Karl Stuart

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Autor: Theodor Fontane
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Titel: Karl Stuart
Untertitel:
aus: Gedichte, S. 250–284
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1851
Verlag: Carl Reimarus’ Verlag. W. Ernst.
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Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
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Quelle: UB Bielefeld und Commons
Kurzbeschreibung:
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[250]
Karl Stuart.
(Dramatisches Fragment.)
[252]


Personen.

Karl Stuart, König von England.

Henriette Marie (Tochter Heinrichs IV. von Frankreich), seine Gemahlin.

Thomas Wentworth, Graf v. Strafford, erster Minister.

Oberst Goring.

Oberst Bloomingfield.

Van Dyk.

Ein Diener.

Ort: London.     Zeit: 1640.


[253]
Erster Akt.


Der König. Van Dyck.

Zimmer des Königs. Auf einem Stuhl, seitwärts vom König, steht das Bild der Königin, von Van Dyk gemalt. Der Maler selbst, der das Bild eben gebracht, in einiger Entfernung hinter dem König.

König.
Der Meister hat sich neu bewährt; das ist
Kein Bild der Königin, das ist sie selbst.

Van Dyk. (sich verbeugend)
Ein liebend Auge ist ein milder Richter,
Ihr lobt das Bild, weil Ihr sein Vorbild liebt.

[254]
König.

O, Niemand weiß es besser es als ihr Maler:
Der Liebe Blindheit hat die schärfsten Augen.
Wir übersehn die Blattern des Gesichts,
Sind blind für alle Mängel der Natur,
Und doch, wenn auf dem Bildnis unsrer Schönen
Das Grübchen fehlt, das sie beim Lächeln zeigt,
So merken wir’s, und nennen voll Entrüstung
Des Meisters Werk – elende Stümperei.

Van Dyk.
Kann sein daß mir die Stunde günstig war,
Auch malt’ ich mit besondrer Lust und Liebe:
Mir lag ein Trieb und Sporn in dem Gedanken
„Es gilt der Tochter einer Medicis“; –
Dem ganzen Hause malt’ ich dieses Bild,
Ein Künstlerdank an alle Mediceer.

König.
Die Völker fühlen anders.

[255]
Van Dyk.

 Volk und Kunst
Sind jetzt Geschwister, die sich nicht verstehn;
Es zieht ein jedes seine eigne Straße.

König.
Ein wahres Wort! und glücklich alle Kunst,
Die unberührt vom Schmutz und Schlamm des Lebens,
Taub für den Haß und Wirrwarr der Parthein,
Den Massen fern, – die eignen Pfade zieht.
Und glücklich Ihr, die Ihr der Schönheit dient!
Euch bindet nicht des Landes enge Grenze,
Nur in zwei Völker theilt sich Euch die Welt:
In geistig Sehende und geistig Blinde.
Die Einen fliegen jubelnd Euch entgegen,
Die Andern wissen kaum es, daß ihr seid,
Und so, vor aller Niedrigkeit geborgen,
Löst ihr das Räthsel, ungehasst vom Pöbel,
Der Guten Freund, der Besten – Stolz zu sein.

[256]
Van Dyk.

Wohl, alle Kunst ist ein Geschenk des Himmels,
Und Dankbarkeit des Auserwählten Pflicht,
Doch haben wir auch unsre schweren Stunden.
Den jungen Ruhm vergiftet uns der Neid,
Die eigne Kraft betrachten wir voll Zweifel,
Und was so leicht sich und natürlich giebt,
Als wär’ das Werk uns in den Schooß gefallen,
Das rang in uns oft jahrelang nach Form,
Und manches Wehe – –

König. (ihn unterbrechend)
 Hört Ihr drauß den Lärm?!
Nicht Ruh nicht Rast in meinem eignen Haus!
Van Dyk – ich seh Euch wieder! Tag um Tag
Bestürmt mich jetzt das Volk, und seine Bitten
Sind nicht viel anders wie Befehle. Gott
Zum Gruß, nochmals – lebt wohl! (Van Dyk ab.)

(Die Königin rasch und in höchster Aufregung eintretend.)

[257]
König.

 Was giebt’s Marie?

Königin.
Es ist empörend!

König.
 Was empört Dich? sprich.

Königin.
Das City-Volk ist wieder auf den Beinen –

König.
Und wie ein Zerrbild auf Gesetz und Recht,
Schreit es: Gerechtigkeit, Gerechtigkeit!
Ich kenn’ sie schon, die neuen Themis-Priester
Mit nackten Armen und geschwungner Axt.
Wem gilt es heut?

Königin.
 Ach, meiner armen Mutter.
Durch Ränkekunst vom eignen Herd verbannt,
Sucht Schutz sie bei der königlichen Tochter,

[258]
Doch ärmer als des ärmsten Mannes Weib,

Hab’ ich kein Obdach für die eigne Mutter.

König.
Was soll’s mit ihr?

Königin.
 Fort soll sie aus dem Land.
„Weg die Papistin, weg den Antichrist,
Weg mit dem Buhlweib Herzog Buckingham’s!“
So schrein die Rasenden, und die Späße hört’ ich,
Die alle Sitt’ und Scham mit Füßen treten.
Sonst stirbt der Haß mit des Verhaßten Glück,
Nur dieses Volk geizt nach der Schanden-Ehre
Für alles Mitleid taub und todt zu sein;
Zu altem Haß gesell’n sie neuen Spott,
Und roher als das rohste Volk der Wüste,
Mißachten sie des Gastes heilig Recht.

König.
Wär’ Strafford da!

[259]
Königin.

 Nenn' mir den Namen nicht.
Er hat die Hand im Spiel; ich weiß es sicher.

König.
So ist er hier?

Königin.
 Seit gestern schon.

(Ein Diener tritt ein.)

Diener. (anmeldend)
Graf Strafford, – Majestät. (Diener ab.)

(Strafford tritt ein und eilt auf den König zu.)

Strafford. (mit Wärme)
 Mein Herr und König!

(er küsst des Königs Hand und verbeugt sich dann gemessen gegen die Königin.)

König.
Gegrüßt Mylord! Ich wähnt Euch noch in Irland,
Von langer, schwerer Krankheit kaum erstanden,

[260]
Doch Strafford ist der alte; er genas

Aus Lust und Liebe seinem Herrn zu dienen.

Strafford.
Ihr sprecht es aus; krank traf mich Euer Brief,
Ich las: Ihr rieft mich, – und ich war genesen.
Seit gestern bin ich hier; o, wär’ ich’s länger:
Bei Freund und Feind welch’ Wechsel der Erscheinung!
Der Feinde Haß, ohnmächtig sonst vor Furcht,
Jetzt prahlt er schier in offnem Widerstande, –
Und schlimmer noch: des Argwohns Rattenzahn
Nagt an der Freunde Herz.

König.
 Vor allem, Graf,
Saht Ihr das freche Treiben vor dem Schloß?

Strafford.
All dieses Treiben ist nur Wiederhall,
Ist nur Symptom der Krankheit, nicht sie selbst,
Die Krankheit selber nennt sich – Parlament.

[261]
Das ist die Amme, die den Zwiespalt säugt,

Das ist die Wurzel, die den Giftbaum trägt,
Und, allen Stolz wegwerfend aus der Brust,
Sprech ich zu jedem Feinde: „sei mein Freund“,
Um diesen Urfeind sichrer zu vernichten.

König.
Ich lieb ihn nicht; doch was zumeist ich hasse,
Das ist dies Straßenparlament, das täglich
Mit drohenden Fäusten jetzt Gesetze macht.
Wie stand es draußen?

Strafford.
 Leer ist Hof und Platz.
Des Schlosses Wache griff die lautsten Schreier, –
Der Rest zerstob wie Spreu.

Königin. (lebhaft)
 Und die Gefangenen?

Strafford.
Sind noch in Haft.

[262]
Königin. (heftig)

 Sie müssen an den Pranger.

Strafford.
Das gäb’ ein Martyrthum, wär’ ein Triumph;
Sie würden Blumen erndten statt der Schande.

Königin.
So laßt sie peitschen.

Strafford.
 Gnäd’ge Königin,
Wir haben andre Feinde zu bekämpfen.
Mein Rath ist: gebt sie frei, – und mehr als das:
Gebt ihrem Wunsch Gehör.

König.
 Ich fass’ Euch nicht.
Ihr könnt nicht meinen, Graf, –

Strafford.
 Der Königin Mutter.
Muß aus dem Land.

[263]
Königin.

 Wie?!

König.
 Mylord Strafford, traun,
Nachgiebigkeit war sonst nicht Eure Tugend.

Strafford.
Und ist es nicht; was Euch so scheinen mag
Ist Pflicht der Klugheit, ist – Nothwendigkeit.

König.
Die Klugheit heischt nur eins: dem Unfug steuern,
Ziel setzen diesem maaßlos frechen Fordern.

Strafford.
Des Volkes Fordrung ist nicht frech an sich,
Es war’s die Art und Weise nur, die Form,
Die Wie war sträflich, aber nicht das Was.
Hört auf dies „Was“. Der Feind ist stark; wir brauchen
Vertrauen jetzt, wir brauchen Bundsgenossen:
Des Volkes Lieb’ und Treu’, um jeden Preis;

[264]
Der Königin Mutter aber (sei’s geklagt!)

Ist unsrem Volk verhaßt.

König.
 Sagt unsrem Pöbel.

Strafford.
Des Pöbels Stimme dürfen wir verachten,
So lang es eben Pöbel nur, was schreit.
Doch wenn ein ganzes Volk dahintersteht,
Und jene rohe Menge nur die Zunge
Dem Wunsch und Willen aller Herzen leiht,
Dann ist es Zeit auf solchen Ruf zu achten,
Und diese Stunde kam. – Auf meiner Fahrt
Jüngst durch die Westprovinzen dieses Lands,
In Chester, Warwick, Oxford, Shrewsbury,
All überall, am Weg, in Dorf und Stadt,
Stand man in Gruppen, schüttelte den Kopf,
Und trat ich näher, stets der selbe Name
„Marie von Medicis“, – dieselben Flüche,
Und stets derselbe Ruf: „fort muß sie, fort“.

[265]
Das war der Pöbel nicht, das war das Volk,

Und dieses Volk und seine gute Meinung
Das brauchen wir, das fiel entscheidungsvoll
Noch immer in des Kampfes Wage, und
Wohin sich’s neiget, neigt sich auch der Sieg.

Königin.
Genug, Mylord! Ihr müht umsonst Euch ab
Des Staatsmanns Ernst und Würde zu erkünsteln,
Zu thun, als knüpfe sich das Wohl des Lands
An meiner Mutter Bleiben oder Gehn.
Sie soll nicht fort um Ruh und Friedens willen,
Nicht fort, weil Pöbel oder Volk es fordert,
Sie soll nur fort, weil es Graf Strafford will.
Verletzte Eitelkeit schreit laut um Rache:
Ihr denkt des Tages noch, wo meine Mutter
„Land-Edelmann“ in bittrem Scherz Euch nannte.
Doch Eitelkeit ist nur der stumpfre Sporn,
Der Herrschsucht Stachel setzt Euch schärfer zu,
Erproben möchtet Ihr an diesem Fall

[266]
All Eure Aussicht auf Allmächtigkeit.

Ein kranker Stolz hat Euer Herz vergiftet;
Die Liebe selbst zu Eurem Herrn und König
Ist nur ein Kind des Hochmuths dem Ihr dient,
Und meiner Liebe Macht und Einfluß fürchtend,
Haßt Ihr mich schon, weil mich der König liebt.
Thut, was Ihr müsst, nur schonet meine Mutter,
Sonst Graf, so wahr ich meiner Mutter Tochter,
Ich denk’ es Euch.   (ab.)

König.
 Mylord, nicht Fürsten nur,
Auch Völker kennen Eigensinn und Laune.
Welch’ Makel haftet an der Königin Mutter?!
Ist es der bloße Name „Medicis“?
Wie, oder geht das ewige Gespenst –
Die Furcht vor Rom und seinem Papstthum wieder
Durch’s ganze Land?

Strafford.
 Hört, was ich selbst vernahm.

[267]
Zu Coventry, es war am hellen Tag,

Sprang Einer aus dem Volk auf eine Tonne.
„Landsleute, – rief er – hört ein Stückchen noch
Von einer Medicis und Königin Mutter;
Hieß Katharine zwar, und nicht Marie,
Doch welcher Apfel fiele weit vom Stamm!
     Bluthochzeit feierte die Stadt Paris,
     Der Glocke Zeichen war in Nacht verklungen,
     Und durch die Straßen, wie gehetztes Wild,
     Wehschreiend, betend floh der Hugenott.
     Schon zog ein Blutstreif durch den Seine-Fluß,
     Schon lag verstümmelt, siebenfach durchbohrt,
     Auf offnem Platz der greise Coligny,
     Und immer noch, den Mord zum Morde mahnend,
     „Laßt Ader!“ schrie der tückische Tavannes.
     Im Schlosse aber, daß sie Louvre nennen,
     An jener hohen Bogenfenster einem,
     Stand König Karl, der neunte seines Namens,

[268]
     Und zitterte. Der ungeheure Frevel

     Griff ihm in’s Herz. Trotz Licht und Fackelglanz,
     Nacht war’s um ihn. Er warf die Büchse fort;
     „Ich kann nicht schießen, Mutter!“ rief der König.
     Da trat ein Weib hervor, schwarz war ihr Haar,
     Schwarz wie der Sammet ihres Schleppenkleides,
     Und ihrem Aug’ entflammte tiefre Gluth,
     Als dem Rubin, der ihr am Nacken blitzte.
     „Bist Du ein Mann!“ so raunte sie ihm zu,
     Ein König und – so feig? ich mag’s nicht glauben!“
     Das zündete. Der Fürst, in falscher Scham
     Ergriff er neu das Rohr, sie aber rief:
     „Schau dort das Weib, das Hugenottenweib, –
     Sie flieht und birgt den Säugling an der Brust, –
     Zertritt das Raupennest!“ Der König schoß;
     Ein Wehschrei klang herauf; doch die Entmenschte

[269]
     Schlug in die Hand und lachte: „brav, mein Sohn!“

Und dieses Weib – und nun geht still nach Haus –
War eine Medicis und Königin Mutter.
     So sprach der Mann (es war zu Coventry)
Und sprang herab; ich aber fuhr des Wegs.

König.
Und ward kein Beifall laut? trug man den Sprecher
Nicht im Triumph nach Haus? schwur nicht ein Jeder,
Vom feisten Höker bis zum Bettelbuben,
Für seinen Glauben einzustehn? die Thoren,
Als sei ihr Glauben in Gefahr! so aber
Ist dieses Volk: sein Denken all und Fühlen,
Sein Heiligstes, ein Spielball ist’s in Händen
Fanat’scher Priester, oder schlimmer noch,
Ehrgeiz’ger Gaukler die ihr Fach verstehn.

[270]
Der Mann, der da herab von seiner Tonne,

Mit jedem Wort die Saat des Hasses streute,
Was gab er mehr als Worte? welche Schuld
Warf er der Königin Mutter vor die Füße?
Was war es? nichts! ihr Name – ihre Schuld.

Strafford.
Das eben ist’s; da lebt uns die Gefahr,
Daß jeder Scheingrund gläubge Hörer findet,
Daß alles Volk, von Argwohn wie bestrickt,
Das Tollste glaubt, nicht weil es glaubhaft wäre,
Nein, eben deshalb weil’s unglaublich ist.
Schon flüstert man von einer Hofverschwörung,
Ihr – heißt es – seid im Herzen Katholik,
Und neu-errichtet sehn viel Tausend schon
Die Scheiterhaufen der Maria Tudor
Durch diese mediceische Marie.
Des Mißtrauens Nessel wuchert durch das Land,
Und dieses Unkraut aus den Seelen reißen,
Das kann kein Wort, das kann nur – eine That.

[271]
König.

Weh aller Zeit – und es ist unsre Zeit –
Wo des Vertrauens Brücke abgebrochen,
Die zwischen Volk und Fürstenherz sich schlug;
Wo Königswort ein leerer Schall geworden,
Ein tönend Erz und einer Schelle Klang.
Des Volkes Furcht ist Wahn! und doch, ich fühl’ es,
Was Argwohn eingeätzt in die Gemüther,
Das wischt man nicht mit Worten aus der Brust;
So sei’s denn eine That; sei’s denn ein Opfer:
Der Königin Mutter geht!

Strafford.
 Glück auf, zum Sieg!
Aus dem Entschluß wächst uns ein ganzes Heer.
Traun, wie bei Azincourt, auf blut’gem Feld,
Die Geister einst der Helden von Crecy
Die Lücken stopften und zum Sieg uns führten, –
So fechten jetzt für uns die guten Geister
Neu aufgeweckter Lieb’ und Treu. – Und nun

[272]
Ans Parlament, – es darf nicht länger leben!


König.
Kein Ueberstürzen, Graf! der Schritt ist ernst.
Das rasche Zürnen unsrer früh’ren Jahre,
Das, Mal auf Mal, die trotz’gen Parlamente
Uns lösen ließ, – es hat nicht eingeschüchtert,
Es hat erbittert nur. Nein, nein, Mylord!
Das Mißtraun, das Ihr wegzutilgen trachtet,
So streut Ihr’s nur mit vollern Händen aus,
Denn eifersüchtig, bis zum eignen Schaden,
– Das Beste selbst noch als ein Schlimmes deutend, –
Wie seinen Glauben unser Volk bewacht,
Bewacht es auch sein Recht.

Strafford.
 Sein Recht? das soll’s!
Doch das ist keines von des Volkes Rechten,
Daß, wenn durch List und Mißbrauch aller Art,

[273]
Des Landes puritansche Conventikel

In’s Parlament (das Volkesstimme sei)
Mit Bibelsprüchen sich hineingezetert, –
Daß wir vor solchem Echo von Sektirern
In Ehrfurcht stehn, wie vor Orakelsprüchen.
Das Wohl des Volkes ist sein höchstes Recht,
Und in dem Rechte wurzelt unser Recht,
Die Axt an solchen faulen Stamm zu legen.

König.
Und wenn’s geschäh’, was führt dann den Beweis
Klar und handgreiflich vor des Argwohns Augen,
Daß Liebe nur zu Volk und Land, nicht aber
Engherzger Haß zu diesem Schritt uns trieb!
Glaubt Ihr, Mylord, daß jenes Bleigewicht,
Was dieses Parlamentes Filzerei
All unsren Plänen an die Flügel hängt, –
Daß all die Steine, die sein Widersprechen
Bei jedem Schritt uns vor die Füße rollt, –
Daß all sein Pfeile-schießen giftgen Spottes,

[274]
Sein uns mit Koth-bewerfen plumper Späße, –

Daß alles das uns in des Volkes Augen
Ein Recht verleiht die Lästgen abzuschütteln?!
Nein, an dem Spiel erquickt sich nur das Volk,
Erlabt sich dran, daß wir, die Hochbeglückten,
Auch unsren Hemmschuh an den Füßen tragen,
Und eh’ Ihr nicht mit etwas Ungeheurem
An ihre Seele klopft und sprecht: „seht her!
Die ihr „Vertreter“ nennt, – es sind Verräter“;
Eh’ glückt es nicht. –

Strafford.
 Drum eben glückt es, – lest!

(er überreicht dem König ein Papier)

Ein Ungefähr verschafft uns diesen Brief.
Der Zufall ist oft klüger als die Klügsten,
Und überlistet hämisch noch die List.

(während der König liest, mit immer steigender Lebendigkeit)

[275]
Jetzt haben wir die Füchse all im Eisen,

Die Pym’s, die Hampden’s und die Harrison’s!
Verrath liegt klar zu Tag! das Schottenheer,
Das immer noch an unsrer Grenze lungert,
Hier dieser Brief nennt es: „viel-liebe Brüder“
Und ladet gastlich, Wort um Wort, es ein,
An unsres Landes Tische sich zu setzen.
Das ist Verrath auch in des Volkes Augen!
So gradezu den Feind herbeizurufen,
Und mit ihm Krieg und seine tausend Wunden,
Das öffnet aller Augen.

König.
 Ihr vergesst,
(In zürnender Entrüstung, die ich theile,)
Fünf Namen nur verräht uns dieses Blatt:
Pym, Hampden, Hollis, Cromwell, Harrison.
Die That ist ihre That; das Parlament
Hat keinen Teil daran.

[276]
Strafford.

 Es wird ihn haben.
Auswirk’ ich heute noch im Haus der Lords,
Noch diese Stunde, den Verhaftsbefehl;
Mit dem Befehl dann hin in’s Unterhaus,
Vom Hause selber diese fünf zu fordern.
Wenn sich’s dann weigert, – und es wird sich weigern,
Sich sträuben, wie der Leib sich sträubt die Seele,
In der sein Leben wurzelt, wegzugeben, –
Dann Sieg! Hintretend vor Alt-Englands Volk,
Abreißend diesen Heuchlern ihre Maske,
Erklären wir dies Schelmen-Parlament
Für aufgelöst; und wenn dann unser Land,
– Rundköpfge Psalmensänger ausgenommen –
Nicht „Amen“ spricht, und nicht aus voller Kehle
„Hoch leb’ der König!“ ruft, so nennt es Lüge
Nenn ich mich je noch Euren treusten Diener.

[277]
König.

Rundköpfge Psalmensänger, wie Ihr sagt,
Uns lebt davon ein gutes Theil im Lande.
Sie werden um ihr Parlament sich schaaren,
Und wenn die Schotten dann die Waffenruhe
In alter, guter Schottentreue brechen –

Strafford.
So sind, gestützt auf unser Volk und Recht,
Wir diesem Feind wie jedem Feind gewachsen.
Die irische Armee ist treu: wir werfen
Von Belfast und Dublin zehntausend Mann
Kerntruppen ’rüber an die schottsche Küste,
Und wenn sich’s hier am eignen Herde regt,
So haben wir auch hier noch Regimenter,
Die nur des Zeichens harrn –

König. (gespannt)
 Glaubt Ihr das sicher?

Strafford.
So sicher wie an meine Schuld ich glaube,

[278]
Und an Vergebung meiner Schuld. Hört selbst:

Goring und Bloomingfield, zwei Obersten,
Harrn in der Halle draus und bitten dringend
Um Audienz, im Auftrag ihrer Corps’s.
Gefall’ es Euch, sie vorzulassen.

König. (indem er klingelt)
 Gern!

(zum hereintretenden Diener:)

 Die Obersten!

(Die Obersten treten ein)

 Ah, Oberst Bloomingfield!
Ich sah zu Berwick Euch, im vor’gen Herbst,
Als wir den Schotten gegenüberstanden.
Ein stattlich Regiment das Eure! Sagt,
Wie steht’s um Geist und Stimmung in der Truppe?

Bloomingfield.
Schlecht, Majestät!

[279]
König.

 Schlecht, Oberst? Sprecht, wie das?!

Bloomingfield.
Schlecht Majestät, weil man uns ganz vergisst,
Uns Sold bezahlt um – Nichts, anstatt der Treue
Doch auch ein Wort, ein Wort mit hier zu gönnen.

(er schlägt mit ganzer Hand an seinen Degen.)

Wir denken so: wie lange wird dies Nest
Von Rechtsverdrehern und von Krämerseelen
– Dienstfertge Narren nennen’s Parlament –
Noch unsrem Herrn in seiner Krone sitzen?
Und unser Tisch- und unser Nacht-Gebet
Heißt immer: Gott erleuchte unsren König,
Daß er, wie unser Heiland einst vor Zeiten,
Die Schachrer alle aus dem Tempel jagt.

König.
Topp, Bloomingfield, wie auch ihr Ausdruck sei,
Ich weiß die Treue jederzeit zu schätzen,

[280]
Und mit dem Herzen hört’ ich, was Ihr spracht. –

Euch Oberst Goring, staun’ ich fast zu sehn:
Vom Grafen Esser hört’ ich gestern noch,
Ihr wärt mit Leib und Seele Puritaner.

Goring.
Das bin ich, Majestät; vor allen aber
Bin ich Soldat; und was ich sonst auch glaube,
Zuvörderst glaub’ an Gott ich und – den König.

König.
Das nenn ich brav gesprochen! nun, Ihr Herrn,
Was führt Euch her? ein Wunsch aus solchen Herzen
Trägt die Gewähr in sich.

Bloomingfield.
 Das wolle Gott!
Wir haben hier ein Blatt zu recht geschriftet,
Und bitten Eure Königlichen Gnaden,
Zu Trost und Hoffnung aller treuen Diener,
Dies Blatt zu unterschreiben. Inhalt lautet:

[281]
– Das heißt der langen Rede kurzer Sinn –

„Ich Unterzeichneter, der König Karl,
Will wieder König sein in meinen Landen,
Was ich hiemit kund und zu wissen thu.“

König. (lachend)
Habt Ihr das je bezweifelt! dachtet Ihr
Ich könnte je, gleich jenem Kaiser Karl,
Mein Diadem mit der Tonsur vertauschen?

Bloomingfield.
Schreibt, Majestät; ‘s wirkt besser schwarz auf weiß.

König. (heiter)
Es mag drum sein!

(er unterschreibt.)

 Nun Bloomingfield, nehmt hin!
Wir werden Eures Arms und Eurer Treue
Gar bald bedürfen, – sagt das Euren Corps’s,
Und damit Gott befohlen!

(Die Obersten ab.)

[282]
  Strafford, traun,

Wir haben Schätze noch trotz leeren Schatzes!
Des alten Graubarts ungeschlachtet Wort
Ging wie ein Becher Wein mir durch die Seele.
Ihr aber blickt so finster; was geschah?

Strafford.
Ein Nichts, und doch ein Etwas, – wie Ihr wollt.
Mein Blick fiel eben auf das Bild: es lachte;
Mir ging dies Lachen auch durch meine Seele.

König.
Strafford, was ficht Euch an?

Strafford.
(stürmisch die Hand des Königs fassend)

 Mein Herr und König,
Wenn diese Hand zum letzten Mal ich küsste!

König. (voll Theilnahme)
Ihr seid doch krank, Mylord!

[283]
Strafford.

 Mir ahnt Gefahr; –
Verschworen hat der Haß sich meiner Feinde,
Ich weiß es, ihre Fallen sind gestellt:
Sie oder ich, – so steht das Spiel.

(er schweigt einen Augenblick, dann in höchster Aufgeregtheit:)

 Was auch gescheh’,
Man kann an’s Leben mir, nicht an die Treue. –
Und nun ins Haus der Lords!  (ab.)

König.
 Behüt’ Euch Gott!

(er sieht ihm nach, dann nach einer Pause:)

O, weckte doch ein Abglanz solcher Treue
In allen Herzen, drin der Argwohn wintert,
Wie Sonnenblick, den Frühling des Vertrauens.
     Vertrauen, schönster Stein in Königskronen,
Du Mutter aller Liebe, und ihr Kind,
Du einzig Pfühl, auf dem wir sorglos schlummern,

[284]
Ich rufe Dich, kehr’ wieder in dies Land!

Es giebt kein Glück, wo Du den Rücken wandtest,
Es giebt kein Unglück – lächelst Du auf’s Neu;
Laß siegen mich mit Dir in Friedensschlachten,
Ein Sieg nur über Herzen ist ein Sieg.