Katharina Klafsky

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Textdaten
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Autor: Heinrich Ehrlich
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Titel: Katharina Klafsky
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aus: Die Gartenlaube, Heft 42, S. 755
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[755] Katharina Klafsky. scheint uns die Auserwählte zu sein, welche die unvergeßliche, der Kunst so früh entrissene Reicher-Kindermann ersetzen wird. Gleich dieser hat sie Jahre lang in kleineren Rollen gewirkt, bevor ihr großes Talent sich entfaltete und Anerkennung gewann. Nur war das Los der Reicher-Kindermann in so fern ein viel günstigeres, als sie in der Jugend den Musikunterricht ihres Vaters, des ausgezeichneten Sängers genoß, während die Künstlerin, deren Bild und kurze Lebensbeschreibung wir hier bieten, erst die härtesten Lebensproben zu bestehen hatte, bevor sie überhaupt zum Bewußtsein ihres großen Talentes gelangte.

Katharina Klafsky.

Katharina Klafsky ist im Jahre 1855 in einer kleinen Stadt Ungarns, Sankt Johann (Komitat Wieselburg), geboren. Ihr Vater war ein ehrsamer Schustermeister; nebenbei beschäftigte er sich mit Musik; er und seine Frau sangen in der Kirche bei den Sonntags- und Feiertagsmessen; auch die kleine Kathi mußte, sobald sich ein Stimmchen bei ihr zeigte, bei Processionen, Begräbnissen, Hochzeiten als Choristin wirken. Als sie fünfzehn Jahre alt, verlor sie die Mutter; der Vater nahm eine zweite Frau, und diese war der Stieftochter nicht gut gesinnt, die „Kathi“ ging aus dem Hause, um sich ihr Brot zu verdienen. Erst weilte sie in Oedenburg, dann brachte der Vater sie nach Wien zu einer ihm bekannten Dame, bei der sie feinere Handarbeit und die Hauswirthschaft erlernen sollte. Als sie einmal in der Küche sang, ward die Dame auf ihre Stimme aufmerksam und empfahl sie dem Direktor eines kleinen Kirchenchors, H. Neuwirth. Dieser empfand Theilnahme für das junge Mädchen, ließ sie kleine Solo-Kirchenarien singen, verwendete sich bei dem Direktor des Konservatoriums Hellmersberger, und dieser empfahl sie der ausgezeichneten Gesanglehrerin Marchesi, die damals noch in Wien wirkte (jetzt lebt sie in Paris), das Talent des jungen Mädchens sofort erkannte und sie eine Zeit lang unentgeltlich unterrichtete. Im Jahre 1875 begann sie ihre Theaterlaufbahn in Salzburg und in ganz kleinen Rollen. 1876 verheirathete sie sich mit einem jungen Kaufmann, zog mit ihm nach Leipzig und gedachte, ganz im häuslichen Privatleben zu verbleiben. Aber ungünstige Verhältnisse zwangen sie, ihre Begabung von Neuem der Kunst zu weihen.

Zu jener Zeit stand die Oper des Leipziger Theaters unter Direktion von Angelo Neumann; er engagirte Frau Klafsky sofort. Doch es gelang ihr eine Zeit hindurch nur schwer, Anerkennung des Publikums zu gewinnen. Als aber der Direktor die Reisen mit dem „Wagner-Theater“ begann (bei dem bekanntlich die Reicher-Kindermann auch zuerst in den bescheidenen Rollen der „Fricka“, selbst der „Erda“ auftrat), da entfaltete sich das große Talent unserer Künstlerin bald in schönster Kraft. Sie sang einmal in Berlin die „Siglinde“, und die gesammte Kritik verhieß ihr sofort eine glänzende Zukunft. Und sie hat die Prophezeiung bewahrheitet. Wohin immer sie in den letzten Jahren kam, feierte sie Triumphe, die nur eine Zeit lang in Italien durch ein böses Malariafieber unterbrochen wurden, das sie fast ein Jahr der Bühne entzog. Aber jetzt wirkt sie wieder in Vollkraft. Nachdem sie eine Zeit lang in Bremen engagirt war, gehört sie jetzt dem Hamburger Stadttheater an. Im Sommer 1885 hat sie auf dem Krolltheater in Berlin die großartigsten Erfolge errungen.

Frau Klafsky besitzt eine ungemein umfangreiche, kräftige, in allen Registern gleichmäßig ausgebildete, aller Tonfärbungen fähige Stimme. Aber viel mehr als durch diese Stimme wirkt sie durch ihren Vortrag, durch ihre edle Auffassung, durch ein eigenartiges „Etwas“ in ihrem Wesen, das den Zuhörer in eine höhere Stimmung versetzt; er fühlt, daß die Sängerin da oben auf der Bühne ganz aufgeht in ihrer künstlerischen Aufgabe, daß in ihr ein energischer Geist lebt, der sich aufschwingt über alle momentane Störungen. Sie singt fast am schönsten, wenn sie im Anfang mit einer kleinen Ermüdung, mit Unsicherheit zu kämpfen hat; dann wird sie von Scene zu Scene wärmer, begeisterter. Hochdramatische Rollen, Fidelio, Donna Anna, Valentine sind ihre Hauptpartien; wie sie aber auch im Lyrisch-Leidenschaftlichen sehr Schönes leistet, hat sie als Siglinde oft genug bewiesen. Wir wollen ihr wünschen, daß sie als Kunsterbin der großen Reicher-Kindermann recht lange sich des idealen Besitzes erfreue. Heinrich Ehrlich.