Kaiser Friedrich III. (Fontane)
1.
Letzte Fahrt.
(6. Juni 1888.)
„Ich sähe wohl gern (er sprach es stumm)
Noch einmal die Plätze hier herum,
Am liebsten auf Alt-Geltow zu, –
Und ihr kommt mit, die Kinder und Du.“
In die stille Kirche tritt er ein,
Die Wände weiß, die Fenster blank,
Zu beiden Seiten nur Bank an Bank,
Und auf der letzten – er blickt empor
Und wendet sich und spricht: „wie gern,
Vernähm’ ich noch einmal ‚Lobe den Herrn‘;
Den Lehrer im Feld, ich mag ihn nicht stören,
Vicky, laß du das Lied mich hören.“
Als sprächen die Himmel, erbraust der Choral,
Und wie die Töne sein Herz bewegen,
Eine Lichtgestalt tritt ihm entgegen,
Eine Lichtgestalt, an den Händen beiden
Du lerntest dulden und entsagen,
Drum sollst Du die Krone des Lebens tragen.
Du siegtest, nichts soll Dich fürder beschweren:
Lobe den mächtigen König der Ehren ..“
So lauscht er der Stimme.
Die Orgel schweigt.
Letzte Begegnung.
(14. Juni 1888.)
König Oskar, vom Mälar kommt er daher,
Fährt über den Sund, fährt über das Meer,
Nun sieht er die Küste: Deutsches Land,
Haide, Kiefer, märkischen Sand,
Er kommt, um den sterbenden Kaiser zu sehn.
Dem melden sie’s. „König Oskar ist da.“
Kaiser Friedrich wie suchend um sich sah,
Ein leuchtend Bildniß hängt an der Wand,
Orangeband, Orden, Helmbuschzier,
Pasewalker Kürassier,
Er blickt drauf hin und den Blick sie verstehn:
„So soll mich König Oskar sehn.“
Aufrecht noch einmal der sterbende Mann,
Aufrecht und hager und todesfahl –
König Oskar tritt in den Marmorsaal,
Sprechen will er, er kann es nicht,
Da steht sein Freund in des Jammers Joch,
Gebrochen und doch ein Kaiser noch:
Den Pallasch zur Seite, den Helm in der Hand,
Kaiser Friedrich vor König Oskar stand.
Das ist das Letzte, das blieb zurück;“
Stumm neigt sich der König, und noch einmal,
Und nun zum dritten und – läßt den Saal.
Grabschrift.
Du kamst nur, um Dein heilig Amt zu schaun,
Du fand’st nicht Zeit zu bilden und zu baun,
Nicht Zeit, der Zeit den Stempel aufzudrücken,
Du fand’st nur eben Zeit noch, zu beglücken,
Du fand’st nur Zeit, um wie ein Held zu sterben.
4.
Ré Umberto’s Kranz.
„.. Im alten Dom zu Monza ruht die Krone,
Die eiserne. Die trug er. Doch zu Monza
Blüht auch des Lorbeers viel in meinen Gärten.
Pflückt von dem Lorbeer, und vom dunkelschönsten
Bis hin zur Ruhstätt’ meines Martyrfreundes,
Bis in die Friedenskirche.
Siegeslorbeer,
Nicht Friedenspalmen will ich niederlegen
Er hat, was er ersehnt, – er hat den Frieden.“
Anmerkungen (Wikisource)
Friedrich III., auf dem die Hoffnungen vieler liberaler Deutscher ruhten, starb am 15. Juni 1888, nach nur 99 Tagen auf dem Kaiserthron.