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Lettische Volkslieder und Mythen/Waisenmädchens Glück

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Die Entführte Lettische Volkslieder und Mythen
von Victor von Andrejanoff
Kurlands Preis
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[46]
136.
Waisenmädchens Glück.

Wie der weiße Schwan im Wasser
Bin ich im Gered’ der Leute,
Wasser haftet nicht am Schwane,
Nicht an mir das Volksgered’.
Schwan, erheb dich aus dem Wasser,
Wie ich aus dem Klatsch mich hob! …

Gestern stieg ich auf den Hügel,
Sah mich um in Nah’ und Fern’;
Lauschte neubegier’gen Ohres:
Was erdröhnt’ die Erde so? …
Ritt im Thal auf schmuckem Rößlein
Reichen Hofbesitzers Sohn.
Hielt am Fuß des grünen Hügels
An sein wohlgepflegtes Roß,

[47]

Rief hinauf mit heller Stimme:
„Komm herab, o Waisenmaid!“
Seiner Stimme Ton vernehmend
Wurde mir die Wange heiß,
Wurde heiß die Rosenwange,
Fiel mein Kränzlein mir vom Haupt;
Und der Wind ergriff das Kränzlein,
Trug es in das Thal hinab.
Schnell vom Pferd sprang da der Jüngling,
Hob mein Jungfernkränzchen auf;
Hielt es hoch in seiner Rechten,
Bis ich zu ihm niederstieg.

„Sag mir frank und ohne Bangen,
Wie viel kostet dieser Kranz?“

Jüngling, meine Jungfernkrone
Ist mir nicht um Schätze feil!
Wer sich kaufen will mein Kränzlein.
Muß auch nehmen Herz und Hand!

„Setz aufs Haupt dein Jungfernkrönlein,
Steig zu mir aufs braune Roß!
Weinen wird so manche Jungfrau,
Wenn sie hört von deinem Glück.
Fürchte nichts, lieb Waisenmädchen.
Sitzend vor mir auf dem Roß!
Denn das ist mein liebes Rößlein,
Und du bist mein herz’ger Schatz!. …