird merkwürdigerweise nur ein einziger Gesandter Paduas, Antonio di Vigodarzere genannt. Die Namen aller Gesandten (zu diesen gehörte auch unser Geschichtsschreiber Mussato selbst) nennen Alb. Mussato 336 und Ferreto von Vicenza 1073.
  79. Dies berichtet Nicolaus von Butrinto 86.
  80. Am klarsten sprach dies Dante in dem schönen, von tiefem politischen Scharfblick zeugenden Briefe aus, welchen er am 18. April 1311 an Heinrich VII. richtete. (Fraticelli, Opere minore di Dante III, 488 ff.)
  81. Nicolaus von Butrinto 86 erzählt sogar, die bresciatischen Ghibellinen hätten Walram, dem Bruder des Königs, vorgespiegelt, Brescia werde sich nicht länger als höchstens vierzehn Tage halten können.
  82. Das an Treviglio gerichtete Schreiben ist erhalten: Guilini IV², 886–87. Das Aufgebot der Stadt Modena rückte schon am 12. Mai von Modena aus und langte am 16. Mai vor Brescia an. Chron. Mutinen., Murat. XV, 570. Chronic. Mutinen., Murat. XI, 98.
  83. Bonaini I, 118–19. Dönniges II, 150.
  84. Nach Bonaini I, 292. Vergl. auch I, 178–79 und 347–48.
  85. Irmer, Die Romfahrt Heinrich’s VII. im Bildercodex etc. Bild XII a. Gesta Baldewini 218. Jacopo Malvezzi, Murat. XIV, 967.
  86. Den Verlauf dieser interessanten Belagerung im Einzelnen zu schildern, konnte ich mir versagen, zumal Irmer, Bildercodex etc. p. 51 ff. darüber in ausgezeichneter Weise gehandelt hat. Die Schrift: Fr. Bettoni, Tebaldo Brusato, brano storico del secolo XIV (Brescia 1874) ist mir unzugänglich geblieben.
  87. Das Nähere hierüber berichtet Jacopo Malvezzi 970. Ich würde die ganze Sache, die sehr abenteuerlich klingt, für ein brescianisches Märchen halten, wenn nicht auch Ricobald von Ferrara, Murat. IX, p. 257 darüber berichtete. Ueber den Tod des Tebaldo Brusato vergl. Alb. Mussato 374. Joh. de Cermenate 1257. Das Verurtheilungsdecret datirt vom 20. Juni. (Bonaini I, 179–82.)
  88. Walram’s Leiche wurde auf Bitten Cangrande’s della Scala, welcher im Heere vor Brescia diente, nach Verona überführt und hier beigesetzt. Alb. Mussato 382. Chron. Mutinense, Murat. XV, p. 571. Fr. W. Barthold, Der Römerzug König Heinrich’s von Lützelburg (Königsberg 1830–31), II, 24 ff.
  89. Es geschah dies durch die in Avignon befindlichen Gesandten: die Bischöfe von Basel und Novara und den Predigermönch Johannes de Lucidomonte. Die Hauptaufgabe dieser Gesandten war jedoch die Verhandlung mit König Philipp dem Schönen, welche gerade damals in ein neues Stadium getreten war, zu führen. (Winkelmann II, 253.)
  90. Bonaini I, 183–84.
  91. Die ihnen vom Papste ertheilten Vollmachten und Anweisungen datiren vom 19. Juni. Reg. Clem. Nr. 7181, 7548–7581. Theiner I, 447–49. (Vergl. auch Reg. Clem. Nr. 7179, 7180, 7530–7546 und 7588). Ein Schreiben Clemens’ V. an Heinrich VII. vom 8. Juli, das auf diese Sache Bezug hat, findet sich Bonaini I, 186–87.
  92. Alb. Mussato 384. Joh. de Cermenate 1260. Jacopo Malvezzi 972 gibt das Datum des 7. August an. Es wäre zu untersuchen, ob Malvezzi dasselbe nicht vielleicht älteren schriftlichen brescianischen Quellen verdankt.
  93. Hauptquelle für alles dies ist Alb. Mussato 384 ff. In einigen Einzelheiten treten Ferreto von Vicenza 1076 und Jacopo Malvezzi 973 ergänzend hinzu. Bei Mussato liegt hier jedoch ein Fehler vor, für welchen mir die Erklärung fehlt, denn während er am Anfang nur die Cardinalbischöfe von Sabina und Albano in die Stadt gehen lässt, hält nachher bei ihm plötzlich der von Ostia die Ansprache an die Brescianer.
  94. Alb. Mussato 391. Die Zahl der zu stellenden Soldaten gibt derselbe auf „tresdecim milia“ an. Barthold II, 51 setzt dieselbe ganz mit Unrecht auf 3000 herab, denn jene 13 000 Mann sollten, wie sich aus Mussato ergibt, nicht dem deutschen Heere entnommen werden, sondern durch die italienischen Städte selbst aufgebracht werden.
  95. Freilich Nicolaus von Butrinto 87 will uns glauben machen, Heinrich habe besorgt, dass es im eigenen Heere zu Widersetzlichkeiten kommen werde, wenn man daran ginge, die Belagerung aufzuheben. Es ist das aber wohl nur dafür charakteristisch, dass dieser Bischof seinem apologetischen Zwecke zuliebe auch offenkundige Lügen nicht scheute.
  96. Alb. Mussato 393. Joh. de Cermenate 1260.
  97. Einen solchen Brief, der in die Hände der Deutschen gefallen war, theilt Nicolaus von Butrinto 87–88 im Auszuge mit; es ergibt sich aus demselben, dass die Brescianer, um die Florentiner zu desto nachdrücklicherer Unterstützung zu bewegen, auch lügnerisch über Siege berichteten, wenn sie nur Niederlagen erlitten hatten.
  98. Ueber den regen Verkehr, welcher zwischen Brescia und Florenz während dieser ganzen Zeit bestand, vergl. Bonaini II, 36–39, 41–42. Noch Anfang September zahlten die Florentiner einem brescianischen Bevollmächtigten 1000 Goldflorin aus. Es lag ihnen ja alles daran, den König möglichst lange in Lombardien festzuhalten.
  99. Alb. Mussato 390–91. Nicolaus von Butrinto 86. Wahrscheinlich hatte sich Fieschi – ein Umstand, der von den bisherigen Forschern sonderbarerweise unbeachtet geblieben ist – in die Stadt begeben, um mit den Brescianern über die Freilassung des von denselben gefangen genommenen Bischofs Nicolaus von Butrinto zu verhandeln. Vergl. Nicolaus von Butrinto 90. Auch Arnald de Frangeriis befand sich damals in der Stadt, doch ist nichts darüber bekannt, ob er die Bestrebungen des Fieschi unterstützt hat. Die Florentiner wussten schon am 9. Sept., dass Fieschi sich von Cremona nach Brescia begeben habe, denn sie warnen an diesem Tage die Brescianer, den Versprechungen dieses Cardinals Glauben zu schenken. (Bonaini II, 38–39.)
  100. Ich meine damit vor Allem Ferreto von Vicenza 1080–81, dessen eingehende Nachrichten über die Verhandlungen wohl aus den Ereignissen heraus „post festum“ zurecht construirt sind.
  101. Dies ergibt sich am klarsten aus einem Brief, welchen Heinrich gleich darauf am 21. Sept. an seinen Sohn Johann von Böhmen richtete (bei Peter von Zittau ed. J. Loserth p. 343–45). Darin heisst es, dass die Unterwerfung Brescias „libere omni conditione cessante“ erfolgt sei. Es bestanden also keinerlei Abmachungen, welche den König verpflichtet hätten, gegen die überwundenen Rebellen Milde zu üben.
  102. Dönniges II, 19–23. Der Umstand, dass in beiden Entwürfen der Strafsentenz nur die Aufrührer zur Zahlung der 70 000 Goldflorin verurtheilt werden, obwohl thatsächlich sogar die vertrieben gewesenen Ghibellinen dazu beitragen mussten, legt allerdings die Vermuthung nahe, dass wir die wirkliche Sentenz hier nicht vor uns haben.
  103. Hierüber vergl. das Nähere bei K. Wenck (in Sybel’s Historischer Zeitschrift 50 p. 506).
  104. Diesbezügliche Bevollmächtigte setzen die Ghibellinen am 22. Sept. ein. (Bonaini I, 201–6.)
  105. Es geschah dies am 6. Juni und zwar durch jene Gesandtschaft, welche die Paduaner, wie oben erzahlt, am 8. Mai entsendet hatten. (Dönniges II, 10–11, und die sehr ausführliche Schilderung bei Alb. Mussato.)
  106. In zwei Erlassen vom 9. Juni, welche uns Alb. Mussato 368 bis 372 überliefert hat.
  107. Dönniges II, 11–12.
  108. Alb. Mussato 373. Da Aimo von Genf am 6. und 7. Juni noch im Lager von Brescia urkundlich erwähnt wird (Dönniges II, 11), so ist es wahrscheinlich, dass er die Reise nach Padua in Gemeinschaft mit den heimkehrenden paduanischen Gesandten machte.
  109. Alb. Mussato 391–92.
  110. Guil. Ventura 780.
  111. Isnard von Theben hatte, wie hier beiläufig erwähnt werden mag, im Jahre 1308 das Amt eines päpstlichen Vicars der Stadt Rom bekleidet (Regestum Clem. Nr. 2990, 3450, 3577, 3591, 3594 u. ö.) und war mit den italienischen Verhältnissen sehr vertraut. Auch scheint er sich durch seine Friedensvermittlung die Zuneigung der Pavesen in hohem Grade erworben zu haben, denn bald darauf, am 5. August, finden wir, dass er durch Papst Clemens V. zum lebenslänglichen Administrator des gerade erledigten Bisthums Pavia ernannt wird. (Urk. Reg. Clem. Nr. 6854.)
  112. Bonaini I, 182–83.
  113. Guil. Ventura 778.
  114. Die über diesen Vertrag ausgestellte Urkunde (Codex Astensis ed. Sella [in: Atti della accad. dei Lincei. Ser. II, Vol. VII] IV, 75–79) dürfte kaum für die Oeffentlichkeit bestimmt gewesen sein, da die di Castello darin dem Grafen Philipp für den Fall des Ablebens König Heinrich’s VII. die Herrschaft über Asti zusagen. Die di Solario scheinen sich gegen die deutsche Herrschaft erhoben zu haben, wenigstens liess Heinrich vierzehn derselben gefangen nehmen und nach Brescia bringen. Dass wir hier nicht ganz klar zu sehen vermögen, hat darin seinen Grund, dass Guil. Ventura 779 diese Vorgänge, welche ihm sichtlich unangenehm sind, vertuscht.
  115. Guil. Ventura 780 sagt: „Vercellenses praeliati sunt insimul et ex eis mortui fuerunt plures gladio et tercia pars Vercellarum combusta est, et praeliati sunt per dies quadraginta et nullus eorum inde exivit.“
  116. Das ergibt sich aus der über diesen Act ausgestellten Urkunde. Dieselbe befindet sich im Archivio Municipale zu Vercelli und ist, da sie bisher ungedruckt war, von mir in der Beilage zu diesem Aufsatze mitgetheilt worden.
  117. Alb. Mussato 381–82. Nicolaus von Butrinto 94.
  118. Bonaini I, 189–91. Für die Uebertragung dieses Amtes musste Matteo 50 000 Goldflorin sofort zahlen, weitere 25 000 Goldflorin aus den Einkünften eines jeden Jahres an die königliche Kasse entrichten. Alles Nähere vergl. bei Th. Sickel, Das Vicariat der Visconti. (SB. d. Wiener Akademie 1859, p. 7 ff.)
  119. Nicolaus von Butrinto 94. Eine Anzahl untergeordneter Quellen, so Villani 158, Ferreto von Vicenza 1072, Istoria di Parma, Murat. XII, p. 73, geben an, dass Giberto auch das Vicariat von Parma bekleidet habe. Es beruht dies aber auf einem Irrthum. Vergl. Annales Parmenses, Mon. Germ. SS. XVII, p. 752. Chron. Estense 372 bis 73 und Urk. 11. April 1312: Mon. Germ. LL. II, 525.
  120. Chron. Mutinense, Murat. XV, p. 572. Anonymi Vicentini supplementum, bei Graevius thesaurus VI, 1, p. 32.
  121. Dieses Datum nach Malvezzi 975; dasselbe wird richtig sein, da Heinrich am 3. October schon zu Soncino urkundet und am 1. October Erzbischof Balduin von Trier wenigstens noch in Brescia anwesend erscheint. (Urk. bei Friedensburg in der Westdeutschen Zeitschrift für Geschichte und Kunst III, 300.)
  122. Alb. Mussato 395. Dass es indessen keineswegs Heinrich’s Absicht war, sich in Pavia auf lange Verhandlungen einzulassen, ergibt sich aus dem oben erwähnten Briefe an seinen Sohn Johann (Peter von Zittau 345).
  123. Böhmer, Acta imperii selecta, p. 797–98.
  124. Alb. Mussato 395.
  125. Das dieserhalb an Marino Zorzi, den neuen Dogen von Venedig, gerichtete Schreiben ist erhalten: Mon. Germ. LL. II, 517.
  126. Bis dahin hatte der Florentiner Lamberto Cipriano das Vicariat von Piacenza bekleidet (Mon. Germ. LL. II, 510). Das Chron. Placentinum 488 lässt diesen letzteren irrthümlicherweise erst während des Aufenthalts zu Pavia eingesetzt werden. Unser Pietro di Mesa ist vielleicht identisch mit dem in Urk. 29. October 1301 (Tarlazzi, Appendice ai monumenti Ravennati I, 452) erwähnten „Petrus de Mesiis notarius“.
  127. Alb. Mussato 396 ff. hat allein über diesen Städtetag eingehende Nachrichten. Die Ankunft zu Pavia lässt das Chron. Regiense 23 schon am 6. October erfolgen.
  128. Joh. de Cermenate 1261. Ferreto von Vicenza 1087. Nicolaus von Butrinto 93. Letztere Quelle lässt die Ernennung schon vor Brescia geschehen. Es ist dies aber ein Irrthum, vergl. Mandelli, Il comune di Vercelli IV, 138. Capellina, I Tizzoni e gli Avogadri p. 26. In der von mir in der Beilage mitgetheilten Urkunde tritt Philipp noch nicht als Vicar, sondern nur als Friedensstifter auf. Urkundlich wird er als Vicar meines Wissens überhaupt erst am 21. October erwähnt. (Summarium monumentorum archivii Vercellensis p. 262). Felsberg, p. 18, findet es wunderbar, dass Philipp den officiellen Titel „vicarius generalis“ führt. Die Sache erklärt sich aber sehr einfach: Philipp hatte, wie urkundlich nachweisbar ist, in Pavia, Vercelli und Novara seine Untervicare. Felsberg, welcher irrthümlich annimmt, Philipp habe nur das Vicariat von Pavia gehabt, hat dies übersehen.
  129. Da das deutsche Heer in Folge der vor Brescia erlittenen Verluste sehr zusammengeschmolzen war, so hatte Heinrich VII. den Matteo Visconti mit mailändischen Hilfsschaaren zu sich nach Pavia entboten. Doch verwehrte Filippone di Langosco dem Visconti unter nichtigen Vorwänden den Eintritt in die Stadt. Nicolaus von Butrinto 95. Indessen dürfte, was dieser Autor über einen zu Pavia veranstalteten Anschlag gegen das Leben des Königs berichtet, schwerlich ernst zu nehmen sein. Vergl. P. Ilgen, Nicolaus von Butrinto als Quelle für die Geschichte Heinrich’s VII. (Diss.) Jena 1873, p. 46.
  130. Böhmer, Regesta Heinrici Nr. 432. In Tortona urkundet er am 17. und 18. October. (Böhmer, Reg. Nr. 433–34.) Vergl. Irmer, Bild XVI a.
  131. Nach Georgius Stella, Murat. XVII, p. 1025.
  132. Dönniges I, 37–38.
  133. Die Wahl des Syndicus, welcher Namens der Gesammtbürgerschaft den Treueid leisten sollte, geschah am 13. November (Dönniges II, 166 bis 167), die Eidesleistung selbst vielleicht an einem der nächsten Tage.
  134. Monum. hist. patr. IX, 450–53. Jene Verträge seien „in grave preiudicium et iacturam et in diminucionem iurium et regalium sacri Romani imperii“ geschlossen, heisst es in dieser Urkunde.
  135. Monum. hist. patr. IX, 453–58.
  136. Nicolaus von Butrinto 96.
  137. Alb. Mussato 393. Guil. Ventura 781.
  138. Doch bereiste zugleich eine königliche Gesandtschaft, an ihrer Spitze Bischof Nicolaus von Butrinto und der päpstliche Notar Pandolfo de’ Savelli, seit Ende October die Städte Tusciens, um, wenn möglich, einige derselben auf die Seite Heinrich’s VII. herüberzuziehen. (Nicolaus von Butrinto 98–106.)
  139. Ursprünglich hatten die Florentiner in der Meinung, dass Heinrich seinen Weg über Bologna nehmen werde, alle ihre Truppen in der Nähe dieser Stadt concentrirt. Ihre Bestürzung, als Heinrich statt dessen nach Genua zog, war gross. (Bonaini II, 46–50.) Sie erholten sich indessen schnell von ihrem Schrecken, riefen die Truppen zurück, besetzten Samminiato und Volterra und rückten, als Heinrich seinen Aufenthalt in Genua verlängerte, bis Pietrasanta und Serrezzano vor.
  140. Dies alles ergibt sich aus dem Dankschreiben, welches die Florentiner am 1. December an König Robert richteten. (Bonaini II, 71–73.) Villani 163 lässt irrthümlich erst am 15. December die ersten Truppensendungen Robert’s erfolgen.
  141. Johann brach, wie die Florentiner selbst in Urk. Bonaini II, 75 sagen, am 13. December mit 400 Reitern nach Rom auf. Vergl. auch Tolomeo von Lucca 43–44.
  142. Dieses von Papst Clemens V. eifrig befürwortete Heirathsproject war nicht neuen Datums (vergl. Wenck, Clemens V. und Heinrich VII., p. 147 ff.), unter anderem war darüber auch im Lager vor Brescia verhandelt worden. Nicolaus von Butrinto 87.
  143. Am zuverlässigsten ist der Bericht des Alb. Mussato 406–8. Dies ist auch ganz erklärlich, denn Mussato hielt sich damals in Genua auf und empfing seine Nachrichten aus erster Hand. Schlechter orientirt ist Joh. de Cermenate 1262, und völlig tendenziös, wie gewöhnlich, Nicolaus von Butrinto 96–97.
  144. Ueber diese Correspondenz berichtet nur Joh. de Cermenate 1262; seine Angaben finden jedoch ihre Bestätigung in der später gegen König Robert erlassenen Bannsentenz (Dönniges II, 188), wo auf eine solche von Robert zu jener Zeit ertheilte Antwort Bezug genommen wird.
  145. Hätte Heinrich in der That, wie dies neuere Darsteller meinen, den Versicherungen König Robert’s Glauben geschenkt, so würde er doch wenigstens versucht haben, den Marsch durch die südwärts führenden Pässe zu erzwingen. Dass Heinrich andererseits noch immer nicht ganz die Hoffnung aufgegeben hatte, mit Robert zur Verständigung zu gelangen, ergibt sich daraus, dass er die vortheilhaften Bündnissanträge, welche ihm Robert’s Gegner, König Friedrich von Sicilien, Anfang 1312 durch den Admiral Conrado Lancea machen liess, rund ablehnte. Vergl. Alb. Mussato 408–9. Joh. de Cermenate 1262.
  146. Mon. Germ. LL. II, 519–24. Das Verfahren gegen Florenz war schon am 20. November eingeleitet.
  147. Alb. Mussato 410–11.
  148. Alb. Mussato 404. Georgius Stella 1025. Annales Mediolanenses 692 und Galvaneus della Flamma 722 nennen als Todestag den 13. December. Es ist das ein Irrthum, denn in Urk. Bonaini I, 215 heisst es ausdrücklich: „in die sui obitus, quartadecima decembris“. Vergl. auch Irmer, Bildercodex, Bild XVI, und Libro degli anniversarii del convento di San Francisco di Castelleto in Genova, ed. V. Promis (in: Atti della società Ligure di storia patria X, 400 u. 402).
  149. Nicolaus von Butrinto 97. Alb. Mussato 438.
  150. Alb. Mussato 398. Mit Giulini a. a. O. V, 11–13 von einer eigentlichen Empörung des Filippone di Langosco schon um diese Zeit zu reden, ist unmöglich, da in unseren Quellen nichts von einer solchen steht.
  151. Joh. de Cermenate 1264. Nicolaus von Butrinto 97.
  152. Ueber Philipp’s rein egoistische und nur auf Erweiterung des eigenen Machtbereichs gerichtete Politik vergl. Guichenon, Preuves p. 139. Mandelli a. a. O. IV, 141 ff. Das Vorgehen des Savoyers gegen Filippone di Langosco und die verrätherische Gefangennahme des Sohnes des letzteren, Rizzardo, gehört, obwohl man sie sich nach Nicolaus von Butrinto 97 als schon jetzt erfolgt denken müsste, einer viel späteren Zeit an. Vergl. Joh. de Cermenate 1269. Alb. Mussato 435.
  153. Vergl. Mandelli IV, 171.
  154. Urkunde bei Muratori, Antiquitates IV, 615–16. Das von den Bevollmächtigten Ausgeführte wurde in den einzelnen Städten durch besondere Beschlüsse sanctionirt, so in Florenz am 5. November (Bonaini II, 55–56). Eine feierliche Erneuerung des Bundes erfolgte zu Bologna am 3. December. (Bonaini II, 73–74. Muratori, Antiq. IV, 615–22.) Die Zahlung der erwähnten Summe, welche übrigens Nicolaus von Butrinto 98 wieder zu niedrig angibt, indem er nur 12 000 Goldgulden nennt, erfolgte noch Ende November und zwar indem die Bologneser sie vorläufig bei dem Banquier Romeo de’ Pepoli zu Bologna hinterlegten. Vergl. Bonaini II, 68, 70–71.
  155. Dieser Brief ist erhalten bei Dönniges II, 617.
  156. Bonaini II, 73–74.
  157. Mon. Germ. LL. II, 525.
  158. Wichtigste Quelle für das alles sind die noch erhaltenen Acten über den nachmals gegen den ungetreuen Vicar angestrengten Process. (Dönniges II, 24–29.)
  159. Jacopo Malvezzi 976–77 entwirft, wie gewöhnlich, auch von diesen Vorgängen eine sehr übertriebene Schilderung, hingegen verkleinert Alb. Mussato 402 die Sache, indem er nur von einer Verschwörung der Guelfen spricht, die blutig unterdrückt sei.
  160. Die Angabe des Villani 163, dass der Aufruhr durch Cangrande della Scala unterdrückt sei, ist wohl nur eine Verwechslung, hervorgegangen aus dem Umstande, dass Bailardino da Nogarola der vertraute Freund und Genosse des Cangrande war.
  161. Bonaini II, 63–65. Vergl. 71, 79–80, 91–92.
  162. Joh. de Cermenate 1264–65. Das Datum nach Chron. Regiense 24 und Chron. Mutin., Murat. XV, p. 571. Villani 164 nennt etwas ungenau den 10. Januar.
  163. Das Diplom über die Ernennung theilt Bonincontro Morigia, Murat. XII, p. 1106–7, mit. Ueber Wernher von Homberg, der sich auch als Minnesänger einen Namen gemacht hat, vergl. v. Wyss in den Mittheilungen der antiquarischen Gesellschaft zu Zürich, Bd. XIII.
  164. Heinrich urkundet in Genua zum letztenmal am 16. Februar (Böhmer, Reg. Henr. Nr. 456), aber Erzbischof Balduin, welcher nach Bild XVII b des Bildercodex die Ueberfahrt nach Pisa in der Begleitung des Königs machte, erscheint in Genua noch am 18. Februar anwesend in zwei Urkunden, welche Friedensburg (Westdeutsche Zeitschrift für Gesch. u. Kunst III, 300–301) im Regest mitgetheilt hat.
  165. Ferreto von Vicenza 1089; derselbe gibt hier wie in einigen anderen Punkten etwas mehr als seine Quelle Alb. Mussato. Die Einsetzung des Uguccione di Faggiola zum Vicar Genuas, welche Stella 1025 schon jetzt geschehen lässt, ist thatsächlich erst viel später erfolgt.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: porsonaliter